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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 09.01.2001
Aktenzeichen: 1 BvR 1871/96
Rechtsgebiete: BVerfGG, AusglLeistG, VermG, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 93 b
BVerfGG § 93 a
BVerfGG § 93 a Abs. 2
BVerfGG § 93 Abs. 1
BVerfGG § 92
BVerfGG § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1
BVerfGG § 93 d Abs. 1 Satz 3
AusglLeistG § 5 Abs. 1
VermG § 1 Abs. 8 Buchstabe a
GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 3
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 1871/96 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

des Graf von Sch...,

1. unmittelbar

gegen

a) den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Juli 1996 - BVerwG 7 B 213.95 -,

b) das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 25. Januar 1994 - 5 A 944/94 -,

c) den Bescheid des Landesamts zur Regelung offener Vermögensfragen des Landes Mecklenburg-Vorpommern, vertreten durch die Außenstelle Schwerin, vom 26. März 1993 - 13000/010133/92 -,

2. mittelbar gegen das Ausgleichsleistungsgesetz vom 27. September 1994 (BGBl I S. 2624, ber. BGBl 1995 I S. 110)

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Kühling, die Richterin Jaeger und den Richter Hömig gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 9. Januar 2001 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

1. Der Beschwerdeführer verlangte im Ausgangsverfahren die Rückübertragung von Vermögenswerten, die ihm 1945 in der sowjetischen Besatzungszone im Zuge der Bodenreform entschädigungslos entzogen wurden. Das zuständige Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen hat den Rückübertragungsantrag des Beschwerdeführers abgelehnt, das Verwaltungsgericht die daraufhin erhobene Verpflichtungsklage abgewiesen. Auch die Nichtzulassungsbeschwerde des Beschwerdeführers ist erfolglos geblieben.

2. Mit der Verfassungsbeschwerde wendet er sich unmittelbar gegen die im Ausgangsverfahren ergangenen behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen und mittelbar gegen das als Art. 2 des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes vom 27. September 1994 (BGBl I S. 2624) beschlossene Ausgleichsleistungsgesetz (AusglLeistG). Er hält dieses und demzufolge auch die angegriffenen Entscheidungen für unvereinbar mit Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und dem Sozial- und Rechtsstaatsprinzip sowie mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 3 GG, weil der Bundesgesetzgeber seiner danach bestehenden verfassungsrechtlichen Pflicht, für die auf besatzungshoheitlicher Grundlage Enteigneten die Möglichkeit einer kostenlosen Rückgewähr der entzogenen Vermögenswerte zu schaffen, nur für bewegliche Sachen nachgekommen sei. Außerdem sei mit Art. 3 Abs. 1 GG auch nicht vereinbar, dass den Berechtigten nach dem Mauergrundstücksgesetz ein Rückerwerbsanspruch gegen Zahlung von 25 % des Verkehrswerts eingeräumt worden sei, während den Ausgleichsleistungsberechtigten ein solcher Anspruch im Ausgleichsleistungsgesetz vorenthalten werde.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der vom Beschwerdeführer als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt. Denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

1. Das ergibt sich bereits daraus, dass die Verfassungsbeschwerde unzulässig ist. Der Beschwerdeführer hat die angegriffenen Entscheidungen weder innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 BVerfGG noch in der Zeit danach vorgelegt. Seine Verfassungsbeschwerde genügt deshalb nicht dem Substantiierungserfordernis des § 92 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BVerfGG (vgl. BVerfGE 88, 40 <45>; 93, 266 <288>). Dass der Beschwerdeführer den Inhalt der Entscheidungen in der Beschwerdebegründung teilweise wiedergibt und sich mit ihnen auch auseinander setzt, ändert an dieser Beurteilung nichts. Es kann nämlich wegen der Nichtvorlage der Entscheidungen nicht überprüft werden, ob das in einer Weise geschehen ist, die dem Inhalt dieser Entscheidungen gerecht wird und damit die Prüfung erlaubt, ob sie mit dem Grundgesetz vereinbar sind (vgl. BVerfGE 93, 266 <288>).

