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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 26.06.2007
Aktenzeichen: 1 BvR 1877/01
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 5 Abs. 1
GG Art. 5 Abs. 3
GG Art. 4 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 1877/01 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 1. Oktober 2001 - 2 Ss 261/01 -,

b) das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 21. Mai 2001 - 2101 Js 54963/96 - 6 Ns -,

c) das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 12. Februar 2001 - 2 Ss 272/00 -,

d) das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 30. Mai 2000 - 2101 Js 54963/96 - 5 Ns -,

e) das Urteil des Amtsgerichts Neuwied vom 4. Mai 1998 - 2101 Js 54963/96 - 12 Ls -

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier, die Richterin Hohmann-Dennhardt und den Richter Hoffmann-Riem gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 26. Juni 2007 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die unzulässige Beschwerde ist gegen eine strafrechtliche Verurteilung gerichtet.

I.

1. Mit Urteil des Amtsgerichts vom 4. Mai 1998 wurde der Beschwerdeführer wegen Volksverhetzung in Tateinheit mit Beleidigung und einer Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 40 DM verurteilt.

Mit Berufungsurteil vom 30. Mai 2000 hat das Landgericht die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Beschwerdeführers gegen dieses Urteil mit der Maßgabe verworfen, dass die Geldstrafe auf 90 Tagessätze zu je 50 DM festgesetzt werde.

Mit Urteil vom 12. Februar 2001 hat das Oberlandesgericht die Revision des Beschwerdeführers gegen dieses Urteil als unbegründet verworfen. Auf Revision der Staatsanwaltschaft hat das Oberlandesgericht das Urteil zugleich im Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der Bemessung der Tagessatzhöhe aufgehoben und zurückverwiesen. Dieses Revisionsurteil ist dem Beschwerdeführer am 23. Februar 2001 zugegangen.

Mit Urteil vom 21. Mai 2001 hat das Landgericht in dem zurückverwiesenen Verfahren die Tagessatzhöhe auf 60 DM festgesetzt. Die hiergegen gerichtete Revision des Beschwerdeführers hat das Revisionsgericht mit Beschluss vom 1. Oktober 2001 als offensichtlich unbegründet verworfen. Dieses Revisionsurteil ist dem Beschwerdeführer am 4. Oktober 2001 zugestellt worden.

2. Der Beschwerdeführer rügt mit seiner Beschwerde vom 2. November 2001 die ergangenen Entscheidungen als Verletzung seiner Grundrechte insbesondere aus Art. 5 Abs. 1 und 3 GG sowie aus Art. 4 Abs. 1 GG. Die Rügen des Beschwerdeführers sind allein gegen den Schuldspruch gerichtet.

II.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund gemäß § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht gegeben ist. Ihr kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu und sie dient auch nicht der Durchsetzung von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten, denn die Verfassungsbeschwerde ist bereits unzulässig.

1. Wollte der Beschwerdeführer sich gegen die Beschwer aus dem Schuldspruch und den aufrechterhaltenen Teilen des Strafausspruchs wenden, so war er gehalten, bereits das erste Revisionsurteil vom 12. Februar 2001 innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG zum Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde zu machen. Dies hat der Beschwerdeführer versäumt.

a) Die Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG beginnt mit Erlass derjenigen letztinstanzlichen Entscheidung zu laufen, die gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG den Rechtsweg erschöpft (vgl. BVerfGE 19, 145 <147>). Dies ist die für den Fristbeginn maßgebliche Entscheidung, falls nicht die Beschwerde gemäß § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG bereits vor Rechtswegerschöpfung eingelegt werden darf (vgl. Schmidt-Bleibtreu, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 93 BVerfGG <Stand: Januar 2005>; Rn. 6 u. Rn. 35; Heusch/Sennekamp, in: Umbach/Clemens, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 93 BVerfGG Rn. 33; Leibholz/Rupprecht, BVerfGG, 1968, Anm. 3 zu § 93 BVerfGG).

Der Rechtweg im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ist erschöpft, sobald der Beschwerdeführer keine Möglichkeit mehr hat, im Verfahren vor den Gerichten des zuständigen Gerichtszweigs eine Beseitigung der geltend gemachten Beschwer zu erlangen (vgl. BVerfGE 8, 222 <225 f.>). Entscheidend ist hierbei, ob der Beschwerdeführer im Ergebnis mit seinem Begehren noch Erfolg haben könnte (vgl. BVerfGE 8, 222 <225 f.>; 78, 58 <68>).

Macht der Beschwerdeführer keinen fristgerechten Gebrauch von der ihm offen stehenden Möglichkeit, die den Rechtsweg erschöpfende letztinstanzliche Entscheidung binnen der Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG mit einer Verfassungsbeschwerde anzugreifen, hat dies die Verfristung der Beschwerde zur Folge. Dies gilt auch dort, wo die Entscheidung nachträglich zusammen mit solchen Entscheidungen zur Nachprüfung gestellt wird, die an die Unanfechtbarkeit der früheren Entscheidung gebunden waren und der hieraus erwachsenen Beschwer nicht mehr abhelfen konnten (vgl. BVerfGE 12, 113 <123 f.>; 21, 94 <97>).

