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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 18.01.2001
Aktenzeichen: 1 BvR 550/98
Rechtsgebiete: SGG, BVerfGG, GG
Vorschriften:
SGG § 114 Abs. 2 | |
BVerfGG § 93 b | |
BVerfGG § 93 a | |
BVerfGG § 18 | |
BVerfGG § 19 | |
BVerfGG § 18 Abs. 1 Nr. 2 | |
BVerfGG § 19 Abs. 2 Satz 3 | |
BVerfGG § 93 c | |
GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2216/96 - - 1 BvR 501/98 - - 1 BvR 534/98 - - 1 BvR 550/98 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerden
1. des Herrn Professor Dr. Moritz Mebel, Märkisches Ufer 14, 10179 Berlin,
- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Karl-Heinz Christoph und Dr. Ingeborg Christoph, Heiligenberger Straße 18, 10318 Berlin -
I. unmittelbar gegen
a) den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 10. März 1997 - 4 BA 187/96 -,
b) das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 17. September 1996 - L 2 An 79/95 -,
c) das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Februar 1995 - S 8 An 4790/94 -,
d) den Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 22. Dezember 1993 - 65 230223 M 013 - i.d.F. des Widerspruchsbescheids vom 4. August 1994
II. mittelbar gegen
die zugrundeliegenden Rechtsvorschriften, insbesondere § 6 Abs. 1 AAÜG
- 1 BvR 2216/96 -
2. des Herrn Dr. Siegfried Möller, Grumsiner Straße 7, 12679 Berlin,
- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Karl-Heinz Christoph und Dr. Ingeborg Christoph, Heiligenberger Straße 18, 10318 Berlin -
I. unmittelbar gegen
a) den Beschluss des Landessozialgerichts Berlin vom 30. April 1998 - L 8 An-S 6/98 -,
b) den Beschluss des Landessozialgerichts Berlin vom 3. Februar 1998 - L 8 An-S 6/98 -,
c) den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 20. November 1997 - S 20 An 4628/94 -,
d) die vorangegangenen Überführungs- und Rentenbescheide der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte
II. mittelbar gegen
die den angegriffenen Entscheidungen zugrundeliegenden Rechtsvorschriften
und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
- 1 BvR 501/98 -
3. des Herrn Dr. Klaus Pollok, Landsberger Allee 182, 10369 Berlin,
- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Karl-Heinz Christoph und Dr. Ingeborg Christoph, Heiligenberger Straße 18, 10318 Berlin -
I. unmittelbar gegen
a) den Beschluss des Landessozialgerichts Berlin vom 11. Juni 1998 - L 8 An-S 156/97 -,
b) den Beschluss des Landessozialgerichts Berlin vom 4. Februar 1998 - L 8 An-S 156/97 -,
c) den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 6. November 1997 - S 14 An 1554/96 -,
d) die Überführungs- und Rentenbescheide der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte - VSNR: 65 090427 P 000 BKZ 2020, 4570 und 6070 -
II. mittelbar gegen
die den angegriffenen Entscheidungen zugrundeliegenden Rechtsvorschriften
- 1 BvR 534/98 -
4. des Herrn Dr. Dr. Horst Fischer, Ifflandstraße 2 Whg. 0702, 10179 Berlin,
- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Karl-Heinz Christoph und Dr. Ingeborg Christoph, Heiligenberger Straße 18, 10318 Berlin -
I. unmittelbar gegen
a) den Beschluss des Landessozialgerichts Berlin vom 30. April 1998 - L 8 An-S 142/97 -,
b) den Beschluss des Landessozialgerichts Berlin vom 3. Februar 1998 - L 8 An-S 142/97 -,
c) den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 9. September 1997 - S 12 An 5508/96 -,
d) die Überführungsbescheide des Bundesverwaltungsamtes sowie die Überführungs- und Rentenbescheide der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte - VSNR: 44 250531 F 001 BKZ 2020 und 7000 -
II. mittelbar gegen
die den angegriffenen Entscheidungen zugrundeliegenden Rechtsvorschriften
- 1 BvR 550/98 -
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Steiner, die Richterin Hohmann-Dennhardt und den Richter Hoffmann-Riem gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 18. Januar 2001 einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Anträge werden abgelehnt.
Gründe:
I.
Der vorliegende Beschluss betrifft die Mitwirkung des Vizepräsidenten Papier an der Entscheidung über die Annahme von Verfassungsbeschwerden zur Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus den Altersversorgungssystemen der Deutschen Demokratischen Republik in die gesetzliche Rentenversicherung des wiedervereinigten Deutschlands. Die Beschwerdeführer hatten sich gegen die so genannte Systementscheidung mit Liquidierung der Zusatzversorgung sowie die Berücksichtigung der Arbeitsentgelte nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze gewandt. Zudem war geltend gemacht worden, es verstoße gegen den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes, wenn nicht die Entscheidung des Versorgungsträgers, sondern erst die des Rentenversicherungsträgers angegriffen werden könne. Die Aussetzung der Verfahren nach § 114 Abs. 2 SGG analog hatten die Beschwerdeführer als verfassungswidrig angesehen.
Mit Beschluss vom 9. März 2000 (1 BvR 2216/96) sowie Beschlüssen vom 13. April 2000 (1 BvR 501/98, 1 BvR 534/98, 1 BvR 550/98) hat die 1. Kammer des Ersten Senats unter Mitwirkung des Vizepräsidenten Papier und der Richter Steiner und Hoffmann-Riem die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen.
