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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Urteil verkündet am 15.01.2002
Aktenzeichen: 1 BvR 1783/99
Rechtsgebiete: BVerfGG, TierSchG, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 95 Abs. 2
TierSchG § 4 a
TierSchG § 4 a Abs. 2 Nr. 2
TierSchG § 4 a Abs. 1
TierSchG § 4 a Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2
GG Art. 4 Abs. 1
GG Art. 4 Abs. 2
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 3
1. Die Tätigkeit eines nichtdeutschen gläubigen muslimischen Metzgers, der Tiere ohne Betäubung schlachten (schächten) will, um seinen Kunden in Übereinstimmung mit ihrer Glaubensüberzeugung den Genuss von Fleisch geschächteter Tiere zu ermöglichen, ist verfassungsrechtlich anhand von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG zu beurteilen.

2. Im Lichte dieser Verfassungsnormen ist § 4 a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 des Tierschutzgesetzes so auszulegen, dass muslimische Metzger eine Ausnahmegenehmigung für das Schächten erhalten können.


BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 1783/99 -

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

1. unmittelbar gegen

a) den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. September 1999 - 11 UZ 37/98 -,

b) das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 2. Dezember 1997 - 7 E 1572/97 (3) -,

c) den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Gießen vom 16. September 1997 - 17 c - 19 c 20/07 -,

d) den Bescheid des Landrats des Lahn-Dill-Kreises vom 7. Juli 1997 - 19 c 20/07 -,

2. mittelbar gegen

§ 4 a Abs. 1 und 2 Nr. 2 des Tierschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Februar 1993 (BGBl I S. 254)

hat das Bundesverfassungsgericht - Erster Senat - unter Mitwirkung des Vizepräsidenten Papier, der Richterinnen Jaeger, Haas, der Richter Hömig, Steiner, der Richterin Hohmann-Dennhardt und der Richter Hoffmann-Riem, Bryde aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2001 durch

Urteil

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. September 1999 - 11 UZ 37/98 -, das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 2. Dezember 1997 - 7 E 1572/97 (3) - und der Bescheid des Landrats des Lahn-Dill-Kreises vom 7. Juli 1997 - 19 c 20/07 - in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Gießen vom 16. September 1997 - 17 c - 19 c 20/07 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 4 Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs und das Urteil des Verwaltungsgerichts werden aufgehoben. Die Sache wird an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

2. Das Land Hessen hat dem Beschwerdeführer die im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe:

A.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen für das so genannte Schächten, das heißt das Schlachten warmblütiger Tiere ohne vorherige Betäubung.

I.

1. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war in Deutschland das Schächten als Schlachtmethode nach jüdischem Ritus weithin erlaubt (vgl. dazu und zum Folgenden BGH, DÖV 1960, S. 635 f.). Die einschlägigen Regelungen sahen dafür überwiegend Ausnahmen vom prinzipiellen Verbot des Schlachtens ohne Betäubung vor. Nachdem der Nationalsozialismus im Deutschen Reich an die Macht gekommen war, gingen immer mehr Länder dazu über, das Schächten zu verbieten. Deutschlandweit wurde der Zwang, warmblütige Tiere vor der Schlachtung zu betäuben, durch das Gesetz über das Schlachten von Tieren vom 21. April 1933 (RGBl I S. 203) eingeführt, das nach den Feststellungen des Bundesgerichtshofs das Ziel verfolgte, den jüdischen Teil der Bevölkerung in seinen religiösen Empfindungen und Gebräuchen zu verletzen (a.a.O., S. 636). Ausnahmen vom Schächtverbot wurden nur noch für Notschlachtungen zugelassen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Schächten, soweit es nicht durch landesrechtliche Vorschriften ausdrücklich wieder zugelassen worden war, meist stillschweigend geduldet (vgl. Andelshauser, Schlachten im Einklang mit der Scharia, 1996, S. 140 f.). Eine bundesweite Regelung zum religiös motivierten betäubungslosen Schlachten wurde aber erst mit der Aufnahme des Schlachtrechts in das Tierschutzgesetz (im Folgenden: TierSchG) getroffen. Seit dem In-Kraft-Treten des Ersten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzge-setzes vom 12. August 1986 (BGBl I S. 1309; zur aktuellen Fassung des Tierschutzgesetzes vgl. die Bekanntmachung vom 25. Mai 1998, BGBl I S. 1105, mit späteren Änderungen) enthält § 4 a TierSchG in Absatz 1 das grundsätzliche Verbot, warmblütige Tiere ohne vorherige Betäubung zu schlachten. Absatz 2 Nr. 2 sieht jedoch die Möglichkeit vor, aus religiösen Gründen Ausnahmegenehmigungen zu erteilen. Dabei wurde die Regelung der zweiten Alternative im Gesetzgebungsverfahren im Zusammenhang mit Speisevorschriften sowohl der jüdischen wie auch der islamischen Glaubenswelt gesehen (vgl. BT-Drucks 10/5259, S. 38).

§ 4 a TierSchG hat derzeit folgenden Wortlaut:

(1) Ein warmblütiges Tier darf nur geschlachtet werden, wenn es vor Beginn des Blutentzugs betäubt worden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 bedarf es keiner Betäubung, wenn

1. ...,

2. die zuständige Behörde eine Ausnahmegenehmigung für ein Schlachten ohne Betäubung (Schächten) erteilt hat; sie darf die Ausnahmegenehmigung nur insoweit erteilen, als es erforderlich ist, den Bedürfnissen von Angehörigen bestimmter Religionsgemeinschaften im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu entsprechen, denen zwingende Vorschriften ihrer Religionsgemeinschaft das Schächten vorschreiben oder den Genuß von Fleisch nicht geschächteter Tiere untersagen oder

3. dies als Ausnahme durch Rechtsverordnung nach § 4 b Nr. 3 bestimmt ist.

2. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juni 1995 (BVerwGE 99, 1), in dem dieses die Ablehnung einer Ausnahmegenehmigung nach der zweiten Alternative des § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG bestätigte, verlangt diese Bestimmung die objektive Feststellung zwingender Vorschriften einer Religionsgemeinschaft über das Betäubungsverbot beim Schlachten. Erforderlich sei das eindeutige Vorliegen von Normen der betreffenden Religionsgemeinschaft, die nach dem staatlicher Beurteilung unterliegenden Selbstverständnis der Gemeinschaft als zwingend zu gelten hätten. Eine individuelle Sicht, die allein auf die jeweilige subjektive - wenn auch als zwingend empfundene - religiöse Überzeugung der Mitglieder einer Religionsgemeinschaft abstelle, sei mit Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte des Gesetzes nicht vereinbar (vgl. a.a.O., S. 4 ff.).

In dieser Auslegung stehe § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG nicht im Widerspruch zur Verfassung. Die Vorschrift verletze insbesondere nicht das in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG garantierte Grundrecht der Religionsfreiheit. In dieses Recht werde durch die Versagung einer Ausnahme vom Schächtungsverbot nicht eingegriffen, wenn die religiöse Überzeugung dem Betroffenen nur den Genuss von Fleisch nicht geschächteter Tiere verbiete. Das Verbot betäubungslosen Schlachtens hindere die Anhänger einer solchen Religion nicht an einer ihrer Religion entsprechenden Lebensgestaltung. Sie seien weder rechtlich noch tatsächlich gezwungen, entgegen ihrer religiösen Überzeugung Fleisch nicht geschächteter Tiere zu verzehren. Mit dem Schächtungsverbot werde nicht der Verzehr des Fleischs geschächteter Tiere verboten. Sie könnten sowohl auf Nahrungsmittel pflanzlichen Ursprungs und auf Fisch ausweichen als auch auf Fleischimporte aus anderen Ländern zurückgreifen. Zwar möge Fleisch heute ein allgemein übliches Nahrungsmittel sein. Der Verzicht darauf stelle jedoch keine unzumutbare Beschränkung der persönlichen Entfaltungsfreiheit dar. Diese an Art. 2 Abs. 1 GG zu messende Erschwernis in der Gestaltung des Speiseplans sei aus Gründen des Tierschutzes zumutbar (vgl. a.a.O., S. 7 f.).

Das Bundesverwaltungsgericht sah sich in dem von ihm entschiedenen Fall an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden, nach denen es für die Sunniten ebenso wie für die Muslime insgesamt keine zwingenden Glaubensvorschriften gebe, die den Genuss des Fleischs von Tieren verböten, die vor dem Schlachten betäubt worden seien (vgl. a.a.O., S. 9).

Diese Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht inzwischen modifiziert (vgl. BVerwGE 112, 227).

II.

Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und nach seinen - im Verfahren nicht bestrittenen - Angaben strenggläubiger sunnitischer Muslim. Er lebt seit 20 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland und betreibt in Hessen eine Metzgerei, die er 1990 von seinem Vater übernahm. Für die Versorgung seiner muslimischen Kunden erhielt er bis Anfang September 1995 Ausnahmegenehmigungen für ein Schlachten ohne Betäubung nach § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG. Die Schlachtungen nahm er in seinem Betrieb unter veterinärärztlicher Aufsicht vor. Für die Folgezeit stellte der Beschwerdeführer weitere Anträge auf Erteilung solcher Genehmigungen. Sie blieben im Hinblick auf das erwähnte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juni 1995 erfolglos. Die im Ausgangsverfahren gegen den Ablehnungs- und Widerspruchsbescheid erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen; dabei hat es zur Begründung ebenfalls auf dieses Urteil und außerdem auf das Berufungsurteil in jenem Verfahren verwiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung abgelehnt:

Soweit der Beschwerdeführer ernstliche Zweifel an der zutreffenden Anwendung der zweiten Alternative des § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG äußere, fehle es an einer substantiierten Darlegung, dass das Bundesverwaltungsgericht und das Berufungsgericht in den in Bezug genommenen Entscheidungen zu Unrecht zu der Feststellung gekommen seien, der Genuss von Fleisch nicht geschächteter Tiere sei durch höchste und maßgebliche Vertreter des sunnitischen Islam nicht zwingend verboten. Der Beschwerdeführer verkenne diese Feststellungen, wenn er meine, in einer säkularen Republik könnten Glaubensinhalte nicht behördlich festgestellt werden. Die Gerichte entschieden insoweit nicht verbindlich religionsgesetzliche Fragen, sondern stellten mit Hilfe von Sachverständigen nur fest, ob die Tatbestandsvoraussetzungen der anzuwendenden Vorschrift gegeben seien. Diese Bewertung der Feststellungen von Sachverständigen habe das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung ausdrücklich als rechtmäßig beurteilt. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils ergäben sich auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen. Griffe die zweite Alternative des § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG in das Recht des Beschwerdeführers auf freie Religionsausübung ein, wäre dieser Eingriff unter Beachtung der Begrenzungen, denen auch die Religionsfreiheit unterliege, jedenfalls nicht verfassungswidrig. Nach der Wertung des Gesetzgebers werde durch diese Vorschrift allein geregelt, dass bei freiwilliger Ausübung des Berufs des Schlachters Einschränkungen der religiösen Grundhaltung gerechtfertigt sein könnten. Insofern handele es sich um eine sachgerechte Regelung der Berufsausübung.

Vor diesem Hintergrund lägen auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten vor, derentwegen die Berufung zuzulassen wäre. Die Rechtssache habe auch keine grundsätzliche Bedeutung.

III.

Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer unmittelbar gegen die im Verwaltungsverfahren und im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten ergangenen Entscheidungen sowie mittelbar gegen § 4 a Abs. 1 und 2 Nr. 2 TierSchG. Er rügt unter anderem die Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und 3, Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie von Art. 12 Abs. 1 GG.

1. Das Schächten und die Möglichkeit, sich ohne erhebliche Erschwernisse mit Fleisch geschächteter Tiere zu versorgen, seien vom Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG erfasst. Dem Schlachten ohne Betäubung komme in der islamischen Religion zentrale Bedeutung zu. Sein kultischer Charakter ergebe sich nicht nur daraus, dass das Schächtgebot direkt dem Koran zu entnehmen sei. Auch die Art und Weise des Schächtens seien genau bestimmt. Bei dem Schächtverbot handele es sich danach um einen Eingriff in das Grundrecht des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Dies sei in den angegriffenen Entscheidungen verkannt worden. Der Beschwerdeführer sehe das Schächten als unbedingte religiöse Pflicht an. Dass seine Religionsausübung zu-gleich eine Berufsausübung darstelle, ändere daran nichts.

Das Schächtgebot sei für den Beschwerdeführer, dessen Kunden und alle Angehörigen der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam eine zwingende Vorschrift im Verständnis des § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG. Die entgegenstehende Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts in der Entscheidung vom 15. Juni 1995 verkenne die Bedeutung der Glaubensfreiheit grundlegend. Ob für den einzelnen Gläubigen zwingende Vorschriften in dem genannten Sinne bestünden, sei im Hinblick auf das Gebot strikter weltanschaulicher Neutralität des Staates nicht vom staatlichen Gericht verbindlich zu entscheiden. Es reiche deshalb aus, wenn aus den Umständen hinreichend deutlich hervorgehe, dass eine ernsthafte Glaubensüberzeugung vorliege. Bei Anwendung dieses Maßstabs hätte dem Beschwerdeführer die Ausnahmegenehmigung erteilt werden müssen.

2. Auch die Berufsfreiheit des Beschwerdeführers sei verletzt. Er sei zwar türkischer Staatsbürger, besitze aber eine - zeitlich wie räumlich unbeschränkte - Aufenthaltsberechtigung und sei im Hinblick auf die Dauer seines Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland hier so verwurzelt, dass ihm als De-facto-Deutschem hinsichtlich seiner beruflichen Tätigkeit als Metzger nicht nur der Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG, sondern ein Grundrechtsschutz zu gewähren sei, der demjenigen des Art. 12 Abs. 1 GG gleichwertig sei.

Bei der Tätigkeit eines muslimischen Metzgers handele es sich um einen eigenständigen Beruf, weil zu dessen Ausübung Qualifikationen erforderlich seien, die ein normaler Schlachter nicht haben müsse. Dies betreffe nicht nur die Durchführung des Schächtschnitts selbst, der schnell und sauber vorgenommen werden müsse, damit das Schlachttier nicht unnötig leide. Berufsbildprägend seien vielmehr auch religiöse Handlungen wie die Anrufung Allahs.

Das Schächtverbot wirke sich für den Beschwerdeführer faktisch als Berufsverbot und damit als objektive Berufswahlbeschränkung aus. Er werde sich einen neuen Beruf suchen müssen, wenn die angegriffenen Entscheidungen Bestand hätten und ihm eine Ausnahmegenehmigung für immer versagt bleibe. Ein so weit reichender Eingriff könne verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt werden, wenn er der Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlich schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut diene. Das sei aber hier nicht der Fall.

3. Das Schächtverbot verstoße ferner gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Jüdische Metzger erhielten wegen ihrer Glaubensüberzeugung zu Recht eine Ausnahmegenehmigung zum Schächten. Da sich die Glaubenshaltung des Beschwerdeführers von der jüdischen hinsichtlich des betäubungslosen Schlachtens nicht unterscheide, sei für eine Ungleichbehandlung kein Raum. Weiter sei Art. 3 Abs. 3 GG verletzt. Die Aufnahme des Begriffs der Religionsgemeinschaften in den Tatbestand des § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG führe dazu, dass eine individuelle Glaubensüberzeugung keine Beachtung mehr finde. Der Beschwerdeführer werde deshalb, wenn seine Glaubensvorstellungen von denen anderer Muslime abwichen, gegenüber den Anhängern kleinerer und homogenerer Glaubensgemeinschaften benachteiligt.

IV.

Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich - schriftlich und in der mündlichen Verhandlung - geäußert: das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft namens der Bundesregierung, die Hessische Staatskanzlei, der Zentralrat der Muslime in Deutschland und der Deutsche Tierschutzbund.

Das Bundesministerium hält die mittelbar angegriffene Regelung des § 4 a Abs. 1, 2 Nr. 2 TierSchG für verfassungsgemäß. Sie diene einerseits dem von der Verfassung vorgegebenen Ziel eines ethisch ausgerichteten Tierschutzes, trage andererseits aber mit der Möglichkeit, das Schächten aus religiösen Gründen, hier nach der zweiten Alternative des § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG, ausnahmsweise zu genehmigen, auch dem Grundrecht der Religionsfreiheit Rechnung. Durch die Erteilung entsprechender Genehmigungen an Muslime werde auch deren Integration in der Bundesrepublik Deutschland gefördert. Das Schächten sei wie das Schlachten nach vorheriger Betäubung dem ethisch begründeten Tierschutz verpflichtet und als Schlachtmethode noch akzeptabel, wenn es ordnungsgemäß durchgeführt werde. Soweit § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG den Begriff der Religionsgemeinschaften verwende, werde an einen Begriff angeknüpft, der hinreichend flexibel sei, um auch den Besonderheiten der Muslime gerecht zu werden. Für das Vorliegen einer solchen Gemeinschaft genüge ein Mindestmaß an organisatorischen kontinuitätswahrenden Strukturen.

