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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 07.11.2001
Aktenzeichen: 1 BvR 570/95
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 4
GG Art. 9
GG Art. 12 Abs. 1 Satz 2
GG Art. 14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 325/94 - - 1 BvR 2319/94 - - 1 BvR 570/95 - - 1 BvR 1382/95 -

IM NAMEN DES VOLKES

In den Verfahren über die Verfassungsbeschwerden

gegen

a) die Beschlüsse des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 13. Januar 1994 - 3Z BR 294/93 -, - 3Z BR 295/93 -, - 3Z BR 296/93 -, - 3Z BR 297/93 -, - 3Z BR 298/93 -, - 3Z BR 299/93 -, - 3Z BR 300/93 -, - 3Z BR 301/93 -, - 3Z BR 302/93 -,

b) die Beschlüsse des Landgerichts Landshut vom 8. November 1993 - 30 T 2602/93 -, vom 8. November 1993 - 30 T 2604/93 -, vom 8. November 1993 - 30 T 2605/93 -, vom 8. November 1993 - 30 T 2606/93 -, vom 9. November 1993 - 30 T 2608/93 -, vom 10. November 1993 - 30 T 2607/93 -, vom 10. November 1993 - 30 T 2609/93 -, vom 10. November 1993 - 30 T 2610/93 -, vom 19. November 1993 - 30 T 2603/93 -

- 1 BvR 325/94 -,

II.

gegen

a) den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 21. Oktober 1994 - 314 T 150/94 -,

b) den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-Blankenese vom 28. April 1994 - 506 XVII 93/67 -

- 1 BvR 2319/94 -,

III.

gegen den Beschluss des Landgerichts Kempten/Allgäu vom 9. Februar 1995 - 4 T 2716/94 -

- 1 BvR 570/95 -,

IV.

gegen den Beschluss des Landgerichts Krefeld vom 30. Mai 1995 - 6 T 172/95 -

- 1 BvR 1382/95 -

hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Papier und die Richterinnen Haas, Hohmann-Dennhardt

am 7. November 2001 einstimmig beschlossen:

Tenor:

I. 1. Im Verfahren 1 BvR 325/94 verletzen die Beschlüsse des Landgerichts Landshut vom 8. November 1993 - 30 T 2602/93, 30 T 2604/93, 30 T 2605/93, 30 T 2606/93 -, vom 9. November 1993 - 30 T 2608/93 -, vom 10. November 1993 - 30 T 2607/93, 30 T 2609/93, 30 T 2610/93 - und vom 19. November 1993 - 30 T 2603/93 - den Beschwerdeführer zu 1 in seinem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Beschlüsse des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 13. Januar 1994 - 3Z BR 294/93, 3Z BR 295/93, 3Z BR 296/93, 3Z BR 297/93, 3Z BR 298/93, 3Z BR 299/93, 3Z BR 300/93, 3Z BR 301/93, 3Z BR 302/93 - werden damit gegenstandslos. Die Verfahren werden an das Landgericht Landshut zurückverwiesen.

2. Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 2 bis 11 werden nicht zur Entscheidung angenommen.

3. Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer zu 1 seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

II. 1. Im Verfahren 1 BvR 2319/94 verletzen der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 21. Oktober 1994 - 314 T 150/94 - und der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-Blankenese vom 28. April 1994 - 506 XVII 93/67 - den Beschwerdeführer zu 1 in seinem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben und die Verfahren an das Amtsgericht Hamburg-Blankenese zurückverwiesen.

2. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 2 wird nicht zur Entscheidung angenommen.

3. Die Freie und Hansestadt Hamburg hat dem Beschwerdeführer zu 1 seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

III. 1. Im Verfahren 1 BvR 570/95 verletzt der Beschluss des Landgerichts Kempten/Allgäu vom 9. Februar 1995 - 4 T 2716/94 - den Beschwerdeführer zu 1 in seinem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidung wird aufgehoben und das Verfahren an das Landgericht Kempten/Allgäu zurückverwiesen.

2. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 2 wird nicht zur Entscheidung angenommen.

3. Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer zu 1 seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

IV. 1. In dem Verfahren 1 BvR 1382/95 verletzt der Beschluss des Landgerichts Krefeld vom 30. Mai 1995 - 6 T 172/95 - den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidung wird aufgehoben und das Verfahren an das Landgericht Krefeld zurückverwiesen.

2. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerden richten sich gegen gerichtliche Entscheidungen über die Höhe der anerkannten Betreuungsvereine für die Tätigkeit ihrer Mitarbeiter als gerichtlich bestellte Vereinsbetreuer zustehenden Vergütung.

I.

1. Mit dem Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige (Betreuungsgesetz) vom 12. September 1990 (BGBl I S. 2002), in Kraft getreten am 1. Januar 1992, ist nicht nur die Betreuung für Volljährige (vgl. § 1896 BGB) eingeführt worden. Zur Sicherstellung einer persönlichen qualifizierten Betreuung der Betroffenen und zur Entlastung der öffentlichen Träger hat der Gesetzgeber auch die Institution des anerkannten Betreuungsvereins (vgl. § 1908 f BGB) geschaffen, dessen Mitarbeiter für Betreuungen fachlich geeignet sein müssen und seitens der Gerichte zu Vereinsbetreuern bestellt werden können (vgl. § 1897 Abs. 2 BGB). Die Vereinsbetreuer üben diese Aufgabe im Rahmen ihrer dem Verein arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitszeit aus, für die sie vom Betreuungsverein entlohnt werden. Als Betreuer unterstehen sie unmittelbar der Kontrolle und Aufsicht des Vormundschaftsgerichts und nicht ihrem Arbeitgeber (vgl. § 1908 i Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1837 Abs. 2 Satz 1 BGB). Für die Tätigkeit seiner Mitarbeiter als Vereinsbetreuer erhält der Betreuungsverein eine Vergütung. Bei mittellosen Betreuten richtet sich der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse. Nach dem für die zugrunde liegenden Verfahren maßgeblichen, bis 31. Dezember 1998 geltenden Betreuungsrecht entspricht die Vergütung dem Höchstbetrag der Zeugenentschädigung und kann, soweit die Betreuung besondere Fachkenntnisse erfordert oder mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist, bis zum Dreifachen erhöht werden. Eine Erhöhung bis zum Fünffachen ist bei im Einzelfall außergewöhnlicher Erschwernis der Betreuung möglich (vgl. § 1908 i Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1836 Abs. 2 BGB a.F.). Bis 1994 betrug der Stundensatz der Zeugenentschädigung nach dem ZSEG 20 DM, danach ist er auf 25 DM erhöht worden.

2. a) Im Verfahren 1 BvR 325/94 wurde ein bei dem anerkannten Betreuungsverein (Beschwerdeführer zu I 1) angestellter Diplom-Pädagoge (Beschwerdeführer zu I 2) zum Betreuer eines nicht verständigungsfähigen geistig Behinderten (Beschwerdeführer zu I 3) mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheits- und Vermögenssorge bestellt. Entgegen der beantragten Vergütungshöhe von 60 DM pro Stunde setzte das Amtsgericht mit Beschluss vom 5. Mai 1993 für die Betreuungstätigkeit einen Stundensatz von 45 DM fest.

Nachdem das Amtsgericht der dagegen eingelegten Erinnerung des Beschwerdeführers zu I 1 zunächst abgeholfen hatte, setzte das Landgericht mit Beschluss vom 10. November 1993 auf die Erinnerung der Staatskasse hin den Vergütungsanspruch erneut unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 45 DM fest. Regelvergütung für eine Betreuung mit durchschnittlichen Anforderungen sei ein Stundensatz von 20 DM. Die Qualifikation des Betreuers, die wegen der regelmäßigen Schwierigkeit einer Betreuung psychisch Kranker maßgeblich für dessen Bestellung als Betreuer gewesen sei, rechtfertige die vorgenommene Erhöhung des Stundensatzes. Die weitere Beschwerde wurde vom Bayerischen Obersten Landesgericht mit Beschluss vom 13. Januar 1994 verworfen. Die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof blieb erfolglos. Ebenso entschieden die Gerichte bei der Festsetzung der Vergütung für die Tätigkeit des Beschwerdeführers zu I 2 hinsichtlich seiner Betreuung der Beschwerdeführer zu I 4 bis 11.

b) Im Verfahren 1 BvR 2319/94 wurde die bei dem Beschwerdeführer zu II 1, einem anerkannten Betreuungsverein, angestellte Diplom-Pädagogin (Beschwerdeführerin zu II 2) als Vereinsbetreuerin einer 1967 Entmündigten bestellt. Für diese Tätigkeit machte der Betreuungsverein einen Stundensatz von 82 DM geltend, den das Amtsgericht mit Beschluss vom 28. April 1994 auf 50 DM festsetzte.

