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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 16.01.2007
Aktenzeichen: 1 BvR 2803/06
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 20 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 2803/06 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen a) den Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 5. Oktober 2006 - VII B 344/05 -,

b) den Beschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 5. Dezember 2005 - 6 K 525/05 -

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Bryde, Eichberger, Schluckebier gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 16. Januar 2007 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Kostenverteilung in einem finanzgerichtlichen Verfahren nach Erledigung der Hauptsache.

Nachdem die Beteiligten des Ausgangsverfahrens die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, entschied das Finanzgericht, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben, und stellte fest, dass der Beschluss nach § 128 Abs. 4 FGO unanfechtbar sei. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin außerordentliche Beschwerde beim Bundesfinanzhof, weil eine bewusste und greifbar gesetzeswidrige Fehlentscheidung vorliege. Der Bundesfinanzhof verwarf die Beschwerde als unzulässig. Gegen mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht angreifbare Entscheidungen des Finanzgerichts sei eine außerordentliche Beschwerde nicht gegeben.

Die Beschwerdeführerin rügt vor allem eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG). Damit sei es nicht vereinbar, dass der Steuerpflichtige nach Auffassung des Bundesfinanzhofs bewusste und greifbar gesetzeswidrige Fehlentscheidungen - wie hier bei der Verteilung der Verfahrenskosten - hinzunehmen habe. Der Beschwerdeführerin müsse ein wirkungsvolles Rechtsmittel gegen eine bewusst gesetzeswidrige Entscheidung eines Gerichts zur Verfügung stehen.

II.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht erfüllt sind. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

Die Auffassung des Bundesfinanzhofs, dass die Beschwerde unstatthaft und deshalb zu verwerfen sei, weil die Kostenentscheidung des Finanzgerichts mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht angegriffen werden könne und deshalb dagegen, selbst wenn sie bewusst und greifbar gesetzeswidrig wäre - was der Bundesfinanzhof, aus seiner Sicht konsequent, nicht weiter prüft -, auch die außerordentliche Beschwerde nicht gegeben sei, verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes und ist auch nicht willkürlich. In dem Plenumsbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 2003 (BVerfGE 107, 395) ist geklärt, dass Rechtsbehelfe in der geschriebenen Rechtsordnung geregelt und in ihren Voraussetzungen für die Bürger erkennbar sein müssen. Es verstößt daher gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit, wenn von der Rechtsprechung außerordentliche Rechtsbehelfe außerhalb des geschriebenen Rechts geschaffen werden, um tatsächliche oder vermeintliche Lücken im bisherigen Rechtsschutzsystem zu schließen (BVerfGE 107, 395 <416>). Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht der Beschluss des Bundesfinanzhofs.

Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Finanzgerichts über die Kostenverteilung richtet, ist sie unzulässig, da sie nicht darlegt, worin die behauptete bewusste und greifbare Gesetzeswidrigkeit der Kostenentscheidung liegen soll. Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, dass eine gerichtliche Kostenentscheidung, selbst wenn sie im Hinblick auf die getroffene Kostenverteilung greifbar gesetzeswidrig wäre, zu den Fällen zählt, in denen der allgemeine Justizgewährungsanspruch (Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG) weitergehenden Rechtsschutz gebietet, weil es sich um eine erstmalige Verletzung von Verfahrensgrundrechten durch ein Gericht handelte (vgl. BVerfGE 107, 395 <407>) und deshalb mangels eines solchen Rechtsbehelfs die Rechtsschutzlage defizitär wäre.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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