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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 04.11.2008
Aktenzeichen: 1 BvR 1832/07
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 1
GG Art. 19 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 1832/07 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Juni 2007 - 13 A 1504/06 -,

b) das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 21. Februar 2006 - 7 K 2040/05 -,

c) den Widerspruchsbescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 3. März 2005 - Z14.37-V-3354 -

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier und die Richter Eichberger, Masing gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 4. November 2008 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Die Ehefrau des Beschwerdeführers ist - nach seinem Vortrag - 2005 in der Schweiz durch einen von der Organisation Dignitas begleiteten Suizid gestorben. Sie sei 2002 im Alter von 51 Jahren ohne Fremdeinwirkung vor ihrer Haustür so unglücklich gestürzt, dass sie eine fast komplette sensomotorische Querschnittslähmung davongetragen habe. Sie sei in vollem Umfang bewegungsunfähig gewesen und habe durchgehend künstlich beatmet und rund um die Uhr durch Pflegepersonal beaufsichtigt werden müssen. Daher sei es ihr Wunsch gewesen, dieses für sie selbst würdelose Leben durch einen selbstvollzogenen Suizid zu beenden. Den Antrag der Ehefrau des Beschwerdeführers auf Abgabe von 15 g Natrium-Pentobarbital zum Zwecke der Durchführung ihres Suizids lehnte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte mit der Begründung ab, nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 6 Betäubungsmittelgesetz dürften Betäubungsmittel nur zum Zwecke der notwendigen medizinischen Versorgung der Bevölkerung abgegeben werden. Darunter könnten nur lebenserhaltende oder lebensfördernde, nicht jedoch lebensvernichtende Anwendungen verstanden werden. Den hiergegen durch den Beschwerdeführer und seine Ehefrau eingelegten Widerspruch wies das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nach dem Tod der Ehefrau zurück. Das Verwaltungsgericht wies die Klage des Beschwerdeführers als unzulässig ab. Ihm fehle die erforderliche Klagebefugnis, da er nicht die Verletzung eigener Rechte geltend machen könne. Das Oberverwaltungsgericht bestätigte mit der Nichtannahme der Berufung diese Rechtsansicht. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 1 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG. Durch die Entscheidungen des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und der Gerichte sei seine Ehefrau in ihrer Menschenwürde verletzt worden. Er sei befugt, diese Verletzung der Menschenwürde in eigenem Namen nach dem Ableben seiner Ehefrau geltend zu machen.

II.

Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Für die Berufung auf Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG fehlt dem Beschwerdeführer die Beschwerdebefugnis im Sinne des § 90 Abs. 1 BVerfGG. Bereits das Oberverwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt, dass aus dem grundgesetzlichen Schutz von Ehe und Familie kein Recht auf Beendigung der ehelichen Gemeinschaft durch Suizid eines Ehepartners folgt. Der Beschwerdeführer ist auch nicht beschwerdebefugt, soweit er geltend macht, seine Ehefrau sei zu Lebzeiten durch Versagung der arzneimittelrechtlichen Genehmigung zur Erlangung der tödlichen Dosis eines Arzneimittels in ihrer Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG verletzt worden. Auf einen postmortalen Menschenwürdeschutz seiner Ehefrau kann sich der Beschwerdeführer nicht berufen. Postmortal geschützt wird, wie auch die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen unter Beachtung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ausgeführt haben, zum einen der allgemeine Achtungsanspruch, der dem Menschen kraft seines Personseins zusteht, zum anderen der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat (vgl. BVerfGE 30, 173 <194>; BVerfGK 9, 92 <95 f.>; 9, 325 <327>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. April 2001 - 1 BvR 932/94 -, NJW 2001, S. 2957 <2958 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2006 - 1 BvR 1168/04 -, NJW 2006, S. 3409 <3409>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 19. Dezember 2007 - 1 BvR 1533/07 -, NVwZ 2008, S. 549 <550>). Solche Verletzungen der Menschenwürde der Ehefrau des Beschwerdeführers stehen hier nicht in Frage. Der Beschwerdeführer kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, er erhebe Verfassungsbeschwerde als Rechtsnachfolger seiner zu Lebzeiten in Grundrechten verletzten Ehefrau. Zur Durchsetzung vermögenswerter Rechte und für sonstige Rügen, die der Rechtsnachfolger im eigenen Interesse geltend machen kann, können Rechtsnachfolger Verfassungsbeschwerdeverfahren fortführen oder erheben (vgl. BVerfGE 3, 162 <164>; 17, 86 <90 f.>; 23, 288 <300>; 26, 327 <332>; 69, 188 <201>; 94, 12 <30>; 109, 279 <304>), nicht jedoch zur Durchsetzung des Schutzes der Menschenwürde und höchstpersönlicher Rechte (vgl. BVerfGE 109, 279 <304>). Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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