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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 04.06.1998
Aktenzeichen: 1 BvR 2652/95
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 1
GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2
GG Art. 103 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 2652/95 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

1. der Metro SB-Großmärkte GmbH & Co. KG, vertreten durch die persönlich haftende Gesellschafterin Metro-SB Großmärkte Verwaltungsgesellschaft mbH, München, diese vertreten durch den Geschäftsführer

2. der Metro-SB Großmärkte Verwaltungsgesellschaft mbH, München, diese vertreten durch den Geschäftsführer

3. des Herrn Dr. H.

4. der Metro SB-Großmärkte GmbH & Co. KG, vertreten durch die SB-Großmärkte GmbH, Schlüterstraße 3, Düsseldorf, diese vertreten durch die Geschäftsführer

5. der Metro-Vermögensverwaltung GmbH & Co. KG, vertreten durch die Metro-Vermögensverwaltung GmbH, Schlüterstraße 3, Düsseldorf, diese vertreten .....

- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Prof. Dr. Konrad Redeker und Partner, Mozartstraße 4-10, Bonn -

gegen

a) den Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 16. November 1995 - I ZR 43/94 -,

b) das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30. Dezember 1993 - 2 U 100/93 -,

c) das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18. März 1993 - 1 KfH O 134/92 -

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Papier und die Richter Grimm, Hömig gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 4. Juni 1998 einstimmig beschlossen:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen zivilgerichtliche Entscheidungen, mit denen ihnen aus wettbewerbsrechtlichen Gründen verschiedene Beschränkungen auferlegt worden sind.

I.

1. Die Beschwerdeführer gehören zur "Metro-Gruppe". Sie betreiben einen Selbstbedienungsmarkt (SB-Markt) in Esslingen, der in Zuschnitt, Organisation und unternehmerischem Konzept den übrigen "Metro-Märkten" in Deutschland entspricht.

Die Beschwerdeführer nehmen für sich in Anspruch, einen "reinen Großhandel" zu betreiben. Sie gewähren ausschließlich Inhabern eines besonderen Einkaufsausweises, der an gewerbliche Abnehmer und Großverbraucher ausgegeben wird, Zutritt zu ihrer Verkaufsstätte. Die Ausweisinhaber müssen sich bei Eintritt in den Metro-Markt einer Ausweiskontrolle unterziehen, können sich dann aber in den Verkaufsräumen ungehindert bewegen und die angebotenen Waren aus dem breit gefächerten Angebot im Weg der Selbstbedienung frei auswählen. Eine Kontrolle, ob die eingekauften Waren für den Gewerbebetrieb des Ausweisinhabers bestimmt oder auch nur geeignet sind, findet weder während des Einkaufs noch am Ausgang statt. Die Beschwerdeführer bewerben ihre Waren durch die sogenannte "Metro-Post", in der jeder angebotene Artikel mit einer doppelten Preisauszeichnung (Netto- und Bruttopreis) versehen ist, wobei die Nettopreise nur durch ein kleines Sternchen und einen entsprechenden Hinweis am Ende des Werbeprospekts als solche erkennbar sind. Die Beschwerdeführer halten ihren SB-Markt auch während der gesetzlichen Ladenschlußzeiten offen.

Auf die Klage eines eingetragenen Vereins zur Förderung der Interessen des Einzelhandels hin verurteilte das Landgericht die Beschwerdeführer dazu, es zu unterlassen, in ihrem SB-Markt Waren für den betriebsfremden Eigenverbrauch der Kunden zu verkaufen, in der "Metro-Post" eine doppelte Preisauszeichnung ohne graphische Differenzierung vorzunehmen und ihre Kassen auch noch nach Schluß der gesetzlichen Ladenschlußzeiten offenzuhalten. Zur Begründung stützte sich das Landgericht im wesentlichen auf die sogenannte "Metro III"- Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 30. November 1989 (BGH, GRUR 1990, S. 617).