Nach Auffassung der Hessischen Staatskanzlei ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Teils fehle es an einer un-mittelbaren Grundrechtsbetroffenheit, teils an einer den Substantiierungserfordernissen genügenden Darlegung.

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland betont die große Bedeutung des Tierschutzes im Islam und führt aus, das betäubungslose Schächten sei den Muslimen als wesentlicher Bestandteil der Religionsausübung zwingend vorgeschrieben. Diese Auffassung werde von allen bedeutsamen islamischen Gruppierungen in Deutschland geteilt. Soweit in einem Gutachten der Al-Azhar-Universität von Kairo davon die Rede sei, dass Muslime auch das Fleisch nicht geschächteter Tiere verzehren dürften, gelte dies nur für Notsituationen. Eine solche sei für Muslime in Deutschland nicht gegeben. Das Prinzip der Gleichbehandlung mit jüdischen Gläubigen gebiete die Genehmigung des Schächtens nach § 4 a TierSchG auch für Muslime.

Nach Ansicht des Deutschen Tierschutzbundes erleiden Schlachttiere beim betäubungslosen Schlachten mehr und stärkere Schmerzen als bei der konventionellen Schlachtung. Die mit dem Schächten verbundenen Todesqualen beschränkten sich nicht auf den Schnitt am Hals des zu schlachtenden Tieres mit anschließendem langsamem Bewusstseinsverlust, sondern begännen schon mit dem Hereinführen der Tiere in den Schlachtraum und mit ihrer Fixierung. Sie erstreckten sich also auf einen relativ langen Zeitraum, den das Tier bei vollem Bewusstsein durchleide.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Zwar ist § 4 a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 TierSchG mit dem Grundgesetz vereinbar. Doch halten die angegriffenen Entscheidungen, die auf diese Regelung gestützt sind, der verfassungsgerichtlichen Prüfung nicht stand.

I.

1. Prüfungsmaßstab ist in erster Linie Art. 2 Abs. 1 GG. Der Beschwerdeführer hat als gläubiger sunnitischer Muslim im Ausgangsverfahren eine Ausnahme von dem Betäubungsgebot des § 4 a Abs. 1 TierSchG erstrebt, um in Ausübung seines Berufs als Metzger seinen muslimischen Kunden den Genuss von Fleisch geschächteter Tiere zu ermöglichen. Die Eigenversorgung des Beschwerdeführers mit derartigem Fleisch tritt daneben zurück. Die zweite Alternative des § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG, auf deren Grundlage die Verwaltungsbehörden und -gerichte das Begehren des Beschwerdeführers geprüft haben, berührt daher vorrangig die berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers als Metzger.

Diese Tätigkeit wird, weil der Beschwerdeführer nicht deutscher, sondern türkischer Staatsangehöriger ist, nicht durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt. Schutznorm ist vielmehr Art. 2 Abs. 1 GG in der Ausprägung, die sich aus dem Spe-zialitätsverhältnis zwischen dem auf Deutsche beschränkten Art. 12 Abs. 1 GG und dem für Ausländer nur subsidiär geltenden Art. 2 Abs. 1 GG ergibt (vgl. dazu BVerfGE 78, 179 <196 f.>). Das Schächten ist allerdings für den Beschwerdeführer nicht nur Mittel zur Gewinnung und Zubereitung von Fleisch für seine muslimischen Kunden und für sich selbst. Es ist vielmehr nach seinem in den angegriffenen Entscheidungen nicht in Zweifel gezogenen Vortrag auch Ausdruck einer religiösen Grundhaltung, die für den Beschwerdeführer als gläubigen sunnitischen Muslim die Verpflichtung einschließt, die Schächtung nach den von ihm als bindend empfundenen Regeln seiner Religion vorzunehmen (vgl. dazu allgemein Andelshauser, a.a.O., S. 39 ff.; Jentzsch, Das rituelle Schlachten von Haustieren in Deutschland ab 1933, 1998, S. 28 ff.; Mousa, Schächten im Islam, in: Potz/Schinkele/Wieshaider, Schächten. Religionsfreiheit und Tierschutz, 2001, S. 16 ff.). Dem ist, auch wenn das Schächten selbst nicht als Akt der Religionsausübung verstanden wird, dadurch Rechnung zu tragen, dass der Schutz der Berufsfreiheit des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 GG durch den speziellen Freiheitsgehalt des Grundrechts der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verstärkt wird.

2. Die Rechtsstellung, die der Beschwerdeführer danach im Hinblick auf seine berufliche Tätigkeit als Metzger genießt, ist gemäß Art. 2 Abs. 1 GG allerdings nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet. Dazu zählen alle Rechtsnormen, die formell und materiell mit dem Grundgesetz vereinbar sind (vgl. BVerfGE 6, 32 <36 ff.>; 96, 375 <397 f.>; stRspr). Das setzt in materieller Hinsicht vor allem die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und in diesem Rahmen die Beachtung der Religionsfreiheit voraus.

II.

Diesen Maßstäben wird § 4 a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 TierSchG gerecht.

