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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 11.03.2009
Aktenzeichen: 1 BvR 3413/08
Rechtsgebiete: HGB, GG


Vorschriften:

HGB § 335
GG Art. 2 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

...

hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts

durch

den Präsidenten Papier und

die Richter Bryde, Schluckebier

gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG

in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl. I S. 1473)

am 11. März 2009

einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein Ordnungsgeldverfahren nach § 335 HGB. Die Beschwerdeführer wenden sich gegen eine Ordnungsgeldfestsetzung, die nach verspäteter Offenlegung eines Jahresabschlusses erfolgt ist. Sie meinen, § 335 HGB biete hierfür keine Grundlage, da die Vorschrift nur Beugezwecke verfolge, nicht aber zur Auferlegung von repressiv wirkenden Sanktionen ermächtige.

I.

1.

Die Beschwerdeführerin zu 2) ist ein Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH, der Beschwerdeführer zu 1) ihr Geschäftsführer. Den Beschwerdeführern oblag nach § 325 HGB, bis zum 31. Dezember 2007 Jahresabschlussunterlagen für das Geschäftsjahr 2006 beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers einzureichen. Nachdem sie dieser Verpflichtung nicht nachgekommen waren, gab das Bundesamt für Justiz der Beschwerdeführerin zu 2) auf, die Unterlagen binnen einer Nachfrist von sechs Wochen offenzulegen und bekanntzumachen; zugleich drohte es die Verhängung eines Ordnungsgelds an. Die Verfügung wurde der Beschwerdeführerin zu 2) am 1. März 2008 zugestellt. Die Beschwerdeführer legten die Unterlagen am 30. April 2008 vor.

Mit Bescheid vom 15. September 2008 setzte das Bundesamt für Justiz gegen die Beschwerdeführerin zu 2) ein Ordnungsgeld in Höhe von 2.500 EUR fest. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 2) wies das Landgericht mit Beschluss vom 4. November 2008 zurück. Zur Begründung führte es aus, das Bundesamt habe das Ordnungsgeld nach § 335 Abs. 3 Satz 4 HGB zu Recht verhängt, da die Beschwerdeführerin zu 2) ihrer Vorlagepflicht erst nach Ablauf der Nachfrist nachgekommen sei; die Frist sei auch nicht nur geringfügig überschritten. Die Festsetzung des Ordnungsgelds setze keine fortdauernde Säumnis des Offenlegungspflichtigen voraus. Die Ordnungsmaßnahme beruhe auf der Versäumung der Vorlagefrist nach § 325 Abs. 1 Satz 2 HGB. Die Nachfristsetzung gemäß § 335 Abs. 3 Satz 1 HGB gebe der Kapitalgesellschaft lediglich die Möglichkeit, der Festsetzung zu entgehen. Die schuldhafte Versäumung auch der Nachfrist führe nach dem Gesetzeswortlaut zwingend zur Verhängung des Ordnungsgelds, bei dem es sich sowohl um ein Beugemittel als auch um eine repressive strafähnliche Sanktion handele, die der Vermeidung künftiger Fristversäumnisse diene.

2.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bundesamts für Justiz und die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts. Sie rügen sinngemäß Verstöße gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sowie gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Aus dem Wortlaut von § 335 HGB, der Gesetzessystematik und der Gesetzesgeschichte ergebe sich, dass es sich bei dem in der Vorschrift vorgesehenen Ordnungsgeld um ein präventiv wirkendes Beugemittel handele, das nach Erfüllung der Verpflichtung nicht mehr ausgesprochen werden dürfe.

II.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Ihr kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchst. a BVerfGG), noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführer angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchst. b BVerfGG).

1.

Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1) ist unzulässig. Der Beschwerdeführer zu 1) ist durch die angefochtenen Entscheidungen des Bundesamts für Justiz und des Landgerichts nicht selbst und unmittelbar in seinen verfassungsmäßigen Rechten betroffen (§ 90 Abs. 1 BVerfGG). Die Ordnungsgeldentscheidung richtet sich nicht - was nach § 335 Abs. 1 Satz 1 HGB allerdings auch möglich gewesen wäre - gegen den Beschwerdeführer zu 1) als vertretungsberechtigtes Organ der offenlegungspflichtigen Gesellschaft. Das Ordnungsgeldverfahren ist vielmehr nach § 335 Abs. 1 Satz 2 HGB gegen die Gesellschaft geführt und das Ordnungsgeld nur gegen sie festgesetzt worden. Auch der Beschluss des Landgerichts betrifft lediglich die sofortige Beschwerde der Gesellschaft.

2.

Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 2) ist zulässig, hat jedoch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Die Festsetzung des Ordnungsgelds trotz vorheriger, aber nach Ablauf der gesetzten Nachfrist erfolgter Offenlegung der Jahresabschlussunterlagen unterliegt verfassungsrechtlich keinen Bedenken.

a)

Soweit die Beschwerdeführerin zu 2) als juristische Person Trägerin von Grundrechten sein kann (Art. 19 Abs. 3 GG), greift die Auferlegung des Ordnungsgelds zwar in ihr verfassungsmäßiges Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG ein (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. Dezember 2006 - 1 BvR 1200/04 -, NJW-RR 2007, S. 860). Die Beschwerdeführerin zu 2) ist in ihrem Grundrecht vorliegend aber nicht verletzt, weil die Festsetzung des Ordnungsgelds nach § 335 HGB gerechtfertigt war.

aa)

Die Auslegung und Anwendung des § 335 HGB auf den dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Sachverhalt betrifft Fragen des einfachen Rechts, die einer ins Einzelne gehenden Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen sind. Auch im straf- und ordnungsrechtlichen Bereich ist die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den Einzelfall grundsätzlich Sache der hierzu berufenen Fachgerichte. In verfassungsrechtlicher Hinsicht ist allein erheblich, ob die Anwendung des einfachen Rechts sich auf eine Auslegung stützt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung und Tragweite der Grundrechte beruht (vgl. BVerfGE 4, 52 <58> ; 18, 85 <92> ; 67, 213 <223> ).

bb)

Nach diesem Maßstab ist die Anwendung von § 335 HGB im Ausgangsverfahren auf eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Auslegung der Vorschrift gestützt. § 335 HGB kann vertretbar dahin verstanden werden, dass die Festsetzung eines Ordnungsgelds allein an die Versäumung der für eine Offenlegung von Jahresabschlüssen geltenden Frist des § 325 Abs. 1 Satz 2 HGB und der in § 335 Abs. 3 Satz 1 HGB bestimmten Nachfrist anknüpft, mithin auch dann gerechtfertigt ist, wenn die Offenlegung zwar verspätet, aber noch vor der Festsetzung erfolgt ist.

Der Wortlaut der Vorschrift legt bereits nahe, dass § 335 HGB in solchen Fällen zum Zweck einer Sanktionierung des Verstoßes gegen die Offenlegungspflicht anwendbar ist. Der in ihrer amtlichen Überschrift und dem Normtext verwendete Begriff des Ordnungsgelds bezeichnet - anders als der des Zwangsgelds - eine nichtstrafrechtliche Sanktion für eine begangene Zuwiderhandlung (vgl. Art. 5, Art. 6 Abs. 1 EGStGB). Im Einklang hiermit nennt § 335 Abs. 1 Satz 1 HGB als Grund für die Verhängung des Ordnungsgelds ausdrücklich den - zurückliegenden - Verstoß gegen die Offenlegungspflichten nach §§ 325, 325a HGB. § 335 Abs. 3 Satz 4 HGB knüpft die Festsetzung allein an den fruchtlosen Ablauf der gesetzten Nachfrist. Für die Möglichkeit einer Ordnungsgeldfestsetzung auch noch nach - wenngleich verfristeter - Vorlage des Jahresabschlusses spricht ferner § 335 Abs. 3 Satz 5 HGB, wonach im Fall geringfügiger Fristüberschreitung eine Herabsetzung des Ordnungsgelds erfolgen kann. Diese Bestimmung ist auch nicht zwingend allein auf den Fall eines bereits festgesetzten Ordnungsgelds zu beziehen, sondern kann dahin verstanden werden, dass bei nachträglicher Offenlegung von der in der Androhung nach § 335 Abs. 3 Satz 1 HGB genannten Höhe des Ordnungsgelds abgewichen werden darf.

Die Verweisung in § 335 Abs. 2 HGB auf die Verfahrensvorschriften der §§ 132 ff. FGG, die Zwangsmittel betreffen, steht der in den Ausgangsentscheidungen vorgenommenen Auslegung nicht entgegen; denn die Vorschriften des FGG sind nur für entsprechend anwendbar erklärt worden. Würde es sich bei dem von § 335 HGB vorgesehenen Ordnungsgeld um ein bloßes Beugemittel handeln, hätte ihre unmittelbare Geltung angeordnet werden können (vgl. § 335 Satz 1 HGB a.F.). Die Beibehaltung der Überschrift des Gesetzesabschnitts mit "Straf- und Bußgeldvorschriften, Zwangsgelder" trotz Wegfalls der die Verhängung von Zwangsgeld betreffenden Regelungen in § 335 HGB a.F. mit dem Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister vom 10. November 2006 (BGBl. I S. 2553) lässt die Auslegung des Bundesamts und des Landgerichts gleichfalls nicht als unvertretbar erscheinen. Da auch in den Gesetzesmaterialien als Zweck der geänderten Vorschrift die "Sanktionierung von Offenlegungsverstößen" genannt wird (Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags, BTDrucks 16/2781, S. 82), erscheint die unterbliebene Angleichung der Überschrift des Unterabschnitts lediglich als ein Redaktionsversehen bei Neuregelung der Vorschriften.

cc)

Die Zumessung des Ordnungsgelds am unteren Rand des gesetzlichen Rahmens ist verfassungsrechtlich gleichfalls nicht zu beanstanden. Das Bundesamt hat innerhalb des gesetzlich vorgesehenen Rahmens den Mindestbetrag festgesetzt (vgl. § 335 Abs. 1 Satz 4 HGB). Die Frage, ob angesichts der noch relativ zeitnahe nach Ablauf der Nachfrist erfolgten Offenlegung die Voraussetzungen von § 335 Abs. 3 Satz 5 HGB vorlagen und daher eine Herabsetzung möglich gewesen wäre, ist fachrechtlicher Natur und in Anbetracht der Überschreitung auch der Nachfrist um mehr als zwei Wochen in jedenfalls vertretbarer Weise verneint worden.

b)

Angesichts der vertretbaren Anwendung von § 335 HGB liegt auch keine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot vor.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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