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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 08.08.2000
Aktenzeichen: 1 BvR 653/97
Rechtsgebiete: BVerfGG, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 93 b
BVerfGG § 93 a
BVerfGG § 93 d Abs. 1 Satz 3
GG Art. 5 Abs. 3
GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 653/97 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

der ...

- Bevollmächtigter: Professor Dr. Brun-Otto Bryde, Justus-Liebig-Universität Gießen, Hein-Heckroth-Straße 5, Gießen -

gegen

a) das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 1996 - BVerwG 6 C 5.95 -,

b) das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Februar 1995 - 6 UE 652/93 -,

c) das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 23. Februar 1993 - III/V E 651/91 -

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Kühling, die Richterin Jaeger und den Richter Hömig gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 8. August 2000 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde greift die Universität G. verwaltungsgerichtliche Entscheidungen an, durch die ihr das Recht abgesprochen wird, die Forschungstätigkeit eines ihrer Professoren durch eine Ad-hoc-Kommission auf wissenschaftliches Fehlverhalten hin zu überprüfen und daraus auch dann Feststellungen und Forderungen abzuleiten, wenn Forschungsergebnisse nicht bewusst verfälscht wurden (zur Entscheidung des Revisionsgerichts vgl. BVerwGE 102, 304).

II.

Eine Verfassungsbeschwerde ist nur dann zur Entscheidung anzunehmen, wenn ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt oder wenn die Annahme zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten angezeigt ist (§ 93 a Abs. 2 BVerfGG). Letzteres ist der Fall, wenn die geltend gemachte Grundrechtsverletzung besonderes Gewicht hat oder den Beschwerdeführer in existenzieller Weise betrifft.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

1. Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung kommt der Verfassungsbeschwerde nicht zu, weil die durch sie aufgeworfenen Fragen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 15, 256 <264>; 35, 79 <116 ff.>; 51, 369 <381>; 57, 70 <94 f.>; 90, 1 <12>) bereits entschieden sind. Zur weitergehenden Klärung grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Fragen gibt der vorliegende Fall keinen Anlass. Ob sich die Beschwerdeführerin bei universitären Binnenkonflikten um Fragen der Wissenschaftlichkeit auf das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit berufen kann, braucht nicht entschieden zu werden; selbst wenn man dies annimmt, halten die angegriffenen Urteile einer verfassungsrechtlichen Überprüfung stand. Das Bundesverwaltungsgericht hat die vorinstanzlichen Urteile im Ergebnis mit der Begründung aufrechterhalten, die beschwerdeführende Universität sei befugt, durch eine aus Wissenschaftlern fachkundig zusammengesetzte Kommission überprüfen zu lassen, ob ein Hochschullehrer seine Forschungsfreiheit missbraucht oder deren Grenzen überschritten hat. Die Kommission soll unter anderem berechtigt sein, den Schutz von Universitätsangehörigen zu veranlassen, wenn sich ergibt, dass der Hochschullehrer durch seine Forschungstätigkeit deren Rechte verletzt hat. Darüber hinaus soll sie Kritik an seiner Arbeit äußern dürfen, wenn er die Grenzen der Wissenschaftsfreiheit zweifelsfrei überschritten hat und seine Arbeit nicht als ernsthafter Versuch zur Ermittlung von Wahrheit angesehen werden kann. Unter diesen Voraussetzungen soll das Gremium auch entsprechende Feststellungen treffen dürfen.

Weiter gehende Befugnisse könnte die Beschwerdeführerin - auch gestützt auf eine eigene aus Art. 5 Abs. 3 GG abgeleitete - Grundrechtsposition nicht beanspruchen; die Auseinandersetzung mit Forschungsergebnissen, denen der ernsthafte Versuch nicht abgesprochen werden kann, die Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens zu beachten, ist, wie das Bundesverwaltungsgericht zutreffend erkennt, allein mit den Mitteln des wissenschaftlichen Diskurses und daher im Meinungsstreit der Wissenschaftler auszutragen. Dies folgt aus der individuellen Wissenschaftsfreiheit des betroffenen Hochschullehrers, deren Schutz zu den Aufgaben der Beschwerdeführerin gehört.

2. Zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin ist die Annahme nicht angezeigt, weil sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Anhaltspunkte dafür, dass die angegriffenen Entscheidungen gegen Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte der Beschwerdeführerin verstoßen, sind nicht ersichtlich.

Das Bundesverwaltungsgericht hat Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG oder andere prozessuale grundrechtsgleiche Rechte nicht verletzt. Die Beschwerdeführerin rügt in diesem Zusammenhang, das Bundesverwaltungsgericht hätte die Sache an das Berufungsgericht zurückverweisen müssen, um weitere Tatsachenfeststellungen zu treffen. Dabei stützt es sich auf den folgenden Satz aus der Begründung des angegriffenen Urteils: "Dieser Vorwurf (sc. einer bewußten Fälschung von Forschungsergebnissen) wurde nach dem vom Berufungsgericht bindend festgestellten Sachverhalt in dem Beschluss der Kommission nicht aufrechterhalten." Eine solche Feststellung habe das Berufungsgericht aber ausdrücklich nicht getroffen.

Die Rüge ist nicht begründet. Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Erkenntnis erkennbar aus dem Kommissionsbericht selbst abgeleitet, den das Berufungsgericht inhaltlich festgestellt hat. Dies sollte mit dem von der Beschwerdeführerin zitierten - freilich undeutlich formulierten - Satz zum Ausdruck gebracht werden. Dass ein solches Vorgehen revisionsrechtlich unvertretbar wäre und damit zugleich gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters verstoßen könnte, ist nicht ersichtlich.

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.



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