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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 08.05.2008
Aktenzeichen: 1 BvR 645/08
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 645/08 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 8. Februar 2008 - 2 W 32/08 -,

b) den Beschluss des Landgerichts Hannover vom 19. Oktober 2007 - 11 T 50/07 -,

c) den Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 30. Mai 2007 - 89 II 32/07 -,

d) die Kostenrechnung des Landgerichts Hannover vom 26. Februar 2007 - Kassenzeichen: 1424800474202 -

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Hohmann-Dennhardt und die Richter Gaier, Kirchhof gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 8. Mai 2008 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die Auferlegung einer Gebühr für eine bei ihm als Notar durchgeführte Geschäftsprüfung.

I.

1. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 der Bundesnotarordnung (BNotO) obliegt den Aufsichtsbehörden - dies sind nach § 92 BNotO der Präsident des Landgerichts, der Präsident des Oberlandesgerichts und die Landesjustizverwaltung - die regelmäßige Prüfung und Überwachung der Amtsführung der Notare. Gemäß § 93 Abs. 2 BNotO ist Gegenstand der Prüfung die ordnungsgemäße Erledigung der Amtsgeschäfte des Notars.

2. Mit dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Kosten im Bereich der Justizverwaltung und anderer Gesetze vom 24. März 2006 (Nds. GVBl S. 181) wurde in Niedersachsen unter anderem eine Gebühr für die regelmäßige Prüfung der Amtsführung nach § 93 Abs. 1 Satz 1 BNotO eingeführt, die je nach dem Umfang der Urkundenrolle 300 € bis 900 € beträgt.

II.

1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt und Notar in H. Für eine bei ihm durchgeführte Prüfung seiner Amtsgeschäfte erteilte ihm der Präsident des Landgerichts eine Kostenrechnung über 600 €. Die gegen diese Kostenrechnung eingelegte Erinnerung des Beschwerdeführers wies das Amtsgericht zurück. Auch die hiergegen eingelegte Beschwerde zum Landgericht blieb ohne Erfolg. Die Gebühr für die Prüfung der Amtsgeschäfte der Notare widerspreche dem grundgesetzlichen Abgabensystem nicht. Auch wenn das öffentliche Interesse an der Ausübung der Dienstaufsicht über die Notare überwiegen möge, sei ein individuell zurechenbarer Vorteil für die Notare durch die regelmäßige Überprüfung ihrer Amtsgeschäfte nicht zu verkennen. Die Gebühren würden dem Äquivalenz- und dem Kostendeckungsprinzip gerecht.

Mit Beschluss vom 8. Februar 2008 wies das Oberlandesgericht auch die weitere Beschwerde zurück und nahm zur Begründung im Wesentlichen auf den Beschluss des Landgerichts Bezug. Ergänzend führte das Oberlandesgericht aus, die Geschäftsprüfung sei eine öffentliche Leistung, die den geprüften Notaren individuell zurechenbar sei und erhebliche Vorteile für diese mit sich bringe. Die erhobenen Gebühren lägen deutlich unter den durchschnittlichen Verwaltungskosten der einzelnen Prüfung. Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zu den Landesbeamten liege nicht vor. Im Unterschied zu einem Landesbeamten verfolge der Notar mit der Ausübung seines Amtes das Ziel, durch die Erhebung von Gebühren im eigenen wirtschaftlichen Interesse Einnahmen zu erzielen.

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG als verletzt.

Die Gebührenerhebung widerspreche dem grundgesetzlichen Abgabensystem. Mit ihr korrespondiere für den Notar kein wesentlicher Nutzen und es fehle die individuelle Zurechenbarkeit an den Kostenschuldner. Der Notar erledige staatliche Aufgaben. Es widerspreche dem Finanzierungssystem des Staates, wenn staatliche Stellen voneinander Gebühren erhöben. Die Erledigung der Amtsgeschäfte des Notars benötige ihrem Inhalt und Wesen nach keine fachliche Aufsicht. Die erhobene Gebühr sei unverhältnismäßig, weil sie dem Charakter der Dienstaufsicht zuwider laufe und weil Notare zusätzlich der Aufsicht der Notarkammer unterlägen, an die ein Beitrag zu bezahlen sei. Die Dienstaufsicht liege allein im öffentlichen Interesse, nicht aber in dem des Notars.

Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes liege darin, dass der Staat in seiner Funktion als Dienstherr in anderen Fällen gerade keine Gebühren erhebe. Dies gelte etwa für Richter, die ebenso wie die Notare keinen Weisungen des Dienstherrn unterlägen, oder Notare in anderen Bundesländern.

B.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht gegeben sind.

I.

Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die maßgeblichen Fragen zur Anwendbarkeit des Art. 12 Abs. 1 GG bei der Erhebung von Steuern und sonstigen Abgaben (vgl. BVerfGE 111, 191 <213 ff.>) sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ebenso geklärt wie die Prüfungsmaßstäbe für die Verfassungsmäßigkeit von Gebühren (vgl. BVerfGE 50, 217 <226 ff.>).

II.

Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die zulässige Verfassungsbeschwerde hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.

1. Die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) oder - für den Fall, dass es der angegriffenen Gebührenregelung an einer berufsregelnden Tendenz mangeln sollte - die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit in ihrer Ausprägung als wirtschaftliche Betätigungsfreiheit sind nicht verletzt. Der Erhebung einer Gebühr für die Prüfung der Amtsführung von Notaren steht insbesondere weder das Abgabensystem des Grundgesetzes noch das öffentliche Amt des Notars oder die Rechtslage in anderen Bundesländern entgegen.

a) Bei der verfassungsrechtlichen Kontrolle von Gebührenvorschriften ist zu beachten, dass der Gebührengesetzgeber innerhalb seiner jeweiligen Regelungskompetenz über einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum verfügt. Dies betrifft die Entscheidungen darüber, welche individuell zurechenbaren Leistungen er einer Gebührenpflicht unterwerfen, welche Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze er hierfür aufstellen und welche über die Kostendeckung hinausgehenden Zwecke er dabei anstreben will (vgl. BVerfGE 50, 217 <226 f.>).

Als ein grundlegendes Prinzip für die Zulässigkeit nichtsteuerlicher Abgaben ist allerdings zu prüfen, ob für sie eine besondere sachliche Rechtfertigung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach gegeben ist (vgl. BVerfGE 108, 1 <16>). Dabei können mit der Erhebung einer Gebühr zulässigerweise verschiedene Zwecke verfolgt werden. Die sachliche Rechtfertigung der Gebührenhöhe kann sich etwa aus dem Ziel der vollständigen oder teilweisen Kostendeckung (vgl. BVerfGE 50, 217 <226>; 97, 332 <345>), der Verhaltenslenkung (vgl. BVerfGE 50, 217 <226 ff.>; 79, 1 <28>) sowie aus sozialen Zwecken ergeben (vgl. BVerfGE 80, 103 <107>; 108, 1 <18>). Damit ist die Gebührenerhebung im vorliegenden Fall sachlich gerechtfertigt; denn nach der Gesetzesbegründung sollen die erhobenen Gebühren es ermöglichen, für bestimmte Amtshandlungen der Oberlandesgerichte und Landgerichte in Notarangelegenheiten einen Teil der hieraus erwachsenden Verwaltungskosten des Landes zu decken. Darüber hinaus soll "wenigstens tendenziell" eine gewisse Verhaltenssteuerung erreicht werden (vgl. Nds. LTDrucks 15/2380, S. 4).

b) Auch den Anforderungen, die aufgrund des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu stellen sind, ist Rechnung getragen. Hiernach dürfen Gebühren nicht völlig unabhängig von den Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt werden. Außerdem darf die Verknüpfung zwischen den Kosten und der Staatsleistung und den dafür auferlegten Gebühren nicht in einer Weise gestaltet sein, die sich, bezogen auf den Zweck der gänzlichen oder teilweisen Kostendeckung, unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt als sachgemäß erweist (vgl. BVerfGE 50, 217 <227>).

In der Gesetzesbegründung wird dargelegt, dass als Ausgangsbasis für die Festsetzung der Gebühren die durchschnittlichen Kosten der einzelnen gebührenpflichtigen Amtshandlungen gedient hätten, die zunächst auf der Grundlage der Jahre 1998 bis 2000 ermittelt und durch bei zwei Landgerichten modellhaft eingeführte Kosten- und Leistungsrechnungen bestätigt worden seien. Die vorgeschlagenen Gebühren entsprächen in der Höhe den durchschnittlichen Verwaltungskosten des Einzelfalls; eine Vielzahl von Amtshandlungen sei gänzlich gebührenfrei geblieben (vgl. Nds. LTDrucks 15/2380, S. 7 ff.). Soweit die hier zur Überprüfung stehende Gebühr für die regelmäßige Prüfung der Amtsführung betroffen ist, liegen die Gesamtkosten der Amtshandlung pro Fall mit 2079,33 € sogar deutlich über der durchschnittlichen Gebühr von 600 € (vgl. Nds. LTDrucks 15/2380, S. 9). Die Höhe der Gebühr wurde damit auf einer nachvollziehbaren und sachgerechten Grundlage ermittelt. Sie ist bei weitem nicht kostendeckend, so dass ein Missverhältnis zwischen den Kosten des Staatshandelns und der dafür erhobenen Gebühr zu Lasten des Gebührenschuldners nicht besteht. Hinzu kommt, dass die Gebühr in Höhe von 600 € für die Notarprüfung lediglich alle vier Jahre anfällt, woraus sich eine durchschnittliche jährliche Belastung jedes Notariats mit 150 € ergibt, die ebenfalls nicht unverhältnismäßig erscheint.