1. Zwar greift die Regelung in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ein, indem sie das betäubungslose Schlachten als Ausnahme vom Betäubungsgebot des § 4 a Abs. 1 TierSchG im Rahmen der beruflichen Tätigkeit eines muslimischen Metzgers nur unter den einschränkenden Voraussetzungen der zweiten Alternative des § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG ermöglicht. Dieser Eingriff ist jedoch nicht zu beanstanden, weil er sich verfassungsrechtlich hinreichend rechtfertigen lässt.

a) Zweck des Tierschutzgesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen (§ 1 TierSchG). Dem Ziel eines ethisch begründeten Tierschutzes (vgl. BVerfGE 36, 47 <56 f.>; 48, 376 <389>; 101, 1 <36>) dient auch die Regelung des § 4 a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 TierSchG. Der Gesetzgeber wollte mit der Aufnahme des Grundsatzes, dass warmblütige Schlachttiere vor Beginn des Blutentzugs zu betäuben sind, die in § 1 TierSchG umschriebene Grundkonzeption des Gesetzes auf diesen Bereich ausdehnen (vgl. BTDrucks 10/3158, S. 16). Das ist ein legitimes Regelungsziel, das auch dem Empfinden breiter Bevölkerungskreise Rechnung trägt (vgl. BVerfGE 36, 47 <57 f.>, und speziell mit Blick auf das Schächten BTDrucks 10/5259, S. 32 unter I 2 a Nr. 3).

b) § 4 a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 TierSchG genügt den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

aa) Die Regelung ist zur Erreichung des genannten Regelungszwecks, auch das Schlachten warmblütiger Tiere an die Grundsätze eines ethisch ausgerichteten Tierschutzes zu binden, geeignet und erforderlich.

Die Verfassung billigt dem Gesetzgeber für die Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit der von ihm für die Durchsetzung der gesetzgeberischen Regelungsziele gewählten Mittel einen Einschätzungsspielraum zu. Dies gilt auch für die Beurteilung der tatsächlichen Grundlagen einer gesetzlichen Regelung. Insoweit kann eine Fehleinschätzung hier nicht angenommen werden. Zwar gibt es Stimmen, die bezweifeln, dass das Schlachten nach vorheriger Betäubung für das Tier deutlich weniger Schmerzen und Leiden verursacht als das Schlachten ohne Betäubung (vgl. etwa für Schafe und Kälber das Übersichtsreferat von Schulze/Schultze-Petzold/Hazem/Groß, Deutsche Tierärztliche Wochenschrift 85 <1978>, S. 62 ff.). Doch scheint dies wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt zu sein. Andere wie der Deutsche Tierschutzbund in seiner Äußerung in der mündlichen Verhandlung geben dem Schlachten unter Betäubung aus Gründen des Tierschutzes eindeutig den Vorzug. Auch Art. 12 des Europäischen Übereinkommens über den Schutz von Schlachttieren vom 10. Mai 1979 (BGBl 1983 II S. 771) und Art. 5 Abs. 1 Buchstabe c der Richtlinie 93/119/EG des Rates der Europäischen Union über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Schlachtung oder Tötung vom 22. Dezember 1993 (ABlEG Nr. L 340/21) gehen davon aus, dass es Tieren weniger Schmerzen und Leiden bereitet, wenn sie vor dem Blutentzug betäubt werden. Die damit übereinstimmende Einschätzung durch den Bundesgesetzgeber und dessen Annahme, das Betäubungsgebot des § 4 a Abs. 1 TierSchG sei zur Erreichung der Ziele des § 1 TierSchG geeignet und mangels einer gleich wirksamen Alternative auch erforderlich, sind unter diesen Umständen zumindest vertretbar.

Gleiches gilt für die Beurteilung der Ausnahmeregelung des § 4 a Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 TierSchG. Der Gesetzgeber hat die Befreiung vom Betäubungsgebot des § 4 a Abs. 1 Tier-SchG unter den Vorbehalt einer Ausnahmegenehmigung gestellt, weil er das Schächten einer verstärkten staatlichen Kontrolle unterwerfen wollte. Insbesondere sollte die Möglichkeit geschaffen werden, über die Prüfung der Sachkunde und der persönlichen Eignung der antragstellenden Personen hinaus durch Nebenbestimmungen zur Ausnahmegenehmigung zu gewährleisten, dass den zu schlachtenden Tieren beim Transport, beim Ruhigstellen und beim Schächtvorgang selbst alle vermeidbaren Schmerzen oder Leiden erspart werden. Das soll beispielsweise durch Anordnungen über geeignete Räume, Einrichtungen und sonstige Hilfsmittel erreicht werden können (vgl. BTDrucks 10/3158, S. 20 zu Nr. 5). Haus- und sonstige Privatschlachtungen, bei denen ein ordnungsgemäßes Schächten häufig nicht gesichert ist und die infolgedessen zu besonders Anstoß erregendem Leiden der betroffenen Tiere führen können, sollen auf diese Weise möglichst unterbunden, Schlachtungen in zugelassenen Schlachthäusern stattdessen angestrebt werden (vgl. BTDrucks 10/5259, S. 39 zu Art. 1 Nr. 5).

Im Übrigen setzt die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 4 a Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 TierSchG voraus, dass im konkreten Fall Bedürfnissen von Angehörigen einer Religionsgemeinschaft zu entsprechen ist, denen zwingende Vorschriften dieser Gemeinschaft den Genuss von Fleisch nicht geschächteter Tiere untersagen. Dadurch, dass das Gesetz Ausnahmen vom Betäubungsgebot nur unter diesen Voraussetzungen zulässt, wird zwangsläufig die Zahl der in Betracht kommenden Ausnahmen verringert. Bei einer Religion wie dem Islam kommt hinzu, dass dieser selbst, wie der Zentralrat der Muslime in Deutschland in seiner Stellungnahme ausgeführt hat, eine möglichst schonende Tötung von Tieren verlangt (ebenso Andelshauser, a.a.O., S. 35, 62, 79 f.). Das Schächten muss nach den Regeln des Islam so vorgenommen werden, dass der Tod des zu schlachtenden Tiers so schnell wie möglich herbeigeführt wird und dessen Leiden unter Vermeidung jeder Art von Tierquälerei auf ein Minimum beschränkt werden (vgl. auch Österreichischer Verfassungsgerichtshof, EuGRZ 1999, S. 600 <603>). Auch von daher konnte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass der Ausnahmevorbehalt des § 4 a Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 TierSchG eine zur Gewährleistung eines ethischen Geboten verpflichteten Tierschutzes geeignete und auch erforderliche Maßnahme darstellt.

bb) Die in Rede stehende gesetzliche Regelung ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des mit § 4 a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 TierSchG verbundenen Grundrechtseingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe ist es den Betroffenen zuzumuten (vgl. BVerfGE 90, 145 <173>; 101, 331 <350>), warmblütige Tiere unter den vom Gesetzgeber festgelegten Voraussetzungen nur auf der Grundlage einer Ausnahmegenehmigung ohne vorherige Betäubung zu schlachten.

