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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 08.09.1999
Aktenzeichen: 1 BvR 654/99
Rechtsgebiete: BVerfGG
Vorschriften:
BVerfGG § 93 b | |
BVerfGG § 93 a | |
BVerfGG § 93 a Abs. 2 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 654/99 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
1. des Herrn S...,
sowie weiterer 16 Beschwerdeführer
- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Professor Dr. Rüdiger Zuck und Partner, Robert-Koch-Straße 2, Stuttgart -
gegen
a) das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Februar 1999 - BVerwG 8 C 17.98 -,
b) das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 15. Dezember 1997 - 1 K 263/97 -
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Papier und die Richter Grimm, Hömig gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 8. September 1999 einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der von den Beschwerdeführern als verletzt bezeichneten Grundrechte angezeigt, weil sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Es liegt weder ein Verstoß gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen die Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht gemäß Art. 20 Abs. 3 GG vor.
1. Den Beschwerdeführern ist allerdings einzuräumen, daß die Auslegung des Art. 3 Abs. 2 REAO durch das Bundesverwaltungsgericht nicht die allein mögliche ist. Dieses ist der Auffassung, daß die Widerlegungstatbestände des Art. 3 Abs. 2 REAO an dem konkreten zum Vermögensverlust führenden Rechtsgeschäft zu messen sind mit der Folge, daß hier auf den Aufschließungsvertrag abzustellen sei. Bei der darin geregelten Verpflichtung der Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer zur unentgeltlichen Überlassung von 25 vom Hundert der Gesamtfläche an die Gemeinde handele es sich um ein entgeltliches Geschäft, bei dem die Gegenleistung in der Befreiung vom Bauverbot und der Erteilung der Parzellierungsgenehmigung mit der dadurch begründeten Wertsteigerung der zum Kauf vorgesehenen Parzellen bestehe. Wenn danach die Gegenleistung im Ergebnis in der Wertsteigerung der Parzellen zu sehen ist, erschiene es durchaus naheliegend, die nach Art. 3 Abs. 2 REAO zu beurteilende Angemessenheit der Gegenleistung auch daran zu messen, ob sich die Wertsteigerung im für Nichtverfolgte üblichen Rahmen bewegte oder für die Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer wegen schlechterer Verkaufsbedingungen niedriger ausfiel, wofür eine Gesamtbeurteilung des Parzellierungsvorhabens erforderlich gewesen sein dürfte. Eine solche Gesamtbeurteilung hat das Bundesverwaltungsgericht aber ausdrücklich abgelehnt.
2. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch nicht zu entscheiden, welche von mehreren möglichen Auslegungen einer Rechtsvorschrift die überzeugendste ist. Die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind vielmehr allein Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht weitgehend entzogen. Dieses kann auf eine Verfassungsbeschwerde hin nur dann eingreifen, wenn die gerichtliche Entscheidung Auslegungsfehler erkennen läßt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind oder wenn der Richterspruch willkürlich ist (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f., 96>). Willkür im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG setzt dabei voraus, daß die angegriffene Entscheidung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Die Rechtslage muß in krasser Weise verkannt sein (vgl. BVerfGE 89, 1 <13 f.>).
Das ist vorliegend nicht der Fall.
a) Die Einschätzung, daß die Aufhebung des Bauverbots, die Erteilung der Parzellierungsgenehmigung und die damit verbundene Wertsteigerung der Grundstücke ohne Rücksicht auf den Umfang der Wertsteigerung als Gegenwert bereits dann im Sinne des Art. 3 Abs. 2 REAO angemessen sind, wenn die unentgeltlich abgetretene Fläche nicht unangemessen groß ist, ist vom Bundesverwaltungsgericht eingehend begründet worden. Sie ist jedenfalls nachvollziehbar und entbehrt nicht jeglicher Grundlage und Logik, so daß das Bundesverwaltungsgericht weder gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen die in Art. 20 Abs. 3 GG normierte Gesetzesbindung der Gerichte verstoßen hat. Wenn die Beschwerdeführer in den weiteren Restitutionsverfahren die im zeitlichen Anschluß an den Aufschließungsvertrag verkauften Parzellen wegen Unangemessenheit des Kaufpreises und der daraus resultierenden Unmöglichkeit der Widerlegung der Vermutung des verfolgungsbedingten Vermögensverlusts nach den Regelungen des Vermögensgesetzes zurückerhalten, wie dies etwa in dem von den Beschwerdeführern erwähnten Fall der Parallelentscheidung BVerwG 8 C 15.98 in Betracht kommt, dann werden sie in die Lage versetzt, die mit der Aufhebung des Bauverbots und der Parzellierungsgenehmigung verbundene Wertsteigerung der Grundstücke jedenfalls heute zu realisieren. Von daher ist das vom Bundesverwaltungsgericht gefundene Ergebnis auch nicht unbillig. Im übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht die im Parzellierungsvertrag im einzelnen getroffenen Vereinbarungen einschließlich des vorgesehenen Mindestkaufpreises nicht völlig außer acht gelassen, sondern bei der Frage, ob "andere Tatsachen" im Sinne des Art. 3 Abs. 2 REAO eine ungerechtfertigte Entziehung beweisen oder für eine solche sprechen, geprüft und die Frage verneint.
b) Auch soweit die Beschwerdeführer geltend machen, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts beruhe auf einer falschen Auslegung des Merkmals der freien Verfügbarkeit des Kaufpreises in Art. 3 Abs. 2 REAO, weil nicht berücksichtigt sei, daß eine angemessene Wertsteigerung der Grundstücke nicht habe realisiert werden können, liegt ein Verstoß gegen das Willkürverbot und die Gesetzesbindung der Rechtsprechung nicht vor. Im Gegenteil folgt die Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts aus der Bestimmung der Angemessenheit der Gegenleistung durch das Gericht: Wenn die Gegenleistung - Aufhebung des Bauverbots, Erteilung der Parzellierungsgenehmigung und, damit verbunden, Wertsteigerung der Grundstücke - bereits dann angemessen ist, wenn der Umfang der unentgeltlich abgetretenen Fläche nicht unangemessen groß ist, reicht für die Annahme der freien Verfügbarkeit die Möglichkeit der Veräußerung der Grundstücke aus, ohne daß es auf den dabei erzielbaren Gewinn ankommt.
c) Daß keine anderen Tatsachen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 REAO eine ungerechtfertigte Entziehung beweisen oder für eine solche Entziehung sprechen, haben das Verwaltungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls nachvollziehbar ausgeführt. Insbesondere das Bundesverwaltungsgericht hat im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände eingehend dargelegt, daß die von den Beschwerdeführern insoweit geltend gemachte Unwirtschaftlichkeit der Parzellierung und Veräußerung von Grundstücken zu dem damaligen Zeitpunkt für die Annahme der überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsbedingtheit der Verkäufe nicht ausreicht. Unter diesen Umständen läßt sich auch insoweit ein Verstoß gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG oder die in Art. 20 Abs. 3 GG normierte Gesetzesbindung der Rechtsprechung nicht feststellen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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