Auf die Erinnerung seitens des Beschwerdeführers zu II 1 und der Staatskasse wies das Landgericht die Beschwerde des Beschwerdeführers zu II 1 mit Beschluss vom 21. Oktober 1994 zurück und legte der Festsetzung der Betreuungsvergütung einen Stundensatz von 40 DM zugrunde. Das Gesetz sehe keine die anteiligen Lohnkosten des Vereinsbetreuers voll deckende Vergütung vor. Da die Betreuung im vorliegenden Fall keine besonderen Schwierigkeiten geboten oder besondere Fachkenntnisse erforderlich gemacht habe, sei der festgesetzte Stundensatz als Mittelsatz des normalen Vergütungsrahmens angemessen.

c) Im Verfahren 1 BvR 570/95 bestellte das Amtsgericht eine bei dem Beschwerdeführer zu III 1, einem anerkannten Betreuungsverein, angestellte Sozialarbeiterin (Beschwerdeführerin zu III 2) zur Vereinsbetreuerin einer unter schizo-affektiver Psychose leidenden Frau mit dem Aufgabenkreis der Gesundheitssorge und der Aufenthaltsbestimmung einschließlich der Entscheidung über die Unterbringung. Entgegen dem beantragten Stundensatz von 60 DM bewilligte das Amtsgericht mit Beschluss vom 6. September 1994 dem Beschwerdeführer zu III 1 für die Tätigkeit seiner Vereinsbetreuerin eine Vergütung auf der Basis eines Stundensatzes von 40 DM.

Das Landgericht wies die dagegen eingelegte Beschwerde mit Beschluss vom 9. Februar 1995 zurück. Die Vereinsbetreuervergütung betrage im Regelfall 20 DM. Das Vorhandensein besonderer Kenntnisse beim Betreuer reiche nicht aus, um die Vergütung im Einzelfall zu erhöhen. Der Gesetzgeber habe nicht auf eine kostendeckende Vergütung abgestellt. In Abwägung aller Umstände des Falles sei der zugrunde gelegte Stundensatz angemessen.

d) Im Verfahren 1 BvR 1382/95 wurde ein bei dem Beschwerdeführer, einem anerkannten Betreuungsverein, angestellter Sozialarbeiter zum Vereinsbetreuer einer wegen Geistesschwäche Entmündigten mit den Aufgaben der Personensorge einschließlich der Frage der geschlossenen Unterbringung bestellt, nachdem zuvor der Beschwerdeführer selbst Betreuer der Entmündigten gewesen war. Die Vergütung für die Betreuertätigkeit des Mitarbeiters setzte das Amtsgericht statt in Höhe des vom Beschwerdeführer beantragten Vergütungssatzes von 60 DM bzw. 1995 von 75 DM zunächst unter Zugrundelegung eines Stundensatzes in Höhe von 20 DM, mit Beschluss vom 1. März 1995 dann in Höhe von 25 DM fest.

Die Beschwerde des Beschwerdeführers blieb erfolglos. Im Beschluss vom 30. Mai 1995 vertrat das Landgericht die Ansicht, die vom Gesetzgeber vorgesehene Regelvergütung liefe leer, wenn bereits die Fachkenntnisse des Vereinsbetreuers zur Erhöhung des Stundensatzes führten. Dass demgegenüber Rechtsanwälte einen höheren Stundensatz zuerkannt erhielten, rechtfertige sich aus Art. 12 Abs. 1 GG. Der sich daraus ergebende Gesichtspunkt der Existenzsicherung greife bei Betreuungsvereinen nicht, die für ihre Arbeit Kirchenmittel und städtische Gehaltskostenzuschüsse erhielten.