Das Oberlandesgericht bestätigte die landgerichtliche Entscheidung. Die Verpflichtung der Beschwerdeführer, keine Waren zum betriebsfremden Eigenverbrauch der Kunden zu verkaufen, folge, wie der Bundesgerichtshof in seiner "Metro III"-Entscheidung dargelegt habe, aus § 6 b UWG. Die beiden anderen Unterlassungsverurteilungen beruhten auf den Vorschriften der Preisangabenverordnung (PrAngV) und des Gesetzes über den Ladenschluß (LadSchlG). Die von den Beschwerdeführern gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorgebrachten Argumente griffen nicht durch. Angesichts des Warensortiments und der Warenportionierung spreche die Lebenserfahrung dafür, daß der Anteil an betriebsfremden Privateinkäufen in den Metro-Märkten über der in der Rechtsprechung zugestandenen Schwelle von 10 % des Gesamtumsatzes liege. Die von den Beschwerdeführern vorgelegten Gutachten, welche im Zuge von Vereinbarungen zwischen der "Metro" und dem Hauptverband des Deutschen Einzelhandels bzw. der Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs erstellt worden seien, könnten diesen Erfahrungssatz nicht erschüttern. Überdies könnten sich die Beschwerdeführer solange nicht auf den in der Rechtsprechung entwickelten Toleranzwert für zulässige Privateinkäufe in Höhe von 10 % des Gesamtumsatzes berufen, wie sie nicht geeignete Maßnahmen ergriffen, um einen Verkauf von betriebsfremder Ware an ihre Kunden zu unterbinden. Es sei zwar richtig, daß die Rechtsprechung nicht zwingend Ausgangskontrollen vorschreibe. Sie verlange aber effiziente Maßnahmen, um eine unbeschränkte private Bedarfsdeckung zu verhindern. Der Fall gebe schließlich keinen Anlaß, dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 177 Abs. 3 EG-Vertrag (EGV) die Frage vorzulegen, ob § 6 b UWG mit Art. 30 EGV vereinbar sei.

Der Bundesgerichtshof nahm die Revision mit Beschluß gemäß § 554 b ZPO nicht an.

2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG.

Nach der "Metro III"-Entscheidung des Bundesgerichtshofs und deren verfassungsgerichtlicher Bestätigung (BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, NJW 1993, S. 1969) habe die "Metro" mit ihren damaligen Kontrahenten, dem Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) und der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, Vereinbarungen getroffen, worin sie sich bereit erklärt habe, ein mehrstufiges Prüfsystem zu installieren, um den Verkauf von Waren zum Eigenbedarf auszuschließen. Im Zuge dieser Vereinbarungen seien mehrere Gutachten durch neutrale Sachverständige erstellt worden, die bewiesen hätten, daß der Verkauf von betriebsfremder Ware an die gewerblichen Kunden der Metro tatsächlich weit unter dem von der Rechtsprechung anerkannten Schwellenwert von 10 % des Gesamtumsatzes liege. Dessen ungeachtet verlangten die Instanzgerichte, daß sie Ausgangs-/Verwendungskontrollen durchführten. Diese Forderung stehe mit den tragenden Grundsätzen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht in Einklang. Das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, daß die "Metro" nicht zu Ausgangskontrollen verurteilt werden dürfe. Indem die Instanzgerichte die Anwendung der 10 %-Toleranzschwelle von der Durchführung von Ausgangskontrollen abhängig machten, verlangten sie Unzumutbares. Das verstoße gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Es sei im übrigen bezeichnend, daß nicht zuletzt ihre früheren Konkurrenten sich mit den von ihnen ergriffenen Maßnahmen zufrieden zeigten und die anhängigen Rechtsstreitigkeiten mittlerweile einvernehmlich beendet worden seien.

Der Gleichheitssatz sei verletzt, weil die angegriffenen Urteile widersprüchliche und in sich nicht mehr verständliche Ausführungen enthielten. Einerseits erachteten auch die Instanzgerichte Ausgangskontrollen für unverhältnismäßig, verlangten andererseits dann aber doch gerade solche Ausgangskontrollen als Voraussetzung der Anwendung des Toleranzwertes. Art. 14 GG sei verletzt, weil es keine gesetzliche Grundlage für die Unterlassungsverurteilungen gebe.

