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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 22.03.2004
Aktenzeichen: 1 BvR 2248/01
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 3
GG Art. 6 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES

- 1 BvR 2248/01 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 21. November 2001 - 8 W 643/00 -,

b) den Beschluss des Landgerichts Hechingen vom 7. Dezember 2000 - 3 T 15/96 -,

c) den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 2. Dezember 1998 - IV ZB 19/97 -

hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier, den Richter Steiner und die Richterin Hohmann-Dennhardt am 22. März 2004 einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 21. November 2001 - 8 W 643/00 -, der Beschluss des Landgerichts Hechingen vom 7. Dezember 2000 - 3 T 15/96 - und der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 2. Dezember 1998 - IV ZB 19/97 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Eheschließungsfreiheit aus Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben.

Die Sache wird an das Landgericht Hechingen zurückverwiesen.

2. Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein Erbscheinsverfahren, das die Erbfolge nach dem im Jahre 1951 verstorbenen ehemaligen Kronprinzen Wilhelm von Preußen (im Folgenden: Erblasser), dem ältesten Sohn des 1941 verstorbenen ehemaligen Kaisers Wilhelm II., zum Gegenstand hat.

I.

1. Im Jahre 1938 schloss der Erblasser mit seinem zweitältesten Sohn L.F. unter Beteiligung Wilhelm II. einen Erbvertrag, durch den L.F. zum alleinigen Vorerben eingesetzt wurde. Zum Nachlass gehört unter anderem der wesentliche Teil des in Deutschland gelegenen so genannten Hausvermögens des früheren Preußischen Königshauses. Im Zusammenhang mit dem Erbvertrag verzichtete Wilhelm II. auf seine Rechte am Hausvermögen zu Gunsten des Erblassers. Die maßgeblichen Bestimmungen des Erbvertrags lauten:

§ 1.

Der Kronprinz setzt seinen zweiten Sohn, Prinz L.F., zum alleinigen Erben ein. Er soll Vorerbe sein. Nacherben nach ihm sollen die in § 2 genannten weiteren Abkömmlinge im Mannesstamme des Kronprinzen sein. Ihre Berufung erfolgt in der dort angegebenen Reihenfolge mit der Maßgabe, daß immer nur einer nach den Grundsätzen der Erstgeburtsfolge und der Erbfolge nach Stämmen Erbe wird. Die Nacherbschaft soll solange dauern, als das Gesetz (BGB § 2109) es zuläßt.

Erbe kann nicht sein (erbunfähig ist), wer nach den Feststellungen des Schiedsgerichts (§ 10) nicht aus einer den Grundsätzen der alten Hausverfassung des Brandenburg-Preußischen Hauses entsprechenden Ehe stammt oder in einer nicht hausverfassungsmäßigen Ehe lebt.

...

§ 2.

Nacherben nach dem in § 1 eingesetzten Vorerben sollen seine Mannesstammabkömmlinge werden. Sollten sie nicht vorhanden sein ...

Der Fall der Nacherbfolge soll eintreten,

a) wenn der Vorerbe stirbt, ...

§ 3.

Der jeweilige Erbe ist verpflichtet, den Familienmitgliedern Apanagen, Wittümer und Sustentationen, sowie sonstige Versorgungsleistungen insoweit zu gewähren, als sie darauf nach den anliegenden Bestimmungen des Hausgesetzes 1920 Artikel 6 Anspruch haben oder haben würden ...

Im Jahre 1943 verfasste der Erblasser eine Richtlinie zur künftigen Behandlung der Ebenbürtigkeitsfrage.

Unter anderem hieß es dort:

Mit Rücksicht darauf, dass die Auswahl unter den nach der Hausverfassung des königlichen Hauses ebenbürtigen Damen protestantischen Glaubens außerordentlich gering und ständig im Abnehmen ist, kann in Ausnahmefällen das Oberhaupt des Königlichen Hauses auf Vorschlag des Ausschusses eine Ehe für ebenbürtig erklären, auch wenn die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.