b) Die Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG begann hiernach mit Zustellung des Revisionsurteils vom 12. März 2001 zu laufen. Mit diesem Urteil war der Rechtsweg gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG hinsichtlich der Beschwer aus dem Schuldspruch erschöpft. Die Aufhebung und Zurückverweisung der Entscheidung über die Tagessatzhöhe hat eine abweichende Beurteilung nicht zur Folge.

aa) Zwar ist der Rechtsweg gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nicht erschöpft, soweit die Sache durch ein Revisionsgericht an die Vorinstanz zurückverwiesen wird (vgl. BVerfGE 78, 58 <68>). Die Bindung an die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, ändert daran nichts. Rechtsausführungen in den Gründen einer Entscheidung schaffen für sich allein keine verfassungsrechtliche Beschwer (vgl. BVerfGE 8, 222 <224>). Durch die Bindung gemäß § 358 Abs. 1 StPO an die für die Aufhebung tragende Auffassung des Revisionsgerichts sind die Gerichte nicht daran gehindert, bei der Entscheidung über den zurückverwiesenen Verfahrensgegenstand infolge neuer tatsächlicher oder rechtlicher Gesichtspunkte zu einer für den Betroffenen günstigeren Beurteilung zu gelangen (vgl. BGHSt 9, 324 <329>). Solche Möglichkeiten der Beseitigung einer Beschwer sind auszuschöpfen, bevor eine zulässige Verfassungsbeschwerde eingelegt werden kann (vgl. BVerfGE 78, 58 <68>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 27. April 2000 - 1 BvR 256/97 -, NJW 2000, S. 3198 f.). Eine Verkürzung des verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes ist damit nicht verbunden. Der Beschwerdeführer kann nach erneuter Beschreitung des Rechtswegs gegen die abschließende Entscheidung auch eine hierbei bindende Rechtsauffassung aus der zurückverweisenden Rechtsmittelentscheidung zum Gegenstand seiner Verfassungsbeschwerde machen (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 28. August 2000, - 1 BvR 2328/96 -, NJW 2001, S. 261).

bb) Hebt das Revisionsgericht die Sache nur im Strafausspruch auf, so ist gegen die Beschwer aus dem aufrechterhaltenen Schuldspruch jedoch sogleich die Verfassungsbeschwerde eröffnet. Der aufrechterhaltene Schuldspruch erwächst in Teilrechtskraft und kann im weiteren Verlauf des Strafverfahrens nicht mehr auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft werden (vgl. BGHSt 7, 283 <284>; 28, 119 <121>; 30, 340 <342 f.>). Hinsichtlich dieser Beschwer ist der dem Beschwerdeführer offen stehende Rechtsweg gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG unbeschadet einer Zurückverweisung anderer Teile der Entscheidung bereits mit derjenigen letztinstanzlichen Entscheidung erschöpft, welche die Rechtskraft des Schuldspruchs bewirkt (vgl. BVerfGE 75, 369 <375>; 82, 236 <258>).

Die Entscheidung des Berufungsgerichts im zurückverwiesenen Verfahren hatte sich darauf zu beschränken, die festgesetzte Anzahl der Tagessätze anhand der Maßstäbe des § 40 Abs. 2 StGB um eine Neufestsetzung der Tagessatzhöhe zu ergänzen. Der Schuldspruch und die Anzahl der Tagessätze waren hierbei sowie in der abschließenden Revisionsentscheidung vom 1. Oktober 2001 der Korrektur entzogen. Eine anderweitige und vor Einlegung einer Verfassungsbeschwerde auszuschöpfende Möglichkeit zur Beseitigung der Beschwer aus dem aufrechterhaltenen Schuldspruch war damit nicht verbunden.

c) Das Revisionsurteil vom 12. Februar 2001 ist dem Beschwerdeführer am 23. Februar 2001 zugegangen. Hinsichtlich der Beschwer aus dem hierbei aufrechterhaltenen Schuldspruch wahrt die am 5. November 2001 eingegangene Verfassungsbeschwerde vom 2. November 2001 nicht die Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Die Beschwerde ist insoweit wegen Verfristung unzulässig.

2. Die Entscheidung des Landgerichts vom 21. Mai 2001 über die Neufestsetzung der Tagessatzhöhe auf 60 DM und den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 1. Oktober 2001 über die Verwerfung der hiergegen gerichteten Revision hat der Beschwerdeführer innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG angegriffen. Insoweit ist die Beschwerde jedoch deshalb unzulässig, weil eine rügefähige Beschwer aus diesen Entscheidungen nicht aufgezeigt ist.

Wendet sich ein Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung, die auf einer Bindung an die Rechtskraft einer früheren und selbständig mit einer Verfassungsbeschwerde angreifbaren Entscheidung beruht, so kommen als Gegenstand einer zulässigen Verfassungsbeschwerde allein noch solche Grundrechtsverletzungen in Betracht, die im Folgeverfahren neu und unabhängig von der bereits in Rechtskraft erwachsenen Beschwer geschaffen worden sind (vgl. BVerfGE 1, 332 <341>; 15, 309 <311>; 28, 1 <8>). Eine solche eigenständige Grundrechtsverletzung bei der Festsetzung der Tagessatzhöhe ist mit den allein gegen den Schuldspruch gerichteten Rügen des Beschwerdeführers nicht dargetan (§ 23 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz, § 92 BVerfGG).

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.



Ende der Entscheidung

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