Durch die Nichteinleitung eines Vorlageverfahrens habe der Bundesgerichtshof gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen. Im Licht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (unter Hinweis auf EuGH, GRUR 1993, S. 741 "Yves Rocher") hätte der Bundesgerichtshof dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorlegen müssen, ob § 6 b UWG mit Art. 30 EGV vereinbar sei.

Schließlich habe der Bundesgerichtshof gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen, weil er trotz der Verschärfung der Voraussetzungen für eine Klagebefugnis nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG in bezug auf die Klagebefugnis des Klägers des Ausgangsverfahrens keine ausreichenden Sachverhaltsermittlungen angestellt habe.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.

1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die verfassungsrechtlichen Fragen zu Art. 12 Abs. 1 GG sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinlänglich geklärt. Mit den beiden Kammerentscheidungen zur "Metro-Problematik" (BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, NJW 1993, S. 1969; GRUR 1993, S. 751) hat das Bundesverfassungsgericht die sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden verfassungsrechtlichen Maßstäbe zudem bereits auf die vorliegende Fallkonstellation angewandt. Auch in bezug auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sind die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (vgl. nur BVerfGE 82, 159 <192 ff.>).

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).

a) Maßstab der verfassungsrechtlichen Prüfung ist in erster Linie Art. 12 Abs. 1 GG. Die angegriffenen Unterlassungsverurteilungen berühren als Berufsausübungsregeln den Schutzbereich des Grundrechts. Sie finden allerdings in den von den Zivilgerichten angewandten wettbewerbsrechtlichen Vorschriften ihre gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erforderliche gesetzliche Grundlage. Die Verfassungskonformität der § 6 b UWG, § 1 Abs. 6 PrAngV sowie des § 3 Abs. 1 LadSchlG hat das Bundesverfassungsgericht bereits festgestellt (vgl. BVerfG, NJW 1993, S. 1969 <1970 f.>).

Die Anwendung der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften durch die angegriffenen Entscheidungen genügt den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG. Grundrechtsbeschränkende Gesetze sind ihrerseits wieder im Licht des beschränkten Grundrechts auszulegen, damit der Vorrang der Grundrechte auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 <208>). Im Zusammenhang mit der Berufsfreiheit bedeutet dies, daß die Normanwendung nur dann verfassungskonform ist, wenn die Berufsausübungsregelung durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist, die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sind und die durch sie bewirkte Beschränkung für den Betroffenen zumutbar ist (vgl. nur BVerfGE 77, 308 <332>).

aa) Die von den Zivilgerichten angewandten Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und der Preisangabenverordnung dienen dem Verbraucherschutz, die Bestimmungen des Gesetzes über den Ladenschluß dem Arbeitsschutz der Angestellten. Verbraucher- und Arbeitsschutz sind Gemeinwohlbelange, die eine Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit grundsätzlich rechtfertigen (vgl. BVerfG, NJW 1993, S. 1969 <1970 f.>).

Anwendungsvoraussetzung sämtlicher Vorschriften ist es allerdings, daß der Normadressat in geschäftlichen Verkehr mit dem "letzten Verbraucher" (§ 6 b UWG) bzw. "Letztverbraucher" (§ 1 Abs. 1 Satz 1 PrAngV) tritt bzw. einen "Verkauf an jedermann" (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 LadSchlG) unternimmt. Diese Anwendungsvoraussetzungen dürfen im Licht des Grundrechts nicht exzessiv ausgelegt werden. Solange ein Normadressat allein mit Gewerbetreibenden Geschäfte macht, also echten Großhandel betreibt, kann zumindest der Gemeinwohlbelang des Verbraucherschutzes den Grundrechtseingriff nicht mehr rechtfertigen, weil Gewerbetreibende in ihrer Eigenschaft als Geschäftsleute des wettbewerbsrechtlichen Verbraucherschutzes nicht bedürfen. Die angegriffenen Entscheidungen gehen jedoch davon aus, daß es keinen Erfahrungssatz gebe, wonach gewerbliche Einkäufer angesichts des Warensortiments und der Warenportionierung im SB-Markt der Beschwerdeführer ihren Privatbedarf nicht dort abdeckten. Diese Einschätzung hat sich, wie die von den Beschwerdeführern in die Ausgangsverfahren eingeführten Gutachten zeigen, als zutreffend erwiesen. Selbst nach diesen Gutachten decken die "Metro"-Kunden nämlich jedenfalls bis zu einem gewissen Grad ihren Privatbedarf im SB-Markt der Beschwerdeführer ab. Insoweit bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, daß die Gerichte die Anwendungsvoraussetzungen der einschlägigen Rechtsvorschriften bejaht haben.