2. In seinem Testament aus dem Jahre 1950 stellte der Erblasser unter anderem klar, dass "das Vertragswerk von 1938" aufrechterhalten werde, und setzte seinen Sohn L.F. auch zu seinem "Universalerben" des Vermögens ein, "das nicht zu dem von meinem Herrn Vater auf mich übergegangenen Vermögen" gehört.

3. Der im Jahre 1994 verstorbene L.F. errichtete 1981 ein Testament, in dem er seinen Enkel G.F., den Sohn seines bereits im Jahre 1977 verstorbenen drittältesten Sohnes, zum alleinigen Erben seines gesamten Vermögens einsetzte. Diese Erbeinsetzung geschah auch für den Fall, dass L.F. Vollerbe des früheren Hausvermögens geworden sei.

4. Der Beschwerdeführer ist der älteste Sohn des L.F. Nach dessen Tod beantragte er die Erteilung eines Erbscheins als alleiniger Nacherbe des Erblassers. Er hatte zuvor in notarieller Urkunde im Jahre 1961 unter Bezugnahme auf das Hausgesetz von 1920 und auf § 1 des Erbvertrags von 1938 unter anderem erklärt, dass er für den Fall einer Eheschließung, die nicht nach den Grundsätzen der alten Hausverfassung ebenbürtig sei, "auf alle Rechte, die mir als eventuellem Nachfolgeberechtigten zustehen, unwiderruflich verzichte". Diesen Verzicht hat er in notariellen Urkunden von 1967 und 1976 jeweils aus Anlass der Eingehung von Ehen, die in diesen Urkunden als nicht der Ebenbürtigkeit entsprechend bezeichnet wurden, wiederholt.

G.F. beantragte die Erteilung eines Erbscheins, dass er nach dem Tode des Vorerben alleiniger Erbe des Erblassers geworden sei. Hilfsweise beantragte er die Erteilung eines Erbscheins für L.F. mit dem Inhalt, dass dieser alleiniger Erbe des Erblassers sei.

5. Das Nachlassgericht kündigte mit Vorbescheid vom 7. September 1995 an, dass es die Erteilung eines Erbscheins für L.F. als Alleinerben des Erblassers beabsichtige. Die Ebenbürtigkeitsklausel in § 1 des Erbvertrags sei nach heutigen Maßstäben wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 BGB nichtig. Dies führe zur Nichtigkeit der angeordneten Nacherbfolge, nicht jedoch zur Unwirksamkeit der Einsetzung von L.F. als Alleinerben.

Die vom Beschwerdeführer dagegen eingelegte Beschwerde wurde durch Beschluss des Landgerichts Hechingen vom 17. Februar 1997 zurückgewiesen. In Übereinstimmung mit der Auffassung des Nachlassgerichts sah es die Ebenbürtigkeitsklausel wegen Verstoßes gegen § 138 BGB als nichtig an. Im Wege der ergänzenden Auslegung des Erbvertrags kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass L.F. zum alleinigen Vollerben eingesetzt worden sei.

6. Auf die weitere Beschwerde des Beschwerdeführers legte das Oberlandesgericht Stuttgart mit Beschluss vom 19. August 1997 die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vor. Das Oberlandesgericht hielt die weitere Beschwerde für unbegründet, weil der Berufung auf die Ebenbürtigkeitsklausel jedenfalls der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB entgegenstehe. An der Zurückweisung sah sich das Oberlandesgericht jedoch durch den Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 3. September 1996 - 1Z BR 41/95 - gehindert.

