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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 24.10.2000
Aktenzeichen: 1 BvR 1643/95
Rechtsgebiete: BVerfGG, EGBGB, GG
Vorschriften:
BVerfGG § 93 b | |
BVerfGG § 93 a | |
BVerfGG § 93 a Abs. 2 | |
BVerfGG § 93 d Abs. 1 Satz 3 | |
EGBGB § 11 Abs. 3 | |
EGBGB § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c | |
EGBGB § 12 Abs. 3 | |
GG Art. 25 | |
GG Art. 14 | |
GG Art. 20 | |
GG Art. 14 Abs. 1 | |
GG Art. 2 Abs. 1 | |
GG Art. 24 | |
GG Art. 26 | |
GG Art. 25 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1643/95 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
1. der Frau F...,
2. des Herrn G...,
3. der Frau H...,
4. des Herrn V...
- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Bernd Altendorf, Dammstraße 8, Bergen -
gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Rostock vom 20. Juni 1995 - 4 U 9/95 -
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Kühling, die Richterin Jaeger und den Richter Hömig gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 24. Oktober 2000 einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft das im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) geregelte Verfahren zur Abwicklung der Bodenreform in der früheren sowjetischen Besatzungszone.
Die Beschwerdeführer sind Erben und Erbeserben des 1973 verstorbenen Eigentümers von land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen (Schlägen) aus der Bodenreform. Mit der Verfassungsbeschwerde wenden sie sich gegen ein oberlandesgerichtliches Berufungsurteil, durch das sie verurteilt worden sind, diese Flächen an das klagende Land unentgeltlich aufzulassen und diesem die Eintragung im Grundbuch zu bewilligen. Das angegriffene Urteil verstoße gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 25 GG sowie gegen Art. 14 und Art. 20 GG, weil die vom Oberlandesgericht angewandte Regelung des Art. 233 § 11 Abs. 3, § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c, Abs. 3 EGBGB mit diesen Verfassungsnormen nicht zu vereinbaren sei.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der von den Beschwerdeführern als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte angezeigt. Denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 1 des Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 20. März 1952 (BGBl 1956 II S. 1880) ist schon unzulässig, weil die Verletzung dieser Konvention nicht mit der Verfassungsbeschwerde gerügt werden kann (vgl. BVerfGE 41, 126 <149> m.w.N.).
2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.
a) Die angegriffene Entscheidung verstößt weder gegen Art. 14 Abs. 1 GG noch gegen die Grundsätze zum Schutz vor rückwirkenden Gesetzen, der in dieser Norm eine eigenständige Ausprägung erfahren hat (vgl. BVerfGE 101, 239 <257> m.w.N.).
Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c, Abs. 3 EGBGB, den das Oberlandesgericht angewandt hat, ist mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar. Dies gilt auch dann, wenn in Übereinstimmung mit der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angenommen wird, dass das Bodenreformeigentum in der sowjetischen Besatzungszone und in der Deutschen Demokratischen Republik vererblich war, seit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes vom 6. März 1990 auch in den so genannten Alterbfällen, in denen der im Grundbuch eingetragene Eigentümer bereits vor dem 16. März 1990 verstorben war, vollwertigem Eigentum entsprach und als solches in den Geltungsbereich des Grundgesetzes gelangte. Zur Begründung kann auf den als Anlage beigefügten Nichtannahmebeschluss der Kammer vom 6. Oktober 2000 - 1 BvR 1637/99 - verwiesen werden. Das Vorbringen der Beschwerdeführer zeigt in diesem Zusammenhang keine neuen Gesichtspunkte auf, die eine andere Beurteilung gebieten. Dass das Oberlandesgericht bei der Anwendung des Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c, Abs. 3 EGBGB Bedeutung und Tragweite des Art. 14 Abs. 1 GG verkannt haben könnte, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.
b) Die angegriffene Entscheidung verstößt auch nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG.
aa) Mit der Verfassungsbeschwerde kann zwar geltend gemacht werden, dass die Bodenreformabwicklungsvorschriften mit einer durch Art. 25 GG in das Bundesrecht inkorporierten allgemeinen Regel des Völkerrechts, das heißt mit einem universell geltenden Völkergewohnheitsrechtssatz oder einem anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsatz, nicht im Einklang stehen und von ihr verdrängt werden (vgl. BVerfGE 31, 145 <177> m.w.N.; 95, 96 <128 f.>). Einzelne Bestimmungen eines völkerrechtlichen Vertrags stellen aber grundsätzlich keine allgemeinen Regeln des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG dar (vgl. BVerfGE 31, 145 <177 f.>). Sie werden in solche Regeln mit Vorrang vor innerstaatlichem Recht auch nicht durch den Grundsatz "pacta sunt servanda" verwandelt, der selbst als allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne von Art. 25 GG anzusehen ist (vgl. BVerfGE 31, 145 <178>).
Schon danach handelt es sich bei den einzelnen Bestimmungen des Vertrags vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertrag - (BGBl II S. 889; im Folgenden: EV), der als völkerrechtlicher Vertrag geschlossen worden ist (vgl. zur Stellung der Deutschen Demokratischen Republik als Völkerrechtssubjekt BVerfGE 92, 277 <320>; 95, 96 <129>), nicht um allgemeine Regeln des Völkerrechts. Die Beschwerdeführer können daher eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG nicht unter Berufung auf Art. 25 GG mit einem vermeintlichen Verstoß des Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c, Abs. 3 EGBGB gegen Art. 41 Abs. 1, 3 EV begründen. Ob ein solcher Verstoß gegeben ist, kann deshalb dahingestellt bleiben.
bb) Der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes stellt ebenfalls keine allgemeine Regel des Völkerrechts dar. Er folgt insbesondere aus der Präambel des Grundgesetzes, aus Art. 1 Abs. 2 und den Art. 24 bis 26 GG und verpflichtet außerhalb der von Art. 25 GG erfassten allgemeinen Regeln des Völkerrechts zu besonderer Völkerrechtsfreundlichkeit (vgl. Jarass, in: Ders./Pieroth, GG, 5. Aufl. 2000, Art. 25 Rn. 4). Hier kommt ein Verstoß des bundesdeutschen Gesetzgebers gegen den Grundsatz völkerrechtsfreundlichen Verhaltens nicht in Betracht. Dieser Grundsatz gebietet zwar, Rechtsordnungen und -anschauungen anderer Staaten zu achten (vgl. BVerfGE 18, 112 <121>; 75, 1 <17>). Dies gilt aber nur für Rechtsordnungen und -anschauungen noch existierender Staaten. Deshalb besteht für den bundesdeutschen Gesetzgeber seit dem Wirksamwerden des Beitritts der Deutschen Demokratischen Republik keine generelle Verpflichtung zur Achtung der früheren Rechtsordnung der Deutschen Demokratischen Republik mehr.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Ende der Entscheidung
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