bb) Die Unterlassungsverurteilungen sind zur Erreichung der verfolgten gesetzgeberischen Zwecke, wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Kammerentscheidung aus dem Jahr 1992 bereits ausgeführt hat, auch geeignet und erforderlich (vgl. BVerfG, NJW 1993, S. 1969 <1970 f.>).

cc) Die durch die Unterlassungsverurteilungen bewirkten Beschränkungen der Berufsfreiheit der Beschwerdeführer sind auch in Anbetracht der in die Ausgangsverfahren eingeführten Gutachten und trotz der sonstigen Entwicklungen seit der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung aus dem Jahr 1992 zumutbar.

Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Oberlandesgerichts, durch die Gutachten der neutralen Sachverständigen werde nicht bewiesen, daß der Anteil an betriebsfremden Privateinkäufen in dem SB-Markt der Beschwerdeführer tatsächlich unter 10 % des Gesamtumsatzes des Marktes liegt. Die Gerichte sind in der Beweiswürdigung grundsätzlich frei (§ 286 ZPO). Auch Sachverständigengutachten unterliegen der gerichtlichen Nachprüfung (vgl. nur Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 56. Aufl., 1998, § 286 Rz. 50). Unter Umständen kann eine gerichtliche Nachprüfung gutachterlich festgestellter Tatsachen sogar von Verfassungs wegen geboten sein (vgl. BVerfGE 91, 176 <182>). Es begegnet deshalb keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, daß das Oberlandesgericht die von den Beschwerdeführern vorgelegten Gutachten auf ihre Aussagekraft hin überprüft hat. Ebensowenig ist es von Verfassungs wegen zu beanstanden, daß das Oberlandesgericht im Ergebnis den Gutachten nicht gefolgt ist. Es hat seinen Zweifel an den Ergebnissen der Gutachten mit dem verfehlten methodischen Ansatz der Gutachter (zu grobes Zuordnungsraster der Waren- zu den Kundengruppen) begründet und dies mit teilweise eindrücklichen Beispielen untermauert. Ob die Gutachten tatsächlich von einer fehlerhaften Methode getragen sind, braucht das Bundesverfassungsgericht nicht zu entscheiden. Jedenfalls sind die Ausführungen des Oberlandesgerichts in sich schlüssig und plausibel. Es bestehen deshalb keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, daß das Oberlandesgericht trotz der Gutachten davon ausgegangen ist, der Anteil der Privateinkäufe am Gesamtumsatz der Beschwerdeführer liege über den gutachterlich festgestellten ca. 3 bzw. ca. 8 %.