(1) Der Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit muslimischer Metzger wiegt allerdings schwer. Ohne Ausnahmevorbehalt wäre es gläubigen Muslimen wie dem Beschwerdeführer nicht mehr möglich, in der Bundesrepublik Deutschland den Beruf des Schlachters auszuüben. Sie müssten sich darauf beschränken, in ihrem Betrieb entweder importiertes Fleisch geschächteter oder Fleisch nicht geschächteter, also unter Betäubung geschlachteter Tiere zu verkaufen, wenn sie ihren Betrieb wenigstens als Verkaufsstelle fortführen wollten und nicht, wie es der Beschwerdeführer für seine Person geltend gemacht hat, aufgeben würden, um sich eine neue Grundlage ihrer Lebensführung zu schaffen. Jede dieser Entscheidungen wäre für den Betroffenen mit weit reichenden Konsequenzen verbunden. Der Entschluss, nur noch als Verkäufer das Fleisch geschächteter Tiere zu vermarkten, wäre nicht nur mit dem Verzicht auf die Tätigkeit eines Schlachters, sondern auch mit der Ungewissheit verbunden, ob das von ihm angebotene Fleisch tatsächlich von geschächteten Tieren stammt und damit einen Fleischgenuss in Übereinstimmung mit den Regeln des eigenen Glaubens und des Glaubens der Kunden ermöglicht. Die Entscheidung, den Metzgereibetrieb auf den Verkauf von Fleisch nicht geschächteter Tiere umzustellen, hätte zur Folge, dass vom Betriebsinhaber neue Kunden gewonnen werden müssen. Die völlige berufliche Umorientierung schließlich würde, falls sie in der konkreten Lebenssituation des Betroffenen überhaupt noch möglich sein sollte, bedeuten, dass dieser sich eine andere Existenzgrundlage aufbauen müsste.

Das Verbot trifft nicht nur den muslimischen Metzger, sondern auch seine Kunden. Wenn sie Fleisch geschächteter Tiere nachfragen, beruht dies ersichtlich auch auf der Überzeugung von der bindenden Kraft ihres Glaubens, anderes Fleisch nicht essen zu dürfen. Von ihnen zu verlangen, im Wesentlichen dem Verzehr von Fleisch zu entsagen, trüge den Essgewohnheiten in der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland nicht hinreichend Rechnung. Danach ist Fleisch ein weit verbreitetes Nahrungsmittel, auf das unfreiwillig zu verzichten schwerlich als zumutbar angesehen werden kann. Der Verzehr importierten Fleischs macht einen solchen Verzicht zwar entbehrlich, ist jedoch im Hinblick auf das Fehlen des persönlichen Kontakts zum Schlachter und der dadurch geschaffenen Vertrauensbasis mit der Unsicherheit verbunden, ob das verzehrte Fleisch tatsächlich den Geboten des Islam entspricht.

(2) Diesen Konsequenzen für gläubige muslimische Metzger und ihre ebenfalls gläubigen Kunden steht gegenüber, dass der Tierschutz einen Gemeinwohlbelang darstellt, dem auch in der Bevölkerung ein hoher Stellenwert beigelegt wird. Der Gesetzgeber hat dem dadurch Rechnung getragen, dass er Tiere nicht als Sachen, sondern als - Schmerz empfindende - Mitgeschöpfe versteht und sie durch besondere Gesetze geschützt wissen will (vgl. § 90 a Satz 1 und 2 BGB, § 1 TierSchG). Dieser Schutz ist vor allem im Tierschutzgesetz verankert.

Er ist dort allerdings nicht in der Weise verwirklicht, dass den Tieren jede Beeinträchtigung ihres Wohlbefindens von Gesetzes wegen zu ersparen ist. Das Gesetz wird vielmehr lediglich von dem Leitgedanken bestimmt, Tieren nicht "ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden" zuzufügen (vgl. § 1 TierSchG sowie BVerfGE 36, 47 <57>; 48, 376 <389>).

Dementsprechend sieht das Tierschutzgesetz von dem Gebot, Tiere nur unter Betäubung zu töten, nicht allein in § 4 a Abs. 2 Nr. 2 Ausnahmen vor. Ausnahmen von der Betäubungspflicht bestehen vielmehr auch für Notschlachtungen, soweit eine Betäubung nach den gegebenen Umständen nicht möglich ist (vgl. § 4 a Abs. 2 Nr. 1 TierSchG), und können außerdem für das Schlachten von Geflügel durch Rechtsverordnung nach § 4 a Abs. 2 Nr. 3 in Verbindung mit § 4 b Satz 1 Nr. 3 TierSchG bestimmt werden. Darüber hinaus erlaubt § 4 Abs. 1 Satz 1 TierSchG generell das Töten von Wirbeltieren ohne Betäubung, soweit dies nach den Umständen zumutbar ist und Schmerzen vermieden werden können. Ist die Tötung eines Wirbeltieres ohne Betäubung im Rahmen weidgerechter Ausübung der Jagd oder aufgrund anderer Rechtsvorschriften zulässig oder erfolgt sie im Rahmen zulässiger Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen, darf die Tötung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 TierSchG vorgenommen werden, wenn dabei nicht mehr als unvermeidbare Schmerzen entstehen.