3. Mit ihren Verfassungsbeschwerden, die sich gegen die Höhe der von den Gerichten bei der Vereinsbetreuervergütung zugrunde gelegten Stundensätze richten, rügen die Beschwerdeführer insbesondere die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 4, Art. 9, Art. 12 Abs. 1 Satz 2 und Art. 14 GG. Auch Betreuungsvereine seien Grundrechtsträger des Art. 12 GG, denn sie sicherten sich und ihren Mitarbeitern mit ihrer Tätigkeit die Existenzgrundlage unabhängig davon, ob dies mit karitativen oder gemeinnützigen Zielsetzungen verbunden sei. Auf eine Ausschließlichkeit des wirtschaftlichen Erwerbszwecks komme es dabei nicht an. Die fachliche Qualifikation der Vereinsbetreuer sei mit der eines anwaltlichen Berufsbetreuers vergleichbar, so dass auch ihre Tätigkeit vergleichbar zu vergüten sei. Die bewilligten Stundensätze schränkten die Berufsausübungsfreiheit der Betreuungsvereine ein, da sie nicht kostendeckend seien. Ein angestellter Vereinsbetreuer koste einen Betreuungsverein pro Stunde erheblich mehr als der bewilligte Vergütungssatz. Die Kosten beliefen sich je nachdem, ob die Arbeitsplatzkosten neben den Lohnkosten einbezogen würden, zwischen knapp 87 DM und 106 DM. Nur bei einer Mindestvergütung von 60 DM pro Stunde ließe sich mit weiteren Zuschüssen seitens der Kreise bzw. kreisfreien Städte die Finanzierung überhaupt sicherstellen. Die Verweigerung einer kostendeckenden Vergütung gefährde die Existenz der Betreuungsvereine und führe dazu, dass diese die ihnen vom Gesetzgeber übertragenen Aufgaben im Betreuungswesen wegen Entzugs der entsprechenden finanziellen Grundlagen jedenfalls auf Dauer nicht mehr erfüllen könnten. Wenn den Betreuungsvereinen im öffentlichen Interesse Aufgaben übertragen würden, dürfte ihnen dafür eine angemessene Entschädigung nicht vorenthalten werden, um Defizite zu vermeiden, die durch zu niedrig angesetzte Stundensätze schon eingetreten seien. Betreuungsvereine müssten als Anerkennungsvoraussetzung besonders qualifizierte Personen für die Tätigkeit eines Vereinsbetreuers beschäftigen. Kämen sie aufgrund gerichtlicher Entscheidung zum Einsatz, erfolge dies aufgrund der Einschätzung des Gerichts, ihre Qualifikation sei für die Betreuung notwendig. Dann aber sei es dem Gericht in Vergütungsverfahren verwehrt, nachträglich die Schwierigkeit des Falles anders zu bewerten. Es müsse vielmehr in verfassungskonformer Auslegung der Vergütungsvorschriften bei einem Fall mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad von einem Regelsatz des dreifachen Mindestsatzes, also 60 DM bzw. 75 DM ausgehen. Ansonsten werde ein Betreuungsverein gezwungen, an seine angestellten Betreuer tarifliche Gehälter zu zahlen, ohne dafür einen angemessenen Ersatz zu erlangen. Die angegriffene gerichtliche Vergütungspraxis ließe insofern die Betreuungsvereine in eine existenzgefährdende "Kosten-Vergütungs-Schere" geraten, ohne dass sie in der Lage seien, dies zu kompensieren. Eine strukturelle Unterdeckung der Vereine werde hierdurch bewirkt, die mit dem Grundgesetz nicht mehr vereinbar sei.

4. Zu den Verfassungsbeschwerden hat die Bayerische Staatsregierung Stellung genommen. Sie hält die angegriffenen Entscheidungen für mit dem Grundgesetz vereinbar. Eine kostendeckende Vergütung für die Betreuung mittelloser Betroffener durch Vereinsbetreuer sei verfassungsrechtlich nicht geboten. Betreuungsvereine könnten weitere Einnahmen durch die Übernahme von Betreuungen Vermögender erzielen. Außerdem könnten sie Zuschüsse seitens der Kreise und Gemeinden erhalten.

Der Bundesgerichtshof hat seitens der Vorsitzenden des 2., 3. und 9. Zivilsenats mitgeteilt, mit den aufgeworfenen Rechtsfragen noch nicht befasst worden zu sein. Der Vorsitzende des 12. Zivilsenats hat auf die bisherige Rechtsprechung des Senats verwiesen.

