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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 02.04.2004
Aktenzeichen: 1 BvR 1620/03
Rechtsgebiete: GG, BVerfGG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2
BVerfGG § 93 a Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 1620/03 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 4. Juli 2003 - WpÜG 4/03 -,

b) den Widerspruchsbescheid der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 3. Juni 2003 - WA 12 - W 1865 - 06/2003 -,

c) den Bescheid der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 25. April 2003 - WA 16 - W 2902-2/2003 -

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Jaeger und die Richter Hömig, Bryde gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 2. April 2004 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein Angebotsverfahren nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) in der Fassung des Gesetzes vom 23. Juli 2002 (BGBl I S. 2850, 2853).

Die Beschwerdeführerin, eine Gesellschaft mit Sitz in Großbritannien, tritt als Kapitalanlegerin an deutschen Börsen auf und hält Vorzugsaktien der W. AG. 2003 veröffentlichte die P. GmbH die Entscheidung, den Aktionären der W. AG ein freiwilliges Übernahmeangebot zu machen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (im Folgenden: Bundesanstalt) gestattete die Veröffentlichung der Angebotsunterlage. Die Beschwerdeführerin hielt das Angebot für zu niedrig, insbesondere deshalb, weil bei den Vorzugsaktien die Vorerwerbspreise für Stammaktien entgegen § 4 der WpÜG-Angebotsverordnung vom 27. Dezember 2001 (BGBl I S. 4263) nicht in die Angebotsbildung eingegangen seien. Sie legte daher gegen die Gestattung Widerspruch ein. Nach dessen Zurückweisung beantragte die Beschwerdeführerin mit der Beschwerde zum Oberlandesgericht, die Gestattung der Veröffentlichung aufzuheben, hilfsweise das Übernahmeangebot zu untersagen oder festzustellen, dass die Gestattung rechtswidrig sei. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen, weil der Widerspruchsbescheid im Hinblick darauf rechtmäßig sei, dass der Beschwerdeführerin eine Antrags- und Widerspruchsbefugnis nicht zustehe (vgl. DB 2003, S. 1782 = ZIP 2003, S. 1392). Dagegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit der Verfassungsbeschwerde, mit der sie vor allem die Verletzung von Art. 14 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1, von Art. 19 Abs. 4 und von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG rügt.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht gegeben sind.

1. Der Verfassungsbeschwerde kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu.

a) Die Frage der Grundrechtsfähigkeit ausländischer juristischer Personen mit Sitz in der Europäischen Gemeinschaft war im Ausgangsverfahren nicht entscheidungserheblich. Auch für das Verfassungsbeschwerdeverfahren kann dahinstehen, ob eine Grundrechtsgeltung insoweit mit Blick auf Art. 19 Abs. 3 GG generell abzulehnen ist (vgl. dazu BVerfGE 21, 207 <208 f.>; 23, 229 <236>) oder ob dies differenziert betrachtet werden muss (offen gelassen auch in BVerfGE 64, 1 <11>). Denn für die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde kommt es auf diese Frage nicht an (vgl. BVerfGE 90, 22 <25>).

b) Gleiches gilt für die Frage, ob und inwieweit gegenüber Entscheidungen der Bundesanstalt Dritte, die am Verfahren vor dieser Behörde nicht beteiligt waren, nach Art. 14 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 sowie nach Art. 19 Abs. 4 GG Rechtsschutz beanspruchen können.

Entscheidungserheblich wäre diese Frage nur dann, wenn der Beschwerdeführerin im Angebotsverfahren eine Rechtsposition zustehen würde, gegen die Rechtsschutz verfassungsrechtlich geboten wäre (vgl. BVerfGE 83, 182 <194 f.>). Eine solche Rechtsposition könnte sich im Hinblick darauf ergeben, dass die Bundesanstalt nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG ein Übernahmeangebot zu untersagen hat, wenn die in der Angebotsunterlage enthaltenen Angaben offensichtlich gegen Vorschriften des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes oder einer aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung verstoßen. Für einen derartigen Rechtsverstoß ist hier jedoch nichts ersichtlich. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die Angaben über Art und Höhe der für die Wertpapiere der W. AG gebotenen Gegenleistung (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 WpÜG) offensichtlich gegen die Pflicht des Bieters nach § 31 Abs. 1 Satz 1 WpÜG verstießen, den Aktionären der Zielgesellschaft eine angemessene Gegenleistung anzubieten. Gegenteiliges lässt sich auch nicht aus § 4 WpÜG-Angebotsverordnung herleiten. Dieser Vorschrift ist nicht offensichtlich zu entnehmen, dass die Gegenleistung auch für Vorzugsaktien der Zielgesellschaft mindestens dem Vorerwerbspreis von Stammaktien entsprechen muss. Die Regelung des § 3 Satz 3 WpÜG-Angebotsver- ordnung spricht vielmehr für das Gegenteil; danach ist die Höhe der Gegenleistung für Aktien, die nicht derselben Gattung angehören, getrennt zu ermitteln (vgl. dazu auch Steinmeyer/Häger, WpÜG, 2002, § 31 Rn. 9; Kremer/Osterhaus, in: Hirte/von Bülow, Kölner Kommentar zum WpÜG, 2003, Anh. § 31 Rn. 9 f.).

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist vor diesem Hintergrund auch nicht zur Durchsetzung der von der Beschwerdeführerin als verletzt gerügten Verfassungsrechte angezeigt. Denn die Verfassungsbeschwerde hat danach keine Aussicht auf Erfolg.

a) Da Anhaltspunkte dafür nicht vorliegen, dass die in der Angebotsunterlage der P. GmbH enthaltenen Angaben über Art und Höhe der für die Wertpapiere der W. AG gebotenen Gegenleistung im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 WpÜG offensichtlich gegen Vorschriften des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes oder der WpÜG-Angebotsverordnung verstießen, kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin als am Angebotsverfahren nicht Beteiligte in ihren Rechten aus Art. 14 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 4 GG verletzt ist, weil ihr nach den angegriffenen Entscheidungen Rechtsschutz gegen die Entscheidung der Bundesanstalt über die Ge-stattung des Übernahmeangebots nicht zusteht.

b) Soweit die Beschwerdeführerin weiter geltend macht, das Oberlandesgericht habe wegen Verletzung der Pflicht zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, führt auch das nicht zur Annahme der Verfassungsbeschwerde. Das Oberlandesgericht hat sich eingehend und in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise mit der Frage einer Vorlagepflicht auseinander gesetzt und diese unter anderem mit der Begründung verneint, dass ein Fall einer den Kapitalverkehr beschränkenden Vorschrift nicht vorliege. Die Beschwerdeführerin setzt sich mit dieser Begründung nicht auseinander. Die von ihr als vorlagepflichtig angesehene Frage hat sich dem Oberlandesgericht nicht gestellt. Im Ausgangsverfahren ist es allein darum gegangen, ob der Beschwerdeführerin gegen die angefochtene Entscheidung der Bundesanstalt Rechtsschutzmöglichkeiten offen standen.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).

Ende der Entscheidung

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