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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 20.11.1997
Aktenzeichen: 1 BvR 2068/93
Rechtsgebiete: GG, AppOÄ
Vorschriften:
GG Art. 3 Abs. 1 | |
GG Art. 12 Abs. 1 Satz 1 | |
AppOÄ § 14 Abs. 5 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2068/93 -
In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde
der Frau F...
- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Peter Becker und Partner, Gisonenweg 9, Marburg -
gegen a) den Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 21. Oktober 1993 - III ZR 170/92 -,
b) das Urteil des Kammergerichts vom 30. Oktober 1992 - 9 U 2569/92 -,
c) das Urteil des Landgerichts Berlin vom 6. Februar 1992 - 13 O 322/91 -,
d) den Bescheid des Landesprüfungsamtes für Gesundheitsberufe Berlin vom 21. Januar 1991
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungs- gerichts durch den Vizepräsidenten Seidl, die Richterin Haas und den Richter Steiner
gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 20. November 1997 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
G r ü n d e :
1. Die Beschwerdeführerin scheiterte im April 1980 bei der dritten ärztlichen Prüfung im Multiple-Choice-Verfahren an der 60-vom-Hundert-Klausel des § 14 Abs. 5 Approbationsordnung für Ärzte (AppOÄ) in der damaligen Fassung. Nachdem das Bundesverfassungsgericht diese Regelung für verfassungswidrig erklärt hatte (BVerfGE 80, 1 <26 ff.>), hat die Beschwerdeführerin im Zivilrechtsweg in allen Instanzen erfolglos Entschädigung für entgangene Verdienstmöglichkeiten in Höhe von 100.000 DM geltend gemacht mit der Begründung, bei einer verfassungsmäßigen Prüfungsregelung hätte sie (bei unterstelltem Bestehen der Prüfung) sogleich im Anschluß an den Dritten Prüfungsabschnitt als Ärztin arbeiten und Mehreinnahmen erzielen können. Den Gesamtschaden bezifferte sie mit 240.000 DM. Sie rügt, die Zurückweisung ihres Begehrens verstoße insbesondere gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG.
2. Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung liegen nicht vor (§ 93 a Abs. 2 BVerfGG). Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu; insbesondere läßt sich der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entnehmen, daß eine umfassende unmittelbare Staatsunrechtshaftung von Verfassungs wegen nicht gefordert ist (vgl. BVerfGE 61, 149 <198>). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt, weil sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
a) Die angegriffenen Entscheidungen verstoßen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot. Es ist nicht ersichtlich, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruhen (vgl. BVerfGE 42, 64 <73 f.>).
Die Gerichte haben einen Anspruch auf Entschädigung nach dem Aufopferungsgrundsatz in seiner richterrechtlichen Ausprägung im wesentlichen mit der Begründung verneint, danach werde ein Ausgleich nur gewährt, wenn die hoheitliche Einwirkung zu vermögenswirksamen Einbußen im konkret vorhandenen Rechtsbestand geführt habe. Das richterrechtlich entwickelte Rechtsinstitut der Aufopferungsentschädigung biete jedoch keine Grundlage für einen Ausgleich, wenn - wie hier - nur rechtlich noch nicht gesicherte Chancen und Verdienstmöglichkeiten nicht hätten genutzt werden können. Der Vortrag der Beschwerdeführerin läßt nicht erkennen, weshalb diese an den unterschiedlichen vermögenswirksamen Folgen rechtswidriger hoheitlicher Einwirkungen (entsprechend dem jeweiligen grundrechtlichen Schutzgut) ausgerichtete Abgrenzung des Rechtsinstituts der Aufopferungsentschädigung schlechthin unverständlich sein sollte. Ihr Einwand, in Einzelfällen könne es problematisch sein, zwischen dem Vorgang des Erwerbs und dem bereits erworbenen Güterbestand zu unterscheiden, besagt nichts über die Sachwidrigkeit des Abgrenzungsmerkmals als solchem. Daß keine hinreichend klaren Maßstäbe für eine Abgrenzung gefunden werden können, rügt die Beschwerdeführerin selbst nicht. Das ist ersichtlich auch nicht der Fall (vgl. BGHZ 111, 349 <356 ff.>; Beschluß der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juli 1991, NJW 1992, S. 36 <37>). Abgesehen davon bereitet der vorliegende Fall auch keinerlei Abgrenzungsschwierigkeiten. Wenn die Beschwerdeführerin weiter vorträgt, dem richterrechtlichen Rechtsinstitut des enteignungsgleichen Eingriffs sei der Ersatz für entgangene Verdienstmöglichkeiten auch sonst nicht fremd, läßt sie außer Acht, daß der Bundesgerichtshof einen Ertragsverlust nur dann für ersatzfähig hält, wenn die Ertragsmöglichkeit bereits einen "konkreten Wert" in der vorhandenen Substanz dargestellt hatte (vgl. BGHZ 30, 338 <351 ff.>; 57, 359 <369 f.>; BGH, NJW 1975, S. 1966 <1967 f.>). Eine solche Substanzminderung liegt hier gerade nicht vor.
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin im übrigen führt zu keiner anderen Beurteilung.
b) Die angegriffenen Entscheidungen sind auch mit Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG vereinbar.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist Inhalt der Grundrechtsgewährleistung keineswegs, daß der Staat für alle auf rechtswidrigen Grundrechtseingriffen beruhenden vermögenswirksamen Nachteile haften müsse, so daß der richterrechtlich entwickelte Aufopferungsanspruch (unabhängig von einer sich aus dem Rechtsinstitut selbst ergebenden Folgerichtigkeit) von Verfassungs wegen auch auf den Ersatz entgangener Erwerbs-chancen bei rechtswidrigen Eingriffen in die Berufsfreiheit zu erstrecken sei. Das folgt schon daraus, daß das Grundgesetz in Art. 34 GG nur den Bestand einer in der persönlichen Haftung des Amtsträgers gründenden, verschuldensabhängigen mittelbaren Staatshaftung bei Amtspflichtverletzungen "garantiert", also gerade keine umfassende unmittelbare Staatshaftung fordert, wie das Bundesverfassungsgericht bereits in anderem Zusammenhang klargestellt hat (vgl. BVerfGE 61, 149 <198>). Danach ist jedenfalls Schadensersatz von Verfassungs wegen nur im Rahmen der herkömmlichen, durch Art. 34 GG garantierten Amtshaftung zu gewähren (vgl. etwa Beschlüsse des Vorprüfungsausschusses vom 29. Januar 1982 - 1 BvR 1378/81 - und vom 24. Mai 1977 - 2 BvR 403/76 -).
Daß die Gerichte bei der Auslegung und Anwendung der amtshaftungsrechtlichen Bestimmungen die Bedeutung und die Tragweite des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG verkannt hätten, wird mit der Verfassungsbeschwerde nicht gerügt und ist auch nicht ersichtlich.
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Seidl Haas Steiner
Steiner
Ende der Entscheidung
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