Den vom Bundesverfassungsgericht übersandten Fragenkatalog haben die Bayerische Staatsregierung, der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, die nordrhein-westfälische Landesregierung sowie die Beschwerde führenden Betreuungsvereine beantwortet. Danach habe sich im Zeitraum von 1992 bis 1996 in Bayern in durchschnittlich rund 73 % der Betreuungsfälle eines Vereinsbetreuers der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse gerichtet. Bei durchschnittlich 86,1 % der Vereine seien tendenzielle Unterdeckungen entstanden, die jedoch größtenteils durch Eigenmittel bzw. Mittel des Trägerverbandes oder durch Zuschüsse seitens der Kreise und kreisfreien Städte hätten ausgeglichen werden können. In Hamburg habe sich ebenfalls herausgestellt, dass die gerichtlich festgesetzte Vergütung deutlich unter der Kostenkalkulation der Betreuungsvereine gelegen habe. Die seitens des Landes erfolgte Vorfinanzierung sei deshalb nicht in voller Höhe zurückgefordert worden. Vergütungsansprüche richteten sich zu 75 % gegen die Staatskasse. Ein kostendeckender Stundensatz betrage 1998 angesichts der Lohnkosten mit einer Arbeitsplatzpauschale knapp 73 DM. Nordrhein-Westfalen hat darauf hingewiesen, dass eine allgemeine Auswertung der Tätigkeitsberichte von Betreuungsvereinen nicht erfolge.

II.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerden der Beschwerde führenden Betreuungsvereine gemäß § 93 c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung ihrer Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Kammer ist zur Entscheidung befugt. Den zulässigen Verfassungsbeschwerden kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil es sich um ausgelaufenes Recht handelt (vgl. BVerfGE 91, 186 <200>). Außerdem sind die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zur Angemessenheit der Betreuervergütung vom Bundesverfassungsgericht bereits entschieden worden (vgl. BVerfGE 54, 251 ff.; 101, 331 ff.).

Die Verfassungsbeschwerden der Vereinsbetreuer und Betreuten werden dagegen nicht zur Entscheidung angenommen (§ 93 a Abs. 2, § 93 b BVerfGG).

1. a) Die Verfassungsbeschwerden der Vereinsbetreuer in den Verfahren 1 BvR 325/94, 1 BvR 2319/94 und 1 BvR 570/95 sind ebenso wie die der Betreuten im Verfahren 1 BvR 325/94 unzulässig. Es fehlt ihnen an der Beschwerdebefugnis, da sie durch die angegriffenen Entscheidungen nicht selbst in ihrer grundrechtlich geschützten Rechtsposition betroffen sind. Die Höhe des Vergütungsanspruchs eines Betreuungsvereins für die Tätigkeit seines Vereinsbetreuers berührt nicht dessen Entlohnungsanspruch gegen den Betreuungsverein als Arbeitgeber. Die dem vermögenslosen Betreuten gegenüber zu erbringende Betreuungsleistung ist in Umfang und Qualität ebenfalls unabhängig von der dem Betreuungsverein zustehenden Vergütungshöhe.

b) Demgegenüber sind die Verfassungsbeschwerden der Betreuungsvereine zulässig. Dies gilt auch für das Verfahren 1 BvR 325/94, in dem die Verfassungsbeschwerde erst nach der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts über die weitere Beschwerde des Beschwerdeführers eingelegt worden ist. Die Unzulässigkeit dieses Rechtsmittels war jedenfalls nicht offensichtlich (BVerfGE 5, 17 <20>), so dass die Frist für die Verfassungsbeschwerde erst mit Zustellung der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts begonnen hat und § 93 Abs. 1 BVerfGG auch hier gewahrt ist.

2. Die angegriffenen Entscheidungen, mit denen jeweils für den Einzelfall die Höhe der Vergütung für die Tätigkeit der bei den Beschwerdeführern angestellten Vereinsbetreuer festgesetzt worden sind, verletzen die Betreuungsvereine in ihren Rechten aus Art. 12 Abs. 1 GG.

a) Die in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit umfasst jede auf Dauer angelegte und auf Erwerb gerichtete Tätigkeit (BVerfGE 7, 377 <397>; 54, 301 <313>; 97, 228 <252 f.>). Der grundrechtliche Schutz gilt gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch für juristische Personen des Privatrechts (vgl. BVerfGE 50, 290 <363>) und damit auch für Vereine, sofern die Führung eines Geschäftsbetriebs zu ihren satzungsgemäßen Zwecken gehört (BVerfGE 65, 196 <209 f.>; 74, 129 <149>). Ob die Vereine dabei gemeinnützig wirken, ist für die Anwendung des Art. 12 Abs. 1 GG auf ihre erwerbsmäßige Tätigkeit, die eine Gewinnerzielung nicht voraussetzt, nicht maßgeblich.

