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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 16.11.2007
Aktenzeichen: 1 BvR 2818/07
Rechtsgebiete: GG
Vorschriften:
GG Art. 13 Abs. 1 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2818/07 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
gegen
§ 54g des Urheberrechtsgesetzes in der Fassung des Art. 1 Nr. 14 des Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 26. Oktober 2007 (BGBl I S. 2516)
und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier und die Richter Schluckebier, Kirchhof gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 16. November 2007 einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Gründe:
I.
Die Rechtssatzverfassungsbeschwerde betrifft Urheberrecht. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den Kontrollanspruch nach § 54g des Urheberrechtsgesetzes in der Fassung des Art. 1 Nr. 14 des Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 31. Oktober 2007 (BGBl I S. 2516) (im Folgenden: § 54g UrhG n.F.). Die Neuregelung tritt am 1. Januar 2008 in Kraft.
1. Das Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft unternimmt unter anderem eine Neuregelung der durch die Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke entstehenden Vergütungspflicht. Im Ansatz unverändert besteht auch nach der Neuregelung ein Anspruch des Urhebers auf Zahlung einer Vervielfältigungsvergütung nicht nur gegen den Hersteller, den Händler oder den Importeur von Vervielfältigungsgeräten, sondern auch gegen denjenigen, der Geräte für die entgeltliche Herstellung von Ablichtungen bereithält (§ 54c Abs. 1 UrhG n.F.). Neu ist, dass der Gesetzgeber dem Urheber zur Durchsetzung seines Vergütungsanspruchs nicht nur einen Auskunftsanspruch einräumt (vgl. § 54f UrhG n.F.), sondern ihm mit der angegriffenen Regelung das Recht auf einen Kontrollbesuch zuspricht. § 54g UrhG n.F. lautet:
Soweit dies für die Bemessung der vom Betreiber nach § 54c geschuldeten Vergütung erforderlich ist, kann der Urheber verlangen, dass ihm das Betreten der Betriebs- und Geschäftsräume des Betreibers, der Geräte für die entgeltliche Herstellung von Ablichtungen bereithält, während der üblichen Betriebs- oder Geschäftszeit gestattet wird. Der Kontrollbesuch muss so ausgeübt werden, dass vermeidbare Betriebsstörungen unterbleiben.
Ausweislich der Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/1828 S. 31) handelt es sich bei dieser Neuregelung um die Reaktion des Gesetzgebers auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. November 2003 (Az. I ZR 187/01, GRUR 2004, S. 420), nach dem es einer Verwertungsgesellschaft untersagt sei, gegen den Willen des Geschäftsinhabers die Geschäftsräume eines Kopierladens zu betreten, um die bereitgehaltenen Fotokopiergeräte zu erfassen und zu kontrollieren. Das Kontrollbesuchsrecht sei jedoch zur Durchsetzung des Vergütungsanspruchs erforderlich, da die Betreiber von Vervielfältigungsgeräten oftmals nicht bereit seien, ihren urheberrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Die den Vergütungsanspruch der Urheber wahrnehmende VG Wort habe daher in der Praxis trotz der bestehenden Auskunftspflicht Schwierigkeiten, den Anspruch zu realisieren. Mit dem neuen Recht sei jedoch kein Selbsthilferecht verbunden. Werde der Kontrollbesuch verwehrt, sei der Rechtsweg zu beschreiten.
2. Die Beschwerdeführerin betreibt einen Lohnkopierbetrieb. Sie nimmt von Dritten Kopieraufträge an, die in ihren Produktionsräumen ausgeführt werden. Die von ihr an die VG Wort zu entrichtende urheberrechtliche Vervielfältigungsabgabe belief sich im Jahr 2007 auf 836,65 €.