7. Mit Beschluss vom 2. Dezember 1998 hob der Bundesgerichtshof den Beschluss des Landgerichts Hechingen auf und verwies die Sache zur anderweitigen Behandlung und neuerlichen Entscheidung an das Landgericht zurück. Er sah die Ebenbürtigkeitsklausel in § 1 des Erbvertrags als wirksam an. Art. 6 Abs. 1 GG schütze auch die freie Wahl des Ehepartners. Einem schweren Eingriff in diesen grundrechtlich gesicherten Bereich höchstpersönlicher Entscheidungen durch eine letztwillige Verfügung, die darauf abziele, die freie Wahl des Ehepartners des Bedachten zu beeinträchtigen, komme für die nach bürgerlichem Recht zu beurteilende Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung grundsätzlich rechtliche Bedeutung zu. Der vorliegende Fall nötige aber nicht dazu, zu bestimmen, wo die Grenze verlaufe, jenseits derer einer letztwilligen Verfügung wegen einer solchen Beeinträchtigung ausnahmsweise ein sittenwidriger Charakter beigemessen werden müsse. Denn jedenfalls sei ein schwerer Eingriff in die Eheschließungsfreiheit hier noch nicht festzustellen. Welches Gewicht dem Eingriff zukomme und welche Bedeutung die Einflussnahme des Erblassers auf die Eheschließungsfreiheit für die betroffenen Abkömmlinge erlangen könne, sei im vorliegenden Fall kaum bestimmbar. Es liege jedenfalls nicht auf der Hand, dass einer von ihnen bei der Wahl seiner Ehefrau gewissermaßen mit Hilfe der Ebenbürtigkeitsklausel zu "kaufen" sein könne. Abgesehen davon beschränke sich die Ebenbürtigkeitsklausel in ihrem Anwendungsbereich von vornherein auf den ältesten Sohn des Vorerben und wirke sich nur bei dessen Erbunfähigkeit auf den nach der Geburtsfolge im Mannesstamm dann Nächstberufenen aus. Darüber hinaus komme es auf den Zeitpunkt der Nacherbfolge, hier also den Tod des Vorerben, an; zu diesem Zeitpunkt müsse der in Betracht kommende Abkömmling noch nicht einmal Heiratspläne haben. Wenn dagegen im maßgebenden Zeitpunkt keiner der männlichen Abkömmlinge den Anforderungen der Ebenbürtigkeitsklausel genüge, fehle es an der Berufung eines Nacherben, so dass der Vorerbe im Nachhinein Vollerbe geworden sein dürfte.

Die Ebenbürtigkeitsklausel könne zwar zu einer gegen Art. 3 Abs. 3 GG verstoßenden Diskriminierung nach Abstammung und Herkunft führen. Jedoch sei Art. 3 GG für die Beurteilung der zivilrechtlichen Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung nicht unmittelbar anwendbar. Selbst wenn der Erblasser eine willkürliche Differenzierung vornehme, könne dies Ausdruck seiner Testierfreiheit sein. Deshalb könne eine den Differenzierungsverboten des Art. 3 Abs. 3 GG widerstreitende letztwillige Verfügung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen sittenwidrig sein. Ein solcher Ausnahmefall komme nicht schon dann in Betracht, wenn der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG differenziere, damit aber andere, von der Testierfreiheit gedeckte Ziele verfolge. Der Erblasser habe mit seiner Regelung im Erbvertrag nicht das Ziel verfolgt, Druck auf die Söhne des Vorerben bei der Auswahl ihrer Ehepartner auszuüben. Vielmehr sei es ihm darum gegangen, für den mindestens zum Teil aus früheren Generationen stammenden und durch die Familientradition geprägten Nachlass einen Nachfolger zu finden, der die auf Abstammung beruhende Tradition der Familie repräsentiere und deshalb geeignet erscheine, den Nachlass im Sinne des Erblassers und seiner Vorfahren fortzuführen.

Für eine Entscheidung in der Sache bedürfe es weiterer Aufklärung. Insbesondere habe das Landgericht der Frage nachzugehen, ob die jetzige Ehefrau des Beschwerdeführers, wie von diesem behauptet, sämtliche Voraussetzungen für die Anerkennung der Ebenbürtigkeit erfülle.