Die Beschwerdeführer sind anerkannte Betreuungsvereine. Ihre Tätigkeit ist neben der Verfolgung sozialer Ziele vornehmlich satzungsgemäß darauf ausgerichtet, gegen Entgelt Dienstleistungen auf dem vom Gesetzgeber durch Ausgliederung einer bisher öffentlichen Aufgabe aus der hoheitlichen Verwaltung in private Hand eröffneten Markt für Betreuungsleistungen anzubieten. Sie sind damit Grundrechtsträger des Art. 12 Abs. 1 GG.

b) Das Grundrecht umfasst auch die Freiheit, das Entgelt für erwerbsmäßig erbrachte Leistungen selbst festzusetzen oder auszuhandeln. Vergütungsregelungen und hierauf gründende Entscheidungen, die die Höhe der für die Tätigkeit erzielbaren Einnahmen maßgeblich beeinflussen, greifen in die Freiheit der Berufsausübung ein (vgl. BVerfGE 47, 285 <321>). Sie sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren (vgl. BVerfGE 101, 331 <347>).

Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 15. Dezember 1999 festgestellt hat, wird die gesetzliche Regelung über den Vergütungsanspruch für die Betreuung vermögensloser Betreuter gegen die Staatskasse diesen Anforderungen gerecht (BVerfGE 101, 331 <347 ff.>). Insbesondere ist ihre Anbindung an die jeweiligen fachlichen Anforderungen und die im einzelnen Betreuungsfall zu bewältigenden Schwierigkeiten grundsätzlich sachgerecht. Außerdem lässt die Vergütungsregelung durch den weiten Gebührenrahmen und die in § 1908 i Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 1836 Abs. 2 BGB a.F. geschaffene Möglichkeit zur weiteren Erhöhung der Vergütung Raum für die Berücksichtigung von Besonderheiten des Einzelfalls.

c) Bei der Auslegung und Anwendung der Vergütungsnormen haben die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen nicht die Besonderheiten der Betreuungsleistung berücksichtigt, die Betreuungsvereine dadurch erbringen, dass sie besonders qualifiziertes Fachpersonal anstellen und damit ständig zur Verfügung der Gerichte halten. Diese spezifische, vom Gesetzgeber gewünschte und vorgegebene Leistung der Betreuungsvereine ist bei der Festsetzung der Vergütungshöhe zu beachten. Damit haben die Gerichte Bedeutung und Tragweite von Art. 12 Abs. 1 GG verkannt.

aa) Bei der Eröffnung eines Marktes für Betreuungstätigkeiten durch das neue Betreuungsgesetz im Jahre 1992 hat der Gesetzgeber mit der Einführung von anerkannten Betreuungsvereinen nicht nur auf eine hierdurch eintretende Entlastung öffentlicher Träger abgezielt, denen bis dahin die Betreuungsaufgabe zuvörderst oblag (vgl. BTDrucks 11/4528, S. 100, 225). Er hat damit den Gerichten auch die Möglichkeit eröffnen wollen, auf diesem neuen Feld betreuerischer Tätigkeit durch Private auf ein ausreichendes Potential qualifizierter Mitarbeiter solcher Betreuungsvereine zugreifen zu können (vgl. BTDrucks 11/4528, S. 124, 158). Um dies sicherzustellen, hat der Gesetzgeber die Anerkennung eines Betreuungsvereins als Voraussetzung für sein Tätigwerden im Betreuungsbereich daran geknüpft, dass der Verein unter anderem eine ausreichende Zahl geeigneter Mitarbeiter beschäftigt (vgl. § 1908 f Abs. 1 Nr. 1 BGB), die als Vereinsbetreuer durch die Gerichte eingesetzt werden können (vgl. § 1897 Abs. 2 Satz 1 BGB). Damit hat der Gesetzgeber zwar niemanden in die Pflicht genommen, einen Betreuungsverein zu gründen. Er hat aber mit dem anerkannten Betreuungsverein eine Institution gesetzlich vorgegeben, deren Existenz er zur Qualitätssicherung im neuen Betreuungswesen vorausgesetzt hat. Über die Anerkennungsvoraussetzungen hat er zugleich die Betreuungsvereine verpflichtet, qualifiziertes Personal dauerhaft vorzuhalten und insoweit fixe Kosten zu tragen, um im Einzelfall staatlicherseits über die Gerichte auf dieses Personal für den Einsatz als qualifizierte Betreuer zugreifen zu können.

