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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 18.03.2009
Aktenzeichen: 1 BvR 2374/07
Rechtsgebiete: GG, VBVG, UStG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
VBVG § 4 Abs. 1
VBVG § 4 Abs. 2
UStG § 12 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Verfahren

...

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts

durch

die Richterin Hohmann-Dennhardt und

die Richter Gaier, Kirchhof

gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG

in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl. I S. 1473)

am 18. März 2009

einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer - ein als Berufsbetreuer tätiger Rechtsanwalt - macht mit seiner Verfassungsbeschwerde eine mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarende Ungleichbehandlung durch die - die Umsatzsteuer mit umfassenden - Inklusivstundensätze nach § 4 Abs. 1 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes (VBVG) geltend.

1.

§ 4 VBVG sieht für Betreuer mit abgeschlossener Hochschulausbildung einen Inklusivstundensatz von 44 EUR vor, der nach § 4 Abs. 2 Satz 1 VBVG Ansprüche auf Ersatz anlässlich der Betreuung entstandener Aufwendungen sowie anfallende Umsatzsteuer mit abgilt. Sie betrifft ohne Unterschied ehrenamtliche Betreuer, Betreuer aus gemeinnützigen Betreuungsvereinen sowie individuelle Berufsbetreuer wie den Beschwerdeführer. Da der Inklusivstundensatz die vom Betreuer zu entrichtende Umsatzsteuer einschließt, muss ein individueller Berufsbetreuer den Normalsteuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG von 19% von der Vergütung abziehen, während eine Betreuung durch einen gemeinnützigen Verein nach § 12 Abs. 2 Nr. 8a Satz 1 UStG nur auf 7% Umsatzsteuer gemindert wird; Betreuer, deren Umsätze im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 EUR nicht überstiegen haben und im laufenden Kalenderjahr 50.000 EUR voraussichtlich nicht übersteigen werden, haben als so genannte Kleinunternehmer nach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG sogar die Möglichkeit, jegliche Umsatzsteuerbelastung zu vermeiden.

2.

Der Beschwerdeführer nahm als Rechtsanwalt eine Betreuung wahr, für die ihm das Vormundschaftsgericht des Amtsgerichts Frankenberg eine Vergütung von 44 EUR pro Stunde gewährte. Das Landgericht Marburg wies mit Beschluss die sofortige Beschwerde dagegen zurück und ließ keine weitere Beschwerde zu. Die Regelung des § 4 Abs. 2 VBVG sei nicht zu beanstanden, denn für die Pauschalierung der Betreuervergütung bestünden hinreichend sachliche Gründe. Eine willkürliche Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem durch die pauschale Abgeltung der Umsatzsteuer liege nicht vor.

3.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG, weil ehrenamtliche Betreuer, Vereinsbetreuer und individuelle Berufsbetreuer im wirtschaftlichen Endergebnis nach Abzug der Umsatzsteuer unterschiedlich vergütet würden. Der Gesetzgeber habe damit eine Förderung der ehrenamtlichen Betreuung bezweckt, obwohl die Betreuer gemeinnütziger Vereine gar nicht ehrenamtlich, sondern beruflich im Angestelltenverhältnis zu ihrem Verein tätig würden. Die zusätzliche Begünstigung von Betreuern, die Kleinunternehmer im Sinne des § 19 UStG sind, sei nicht mit dem Wegfall von Verfahrensaufwand für die Festsetzung der Vergütung zu rechtfertigen. Überdies würde § 4 VBVG die vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung BVerfGE 101, 333 ff. angemahnte Trennung von Betreuung im Ehrenamt, im gemeinnützigen Verein und in selbständiger Berufsausübung außer Acht lassen und habe auch die besondere berufliche Fachkunde eines Rechtsanwalts bei der Betreuung nicht zum Anlass für eine Erhöhung des Stundensatzes von 44 EUR genommen.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Sie wird aber nicht zur Entscheidung angenommen, denn sie hat keine Aussicht auf Erfolg. Für eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG durch den Inklusivstundensatz des § 4 VBVG unter Einschluss der Umsatzsteuer ist nichts ersichtlich.