Gerade die zuletzt genannten Ausnahmen zeigen, dass der Gesetzgeber dort, wo sachliche Gesichtspunkte oder auch Gründe des Herkommens und der gesellschaftlichen Akzeptanz Ausnahmen vom Betäubungszwang nahe legen, Durchbrechungen des Betäubungsgebots als mit den Zielen eines ethischen Tierschutzes vereinbar angesehen hat.

(3) Unter diesen Umständen kann eine Ausnahme von der Verpflichtung, warmblütige Tiere vor dem Ausbluten zu betäuben, auch dann nicht ausgeschlossen werden, wenn es darum geht, einerseits die grundrechtlich geschützte Ausübung eines religiös geprägten Berufs und andererseits die Einhaltung religiös motivierter Speisevorschriften durch die Kunden des Berufsausübenden zu ermöglichen. Ohne eine derartige Ausnahme würden die Grundrechte derjenigen, die betäubungslose Schlachtungen berufsmäßig vornehmen wollen, unzumutbar beschränkt, und den Belangen des Tierschutzes wäre ohne zureichende verfassungsrechtliche Rechtfertigung einseitig der Vorrang eingeräumt. Notwendig ist stattdessen eine Regelung, die in ausgewogener Weise sowohl den betroffenen Grundrech-ten als auch den Zielen des ethischen Tierschutzes Rechnung trägt.

(a) § 4 a Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 TierSchG wird diesen Anforderungen im Ansatz gerecht. Die Regelung will im Hinblick auf Speisenormen vor allem der islamischen und der jüdischen Glaubenswelt (vgl. BTDrucks 10/5259, S. 38) das

Schächten aus religiösen Gründen auf der Grundlage von Ausnahmegenehmigungen ermöglichen (vgl. BTDrucks 10/3158, S. 20 zu Nr. 5). Über das Instrument der Ausnahmegenehmigung soll ein Weg eröffnet werden, der es erlaubt, öffentlicher Kritik am religiös motivierten Schlachten ohne Betäubung insbesondere in Form so genannter Haus- und Privatschlachtungen zu begegnen (vgl. BTDrucks 10/5259, S. 32 unter I 2 a Nr. 3). Auf diesem Weg kann, wie schon erwähnt, unter anderem durch Nebenbestimmungen sichergestellt werden, dass den zu schlachtenden Tieren alle vermeidbaren Schmerzen und Leiden erspart werden (vgl. BTDrucks 10/3158, S. 20 zu Nr. 5, und auch BT-Drucks 10/5259, S. 39 zu Art. 1 Nr. 5). Ziel der Regelung ist danach, den Grundrechtsschutz gläubiger Muslime und Juden zu wahren, ohne damit die Grundsätze und Verpflichtungen eines ethisch begründeten Tierschutzes aufzugeben. Das trägt den Rechten auch des Beschwerdeführers angemessen Rechnung.

(b) Anders wäre es allerdings dann, wenn der Tatbestand des § 4 a Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 TierSchG so zu verstehen wäre, wie er vom Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil vom 15. Juni 1995 (BVerwGE 99, 1) ausgelegt worden ist. Es hat das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm verneint, weil der sunnitische Islam, dem auch der Beschwerdeführer angehört, wie der Islam insgesamt den Verzehr des Fleischs nicht geschächteter Tiere nicht zwingend verbiete (vgl. a.a.O., S. 9). § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG verlange die objektive Feststellung zwingender Vorschriften einer Religionsgemeinschaft über das Betäubungsverbot beim Schlachten.

Eine individuelle Sicht, die allein auf die jeweilige subjektive - wenn auch als zwingend empfundene - religiöse Überzeugung der Mitglieder einer solchen Gemeinschaft abstellt, sei demzufolge mit dem Regelungsgehalt des Gesetzes unvereinbar (vgl. a.a.O., S. 4 f.).

Diese Auslegung wird der Bedeutung und Reichweite des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG nicht gerecht. Sie führt im Ergebnis dazu, dass § 4 a Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 TierSchG für Muslime ohne Rücksicht auf ihre Glaubensüberzeugung leer läuft. Die berufliche Tätigkeit eines Metzgers, der im Hinblick auf die Speisevorschriften seines Glaubens und des Glaubens seiner Kun-den schächten will, um deren Versorgung mit dem Fleisch betäubungslos geschlachteter Tiere sicherzustellen, wird damit verhindert. Das belastet die Betroffenen in unangemessener Weise und trägt einseitig nur den Belangen des Tierschutzes Rechnung. In dieser Auslegung wäre § 4 a Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 TierSchG verfassungswidrig.

(c) Dieses Ergebnis lässt sich jedoch durch eine Auslegung der Tatbestandsmerkmale der "Religionsgemeinschaft" und der "zwingenden Vorschriften" vermeiden, die dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG Rechnung trägt.

Wie das Bundesverwaltungsgericht inzwischen selbst in seinem Urteil vom 23. November 2000 (BVerwGE 112, 227) entschieden hat, verlangt § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG mit dem Begriff der Religionsgemeinschaft keine Gemeinschaft, die im Sinne des Art. 137 Abs. 5 WRV die Voraussetzungen für die Anerkennung als öffentlichrechtliche Körperschaft erfüllt oder gemäß Art. 7 Abs. 3 GG berechtigt ist, an der Erteilung von Religionsunterricht mitzuwirken. Für die Bewilligung einer Ausnah-me nach § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG sei vielmehr ausreichend, dass der Antragsteller einer Gruppe von Menschen angehört, die eine gemeinsame Glaubensüberzeugung verbindet (vgl. a.a.O., S. 234 f.). Als Religionsgemeinschaften in der Bedeutung des § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG kommen deshalb auch Gruppierungen innerhalb des Islam in Betracht, deren Glaubensrichtung sich von derjenigen anderer islamischer Gemeinschaften unterscheidet (vgl. a.a.O., S. 236). Diese Auslegung des Begriffs der Religionsgemeinschaft steht mit der Verfassung im Einklang und trägt insbesondere Art. 4 Abs. 1 und 2 GG Rechnung. Sie ist auch mit dem Wortlaut der genannten Vorschrift vereinbar und entspricht dem Willen des Gesetzgebers, den Anwendungsbereich des § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG nicht nur für Angehörige der jüdischen Glaubenswelt, sondern auch für Mitglieder des Islam und seiner unterschiedlichen Glaubensrichtungen zu öffnen (vgl. BTDrucks 10/5259, S. 38).