3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung von Art. 13 Abs. 1 GG. Sie fürchtet in erster Linie um die Vertraulichkeit der in ihren Geschäftsräumen aufbewahrten Unterlagen. Die Beschwerdeführerin beantragt ergänzend, im Wege der einstweiligen Anordnung die Anwendung der angegriffenen Vorschrift bis zur Entscheidung über die Hauptsache auszusetzen.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>). Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG ist nicht gegeben. Die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen eines Kontroll- und Betretungsrechts sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich bereits geklärt (vgl. BVerfGE 32, 54 <69 ff.>; 97, 228 <265 f.>; BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 15. März 2007 - 1 BvR 2138/05 -, EuGRZ 2007, S. 486 <488 f.>). Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
1. Die Beschwerdeführerin ist durch die angegriffene Regelung nicht unmittelbar in ihrem Recht aus Art. 13 Abs. 1 GG betroffen.
a) Die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz setzt voraus, dass der Beschwerdeführer selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten betroffen ist (vgl. BVerfGE 1, 97 <101 ff.>). Unmittelbare Betroffenheit liegt dabei nur vor, wenn die angegriffene Bestimmung, ohne eines weiteren Vollzugsakts zu bedürfen, die Rechtsstellung des Beschwerdeführers verändert. Darüber hinaus gilt der in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität. Danach ist die Verfassungsbeschwerde auch eines beschwerdebefugten Beschwerdeführers unzulässig, wenn er vor Anrufung des Bundesverfassungsgerichts in zumutbarer Weise Rechtsschutz durch die allgemein zuständigen Gerichte erlangen kann (vgl. BVerfGE 102, 197 <206 f.>; stRspr).
b) Diesem Maßstab genügt die Verfassungsbeschwerde nicht. § 54g UrhG n.F. enthält keine unmittelbare Ermächtigung zum Kontrollbesuch, sondern regelt - wie sich sowohl aus dem Gesetzeswortlaut selbst als auch aus der Gesetzesbegründung ergibt - lediglich einen Anspruch des Urhebers gegen den Betreiber von Vervielfältigungsgeräten, einen Kontrollbesuch von Betriebs- und Geschäftsräumen zu gestatten. Der Anspruch auf Gestattung eines Kontrollbesuchs dient der Durchsetzung des Vergütungsanspruchs nach § 54c UrhG n.F. Als Nebenanspruch zu diesem schuldrechtlichen Hauptanspruch regelt § 54g UrhG n.F. somit gleichermaßen allein eine schuldrechtliche Pflicht; ein Selbsthilferecht des Urhebers ist damit nicht verbunden. Wird der Kontrollbesuch verwehrt, ist vielmehr der Rechtsweg zu beschreiten (vgl. BTDrucks 16/1828 S. 31).
Im Rahmen der dann erforderlichen fachgerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs auf Gestattung eines Kontrollbesuchs obliegt es den zuständigen Fachgerichten, im konkreten Fall einen Ausgleich zwischen dem Kontrollanspruch des Berechtigten und dem Recht des Kontrollierten aus Art. 13 Abs. 1 GG zu erzielen. Hierbei werden die vom Bundesverfassungsgericht hierzu aufgestellten allgemeinen Grundsätze (vgl. BVerfGE 32, 54 <75 ff.>; 97, 228 <265 f.>; BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 15. März 2007 - 1 BvR 2138/05 -, EuGRZ 2007, S. 486 <488 f.>) zu beachten sein. § 54g Satz 2 UrhG n.F. stellt den Gestattungsanspruch in diesem Zusammenhang ausdrücklich unter den Vorbehalt des Unterbleibens vermeidbarer Betriebsstörungen. Dabei dürften sich auch die von der Beschwerdeführerin angeführten Interessen der Vertraulichkeit der von ihr zu vervielfältigenden Unterlagen berücksichtigen lassen. Der Beschwerdeführerin ist es daher zuzumuten, sich im Falle der gerichtlichen Geltendmachung des Gestattungsanspruchs zunächst auf einen Rechtsstreit vor dem zuständigen Fachgericht einzulassen.
2. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 1 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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