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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 16.10.2003
Aktenzeichen: 1 BvR 2075/03
Rechtsgebiete: BVerfGG


Vorschriften:

BVerfGG § 92
BVerfGG § 93 b
BVerfGG § 93 a
BVerfGG § 23
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 2075/03 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen die Zustimmung der Bundesregierung zum Kompromissvorschlag des Vorsitzes zur Energiebesteuerung auf der Sitzung des Rates der Europäischen Union (2497. Tagung des Rates "Wirtschaft und Finanzen" am 19. März 2003 in Brüssel)

und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier, die Richterin Haas und den Richter Hoffmann-Riem gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 16. Oktober 2003 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93 a Abs. 2 BVerfGG). Sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Beschwerdeführerinnen durch die Mitwirkung der Bundesregierung bei dem Erlass sekundären Gemeinschaftsrechts im Rat der Europäischen Union nicht unmittelbar beschwert werden (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Mai 1989 - 2 BvQ 3/89 -, NJW 1990, S. 974 und Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Juli 1992 - 2 BvR 1096/92 -, NVwZ 1993, S. 883). Die Mitwirkung der Bundesregierung ist kein Akt öffentlicher Gewalt gegenüber den Beschwerdeführerinnen, sondern trägt lediglich zum Entstehen einer Richtlinie bei, die erst nach In-Kraft-Treten die Beschwerdeführerinnen beschweren kann.

Der Umstand, dass Grundrechtsschutz gegen sekundäres Gemeinschaftsrecht grundsätzlich durch den Europäischen Gerichtshof und nicht durch das Bundesverfassungsgericht gewährt wird (vgl. BVerfGE 102, 147 <164>), stellt auch keinen hinreichenden Grund dafür dar, den verfassungsgerichtlichen Rechtsschutz auf Mitwirkungsakte der Bundesregierung vorzuverlagern. Dagegen spricht bereits, dass der Grundrechtsschutz im Hoheitsbereich der Europäischen Union nach Konzeption, Inhalt und Wirkungsweise dem Grundrechtsstandard des Grundgesetzes im Wesentlichen gleich zu achten ist (vgl. BVerfGE 73, 339 <378>; 102, 147 <162>) und daher keine Rechtsschutzlücke besteht, welche eine derartige Vorverlagerung rechtfertigen könnte.

Die Beschwerdeführerinnen legen auch nicht substantiiert dar, dass sie gegen die geplante Richtlinie auf Gemeinschaftsebene keinen hinreichenden Rechtsschutz zu erwarten haben. Ihre Ansicht, dies folge aus einem besonderen Zusammenwirken von nationalem Recht und Gemeinschaftsrecht, wird nicht näher begründet. Es ist jedoch nicht ohne weiteres nachvollziehbar, warum sich eine gemeinschaftsrechtliche Vorschrift, die nach Auffassung der Beschwerdeführerinnen unterschiedliche nationale Regelungen für die Zukunft festschreibt, einer Überprüfung durch den Europäischen Gerichtshof grundsätzlich entziehen soll. Gleiches gilt hinsichtlich der gemeinschaftsrechtlichen Zulassung nationaler Steuerermäßigungen und -befreiungen.

2. Im Übrigen erfüllt die Verfassungsbeschwerde auch nicht die Anforderungen der §§ 23, 92 BVerfGG.

Die Beschwerdeführerinnen wenden sich zum einen gegen die Zustimmung der Bundesregierung zu dem Entwurf der Energiesteuer-Richtlinie, soweit diese weiterhin Steuerermäßigungen und -befreiungen in Frankreich und Italien zulässt. Aus ihrem Vortrag ergibt sich jedoch nicht, dass sie selbst durch diese Vergünstigungen beschwert werden. Ein Konkurrenzverhältnis mit italienischen Unternehmen wird von keiner der Beschwerdeführerinnen behauptet. Auch zu einer Konkurrenz durch französische Wettbewerber machen die Beschwerdeführerinnen zu 2 bis 5 keine Angaben. Lediglich die Beschwerdeführerin zu 1 erklärt, im Wettbewerb mit französischen Unternehmen zu stehen. Jedoch legt sie nicht näher dar, inwiefern sie durch die französischen Steuerermäßigungen belastet wird. Sie macht weder Angaben zu der konkreten Ausgestaltung der französischen Steuerermäßigungen, noch zu der Höhe der sich für sie dadurch ergebenden wirtschaftlichen Belastung. Hierzu hätte insbesondere deshalb Anlass bestanden, weil die Beschwerdeführerin zu 1 angibt, im Wesentlichen Frankreich-Verkehr zu betreiben und nahezu ausschließlich in Belgien zu tanken.

Soweit die Beschwerdeführerinnen vortragen, der Entwurf der Energiesteuer-Richtlinie sehe ein generelles Verbot vor, den Dieselsteuersatz unter den jeweils am 1. Januar 2003 geltenden Betrag abzusenken, kann dem nicht gefolgt werden. Art. 7 Abs. 2 des Entwurfs enthält seinem Wortlaut nach kein generelles Absenkungsverbot, sondern erlaubt eine Differenzierung der Steuersätze zwischen gewerblich und nicht gewerblich genutztem Gasöl, das als Kraftstoff verwendet wird. Nur für den Fall, dass eine solche Differenzierung vorgenommen wird, darf der Steuersatz für gewerblich genutztes Gasöl nicht unter den am 1. Januar 2003 geltenden nationalen Steuerbetrag fallen. Der Entwurf steht seinem Wortlaut nach daher einer generellen Senkung nationaler Steuersätze für Dieselkraftstoff unter den am 1. Januar 2003 geltenden Betrag nicht entgegen, solange nicht die neuen gemeinschaftsrechtlichen Mindestsätze unterschritten werden. Gesichtspunkte, die eine von dem Wortlaut abweichende Auslegung erfordern könnten, sind nicht ersichtlich und werden von den Beschwerdeführerinnen auch nicht dargelegt.

Mit Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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