8. Nach Einholung eines rechtshistorischen Gutachtens zur Frage der Ebenbürtigkeit der Ehefrau des Beschwerdeführers wies das Landgericht mit Beschluss vom 7. Dezember 2000 dessen Beschwerde zurück. Das Nachlassgericht wurde angewiesen, G.F. einen Erbschein zu erteilen, der ihn als Nacherben des Erblassers ausweise. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer nicht in einer ebenbürtigen Ehe lebe. Er sei daher von der Erbfolge ausgeschlossen.

Die weitere Beschwerde des Beschwerdeführers wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 21. November 2001 zurückgewiesen. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts lasse Rechtsfehler nicht erkennen.

9. Mit der fristgerecht eingereichten Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Bundesgerichtshofs und die auf diesen ergangenen Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts. Er rügt unter anderem eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 und 3 GG.

In der Begründung führt er unter anderem aus, dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofs Art. 6 Abs. 1 GG verletze, weil die grundsätzliche Bedeutung der staatlichen Schutzpflicht im Hinblick auf die Eheschließungsfreiheit verkannt worden sei. Insbesondere der Beschwerdeführer als ältester Sohn des Vorerben sei von den Auswirkungen der Ebenbürtigkeitsklausel wegen seiner nicht standesgemäßen Eheschließung betroffen. Auch wenn der Schutzbereich eines Grundrechts im Einzelfall schwer bestimmbar sei, dürfe es ein Gericht nicht bei dem Hinweis darauf belassen. Die Belastung des Beschwerdeführers als Nacherbe mit einer solchen vorkonstitutionellen Ebenbürtigkeitsklausel, die seine Eheschließungsfreiheit auf einige wenige standesherrliche Frauen protestantischen Glaubens beschränke, die ihrerseits aus hausverfassungsgemäßen Ehen hervorgegangen sein müssten, könne nur als unvereinbar mit Art. 6 Abs. 1 GG angesehen werden.

Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 GG sei verletzt, weil der Beschwerdeführer allein auf Grund der frei gewählten Eheschließung mit einer nicht genügend hochadeligen Frau als erbunwürdig aus dem Familienbund ausgeschlossen werde. Dies sei diskriminierend und willkürlich. Ein Erblasser dürfe sich vom gesetzlichen Leitbild der Erbunwürdigkeit in § 2339 BGB nicht so weit entfernen, dass er durch eine Ebenbürtigkeitsklausel über Generationen hinweg Abkömmlinge für erbunwürdig erklären könne.

10. Zu der Verfassungsbeschwerde haben G.F. sowie die Beteiligten zu 3 und 7 des Erbscheinsverfahrens Stellung genommen. Das Bundesministerium der Justiz und das Justizministerium Baden-Württemberg haben von einer Stellungnahme abgesehen.

II.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 6 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93 b Satz 1, § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93 c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Eheschließungsfreiheit (Art. 6 Abs. 1 GG).

1. Die für die Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verkörpert sich in den Grundrechtsbestimmungen des Grundgesetzes eine objektive Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt und der vor allem auch bei der Interpretation zivilrechtlicher Generalklauseln maßgebliche Bedeutung zukommt. Indem § 138 und § 242 BGB ganz allgemein auf die guten Sitten, die Verkehrssitte sowie Treu und Glauben verweisen, verlangen sie von den Gerichten eine Konkretisierung am Maßstab von Wertvorstellungen, die in erster Linie von den Grundsatzentscheidungen der Verfassung bestimmt werden (vgl. BVerfGE 7, 198 <206 f.>; 42, 143 <148>; 89, 214 <229> f.).

