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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 29.11.2006
Aktenzeichen: 1 BvR 2887/06
Rechtsgebiete: GG, LuftVG


Vorschriften:

GG Art. 12
LuftVG § 4 Abs. 1 S. 1
LuftVG § 4 Abs. 5 S. 1
LuftVG § 31b Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 2887/06 -

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Oktober 2006 - 20 B 1840/06 -,

b) den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 15. August 2006 - 11 L 1169/06 -

hier: Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier, die Richterin Hohmann-Dennhardt und den Richter Hoffmann-Riem gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93 d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 29. November 2006 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Robert-Schumann-Platz 1, 53175 Bonn, Referat Z 35, Az. Z35/2623.2/1-1/06, wird verpflichtet, unverzüglich, spätestens bis zum 8. Dezember 2006, den Antrag des Antragstellers auf Beauftragung zur Durchführung der Flugverkehrskontrolle auf dem Sonderflughafen Oberpfaffenhofen vom 20. Januar 2006 vorläufig bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde mit der Maßgabe neu zu bescheiden, dass die dem Bescheid vom 8. Februar 2006 zugrunde liegende Altersgrenze von 57 Jahren außer Betracht bleibt.

Gründe:

Der Antrag auf einstweilige Anordnung ist auf die vorläufige Beauftragung des Antragstellers als Fluglotse gerichtet.

I.

Der am 27. Juli 1949 geborene Antragsteller war befristet bis zum 31. Juli 2006 zur Durchführung der Flugverkehrskontrolle auf dem Sonderflughafen Oberpfaffenhofen beauftragt. Im Januar 2006 beantragte der Antragsteller die Verlängerung seiner Beauftragung um ein Jahr. Das zuständige Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (im Folgenden: Bundesministerium) lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die Regularien ließen eine Beschäftigung über das 57. Lebensjahr hinaus nicht zu.

Der Antragsteller erhob Verpflichtungsklage auf Verlängerung seiner Beauftragung. Weiter stellte er einen Antrag nach § 123 VwGO, seine Beauftragung vorläufig zu verlängern. Dieser Antrag blieb vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht ohne Erfolg.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Antragsteller, die Beschlüsse, durch die sein Antrag nach § 123 VwGO abgelehnt wurde, verstießen gegen sein Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG. Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt er eine Verpflichtung des Bundesministeriums, seine Beauftragung vorläufig zu verlängern.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet.

Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben (vgl. BVerfGE 111, 147 <152 f.>).

Bei - wie hier - offenem Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens hat das Bundesverfassungsgericht die Folgen, die eintreten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht ergeht, die Verfassungsbeschwerde aber in der Hauptsache Erfolg hat, gegen die Nachteile abzuwägen, die entstehen, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen wird, der Beschwerde in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen ist (vgl. BVerfGE 112, 321 <330>; stRspr).

Ergeht die einstweilige Anordnung nicht, werden die angegriffenen Entscheidungen jedoch auf die von dem Antragsteller erhobene Verfassungsbeschwerde hin für verfassungswidrig erklärt, besteht die Gefahr, dass der Antragsteller gleichwohl nicht mehr als Fluglotse tätig sein könnte. Darin läge der Verlust seiner bisherigen beruflichen Existenz. Die derzeit gültige Berechtigung des Antragstellers nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 des Luftverkehrsgesetzes (im Folgenden: LuftVG) gilt nur noch bis zum 17. Februar 2007. Würde er darauf verwiesen, die Entscheidung über seine Verfassungsbeschwerde abzuwarten, könnte er voraussichtlich die für eine Verlängerung seiner Berechtigung nach § 22 Abs. 2 der Verordnung über das erlaubnispflichtige Personal für die Flugsicherung und seine Ausbildung erforderliche Mindestzeit selbstverantwortlicher Tätigkeit vor Ablauf der Gültigkeitsdauer nicht mehr erreichen.

Ergeht die einstweilige Anordnung, bleibt die Verfassungsbeschwerde jedoch erfolglos, wiegen die damit verbundenen Nachteile weniger schwer. Möglicherweise wird in diesem Fall der Antragsteller vorübergehend als Fluglotse tätig, obwohl er die von dem Bundesministerium seiner ständigen Verwaltungspraxis zugrunde gelegte Altersgrenze von 57 Jahren überschritten hat. Die Altersgrenze dient zwar dem Schutz von Leben, Gesundheit und Eigentum und damit überragend wichtigen Gemeinschaftsgütern. Aufgrund der einstweiligen Anordnung ist jedoch die von § 31 b Abs. 1 Satz 2 LuftVG vorausgesetzte Eignung des Antragstellers für eine Beauftragung als Fluglotse neu zu prüfen. Angesichts des Umstands, dass der Antragsteller die Altersgrenze erst vor wenigen Monaten erreicht hat, kann hingenommen werden, dass dieses zusätzliche Sicherungsinstrument in seinem Fall vorläufig wegfällt.

Die einstweilige Anordnung ergeht wegen der Dringlichkeit der Sache gemäß § 32 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG ohne vorherige Anhörung der im Hauptsacheverfahren Äußerungsberechtigten.



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