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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 21.06.2000
Aktenzeichen: 1 BvR 1709/93
Rechtsgebiete: BVerfGG, BGB, BErzGG, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 93 b
BVerfGG § 93 a
BVerfGG § 90 Abs. 1
BVerfGG § 93 a Abs. 2
BVerfGG § 93 d Abs. 1 Satz 3
BGB § 1615 l Abs. 3
BGB § 1615 l
BErzGG § 9
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 4
GG Art. 103 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 1709/93 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

der Frau W...

- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Norbert Gand, Bahnstraße 49, Grevenbroich -

gegen das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 25. August 1993 - 2 S 132/93 -

hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Papier und die Richterinnen Haas, Hohmann-Dennhardt gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 21. Juni 2000 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob Erziehungsgeld auf einen Unterhaltsanspruch der nichtehelichen Mutter gegen den Kindesvater nach § 1615 l BGB anzurechnen ist.

I.

Die Beschwerdeführerin, Mutter eines nichtehelichen Kindes, das sie unter Aufgabe ihrer Erwerbstätigkeit und bei Bezug von Erziehungsgeld im ersten Lebensjahr persönlich betreute, begehrte vom Vater des Kindes für diesen Zeitraum Betreuungsunterhalt nach § 1615 l BGB. Das Landgericht änderte das stattgebende erstinstanzliche Urteil ab und verurteilte den Vater unter Anrechnung des Erziehungsgeldes auf den Unterhaltsbedarf der Beschwerdeführerin zu einer erheblich niedrigeren Unterhaltszahlung.

Hiergegen richtet sich die Beschwerdeführerin mit der Verfassungsbeschwerde und rügt eine Verletzung der Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 4 und des Art. 103 Abs. 1 GG.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Ihr kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93 a Abs. 2 BVerfGG).

1. Die Auffassung des Landgerichts, auf den Unterhaltsanspruch der nichtehelichen Mutter gegen den Kindesvater sei gemäß § 1615 l Abs. 3 BGB in Verbindung mit dem im Verwandtenunterhaltsrecht geltenden Grundsatz, dass alle nicht subsidiären Sozialleistungen die Bedürftigkeit der Mutter beseitigten, auch das Erziehungsgeld als nicht subsidiäre Sozialleistung anzurechnen, begegnet zwar im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn sie führt im Ergebnis zu einer Ungleichbehandlung von Müttern nichtehelicher Kinder gegenüber verheirateten, aber von ihren Ehemännern getrennt lebenden oder geschiedenen Müttern hinsichtlich der Berücksichtigung von Erziehungsgeld bei ihrem Unterhaltsanspruch gegenüber dem Vater, die, insbesondere im Hinblick auf den Wortlaut des § 9 BErzGG und die Intention des Gesetzgebers, das Erziehungsgeld dem Berechtigten ungeschmälert zugute kommen zu lassen, um bei ihm keine mittelbaren Kürzungen eintreten zu lassen (BTDrucks 10/3792, S. 18), nicht gerechtfertigt sein dürfte.

2. Gleichwohl ist es nicht angezeigt, die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung anzunehmen. Denn die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte geht, mit Ausnahme des Oberlandesgerichts Oldenburg in einer Entscheidung vom 12. Februar 1991 (FamRZ 91, S. 1090 ff.), zwischenzeitlich einhellig davon aus, dass das Erziehungsgeld kein anrechenbares Einkommen im Rahmen der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen darstellt (z.B. OLG Zweibrücken, FamRZ 87, S. 820; OLG Köln, FamRZ 89, S. 1178; OLG Düsseldorf, FamRZ 89, S. 1226; KG Berlin, FamRZ 90, S. 1120 und KGR Berlin, FamRZ 94, S. 67; OLG Hamm, FamRZ 95, S. 805; OLG München, FamRZ 99, S. 1166). Auch die herrschende Meinung in der Kommentarliteratur teilt diese Auffassung (z.B. Palandt-Brudermüller, 59. Aufl. 2000, § 1361 Rn. 24; Staudinger/Hübner/Voppel, 13. Aufl. 2000, § 1361 Rn. 59; Staudinger/Kappe/Engler, 13. Aufl. 1997, Vorbemerkung zu §§ 1601 ff. Rn. 183 und § 1602 Rn. 65; MünchKomm/Wacke, 4. Aufl. 2000, § 1361 Rn. 12 und 17; MünchKomm/Maurer, 4. Aufl. 2000, § 1578 Rn. 19; MünchKomm/Köhler, 3. Aufl. 1992, § 1602 Rn. 28 a; Erman/Holzhauer, 9. Aufl. 1993, § 1602 Rn. 38; Erman/Heckelmann, 9. Aufl. 1993, § 1361 Rn. 9; Erman/Dieckmann, 9. Aufl. 1993, § 1577 Rn. 8 a; dagegen lediglich Erman/Holzhauer, 9. Aufl. 1993, § 1615 l BGB Rn. 5; Staudinger/Eichenhofer, 13. Aufl. 1997, § 1615 l BGB Rn. 11; Palandt/Diederichsen, 59. Aufl. 2000, Einführung vor § 1601 Rn. 51), so dass die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Entscheidung eine Ausnahme darstellen dürfte und nicht davon ausgegangen werden kann, dass in Zukunft andere Gerichte dieser verfassungsrechtlich bedenklichen Auslegung des § 1615 l Abs. 3 BGB in Verbindung mit § 9 BErzGG folgen werden.

Auch entsteht der Beschwerdeführerin durch die Versagung einer Entscheidung zur Sache kein besonders schwerer Nachteil. Die angegriffene Entscheidung betrifft einen zeitlich begrenzten Unterhaltsanspruch, dessen Kürzung durch die Anrechnung des Erziehungsgeldes der Höhe nach noch nicht als besonders belastend anzusehen ist.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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