Dies ändert jedoch nichts daran, dass das Bundesverfassungsgericht die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts grundsätzlich nicht nachzuprüfen hat. Ihm obliegt es lediglich, die Beachtung der grundrechtlichen Normen und Maßstäbe durch die ordentlichen Gerichte sicherzustellen. Daher kann es einer zivilgerichtlichen Entscheidung nicht schon dann entgegentreten, wenn es selbst bei der Beurteilung widerstreitender Grundrechtspositionen die Akzente anders gesetzt und daher anders entschieden hätte (vgl. BVerfGE 89, 214 <230>). Die Schwelle eines Verstoßes gegen objektives Verfassungsrecht, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist vielmehr erst erreicht, wenn die Entscheidung Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind. Die Prüfung des Bundesverfassungsgerichts bei der Anwendung der Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB beschränkt sich auf die Frage, ob die Gerichte Bedeutung und Reichweite des Grundrechts auf Eheschließungsfreiheit richtig erkannt und im Wege einer umfassenden Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls gegen die Testierfreiheit des Erblassers abgewogen haben (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Februar 2000 - 1 BvR 1937/97 -, FamRZ 2000, S. 945 <946>).

Bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe lassen sich die Grenzen der Eingriffsmöglichkeiten des Bundesverfassungsgerichts nicht starr und gleichbleibend ziehen; ihm muss ein gewisser Spielraum bleiben, der die Berücksichtigung der besonderen Lage des Einzelfalls ermöglicht. Von Bedeutung ist dabei namentlich die Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung: Je mehr eine zivilgerichtliche Entscheidung grundrechtsgeschützte Voraussetzungen freiheitlicher Existenz und Betätigung verkürzt, desto eingehender muss die verfassungsgerichtliche Prüfung sein, ob eine solche Verkürzung verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; 42, 163 <168>).

2. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe halten die angegriffenen Entscheidungen einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung bei der Würdigung der Ebenbürtigkeitsklausel den Bedeutungsgehalt des Grundrechts des Beschwerdeführers auf Eheschließungsfreiheit (Art. 6 Abs. 1 GG) verkannt. Er hat nicht alle in Betracht kommenden Umstände gewürdigt, die auf die Freiheit des Beschwerdeführers, die Ehe mit einer selbst gewählten Partnerin einzugehen, einwirken konnten. Das Landgericht und das Oberlandesgericht waren auf Grund der Bindungswirkung des Beschlusses des Bundesgerichtshofs als Gericht der weiteren Beschwerde an dessen Rechtsauffassung nach § 27, § 28 Abs. 2 und 3 FGG, § 565 Abs. 2 ZPO a.F. gebunden (vgl. Kahl, in: Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 14. Aufl., 1999, § 27 Rn. 69, § 28 Rn. 32), so dass diese Entscheidungen ebenfalls an diesem Mangel leiden.

a) Ausgangspunkt ist die Testierfreiheit des Erblassers als bestimmendes Element der von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Erbrechtsgarantie. Sie ist als Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Tod hinaus eng mit der Garantie des Eigentums verknüpft und genießt wie diese als Element der Sicherung der persönlichen Freiheit besonders ausgeprägten Schutz (vgl. BVerfGE 67, 329 <341>; 91, 346 <358>). Dem Erblasser ist hierdurch die Möglichkeit eingeräumt, die Erbfolge selbst durch Verfügung von Todes wegen weitgehend nach seinen persönlichen Wünschen und Vorstellungen zu regeln (vgl. BVerfGE 58, 377 <398>; 99, 341 <350 f.>). Insbesondere ist der Erblasser von Verfassungs wegen nicht zu einer Gleichbehandlung seiner Abkömmlinge gezwungen (vgl. BVerfGE 67, 329 <345>). Die Testierfreiheit umfasst auch die Freiheit, die Vermögensnachfolge nicht an den allgemeinen gesellschaftlichen Überzeugungen oder den Anschauungen der Mehrheit ausrichten zu müssen (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Februar 2000 - 1 BvR 1937/97 -, FamRZ 2000, S. 945 <946>).

