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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 18.02.2004
Aktenzeichen: 1 BvR 2121/98
Rechtsgebiete: UWG, BGB, BVerfGG, GG


Vorschriften:

UWG § 1
BGB § 823
BVerfGG § 93 b
BVerfGG § 93 a
BVerfGG § 93 a Abs. 2
GG Art. 14 Abs. 1
GG Art. 5 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 2121/98 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 15. Oktober 1998 - I ZR 42/98 -,

b) das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. Januar 1998 - 6 U 237/96 -,

c) das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30. Oktober 1996 - 2/6 O 141/96 -

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier, die Richterin Haas und den Richter Hoffmann-Riem gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 18. Februar 2004 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen zivilgerichtliche Urteile, die Ansprüche auf Schadenersatz wegen rufbeeinträchtigender Äußerungen zurückgewiesen haben.

I.

Die Beschwerdeführerin ist eine Aktiengesellschaft, die auf dem Gebiet des Vertriebs von Finanzdienstleistungen tätig ist. Der Beklagte zu 1 des Ausgangsverfahrens war längere Jahre im Geschäftsbetrieb der Beschwerdeführerin tätig und verfasste nach seinem Ausscheiden eine Publikation in Buchform, die sich kritisch mit dem Geschäftsgebaren der Beschwerdeführerin auseinander setzt und die berufliche Vergangenheit und Erfahrungen des Beklagten zu 1 im Geschäftsbetrieb der Beschwerdeführerin zum Gegenstand hat.

Die Beschwerdeführerin hat erfolglos Ansprüche auf Schadensersatz wegen Rufschädigung gegenüber dem Beklagten zu 1 und dem publizierenden Verlag, dem Geschäftsführer des Verlags und dem Verfasser eines Vorworts und einer Leseempfehlung geltend gemacht. Die Gerichte haben ihre abweisenden Entscheidungen im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Äußerungen des Beklagten zu 1 durch die Meinungsfreiheit geschützt seien und deshalb Ansprüche der Beschwerdeführerin aus § 1 UWG und § 823 BGB nicht bestünden.

Dagegen macht die Beschwerdeführerin geltend, dass die Gerichte das ihr zustehende allgemeine Persönlichkeitsrecht jedenfalls hinsichtlich ihres sozialen Geltungsanspruchs nicht hinreichend beachtet hätten. Die Gerichte hätten auch verkannt, dass die Beschwerdeführerin durch die Äußerungen in ihrem Goodwill beeinträchtigt sei, der durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt werde. Gerade bei Finanzdienstleistungsunternehmen habe eine Berichterstattung wie die des Beklagten zu 1 wegen des damit verbundenen Verlusts an Vertrauen in die Beratungskompetenz des kritisierten Unternehmens fatale Auswirkungen.

II.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a und b BVerfGG). Die von der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen lassen sich anhand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Verhältnis des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Meinungsfreiheit (vgl. BVerfGE 61, 1; 85, 1; 99, 185) sowie zum Schutz des Eigentums (vgl. BVerfGE 91, 294 <308>; 101, 54 <75>) klären.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine Streitigkeit, die nach den Vorschriften des Zivilrechts, insbesondere anhand von § 1 UWG und § 823 BGB, zu beurteilen ist. Das Bundesverfassungsgericht prüft insoweit lediglich nach, ob Entscheidungen der Fachgerichte Auslegungsfehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 42, 143 <149>; 102, 347 <362>).

1. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Gerichte der Meinungsfreiheit des Beklagten zu 1 Vorrang vor dem Schutz des Ansehens der Beschwerdeführerin gegeben haben.

a) Bei der Prüfung kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdeführerin als juristische Person sich gegenüber den angegriffenen Äußerungen des Beklagten zu 1 auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen kann und ob es beeinträchtigt ist. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, schiede eine Grundrechtsverletzung aus.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst die nach außen gerichtete Selbstdarstellung einer Person und insbesondere den Schutz vor verfälschenden Darstellungen einer Person in der Öffentlichkeit und gegenüber Darstellungen, die die Persönlichkeitsentfaltung erheblich beeinträchtigen können (vgl. BVerfGE 97, 391 <403>). Es gibt dem Einzelnen nicht das Recht, nur so von anderen dargestellt zu werden, wie er sich selbst sieht oder gesehen werden möchte (vgl. BVerfGE 101, 361 <380>; 105, 252 <266>).

b) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht unterliegt ebenso wie das dem Beklagten zu 1 für seine Veröffentlichung zustehende Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG gesetzlichen Schranken. Kollidieren beide Grundrechte muss im Zuge einer Abwägung entschieden werden, welches der beiden Grundrechte im konkreten Fall vorgeht. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Gerichte im Kollisionsfall der Meinungsfreiheit den Vorrang gegeben haben.

Die Gerichte haben die Äußerungen des Beklagten zu 1 als Werturteile eingeordnet, die ihrerseits auf Tatsachenbehauptungen zurückgreifen. Diese Tatsachenbehauptungen seien als wahr zu behandeln, da die Beschwerdeführerin ihre Unwahrheit nicht substantiiert dargelegt habe. Das Schwergewicht der Äußerungen liege in ihrem wertenden Charakter. Das Buch enthalte neben einer Bewertung der geschäftlichen Betätigung der Beschwerdeführerin eine subjektiv gehaltene, persönliche Abrechnung. Die Gerichte haben ferner das Vorliegen von Schmähkritik verneint. Es lässt keinen verfassungsrechtlichen Fehler erkennen, dass die Gerichte bei der daher erforderlichen Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz und der Meinungsfreiheit zugunsten letzterer entschieden haben.

2. Das Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Dabei kann dahinstehen, unter welchen Voraussetzungen der von der Beschwerdeführerin beanspruchte Schutz des Goodwill oder des Unternehmensrufs von der Eigentumsgarantie umfasst sein kann. Das Eigentum ist nicht absolut geschützt. Vielmehr werden sein Inhalt und seine Schranken nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG durch die Gesetze bestimmt. Zu solchen Gesetzen zählen § 1 UWG und § 823 BGB, deren Verletzung die Gerichte im konkreten Fall verneint haben. Dabei haben sie die Ausstrahlungswirkung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 2 GG in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise berücksichtigt.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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