Ebensowenig ist es verfassungsrechtlich zu beanstanden, daß das Oberlandesgericht den Beschwerdeführern die Berufung auf die 10 %-Toleranzschwelle - ungeachtet des tatsächlichen Anteils an betriebsfremden Privateinkäufen am Gesamtumsatz - allein deshalb versagt hat, weil diese überhaupt keine Ausgangs- und Verwendungskontrollen durchführten. Die Toleranzschwelle ist von der Rechtsprechung nicht als Element eines funktionsgerechten Großhandels entwickelt worden, sondern soll allein verdeutlichen, welche Nebenumsätze eines durch ausreichende Kontrollmaßnahmen gesicherten Selbstbedienungsgroßhandels die Funktionsechtheit als Großhandelsunternehmen unberührt lassen und dessen Privilegierung gegenüber dem Einzelhandel nicht in Frage stellen (vgl. BGH, GRUR 1990, S. 617 <620> "Metro III"). Der Toleranzschwelle liegt der Gedanke zugrunde, daß es auch bei schärfsten Kontrollmaßnahmen nicht möglich ist, Privateinkäufe vollständig zu unterbinden (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19. Aufl., 1996, § 6 a Rz. 14). Gemessen an dieser Funktion ist es nicht zu beanstanden, daß die angegriffenen Entscheidungen die Anwendung des Toleranzwertes abgelehnt haben. Die Beschwerdeführer trugen im Ausgangsverfahren zwar vor, infolge der Vereinbarung mit dem HDE "ausreichende Kontrollmaßnahmen" im Sinn der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergriffen zu haben. Der Bundesgerichtshof hatte jedoch in der "Metro III"-Entscheidung gefordert, daß geeignete Kontrollmaßnahmen nicht nur die Eingrenzung des Kundenkreises und Eingangskontrollen, sondern auch über Stichproben hinausgehende Verwendbarkeitskontrollen erforderten (vgl. BGH, GRUR 1990, S. 617 <621>). Diesem Erfordernis sind die Beschwerdeführer in ihrer Vereinbarung mit dem HDE nicht nachgekommen. Daß der HDE selber, ebenso wie die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, sich mit den Maßnahmen der "Metro" zufriedengab, kann die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Auffassung der Zivilgerichte nicht in Zweifel ziehen.

Verfassungsrechtlich wäre die Versagung der Anwendung der Toleranzgrenze unter Berufung auf fehlende Kontrollmaßnahmen erst dann problematisch, wenn zweifelsfrei feststünde, daß der Privatverkauf tatsächlich auch ohne solche Kontrollmaßnahmen nur marginal wäre. Kein staatlich auferlegtes Kontrollverlangen kann nämlich aus sich allein heraus vor Art. 12 Abs. 1 GG Bestand haben. Kontrollen im privaten Geschäftsverkehr dürfen vom Staat ausschließlich insoweit gefordert werden, als sie ihrerseits zur Erreichung eines Gemeinwohlbelangs unerläßlich sind. Im Fall der "Metro" bedeutet dies, daß die Rechtsprechung Ausgangs-/Verwendungskontrollen nur insoweit fordern darf, als diese für die Aufrechterhaltung des funktionsgerechten Großhandels vonnöten sind, weil die Funktionsechtheit des Großhandels seinerseits wieder Voraussetzung für den Dispens von den wettbewerbsrechtlichen Verbraucherschutzvorschriften ist. Bestehen an der Funktionsechtheit des Großhandels angesichts tatsächlich nur marginaler Privateinkäufe keine Zweifel, läßt sich ein staatliches Kontrollverlangen nicht mehr rechtfertigen. Ob eine solche "Marginalgrenze" notwendig mit der in der bisherigen Rechtsprechung anerkannten "Toleranzgrenze" harmonieren muß oder unter Umständen von den Zivilgerichten auch unterhalb einer Schwelle von 10 % des Gesamtumsatzes verortet werden kann, braucht das Bundesverfassungsgericht nicht zu entscheiden. Denn nach den verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Oberlandesgerichts steht noch nicht einmal zweifelsfrei fest, daß der Anteil an Privateinkäufen höchstens 10 % des Gesamtumsatzes des SB-Marktes der Beschwerdeführer ausmacht.

Schließlich sind die den Beschwerdeführern auferlegten Beschränkungen nicht etwa deshalb unzumutbar, weil ihnen dadurch gerade solche Ausgangs- und Verwendungskontrollen verordnet worden seien, welche das Bundesverfassungsgericht verboten habe. Das Bundesverfassungsgericht hat in den beiden Kammerentscheidungen aus dem Jahr 1992 nicht festgestellt, Ausgangskontrollen seien in jedem Fall unzulässig. Es hat lediglich darauf hingewiesen, daß Ausgangskontrollen nicht das einzige Mittel seien, um den Anforderungen der Unterlassungsverurteilungen Rechnung zu tragen. In Frage käme etwa auch eine Änderung der Betriebsorganisation (vgl. BVerfG, NJW 1993, S. 1969 <1970 f.>). Daran hat sich nichts geändert. Die Beschwerdeführer sind nicht zu Ausgangskontrollen verurteilt worden. Sie müssen "lediglich" den Tenor beachten. Nach wie vor haben sie die Möglichkeit, die wettbewerbsrechtliche Privilegierung des Großhandels, welche ihnen durch die angegriffenen Entscheidungen versagt worden ist, etwa durch eine Änderung ihrer Betriebsorganisation zu erreichen.