Mittelbar hat dies Konsequenzen auch für die Handhabung des weiteren Merkmals der "zwingenden Vorschriften", die den Angehörigen der Gemeinschaft den Genuss von Fleisch nicht geschächteter Tiere untersagen. Ob dieses Merkmal erfüllt ist, haben die Behörden und im Streitfall die Gerichte als Tatbestandsvoraussetzung für die begehrte Ausnahmegenehmigung zu prüfen und zu entscheiden. Bezugspunkt für diese Prüfung sind aber bei einer Religion, die wie der Islam zum Schächtgebot unterschiedliche Auffassungen vertritt, nicht notwendig der Islam insgesamt oder die sunnitischen oder schiitischen Glaubensrichtungen dieser Religion. Die Frage nach der Existenz zwingender Vorschriften ist vielmehr für die konkrete, gegebenenfalls innerhalb einer solchen Glaubensrichtung bestehende Religionsgemeinschaft zu beantworten (vgl. auch BVerwGE 112, 227 <236>).

Dabei reicht es aus, dass derjenige, der die Ausnahmegenehmigung nach § 4 a Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 TierSchG zur Versorgung der Mitglieder einer Gemeinschaft benötigt, substantiiert und nachvollziehbar darlegt, dass nach deren gemeinsamer Glaubensüberzeugung der Verzehr des Fleischs von Tieren zwingend eine betäubungslose Schlachtung voraussetzt (vgl. BVerwGE 94, 82 <87 f.>). Ist eine solche Darlegung erfolgt, hat sich der Staat, der ein solches Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft nicht unberücksichtigt lassen darf (vgl. BVerfGE 24, 236 <247 f.>), einer Bewertung dieser Glaubenserkenntnis zu enthalten (vgl. BVerfGE 33, 23 <30>). Er kann den "zwingenden" Charakter einer religiösen Norm im Lichte des Art. 4 GG auch nicht allein deshalb verneinen, weil die Religion zugleich Regeln kennt, die auf die Gewissensnot von Gläubigen Rücksicht nehmen und etwa im Hinblick auf den Aufenthaltsort und die dort herrschenden Speisegewohnheiten Abweichungen zulassen. Einem Antragsteller ist vielmehr die beantragte Ausnahmegenehmigung zu erteilen, soweit eine solche nicht aus anderen Gründen ausscheidet. Dabei ist durch Nebenbestimmungen und die Überwachung ihrer Einhaltung ebenso wie bei der Prüfung der Sachkunde und der persönlichen Eignung des Antragstellers auch in Bezug auf die besonderen Fertigkeiten des Schächtens sicherzustellen, dass die Belange des Tierschutzes so weit wie möglich gewahrt werden (vgl. auch BVerwGE 112, 227 <236>).

2. § 4 a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 TierSchG steht, wenn die Ausnahmeregelung der zuletzt genannten Vorschrift im vorstehenden Sinne ausgelegt wird, auch im Übrigen mit dem Grundgesetz im Einklang. Insbesondere ist für die Annahme eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG oder das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG kein Raum, weil nach dieser Auslegung auch Muslime eine Ausnahmegenehmigung nach § 4 a Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 TierSchG erhalten können, die als Metzger ihre Kunden mit dem Fleisch geschächteter Tiere versorgen wollen, denen zwingende Vorschriften ihrer Religionsgemeinschaft den Genuss des Fleischs nicht geschächteter Tiere verbieten.

III.

1. Die angegriffenen Behörden- und Gerichtsentscheidungen verletzen das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Die Behörden und die Verwaltungsgerichte haben die Notwendigkeit und die Möglichkeit einer verfassungsgemäßen Auslegung des § 4 a Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 TierSchG verkannt und sind daher bei der Anwendung der Ausnahmeregelung vom Schächtverbot zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung des genannten Grundrechts gelangt. Die Ablehnung der beantragten Ausnahmegenehmigung und die Bestätigung dieser Entscheidung im Widerspruchs- und im Verwaltungsstreitverfahren beruhen auf diesem Umstand. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Kunden des Beschwerdeführers wie dieser selbst einer Religionsgemeinschaft im oben dargestellten Sinne angehören, die von ihnen die Beachtung des Schächtgebots zwingend verlangt, und dass dem Beschwerdeführer bei Zugrundelegung eines derartigen Sachverhalts die begehrte Genehmigung erteilt worden wäre, damit er den Kunden und sich selbst den Genuss des Fleischs geschächteter Tiere ermöglichen kann.

2. Von den angegriffenen Entscheidungen sind nach § 95 Abs. 2 BVerfGG diejenigen der Verwaltungsgerichte aufzuheben. Die Sache wird an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen, weil erwartet werden kann, dass der Verwaltungsrechtsstreit dort auf der Grundlage des vorliegenden Urteils zum Abschluss gebracht wird. Bei einer Zurückverweisung an den Verwaltungsgerichtshof müsste dieser, bevor er zu einer das Verfahren beendenden Entscheidung gelangen könnte, erst über den Antrag des Beschwerdeführers befinden, die Berufung zuzulassen.

Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.

Ende der Entscheidung

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