b) Der durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Testierfreiheit des Erblassers steht das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 6 Abs. 1 GG gegenüber. Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistet die Freiheit, die Ehe mit einem selbst gewählten Partner einzugehen (vgl. BVerfGE 31, 58 <67>). Die in dem Erbvertrag vom 23. November 1938 enthaltene Ebenbürtigkeitsklausel ist geeignet, die Eheschließungsfreiheit des als Nacherben eingesetzten Abkömmlings des Erblassers mittelbar zu beeinflussen. Dadurch, dass an die Eingehung einer nicht im Sinne der Hausverfassung ebenbürtigen Ehe der vollständige Ausschluss von der Erbfolge geknüpft wird, sieht sich der Abkömmling vor die Alternative gestellt, eine solche Ehe nicht zu schließen oder seine Position als Nacherbe zu verlieren. Der Eingriff dauert auch nach der Schließung einer nicht im Sinne der Hausverfassung ebenbürtigen Ehe fort. Dies liegt darin begründet, dass der Abkömmling möglicherweise noch zum Nacherben berufen wird, wenn er zumindest im Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls in einer hausverfassungsmäßigen Ehe lebt. Auf den Beschwerdeführer wurde damit mittelbar auch nach Eingehung einer im Sinne der Hausverfassung nicht ebenbürtigen Ehe dahin gehend Druck ausgeübt, diese Ehe wieder zu lösen. Da die Ehe durch Art. 6 Abs. 1 GG als grundsätzlich unauflösliche Lebensgemeinschaft geschützt ist (vgl. BVerfGE 62, 323 <330>), liegt in der Ebenbürtigkeitsklausel ein mittelbar wirkender und fortdauernder Eingriff.

c) Der Bundesgerichtshof hat sich zwar mit der Frage, ob die Ebenbürtigkeitsklausel die von der Wertordnung des Grundgesetzes im Rahmen der §§ 138, 242 BGB gezogenen Grenzen überschreitet, auseinander gesetzt. Die von ihm vorgenommene Abwägung genügt aber nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine umfassende Abwägung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls.

aa) Der Bundesgerichtshof ging zwar in seiner Entscheidung davon aus, dass einem schweren Eingriff in den grundrechtlich durch Art. 6 Abs. 1 GG gesicherten Bereich höchstpersönlicher Entscheidung durch eine letztwillige Verfügung, die darauf abziele, die freie Wahl des Ehepartners des Bedachten zu beeinträchtigen, für die nach bürgerlichem Recht zu beurteilende Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung grundsätzlich rechtliche Bedeutung zukomme. Er hat jedoch dann in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise eine Würdigung derjenigen verfassungsrechtlich relevanten Umstände außer Betracht gelassen, die darauf hinweisen könnten, dass eine Beeinträchtigung der Eheschließungsfreiheit des Beschwerdeführers vorlag, die als sitten- oder treuwidrig angesehen werden muss. Es wurde nicht hinreichend geprüft, ob die Ebenbürtigkeitsklausel geeignet war, auf den Beschwerdeführer einen für diesen unzumutbaren Druck bei der Eingehung einer Ehe zu erzeugen. Der Bundesgerichtshof hat im Rahmen seiner Abwägung nicht berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer bereits durch die Abgabe der so genannten Verzichtserklärungen in den Jahren 1961, 1967 und 1976 - ungeachtet ihrer einfachrechtlichen Wirksamkeit - von L.F. darauf hingewiesen wurde, dass ihm im Falle der Eingehung einer nicht hausverfassungsmäßigen Ehe der Verlust seiner Nacherbenstellung drohe. Durch die Abgabe dieser Erklärungen wurde auf den Beschwerdeführer möglicherweise ein erheblicher Druck dahin gehend ausgeübt, die beabsichtigten Eheschließungen zu unterlassen. Auch hat der Bundesgerichtshof nicht in Erwägung gezogen, ob der Wert des Nachlasses geeignet war, unter Berücksichtigung der Lebensführung und der sonstigen Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers dessen Entschließungsfreiheit bei Eingehung der Ehe nachhaltig zu beeinflussen.