b) Die Rüge einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist unbegründet. Die Zivilgerichte waren nicht gehalten, ein Vorlageverfahren gemäß Art. 177 EGV anzustrengen.

aa) Der Europäische Gerichtshof (EuGH) ist gesetzlicher Richter im Sinn des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Ein letztinstanzliches nationales Gericht ist deshalb unter der Voraussetzung des Art. 177 Abs. 3 EGV gehalten, den EuGH anzurufen. Diese Anrufungspflicht ist kraft der durch die Zustimmungsgesetze gemäß Art. 24 Abs. 1, Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG erteilten Rechtsanwendungsbefehle Teil der innerstaatlich geltenden Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland geworden und folglich von den Gerichten zu beachten (vgl. BVerfGE 82, 159 <192 f.>).

Die Nichteinleitung eines Vorlageverfahrens nach Art. 177 EGV kann demgemäß das Grundrecht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzen. Da die Frage, ob die Voraussetzungen des Art. 177 Abs. 3 EGV vorliegen, zunächst Sache der zuständigen Fachgerichte ist, prüft das Bundesverfassungsgericht jedoch nur, ob diese die in Art. 177 EGV zum Ausdruck kommende Zuständigkeitsregel in offensichtlich unhaltbarer Weise gehandhabt haben (vgl. BVerfGE 82, 159 <195>).

Eine unhaltbare Handhabung der Vorlagepflicht wird vom Bundesverfassungsgericht insbesondere dann angenommen, wenn die zuständigen Gerichte eine Vorlage an den EuGH trotz der - ihrer Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit der gemeinschaftsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung ziehen, obwohl sie selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegen (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht). Gleiches gilt in den Fällen, in denen das letztinstanzliche Hauptsachegericht in seiner Entscheidung bewußt von der Rechtsprechung des EuGH zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewußtes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft). Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts einschlägige Rechtsprechung des EuGH noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des EuGH nicht nur als entfernte Möglichkeit, so wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur dann verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (Unvollständigkeit der Rechtsprechung). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind (vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>).

bb) Gemessen an diesen Kriterien ist die Nichteinleitung des Vorlageverfahrens durch die Zivilgerichte verfassungsrechtlich unbedenklich.

Eine grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht liegt nicht vor. Das Oberlandesgericht, dem ohnehin - anders als den letztinstanzlich entscheidenden Gerichten (vgl. Art. 177 Abs. 3 EGV) - grundsätzlich keine Pflicht zur Vorlage obliegt (Art. 177 Abs. 2 EGV), hat sich ausdrücklich mit der Frage einer Vorlage an den EuGH auseinandergesetzt. Fraglich kann allenfalls sein, ob der Bundesgerichtshof die Vorlagepflicht grundsätzlich verkannt hat. Dies läßt sich dem angegriffenen Beschluß nicht entnehmen. Lehnt - wie hier - der Bundesgerichtshof die Annahme der Revision gemäß § 554 b ZPO ab und begründet diese Entscheidung mit der fehlenden grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der fehlenden Erfolgsaussicht der Revision im konkreten Fall, ist davon auszugehen, daß der Bundesgerichtshof hinsichtlich der Vorlagepflicht auf die europarechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts Bezug genommen und damit seiner Prüfungspflicht Genüge getan hat (vgl. BVerfG, NJW 1994, S. 2017 <2018>).