2. Die Verfassungsbeschwerde könnte im Übrigen auch in der Sache keinen Erfolg haben.

Dazu kann weit gehend auf die Ausführungen in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 22. November 2000 - 1 BvR 2307/94 und andere - zum Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (vgl. EuGRZ 2000, S. 573) verwiesen werden. Danach lässt sich eine Pflicht der Bundesrepublik Deutschland zur Wiedergutmachung von Unrecht einer nicht an das Grundgesetz gebundenen Staatsgewalt nicht aus einzelnen Grundrechten herleiten. Der Bundesgesetzgeber ist deshalb aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG oder aus Art. 14 Abs. 1 GG weder zu einer Wiedergutmachung der in der sowjetischen Besatzungszone unter der Hoheit der Besatzungsmacht durchgeführten Enteignungen in der Form der Rückgabe oder kostenlosen Rückgewähr der rechtsstaatswidrig enteigneten Vermögenswerte noch zur Eröffnung von Wiedererwerbsmöglichkeiten verpflichtet (vgl. a.a.O., S. 585, 592 i.V.m. S. 586). Aus dem Sozial- und dem Rechtsstaatsprinzip ergeben sich keine weiter gehenden Pflichten (vgl. a.a.O., S. 585 f., S. 592 i.V.m. S. 586 f.). Auch sind vor dem In-Kraft-Treten des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes keine Ansprüche der nach diesem Gesetz Ausgleichsberechtigten entstanden, die unter Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG gekürzt worden sein könnten (vgl. a.a.O., S. 592).

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich ein Anspruch auf kostenlose Rückgewähr der in Rede stehenden Vermögenswerte ebenfalls nicht herleiten. Das gilt auch dann, wenn man mit dem Beschwerdeführer annimmt, dass die Sowjetunion und die Deutsche Demokratische Republik insoweit bei den Verhandlungen, die zur Wiedervereinigung geführt haben, Vorbedingungen für deren Herbeiführung nicht gemacht haben. Wenn es nicht willkürlich ist, bei der Bemessung der Ausgleichsleistungen nach dem Ausgleichsleistungsgesetz hinter dem Wert zurückzubleiben, den Vermögensgegenstände, die nach dem Vermögensgesetz (VermG) restituiert werden können, im Regelfall haben (vgl. dazu das Senatsurteil vom 22. November 2000, a.a.O., S. 593 i.V.m. S. 587 ff.), ist unter dem Gesichtspunkt des auch hier maßgeblichen Willkürverbots erst recht nichts dagegen einzuwenden, dass Ausgleichsberechtigte nach dem Ausgleichsleistungsgesetz auf einen Ausgleichsanspruch in Geldeswert beschränkt sind. Sie können auch im Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 GG nicht aufgrund der Zufälligkeit, dass ihre Objekte in Staatshand noch verfügbar sind, eine wertmäßige Bevorzugung bei der Wiedergutmachung vor anderen Enteigneten oder vor Opfern von Unrechtsmaßnahmen verlangen, die Schäden anderer Art erlitten haben (vgl. BVerfGE 84, 90 <131>). Aus dem gleichen Grund ist das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG auch nicht deshalb verletzt, weil das Ausgleichsleistungsgesetz für die nach ihm Berechtigten die Möglichkeit eines Rückerwerbs nach Art des Mauergrundstücksgesetzes vom 15. Juli 1996 (BGBl I S. 980) nicht eröffnet, zumal dieses Gesetz Lebenssachverhalte zum Gegen-stand hat, die sich von denen, die mit dem Ausgleichsleistungsgesetz zu bewältigen sind, grundlegend unterscheiden.

Das Ausgleichsleistungsgesetz verstößt schließlich nicht deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil es in § 5 Abs. 1 die Rückübertragung beweglicher, nicht in einen Einheitswert einbezogener Sachen, die auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet worden sind, grundsätzlich ermöglicht, eine Restitution für entsprechende Enteignungen unbeweglicher Sachen dagegen nicht vorsieht. Letzteres beruht auf dem Restitutionsausschluss in Art. 41 Abs. 1 des Einigungsvertrags (vgl. BGBl 1990 II S. 889) in Verbindung mit Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Regierungen zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 (vgl. BGBl II S. 1237) und in § 1 Abs. 8 Buchstabe a VermG, der verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. BVerfGE 84, 90; 94, 12). Die Bundesregierung hat die Ausnahme von diesem Ausschluss zugunsten der von § 5 Abs. 1 AusglLeistG erfassten beweglichen Sachen damit begründet, dass die Gemeinsame Erklärung insoweit einen die Rückübertragung ermöglichenden Auslegungsspielraum belasse, den der Gesetzgeber im Interesse der früheren Eigentümer nutzen könne (vgl. BTDrucks 12/4887, S. 39). Der Beschwerdeführer hat gegen diese Einschätzung Bedenken nicht geltend gemacht. Anhaltspunkte für Willkür sind insoweit auch sonst nicht ersichtlich. Es entspricht im Gegenteil erkennbar der Interessenlage der in der sowjetischen Besatzungszone unter der Verantwortung der Besatzungsmacht enteigneten Eigentümer, ihnen dort, wo dies möglich ist, den Weg zur Wiedererlangung der entzogenen Vermögenswerte in Natur zu eröffnen. Schlussfolgerungen für andere Bereiche lassen sich aus der Nutzung einer solchen Möglichkeit nicht ziehen.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).

Ende der Entscheidung

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