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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 18.05.2001
Aktenzeichen: 1 BvR 522/01
Rechtsgebiete: SGB V, BVerfGG, GG
Vorschriften:
SGB V § 72 Abs. 1 Satz 2 | |
SGB V § 95 Abs. 7 Satz 3 Nr. 1 | |
BVerfGG § 93 a Abs. 2 | |
BVerfGG § 93 d Abs. 1 Satz 3 | |
GG Art. 3 Abs. 1 | |
GG Art. 12 Abs. 1 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 522/01 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der Frau S...
- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Holger Schildt und Birgitta Lochner, Johannisbollwerk 20, 20459 Hamburg -
gegen
a) das Urteil des Bundessozialgerichts vom 8. November 2000 - B 6 KA 55/00 R -,
b) den Beschluss des Berufungsausschusses für Ärzte - Psychotherapie - für den Bezirk der KV Nordrhein vom 9. September 1999 - Nr. 415/99 -
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Jaeger und die Richter Hömig, Bryde
am 18. Mai 2001 einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
1. Die jetzt 71-jährige Beschwerdeführerin, die seit 1958 als Diplom-Psychologin arbeitet, war seit 1971 an der kassenärztlichen Versorgung im Delegationsverfahren beteiligt. Ihr Antrag auf bedarfsunabhängige Zulassung scheiterte daran, dass sie bei Antragstellung bereits 68 Jahre alt war und nach der in den angegriffenen Entscheidungen vertretenen Rechtsauffassung seit mehr als 20 Jahren an der Versorgung von kassenärztlichen Patienten teilgenommen hatte.
2. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (vgl. BVerfGE 63, 152 <175>; 72, 175 <196>; 75, 246 <279>; 98, 265 <310>). Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der von der Beschwerdeführerin als verletzt gerügten Rechte angezeigt. Für eine Verletzung von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten ist nichts ersichtlich.
Die in den angegriffenen Entscheidungen gefundene Auslegung von § 72 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 7 Satz 3 und 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Fassung des Art. 2 Nr. 5 bzw. Nr. 11 Buchstabe b des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 16. Juni 1998 (BGBl I S. 1311), wonach die 68-Jahres-Altersgrenze und die Anrechnungsregelung nach § 95 Abs. 7 Satz 3 Nr. 1 SGB V sogleich mit der Eingliederung der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in das System der vertragsärztlichen Versorgung ab 1. Januar 1999 anzuwenden sind, ist mit Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
Auslegung und Anwendung der mittelbar angegriffenen Rechtsnormen sind Aufgabe der Fachgerichte. Das Bundesverfassungsgericht überprüft sie - abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot - nur darauf, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der betroffenen Grundrechte, insbesondere vom Umfang ihres Schutzbereichs, beruhen (vgl. BVerfGE 85, 248 <257 f.>; stRspr). Das ist der Fall, wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung der Normen die Tragweite der Grundrechte nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt (BVerfG, a.a.O., m.w.N.). Solche Fehler enthalten die angegriffenen Entscheidungen nicht.
a) Der gesetzliche Ausschluss von der vertragsärztlichen bzw. vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit mittels der genannten Altersgrenze ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 31. März 1998 - 1 BvR 2167/93 und 1 BvR 2198/93 -, NJW 1998, S. 1776 ff.).
b) In verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat es das Bundessozialgericht mit der Systematik der Normen des Vertragsarztrechts und dem Sinn und Zweck der Regelungen begründet, dass und warum die freiberufliche psychotherapeutische Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen im Wege des so genannten Delegationsverfahrens auf den 20-Jahres-Zeitraum nach § 95 Abs. 7 Satz 3 Nr. 1 SGB V anzurechnen ist.
Die Mitwirkung im Delegationsverfahren war zwar keine förmliche Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung, worauf das Schrifttum in seiner entgegenstehenden Rechtsauffassung hinweist (vgl. z.B. Schallen, Zulassungsverordnung für Vertragsärzte, Vertragszahnärzte, Psychotherapeuten, 3. Aufl., 2000, § 28 Rn. 520; Salzl/Steege, Psychotherapeutengesetz, 1999, S. 46). Es ist aber anerkannt, dass die Genehmigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Wege des Delegationsverfahrens für Therapeuten eine statusbegründende begünstigende Regelung darstellte, die - wenn auch schwächer ausgeprägt - einer Kassenzulassung bzw. Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung entsprach (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. Dezember 1999 - 1 BvR 1657/99 -, MedR 2000, S. 192 m.w.N.). Wäre die Mitwirkung im Delegationsverfahren außer Betracht zu lassen, fehlte es im Übrigen schon an einem schutzwürdigen Vertrauenstatbestand zugunsten der Beschwerdeführerin.
c) Das Auslegungsergebnis trägt auch den Anforderungen an Vertrauens- und Bestandsschutzregelungen im Bereich der Gewährleistung von Art. 12 Abs. 1 GG sowie dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ausreichend Rechnung. Zu diesen Fragen hat sich die Kammer bezüglich der Psychologischen Psychotherapeuten bereits ausführlich geäußert (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 16. März 2000 - 1 BvR 1453/99 -, NJW 2000, S. 1779 f.).
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Ende der Entscheidung
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