1.

Der in § 4 VBVG vorgesehene feste Stundenbetrag ist sachlich gerechtfertigt, um verwaltungsaufwendige, unterschiedliche Abrechnungen zu vermeiden. Dem Gesetzgeber steht bei Vergütungsregelungen grundsätzlich ein Gestaltungsspielraum zu, ob er Einzelabrechnungen, Pauschalierungen oder fixe Sätze vorsieht. Die Einbeziehung von Betreuungsaufwendungen und Umsatzsteuer in den vom Gesetzgeber nunmehr gewählten Fixbetrag ist sachlich legitimiert, um aus öffentlichen Haushaltsmitteln gezahlte Vergütungen am Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auszurichten. Der Ansatz eines festen Gesamtbetrages einschließlich Umsatzsteuer ist nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu beanstanden, denn das im Beschluss des Ersten Senats vom 15. Dezember 1999 (1 BvR 1904/95 u.a.; BVerfGE 101, 331 <355>) beanstandete Fehlen einer Berücksichtigung der Umsatzsteuer bei der Vergütung von Betreuern ist nunmehr beseitigt; ausweislich des § 4 Abs. 2 Satz 1 VBVG ist sie in den Inklusivstundensatz einberechnet worden. Jedem Betreuer wird mithin im Stundensatz Umsatzsteuer in Höhe des Normaltarifs nach § 12 Abs. 1 UStG vergütet. Davon geht auch der Beschwerdeführer aus, der nicht einen Verstoß gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG wegen unterlassenen Einbezugs der Umsatzsteuerpflicht, sondern einen Verstoß gegen das Gleichheitsgrundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG wegen des Einbezugs des umsatzsteuerlichen Normaltarifs in die Vergütung rügt, obwohl manche Betreuer umsatzsteuerrechtlich anders belastet werden.

2.

Der Beschwerdeführer rügt einen Gleichheitsverstoß durch § 4 VBVG, weil er aus der Vergütung die volle Umsatzsteuer von 19% abführen müsse, während anderen die umsatzsteuerliche Belastung nach den Vorschriften der §§ 12 und 19 UStG gemindert oder vollständig erlassen würde. Zwar hat der Gesetzgeber § 4 VBVG mit dem Ziel einer Förderung von gemeinnützigen Betreuungsvereinen und ehrenamtlicher Betreuung beschlossen (vgl. BTDrucks 15/4874, S. 25 f. und 31). Die Differenzierung der den Betreuern verbleibenden Vergütungsleistung ergibt sich aber erst aus der Variation der Umsatzsteuertarife, die in §§ 12 und 19 UStG angeordnet ist. Besonders deutlich zeigt sich die Tatsache, dass die ungleiche Behandlung der drei Gruppen vom Umsatzsteuerrecht ausgeht, in der vom Beschwerdeführer vorgetragenen Heraufsetzung des Umsatzsteuertarifs von 16% auf 19%. Diese Aufspreizung der Belastung ergibt sich allein aus § 12 Abs. 1 UStG ohne jegliche Veränderung des § 4 VBVG. Ein Gleichheitsverstoß könnte sich demnach allenfalls aus den umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften ergeben, denn die tatsächliche und rechtliche Beschwer geht bei einer derartigen Fixbetragsvergütung immer von der nachträglichen Steuerbelastung des Vergütungsempfängers aus.

3.

Es bleibt dem Beschwerdeführer unbenommen, gegen die umsatzsteuerlichen Steueranmeldungen oder Bescheide in den Veranlagungszeiträumen der Vergütung und mittelbar gegen die Steuerentlastung nach § 12 Abs. 2 Nr. 8a und § 19 Abs. 1 UStG vorzugehen und dort einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG aus der Sicht aller umsatzsteuerpflichtigen Unternehmer wegen der Entlastungen für gemeinnützige Körperschaften oder Kleinunternehmer zu rügen.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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