Ebenfalls wurde im Rahmen der Abwägung nicht erörtert, ob der Ebenbürtigkeitsklausel im Gegensatz zu einer Heiratsklausel, wie sie der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 4. August 1999 - 1Z BR 187/97 - (vgl. FamRZ 2000, S. 380) zu Grunde lag, eine stärker beeinträchtigende Wirkung in Bezug auf die Eheschließungsfreiheit zukam. Dort wurde auf die Eheschließungsfreiheit durch die Verweigerung der Zustimmung zur Eheschließung durch den Chef des Hauses eingewirkt. Es kam also auf die individuelle Entscheidung eines Dritten an, die auf ihre Vereinbarkeit mit den guten Sitten zu überprüfen war. Maßstab für die Entscheidung über die Erteilung der Einwilligung war aber, anders als bei einer Ebenbürtigkeitsklausel, nicht Abstammung und Herkunft der zukünftigen Ehefrau, sondern "Ehre, Ansehen, Ordnung und Wohlfahrt des Fürstlichen Hauses" (vgl. BayObLG, a.a.O., S. 380 <387>). Entsprechende Ausführungen finden sich zwar in der Prüfung der Zulässigkeit der Vorlage durch das Oberlandesgericht. Im Rahmen der Abwägung werden jedoch keine entsprechenden Überlegungen angestellt. Solche wären aber gerade deshalb angezeigt gewesen, weil der Sachverhalt konkrete Anhaltspunkte dafür bot, dass der Beschwerdeführer, wollte er bei der Eheschließung den Anforderungen der Ebenbürtigkeitsklausel genügen, keine effektiven Auswahlmöglichkeiten im Hinblick auf seine Partnerin hatte. Bereits aus der Richtlinie des Erblassers aus dem Jahre 1943 geht hervor, dass dieser bestrebt war, die zwingende Ebenbürtigkeitsklausel flexibler zu gestalten, um den Erben eine größere Auswahlmöglichkeit bei der Wahl ihrer Ehepartnerin zu geben. Hier liegt eine Prüfung nahe, ob es für den Beschwerdeführer eine hinreichend realistische Möglichkeit gab, durch Eingehung einer hausverfassungsmäßigen Ehe seine Erbenstellung zu behalten.

bb) Schließlich wurde im Rahmen der Abwägung nicht hinreichend die Frage in Erwägung gezogen, ob der Ebenbürtigkeitsbegriff im Sinne des Hausgesetzes auch nach der Abschaffung der Monarchie noch geeignet war, Eingriffe in die Eheschließungsfreiheit der Erbprätendenten zu rechtfertigen.

Die Thronfolge im Deutschen Reich und in Preußen richtete sich nach dem Hausgesetz der brandenburgischen Hohenzollern. Das Amt des Deutschen Kaisers war nach Art. 11 der Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871 (RGBl S. 64 <69>) mit dem preußischen Königtum untrennbar verbunden. Für den Erwerb und den Verlust des kaiserlichen Amtes im Reich waren die Vorschriften der preußischen Krone maßgebend (vgl. Laband, Deutsches Staatsrecht, Band I, 6. Aufl., 1912, § 10 II.). Art. 53 der Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850 sah vor, dass die Krone, den Hausgesetzen gemäß, erblich ist (Gesetz-Sammlung für die königlich Preußischen Staaten, S. 17 <24>). Damit wurden diejenigen Bestimmungen der Hausgesetze, welche die Zugehörigkeit zum königlichen Hause regeln, zu einem Bestandteil der Verfassungsurkunde. Die Abstammung aus einer im Sinne der Hausgesetze ebenbürtigen Ehe wurde zu einem entscheidenden Kriterium für die Thronfolgefähigkeit (vgl. Bornhak, Preußisches Staatsrecht, 2. Aufl., 1911, § 29; Hubrich, Preußisches Staatsrecht, 1909, § 9).

