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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 12.09.2007
Aktenzeichen: 1 BvR 2156/06
Rechtsgebiete: BVerfGG, SGB III, AFG, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 23 Abs. 1 Satz 2
BVerfGG § 92
BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 93b
BVerfGG § 93d Abs. 1 Satz 3
SGB III § 148
SGB III § 434c Abs. 7
AFG § 128
AFG § 128a
GG Art. 12 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 2067/06 - - 1 BvR 2156/06 -

In den Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerden

gegen

a) das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1. Februar 2006 - L 5 AL 1363/04 -,

b) das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 30. November 2001 - S 5 AL 2008/01 -,

- 1 BvR 2067/06 -,

gegen

a) das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Februar 2006 - L 5 AL 1364/04 -,

b) das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. April 2002 - S 5 AL 16/01 -,

- 1 BvR 2156/06 -

hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier und die Richter Steiner, Gaier gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 12. September 2007 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die miteinander verbundenen Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die miteinander verbundenen Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerden sind unzulässig; sie sind nicht hinreichend begründet nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG.

1. Die Beschwerdeführerin macht nicht in der gesetzlich gebotenen Weise deutlich, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung von § 148 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) durch das Gesetz zur Neuregelung der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt (Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz) vom 21. Dezember 2000 (BGBl I S. 1971; im Folgenden: § 148 SGB III n.F.) von den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998 (BVerfGE 99, 202) abgewichen ist. Gleiches gilt für den durch das Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz eingefügten § 434c Abs. 7 SGB III, der eine modifizierte Fortgeltung von § 128a des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) für die Zeit bis zum 31. Dezember 1997 anordnete.

a) Die Beschwerdeführerin legt zunächst nicht dar, wieso sich aus dem genannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ein verfassungsrechtliches Verbot ergeben soll, den Arbeitgeber überhaupt mit Vermittlungsrisiken zu belasten. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass das mit der Erstattungsregelung verfolgte Ziel einer Entlastung der Beitragszahler vom Risiko einer aufgrund eines Wettbewerbsverbots nur eingeschränkten Vermittelbarkeit durch Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt war und dass die seinerzeit beanstandeten Vorschriften zur Erreichung dieses Zwecks geeignet und erforderlich waren (vgl. BVerfGE 99, 202 <212>). An der Verhältnismäßigkeit der Regelung im engeren Sinne fehlte es lediglich, weil der Arbeitgeber durch diese im Wege der uneingeschränkten Kostenerstattung mit allen Vermittlungsrisiken des Arbeitsmarkts belastet wurde und sich der Gesetzgeber nicht auf einen Ausgleich der Folgelasten des besonderen Vermittlungshindernisses beschränkt hatte (vgl. BVerfGE 99, 202 <213>).

b) Ebenso wenig lässt sich dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts entnehmen, dass eine verfassungskonforme Regelung zwingend eine Prüfung der Kausalität zwischen Wettbewerbsverbot und Arbeitslosigkeit im Einzelfall vorsehen müsse. Das Bundesverfassungsgericht hat beanstandet, dass § 128a AFG und § 148 SGB III in der von ihm zu prüfenden Fassung keinen Ausnahmetatbestand vorsahen, der die Erstattungspflicht dem Grunde oder der Höhe nach von der erforderlichen Verantwortungsbeziehung abhängig machte (vgl. BVerfGE 99, 202 <214>). Ein zwingendes Gebot der Einzelfallprüfung hat das Bundesverfassungsgericht aus dem Grundgesetz nicht abgeleitet. Es hat vielmehr die Beseitigung der Verfassungswidrigkeit dem Gesetzgeber überlassen (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 215 f.).

c) Auch die Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Erstattungsvorschrift des § 128 AFG (BVerfGE 81, 156) kann die Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin nicht tragen. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu entschieden, dass eine Erstattungspflicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstößt, die auch dann besteht, wenn der Arbeitslose Anspruch auf eine andere Sozialleistung hat, die den Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe entfallen lässt (vgl. BVerfGE 81, 156 <197>). Eine besondere Verantwortung des Arbeitgebers für die Eintrittspflicht der Solidargemeinschaft besteht nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts dann nicht, wenn sich ein vorrangig von einem anderen System sozialer Sicherung abzudeckendes Risiko realisiert (BVerfG, a.a.O., S. 198). Dieser Vorgabe trug § 148 SGB III n.F. beziehungsweise § 434c Abs. 7 SGB III in Verbindung mit § 128a AFG schon dadurch Rechnung, dass nur tatsächliches gezahltes Arbeitslosengeld zu erstatten war.

2. Die Verfassungsbeschwerde zeigt auch keine verfassungsrechtlich bedeutsamen Gesichtspunkte auf, die über den Einwand hinausgehen, der Gesetzgeber habe den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998 nicht beachtet. Soweit die Beschwerdeführerin die Verfassungsmäßigkeit pauschalierender und typisierender Regelungen überhaupt in Zweifel zieht, fehlt es jedenfalls an einer Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu gesetzlichen Typisierungen (vgl. nur für das Sozialrecht BVerfGE 103, 392 <397> m.w.N.). Auch eine selbständige Grundrechtsverletzung durch die erkennenden Gerichte ist nicht hinreichend dargetan.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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