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht daraus, dass Notare auch gegenüber den Notarkammern, die ebenfalls gewisse Überwachungsaufgaben wahrnehmen, zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet sind. Zwar wachen die Notarkammern nach § 67 Abs. 1 Satz 2 BNotO über das Ansehen der Notare und unterstützen die Aufsichtsbehörden bei ihren Tätigkeiten. Bei ordnungswidrigem Verhalten leichterer Art können sie eine Ermahnung aussprechen (§ 75 BNotO). Eine regelmäßige Geschäftsprüfung, wie sie im Rahmen der Dienstaufsicht in Aufsichtsbehörden durchgeführt wird, wird von den Notarkammern hingegen nicht vorgenommen. Es trifft daher nicht zu, dass der Beschwerdeführer für sich entsprechende Maßnahmen zweifach bezahlen müsste.

c) Aufgrund des oben dargestellten weiten Ermessensspielraums des Gesetzgebers hinsichtlich der von ihm mit der Gebühr verfolgten Zwecke steht der Gebührenerhebung auch der Umstand nicht entgegen, dass Notaren ein öffentliches Amt verliehen ist und dass an der Bestellung von Notaren, an der staatlichen Kontrolle ihrer Amtsausübung sowie an den staatlichen Vorgaben für die Wahrnehmung ihrer Amts- und Dienstgeschäfte ein öffentliches Interesse besteht.

Von Verfassungs wegen wird nicht vorausgesetzt, dass die gebührenpflichtige Amtshandlung allein oder auch nur überwiegend im Interesse der Gebührenpflichtigen erfolgt (vgl. BVerwGE 8, 93 <95>; 95, 188 <200 f.>). Jede staatliche Handlungsweise muss einen Bezug zum öffentlichen Wohl haben. Dass eine gebührenpflichtige Amtshandlung in diesem Sinne öffentliche Interessen verfolgt, ist daher kein Hindernis, von einer Gebühr im herkömmlichen Sinne auszugehen (vgl. BVerwGE 95, 188 <200 f.>). Entscheidend ist, dass die Amtshandlung dem Gebührenpflichtigen individuell zurechenbar ist (vgl. BVerfGE 50, 217 <226>).

Dies ist hier der Fall. Indem die Notarprüfung dazu beiträgt, die Ordnungsgemäßheit und Korrektheit der notariellen Amtsführung zu gewährleisten, dient sie nicht nur den Interessen des rechtsuchenden Publikums, sondern ebenso dem Ansehen und dem Vertrauen, das die Rechtsuchenden dem Notarstand im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege entgegenbringen müssen, und nicht zuletzt auch den einzelnen Notaren. Sie verhilft zur rechtzeitigen Aufdeckung und Behebung von Fehlern und kann so die Notare vor Amtshaftungsansprüchen und vor der Wiederholung regressträchtiger Versäumnisse bewahren.

2. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ist auch unter anderen Gesichtspunkten nicht gegeben.

a) Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung kann zunächst nicht darin gesehen werden, dass andere Länder die Notare nicht mit entsprechenden Gebühren belasten. Voraussetzung für eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG ist, dass die Vergleichsfälle der gleichen Stelle zuzurechnen sind. Daran fehlt es, wenn die beiden Sachverhalte von zwei verschiedenen Trägern öffentlicher Gewalt gestaltet werden; der Gleichheitssatz bindet jeden Träger öffentlicher Gewalt allein in dessen Zuständigkeitsbereich (vgl. BVerfGE 21, 54 <68>; 76, 1 <73>). Ein Land verletzt daher den Gleichheitssatz nicht deshalb, weil ein anderes Land den gleichen Sachverhalt anders behandelt (vgl. BVerfGE 42, 20 <27>; 52, 42 <57 f.>; 93, 319 <351>).

b) Auch im Vergleich zu den Richtern liegt keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vor. Im Unterschied zu einem Richter vereinnahmt der Notar und nicht der Staat die Gebühren, die aufgrund der Ausübung der Amtstätigkeit entstehen. Es ist daher gerechtfertigt, dass der Staat mit den Kosten, die er für die Prüfung notarieller Amtsführung aufwenden muss, zumindest teilweise die betroffenen Notare belastet.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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