Mit In-Kraft-Treten der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 (RGBl S. 1383) und der Verfassung Preußens vom 30. November 1920 (Preußische Gesetzsammlung, S. 543) wurde jeweils die republikanische Staatsform eingeführt. Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871 wurde aufgehoben (Art. 178 Abs. 1 WRV). Art. 81 Abs. 1 der preußischen Verfassung hob die Verfassung vom 31. Januar 1850 auf. Damit wurden gleichzeitig die Hausgesetze des ehemals regierenden Kaiser- und Königshauses in staatsrechtlicher Hinsicht gegenstandslos.

Seit dem In-Kraft-Treten des Grundgesetzes steht der Wiedereinführung der Monarchie Art. 20 Abs. 1 GG und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG entgegen. Für die Bestimmung des Staatsoberhauptes haben die Ehe- und Familientraditionen von adeligen Familien heute keine Bedeutung mehr (vgl. Herzog, Art. 20 Anm. III. Rn. 5-8 in: Maunz-Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Stand September 1980; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Aufl., 1984, § 17 II. 2.).

Vor dem Hintergrund der veränderten staatsrechtlichen Verhältnisse wäre es von Verfassungs wegen geboten gewesen, dass sich der Bundesgerichtshof im Rahmen der Abwägung mit der Frage auseinander setzt, ob eine mit der Wahrung des Ebenbürtigkeitsprinzips verknüpfte Erbeinsetzung noch Eingriffe in die Eheschließungsfreiheit eines Erben zu rechtfertigen vermag und ob eine wesentliche Rechtfertigungsgrundlage für eine solche bedingte Erbeinsetzung weggefallen ist. Dieses Prinzip kann heute seine ursprüngliche staatsrechtliche Funktion - die Regelung der Thronfolge in einer Erbmonarchie - nicht mehr erfüllen.

cc) Gleichfalls vom Bundesgerichtshof nicht in Erwägung gezogen wurde die Frage, ob und inwieweit der Beschwerdeführer, sollte er auf Grund der Ebenbürtigkeitsklausel nicht Nacherbe geworden sein, auf Grund der Klausel in § 3 des Erbvertrags Ansprüche gegen den an seine Stelle tretenden Nacherben hätte. Solche Ansprüche können für die Antwort auf die Frage von Bedeutung sein, wie groß im Zeitpunkt der Eheschließung der von der Ebenbürtigkeitsklausel ausgehende wirtschaftliche Druck auf die Entschließungsfreiheit des Beschwerdeführers war und inwieweit damit gegebenenfalls eine anderweitige Versorgung des Beschwerdeführers verbunden war.

dd) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auch auf der Verkennung der grundlegenden Bedeutung des Grundrechts auf Eheschließungsfreiheit aus Art. 6 Abs. 1 GG. Es lässt sich weder aus den Entscheidungen selbst noch aus anderen offensichtlichen Umständen entnehmen, dass eine erneute, verfassungsmäßige Rechtsanwendung wiederum zum Nachteil des Beschwerdeführers ausfallen müsste. Die Frage, ob bei Annahme einer Sitten- oder Treuwidrigkeit der Ebenbürtigkeitsklausel auch die Anordnung der Vor- und Nacherbfolge des Erbvertrags unwirksam wäre und der Beschwerdeführer bereits aus diesem Grunde nicht zur Nacherbfolge berufen wäre, liegt allein auf der Ebene des einfachen Rechts und ist für die verfassungsrechtliche Prüfung irrelevant.

3. Da die Verfassungsbeschwerde schon aus den genannten Gründen Erfolg hat, kann dahingestellt bleiben, ob die weiteren Grundrechtsrügen des Beschwerdeführers durchgreifen.

III.

Die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen sind aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 93 c Abs. 2, § 95 Abs. 2 BVerfGG). Die Kostenentscheidung beruht auf § 34 a BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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