Die Gerichte sind in den angegriffenen Entscheidungen auch nicht bewußt von der Rechtsprechung des EuGH abgewichen. Der EuGH hat sich bisher zur Vereinbarkeit des § 6 b UWG mit den Vorschriften des EG-Vertrags nicht geäußert. In der von den Beschwerdeführern besonders hervorgehobenen Entscheidung "Yves Rocher" (EuGH, GRUR 1993, S. 747) hatte der EuGH allein die Unvereinbarkeit des - mittlerweile aufgehobenen - § 6 e UWG (Verbot des Eigenpreisvergleichs) festgestellt. Zwar ist nach dieser Entscheidung im Schrifttum diskutiert worden, ob auch § 6 b UWG gegen Art. 30 EGV verstoße; zu eindeutigen Ergebnissen ist diese Diskussion aber nicht gekommen (vgl. nur Bornkamm, Urteilsanmerkung, in: GRUR 1993, S. 748 <750>). Von einem "bewußten Abweichen" kann daher nicht gesprochen werden.

Schließlich kann den Zivilgerichten auch nicht die Unvollständigkeit ihrer Rechtsprechung entgegengehalten werden. Das Oberlandesgericht hat sich ausführlich mit der Entscheidung des EuGH "Yves Rocher" auseinandergesetzt. Es ist jedoch zu dem Ergebnis gekommen, der EuGH habe seine Rechtsprechung mit der Entscheidung "Keck" (EuGH, ZIP 1993, S. 1813) aufgegeben. Ob und inwiefern der EuGH mit der Entscheidung "Keck" tatsächlich einen Kurswechsel vollzogen hat, ist zwar im Schrifttum nicht unumstritten geblieben (vgl. nur Reich, ZIP 1993, S. 1815; Schroeder/Federle, ZIP 1994, S. 1428). Zweifel an den europarechtlichen Ausführungen der angegriffenen Entscheidungen drängen sich aber nicht in einer Weise auf, daß die Nichtvorlage an den EuGH unvertretbar erschiene. Jedenfalls läßt sich nicht sagen, die Auffassung der Beschwerdeführer sei gegenüber derjenigen des Oberlandesgerichts eindeutig vorzuziehen.

c) Die angegriffenen Entscheidungen sind nicht willkürlich. Die Beschwerdeführer rügen zu Unrecht, die Gerichte muteten ihnen Ausgangskontrollen zu, obwohl sie selbst solche Ausgangskontrollen für verfassungsrechtlich bedenklich hielten. Die Beschwerdeführer sind nicht zu Ausgangskontrollen verurteilt worden. Die Gerichte haben ihnen lediglich die Privilegierung des Großhandels versagt, solange sie keine geeigneten Maßnahmen ergreifen, um die Funktionsechtheit eines Großhandels sicherzustellen. Allein in diesem Zusammenhang stellt das Oberlandesgericht fest, daß, sollten alle anderen Maßnahmen scheitern, auch Ausgangskontrollen nicht unzumutbar wären. Das ist weder widersprüchlich noch schlechthin unvertretbar.

d) Die Rüge einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht begründet. Der Bundesgerichtshof hat das rechtliche Gehör nicht dadurch verletzt, daß er es versäumt hätte, die Klagebefugnis des Klägers im Ausgangsverfahren gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG weiter aufzuklären. Der Bundesgerichtshof hat nach der Verschärfung der Voraussetzung einer Klagebefugnis von Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen durch die UWG-Novelle vom 25. Juli 1994 (BGBl I S. 1738) dem Kläger des Ausgangsverfahrens aufgegeben, das Vorliegen der verschärften Voraussetzungen darzulegen. Dem ist der Kläger offenbar zur Zufriedenheit des Bundesgerichtshofs nachgekommen. Die Beschwerdeführer haben die Ausführungen des klagenden Vereins zwar mit Nichtwissen bestritten. Allein deshalb mußte der Bundesgerichtshof aber nicht von sich aus weitere Sachverhaltsermittlungen anstrengen.

e) Die Rüge einer Verletzung von Art. 14 GG genügt nicht den Begründungsanforderungen der §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG.

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar. .

Ende der Entscheidung

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