Mit Schriftsätzen vom 15. April sowie vom 20. und 21. Mai 2000 haben die Beschwerdeführer beantragt, diese Beschlüsse wegen Mitwirkung des Vizepräsidenten Papier für nichtig zu erklären, die Verfahren wieder aufzunehmen und über die Verfassungsbeschwerden in einer anderen Richter-Besetzung unter Beachtung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG erneut zu entscheiden.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, Vizepräsident Papier hätte aufgrund des dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung im Mai 1994 erstatteten Rechtsgutachtens zur Verfassungsmäßigkeit der Versorgungsüberleitung, aufgrund seiner Äußerungen in der Literatur sowie seiner Stellungnahme als Sachverständiger vor dem Ausschuss des Deutschen Bundestages für Arbeit und Sozialordnung am 21. Juni 1995 an der Entscheidung über die oben genannten Verfassungsbeschwerden nicht mitwirken dürfen. Insbesondere verweisen die Beschwerdeführer auf den Beschluss des Ersten Senats vom 26. Mai 1998 (BVerfGE 98, 134), der die Selbstablehnung des Vizepräsidenten Papier für begründet erachtet hat.
II.
Die Anträge sind abzulehnen. Es kann offen bleiben, ob sie zulässigerweise gestellt werden können, wenn das Verfahren der Verfassungsbeschwerde durch eine unanfechtbare Nichtannahmeentscheidung gemäß §§ 93 a, 93 b BVerfGG abgeschlossen ist. Denn sie sind jedenfalls unbegründet. Weder lagen in der Person des Vizepräsidenten Papier Gründe für eine Ausschließung nach § 18 BVerfGG noch Gründe für eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nach § 19 BVerfGG vor.
1. a) Nach § 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG wäre Vizepräsident Papier an den oben genannten Kammerentscheidungen von der Mitwirkung ausgeschlossen gewesen, wenn er in der selben Sache bereits von Amts oder Berufs wegen tätig geworden wäre. Das Bundesverfassungsgericht legt diese Vorschrift in einem konkreten, strikt verfahrensbezogenen Sinn aus (vgl. BVerfGE 82, 30 <35 f.>). Vizepräsident Papier war danach in Bezug auf die fraglichen Verfahren zu keiner Zeit in irgendeiner Weise tätig, die einen Ausschluss begründet (vgl. BVerfGE 78, 331 <337>; 94, 241 <257>). Dies gilt insbesondere für die den Verfassungsbeschwerden zugrundeliegenden Ausgangsverfahren. Für die Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG genügt es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht, dass sich Vizepräsident Papier im Rahmen eines Rechtsgutachtens oder in sonstiger Weise (vgl. BVerfGE 98, 134 <135 ff.>) zu Verfassungsfragen geäußert hat, die durch die vorliegenden Verfahren aufgeworfen werden.
b) Vizepräsident Papier war auch nicht durch den Beschluss des Ersten Senats vom 26. Mai 1998 (BVerfGE 98, 134) rechtlich gehindert, an den oben genannten Entscheidungen mitzuwirken. Beschlüsse, in denen die Selbstablehnung für begründet erklärt wird, betreffen nur Verfahren, zu denen sie ergangen sind.
2. Ebenso wenig ist die nachträgliche Ablehnung des Vizepräsidenten Papier wegen Besorgnis der Befangenheit nach § 19 BVerfGG begründet.
a) Es kann offen bleiben, ob die Ablehnung nicht verspätet ist. Nach § 19 Abs. 2 Satz 3 BVerfGG ist sie unbeachtlich, wenn sie nicht spätestens zu Beginn der mündlichen Verhandlung erklärt wird. Sofern in Verfahren der Verfassungsbeschwerde - wie vorliegend - nicht mündlich verhandelt wurde, ist die Ablehnung nur bis zur Verkündung der Entscheidung zulässig, ohne dass es darauf ankommt, wann der Ablehnende vom Ablehnungsgrund Kenntnis erhalten hat (vgl. BVerfGE 2, 295 <296 f.>; Klein, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Ulsamer, BVerfGG, Kommentar, § 19, Rn. 12 <Bearbeitungsstand: März 1998>). Vorliegend ist jedenfalls in allen Fällen die Ablehnung nach Zugang des jeweiligen Beschlusses erfolgt.
b) Unbeschadet dessen haben die Beschwerdeführer jedenfalls nicht hinreichend dargelegt, warum die Besorgnis der Befangenheit in der Person des Vizepräsidenten Papier bestand. Soweit die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerden auf den Erkenntnissen der Urteile des Ersten Senats vom 28. April 1999 (vgl. BVerfGE 100, 1 <40>; 100, 104 <125>) beruht, hat die Kammer nach §§ 93 b, 93 c BVerfGG lediglich Senatsentscheidungen vollzogen, die ohne Mitwirkung des Vizepräsidenten Papier ergangen sind. Soweit Gegenstand der Verfassungsbeschwerden Fragen des Verwaltungsverfahrens und des sozialgerichtlichen Verfahrens waren, hat sich Vizepräsident Papier - soweit ersichtlich - zu keiner Zeit zu ihnen in irgend einer Form geäußert.
Ende der Entscheidung
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