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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 20.11.2003
Aktenzeichen: 1 BvR 1680/03
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 1680/03 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen § 51 des Postgesetzes (PostG) in der Fassung vom 16. August 2002 (BGBl I S. 3218)

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier, die Richterin Haas und den Richter Hoffmann-Riem gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 20. November 2003 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich unmittelbar gegen das Dritte Gesetz zur Änderung des Postgesetzes.

I.

1. Im Rahmen der so genannten Postreform II von 1994 wurde das 41. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 30. August 1994 (BGBl I S. 2245) erlassen und eine neue Verfassungsordnung des Postwesens durch die Änderung der Art. 73 Nr. 7, Art. 80 Abs. 2 sowie Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG und die Einfügung von Art. 87 f und Art. 143 b GG geschaffen. Das Postgesetz in der Fassung vom 22. Dezember 1997 enthielt in § 51 Abs. 1 Satz 1 eine befristete gesetzliche Exklusivlizenz. Diese Vorschrift lautete:

Bis zum 31. Dezember 2002 steht der Deutschen Post AG das ausschließliche Recht zu, Briefsendungen und adressierte Kataloge, deren Einzelgewicht weniger als 200 Gramm und deren Einzelpreis bis zum Fünffachen des am 31. Dezember 1997 geltenden Preises für entsprechende Postsendungen der untersten Gewichtsklasse beträgt, gewerbsmäßig zu befördern (gesetzliche Exklusivlizenz).

Das Erste Gesetz zur Änderung des Postgesetzes vom 2. September 2001 (BGBl I S. 2271) hat die Befristung der gesetzlichen Exklusivlizenz für die Deutsche Post AG bis zum 31. Dezember 2007 verlängert. Durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Postgesetzes vom 16. August 2002 (BGBl I S. 3218) wurde § 51 Abs. 1 PostG folgendermaßen geändert. Art. 1 Nr. 3 a) lautet:

Bis zum 31. Dezember 2005 steht der Deutschen Post AG das ausschließliche Recht zu, Briefsendungen und adressierte Kataloge, deren Einzelgewicht bis 100 Gramm und deren Einzelpreis weniger als das Dreifache des Preises für entsprechende Postsendungen der untersten Gewichtsklasse beträgt, gewerbsmäßig zu befördern (gesetzliche Exklusivlizenz).

Art. 2 Nr. 1 a) lautet:

Bis zum 31. Dezember 2007 steht der Deutschen Post AG das ausschließliche Recht zu, Briefsendungen und adressierte Kataloge, deren Einzelgewicht bis 50 Gramm und deren Einzelpreis weniger als das Zweieinhalbfache des Preises für entsprechende Postsendungen der untersten Gewichtsklasse beträgt, gewerbsmäßig zu befördern (gesetzliche Exklusivlizenz).

2. Die Beschwerdeführerin ist ein Postdienstleistungsunternehmen. Sie ist Inhaberin einer Lizenz nach § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG ("D-Lizenz"). Ihre gegen das Erste Gesetz zur Änderung des Postgesetzes erhobene Verfassungsbeschwerde hat die 1. Kammer des Ersten Senats durch Beschluss vom 30. Juli 2003 nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Verfassungsbeschwerde allein gegen das Erste Gesetz zur Änderung des Postgesetzes sowohl wegen Verfristung als auch mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig war.

Mit ihrer nun gegen das Dritte Gesetz zur Änderung des Postgesetzes gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Zur Begründung führt sie unter anderem aus:

Das angegriffene Gesetz verletze sie in ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Der Ausschluss von Wettbewerb bei Briefen bis zu 100 Gramm sei nicht erforderlich gewesen. Das Dritte Änderungsgesetz greife zudem in die Berufsfreiheit als D-Lizenznehmerin ein. Auf Grund der Auswirkungen der Absenkung der Gewichts- und Preisgrenzen könne sie jetzt nicht mehr zu auskömmlichen Preisen ihre Leistungen anbieten. Das Gesetz verletze sie zudem in ihrem Recht auf Erhalt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs. Wiederum berücksichtige das Gesetz nicht die besonderen Gegebenheiten, die für einen Betreiber eines D-Lizenz-Betriebs gelten würden. Der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) sei verletzt, weil sie - anders als die Deutsche Post AG - bei der Beförderung von Briefsendungen Beschränkungen in Form von kostenintensiven höherwertigen Dienstleistungen unterworfen sei. Der Eingriff in ihre Rechte sei auch nicht aus Gründen der Erhaltung des Universaldienstes zu rechtfertigen.

II.

Die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (vgl. § 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen zur Zulässigkeit einer zeitweiligen Exklusivlizenz für die Deutsche Post AG hat das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 7. Oktober 2003 in dem Verfahren 1 BvR 1712/01 beantwortet. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte erforderlich (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Verfahren 1 BvR 1712/01 durch Beschluss vom 7. Oktober 2003 festgestellt, dass Art. 1 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Postgesetzes und Art. 1 Nr. 3 Buchstabe a und Art. 2 Nr. 1 Buchstabe a sowie Art. 3 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Postgesetzes verfassungsgemäß sind und weder gegen Art. 143 b Abs. 2 Satz 1 noch gegen Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Auf den Inhalt dieser Entscheidung wird verwiesen.

2. Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Eigentumsrechts (Art. 14 Abs. 1 GG) geltend macht, bleibt ihre Rüge ebenfalls ohne Erfolg.

Art. 14 Abs. 1 GG umfasst den Schutz des vorhandenen Bestandes des Eigentums. Für die Abgrenzung zu Art. 12 Abs. 1 GG ist maßgeblich, dass Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG das Erworbene, das Ergebnis einer Betätigung, schützt, Art. 12 Abs. 1 GG dagegen den Erwerb, die Betätigung selbst (vgl. BVerfGE 88, 366 <377>). Bloße Umsatz- und Gewinnchancen, Hoffnungen, Erwartungen und Aussichten (vgl. BVerfGE 74, 129 <148>) sind vom Gewährleistungsgehalt des Art. 14 Abs. 1 GG nicht erfasst.

Soweit die Beschwerdeführerin eine Beeinträchtigung ihrer Eigentumsfreiheit unter dem Gesichtspunkt rügt, getätigte Investitionen würden sich nicht amortisieren, geht ihre Beschwerde daher fehl. Bei gesetzlichem Einwirken auf Gewinnchancen ist allenfalls Art. 12 Abs. 1 GG einschlägig (vgl. BVerfGE 30, 292 <334 f.>; 88, 366 <377>), der aber im vorliegenden Fall durch Art. 143 b Abs. 2 Satz 1 GG verdrängt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 2003, Umdruck S. 26 ff.). Der geltend gemachte Vermögensverlust stellt sich als enttäuschte Erwartung dar, die nicht den Schutz von Art. 14 Abs. 1 GG genießt (vgl. auch BVerfGE 91, 207 <220>; 96, 375 <397>). Dies gilt unabhängig davon, ob Art. 14 Abs. 1 GG das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb umfasst; diese Frage hat das Bundesverfassungsgericht bisher offen gelassen (vgl. BVerfGE 66, 116 <145>; 96, 375 (397>).

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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