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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 28.02.2003
Aktenzeichen: 1 BvR 189/03
Rechtsgebiete: GG, BVerfGG


Vorschriften:

GG Art. 12 Abs. 1
BVerfGG § 93 a Abs. 2
BVerfGG § 93 a Abs. 2 Buchstabe a
BVerfGG § 93 a Abs. 2 Buchstabe b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 189/03 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen das Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 17. Dezember 2002 - 6 U 126/01 -

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Jaeger und die Richter Hömig, Bryde

am 28. Februar 2003 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen eine wettbewerbsrechtliche Verurteilung wegen unzulässiger Werbung.

1. Der Beschwerdeführer ist als Rechtsanwalt tätig. Im Juli 2000 - und gleichlautend jedenfalls bis Ende Oktober 2001 - warb er im Internet unter anderem wie folgt:

"SCHULTE RECHTSANWALT hat es zu seiner wichtigsten Aufgabe gemacht, die wirtschaftlichen Interessen seiner Mandanten optimal zu wahren und durchzusetzen."

Drei mit ihm konkurrierende Rechtsanwälte (im Folgenden: Kläger) erhoben beim Landgericht gegen den Beschwerdeführer Klage mit dem Ziel, ihn zur Unterlassung dieser Werbung zu verurteilen. Das Landgericht wies die Klage wegen Fehlens der örtlichen Zuständigkeit als unzulässig ab.

Gegen dieses Urteil legten die Kläger Berufung beim Oberlandesgericht ein. Das Oberlandesgericht gab unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils ihrer Klage statt und verurteilte den Beschwerdeführer zur Unterlassung der beanstandeten Werbung. Die Klage sei zulässig und auch begründet. Die Werbung des Beschwerdeführers verstoße gegen § 43 b der Bundesrechtsanwaltsordnung (im Folgenden: BRAO), der dem Rechtsanwalt Werbung nur in Gestalt von sachbezogenen und im Einzelnen nachvollziehbaren Informationen erlaube. Während auf den Beruf bezogene Tatsachenbehauptungen grundsätzlich diesen Anforderungen entsprächen, seien Werturteile, die weitgehend von subjektiven Einschätzungen abhingen, regelmäßig nicht mit § 43 b BRAO vereinbar (unter Hinweis auf BGH, NJW 2001, S. 2087 <2088>).

Vorliegend habe der Beschwerdeführer zwar nicht direkt mit einem Werturteil geworben. Insbesondere habe er nicht ausdrücklich erklärt, er wahre die Interessen seiner Mandanten "optimal". Jedoch habe er damit geworben, dass er sich eine solche Leistung zur wichtigsten Aufgabe mache. Dies erwecke auch bei verständigen Lesern den Eindruck, dass er das angestrebte Ziel stets erreiche. Im Ergebnis behaupte der Beschwerdeführer also, durchgängig Spitzenleistungen zu erbringen. Ob diese Behauptung der Wahrheit entspreche, entziehe sich jedoch verlässlicher Beurteilung und verstoße daher - als bloßes Werturteil - gegen § 43 b BRAO.

Weiter sei zu beanstanden, dass der Beschwerdeführer eine optimale Mandantenbetreuung zu "seiner wichtigsten Aufgabe" machen wolle. Eine solche Angabe betreffe die innere Einstellung des Werbenden; es handele sich also um Motivationswerbung, die mangels Überprüfbarkeit ebenfalls gegen das Sachlichkeitsgebot verstoße.

Der Beschwerdeführer hat mittlerweile - noch während des Klageverfahrens - seine Internethomepage aus Gründen der Aktualisierung vollständig umgestaltet. In diesem Rahmen hat er auch einen neuen Werbetext geschaffen, der die beanstandete Formulierung nicht aufgreift.

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts. Die beanstandete Werbung sei nicht als berufswidrig zu qualifizieren. Die Werbung enthalte zwar Werturteile; diese verstießen jedoch nicht gegen das Sachlichkeitsgebot.

II.

Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde (§ 93 a Abs. 2 BVerfGG) liegen nicht vor.

1. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zum anwaltlichen Werberecht hat das Bundesverfassungsgericht bereits wiederholt entschieden (vgl. BVerfGE 57, 121 <133 f.>; 76, 196 <205 ff.>; 82, 18 <28> m.w.N.). Dem Anwalt ist nicht jede, sondern nur die berufswidrige Werbung untersagt (vgl. nur BVerfGE 76, 196 <208>). Für interessengerechte und sachangemessene Information, die keinen Irrtum erregt, muss im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr Raum bleiben (vgl. BVerfGE 82, 18 <28>).

2. Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerGG).

a) Das angegriffene Urteil begegnet allerdings verfassungsrechtlichen Bedenken. Gemessen an den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen zur Überprüfbarkeit fachgerichtlicher Entscheidungen (vgl. BVerfGE 85, 248 <257 f.>) wird das Oberlandesgericht bei Auslegung und Anwendung von § 43 b BRAO dem Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG nicht gerecht. Die Argumentation des Gerichts, dass die Werbung des Beschwerdeführers sich dem Rechtsuchenden als Werbung für Spitzenleistungen darstelle und daher gegen § 43 b BRAO verstoße, weil sie als bloßes Werturteil irreführend sei, beruht auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Berufsfreiheit.

Einzeläußerungen wie die hier beanstandete Wortkombination der "optimalen Interessenwahrung" müssen im Kontext des gesamten Werbeinhalts grundrechtsfreundlich ausgelegt werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 2001, S. 3324 f.). Diesem Auslegungskriterium wird die beanstandete Entscheidung nicht gerecht. Es hat die Ausdrucksweise der "optimalen Interessenwahrung" isoliert vom Satzbau und restlichen Satzinhalt betrachtet und dadurch den Aussagegehalt zu Lasten des Werbenden verändert. Der Rechtsuchende, der ein durchschnittliches Leseverständnis aufbringt, vermag sehr wohl zwischen optimaler Mühewaltung und optimaler Interessenvertretung zu differenzieren. Eine Gefahr der Irreführung von Rechtsuchenden ergibt sich nicht.

Gleichermaßen verfassungsrechtlich bedenklich ist die Auffassung, dass jegliche Werbung mit beruflicher Motivation von vornherein berufswidrig sei. Diese Auffassung unterscheidet nicht in der gebotenen Weise zwischen Pflichten oder wünschenswerten Eigenschaften und der Zusicherung des Rechtsanwalts, diesen Anforderungen auch zu genügen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats, a.a.O.).

b) Trotz dieser Bedenken ist die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sich aus der wettbewerbsrechtlichen Verurteilung für den Beschwerdeführer kein besonders schwerer Nachteil ergibt. Mit der angegriffenen Verurteilung wurde dem Beschwerdeführer aufgegeben, eine Werbung zu unterlassen, die er aus Gründen, die nach seinen eigenen Angaben nicht in der Durchführung des Klageverfahrens begründet liegen, längst umformuliert hat. Die Verurteilung betrifft damit eine Unterlassung, deren Erzwingung nicht mehr in Betracht kommt.

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).

Ende der Entscheidung

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