bb) Wählt der Gesetzgeber aber eine solche Konstruktion, mit der er sich zur Aufgabenerfüllung im Bereich des Betreuungswesens zur Qualitätssicherung wesentlich auch auf die Tätigkeit von entsprechend qualifizierten Mitarbeitern eines Betreuungsvereins als Vereinsbetreuer stützt, und lässt er die Entgelte für den Einsatz dieser Vereinsbetreuer nicht durch die Betreuungsvereine selbst festsetzen oder aushandeln, sondern gibt für die Vergütung einen Rahmen vor, innerhalb dessen die Gerichte die Höhe der Vergütung zu bestimmen haben, darf die festgesetzte Höhe der Vergütung nicht in Widerspruch zu denjenigen gesetzlichen Vorgaben stehen, die die einem Betreuungsverein für die erbrachte Leistung entstehenden Kosten maßgeblich beeinflussen. Vielmehr ist eine dem Erfordernis der ständigen Bereithaltung qualifizierten Personals durch die Betreuungsvereine angemessene Vergütung festzusetzen, um sicherzustellen, dass die Konstruktion, deren sich der Gesetzgeber zur Erfüllung der Betreuungsarbeit bedient hat, nicht durch willkürliche Inkonsequenz bei der Bestimmung der Vergütungshöhe dadurch in Frage gestellt wird, dass die von den Vereinen vorgehaltenen Personalkosten für die Leistungserbringung durch die bewilligten Vergütungen - auch unter Berücksichtigung etwaiger öffentlicher Zuschüsse - erkennbar nicht gedeckt werden können. Bleibt bei der Festsetzung der Vergütungshöhe unberücksichtigt, dass die Betreuungsvereine solche fixen Vorhaltekosten für ihr qualifiziertes Personal haben, das als Vereinsbetreuer zum Einsatz kommt, überschreitet diese bestimmte Vergütungshöhe die Grenze der Zumutbarkeit und verletzt das Grundrecht der Betreuungsvereine aus Art. 12 Abs. 1 GG.

d) Dies haben die Gerichte in ihren angegriffenen Entscheidungen verkannt. Sie sind zur Bestimmung der Vergütungshöhe für die Tätigkeit eines Vereinsbetreuers von einer generellen Regelvergütung am unteren Bereich des Vergütungsrahmens ausgegangen und haben die Auffassung vertreten, die Qualifikation des Vereinsbetreuers könne, wenn überhaupt, nur dann zur Festsetzung einer höheren Vergütung führen, wenn diese für die Betreuung des jeweiligen Falls auch gefordert sei. Damit haben sie allein den Schwierigkeitsgrad der Betreuung zum Maßstab für die festzusetzende Vergütungshöhe gemacht und außer Acht gelassen, dass jeweils Vereinsbetreuer durch gerichtliche Bestellung in Einsatz gebracht worden sind, die als Diplom-Pädagogen oder diplomierte Sozialarbeiter nicht nur über eine spezifische Qualifikation für die Betreuung verfügt haben, sondern für die der Vergütung beanspruchende Betreuungsverein auch eine dieser Qualifikation entsprechende Entlohnung hat bezahlen müssen, um sie als Vereinsbetreuer zur Verfügung stellen zu können. Unter Berücksichtigung, dass ein Vereinsbetreuer mit einer solchen Qualifikation dauerhaft vom Betreuungsverein nach BAT IV b (vgl. BAG BtPrax 1997, S. 32 ff.) zu vergüten ist, wäre eine diesem Umstand angemessene Vergütung im oberen Bereich des Vergütungsrahmens in entsprechender Höhe des mit dem Betreuungsrechtsänderungsgesetz von 1999 nunmehr für derartige qualifizierte Betreuungstätigkeiten bestimmten Vergütungssatzes geboten gewesen, um in zumutbarer Weise für die Betreuungsvereine dem Rechnung zu tragen, was diese in Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgabenstellung an ständigen Kosten für bereit gehaltenes qualifiziertes Personal zu tragen haben.

3. Die angegriffenen Entscheidungen sind aufzuheben und die Verfahren an das Landgericht Landshut (1 BvR 325/94), an das Amtsgericht Hamburg-Blankenese (1 BvR 2319/94), an das Landgericht Kempten/Allgäu (1 BvR 570/95) sowie an das Landgericht Krefeld (1 BvR 1382/95) zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).

4. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG.

5. Von der weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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