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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 08.10.2004
Aktenzeichen: 1 BvR 682/01
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 2
GG Art. 12
GG Art. 14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 682/01 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

1. unmittelbar gegen

a) den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. März 2001 - BVerwG 3 B 10.01 -,

b) das Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 4. Juli 2000 - 2 KO 90/97 -,

c) das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 20. November 1996 - 7 K 1053.95.We -,

2. mittelbar gegen § 4 Abs. 5 Satz 1 der Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Bundespflegesatzverordnung - BPflV) vom 21. August 1985 in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2266)

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungs-gerichts durch die Richterin Jaeger und die Richter Hömig, Bryde am 8. Oktober 2004 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin, die in Thüringen ein Krankenhaus betreibt, wendet sich gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, mit denen die Genehmigung eines Schiedsspruchs zur Höhe des Krankenhausbudgets des Jahres 1995 durch das Land, für rechtmäßig erachtet wurde. Inhaltlich geht es der Beschwerdeführerin um die Frage, ob im Rahmen der Ermittlung ihres Budgets für das Jahr 1995 die so genannten Mehrerlösausgleiche der Jahre 1993 und 1994 in Höhe von insgesamt 1.408.132 DM vom Budget des Jahres 1995 abgesetzt werden durften.

1. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Bundespflegesatzverordnung - BPflV) vom 21. August 1985 (BGBl I S. 1666) wurden die allgemeinen Krankenhausleistungen vergütet durch einen Gesamtbetrag (Budget) und Pflegesätze, durch die das Budget anteilig berechnet wurde. Bei einem Abweichen der Erlöse vom vereinbarten Budget wurden nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BPflV die Mehr- oder Mindererlöse zu 75 vom Hundert ausgeglichen (flexibles Budget). Der Ausgleich der Mehr- oder Mindererlöse erfolgte über das nachfolgende Budget.

§ 17 Abs. 1 a des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) und § 4 der Bundespflegesatzverordnung, beide in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2266), legten für die Jahre 1993 bis 1995 statt der flexiblen eine absolute Höchstgrenze für das Krankenhausbudget fest. Ausgehend von dem Budget 1992 durften die Budgets der Krankenhäuser in dieser Zeit grundsätzlich nicht stärker steigen als die beitragspflichtigen Einnahmen der Krankenkassenmitglieder (§ 4 Abs. 3 BPflV 1992). Die bei einer Abweichung vom vorauskalkulierten Belegungsgrad entstehenden Über- oder Unterdeckungen des festen Budgets mussten gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 BPflV 1992 nicht mehr zu 75 vom Hundert, sondern vollständig ausgeglichen werden. Ein Krankenhaus musste seine Mehrerlöse in vollem Umfang zurückzahlen; die Krankenkassen mussten Mindererlöse bei anderen Krankenhäusern in voller Höhe nachzahlen. Die Ausgleichszahlungen mussten gemäß § 4 Abs. 5 Satz 3 BPflV 1992 so früh wie möglich über ein nachfolgendes Budget verrechnet werden. Für Krankenhäuser, die bereits zum 1. Januar 1995 die neuen Fallpauschalen und pauschalierten Sonderentgelte eingeführt hatten, galt die Budgetbegrenzung (Deckelung) nur für die Jahre 1993 und 1994 (§ 17 Abs. 1 a Satz 4 KHG 1992).

Nachdem § 12 Abs. 4 der Bundespflegesatzverordnung vom 26. September 1994 (BGBl I S. 2750) im Jahr 1995 für Krankenhäuser, die auf das neue Entgeltsystem umgestellt hatten, bereits wieder flexible Budgets eingeführt hatte, wurde mit dem Gesetz zur Stabilisierung der Krankenhausausgaben 1996 (Stabilisierungsgesetz - StabG) vom 29. April 1996 (BGBl I S. 654) erneut eine Obergrenze vorgegeben, die nicht mehr überschritten werden durfte. Ein Anspruch auf Ausschöpfung der Budgetobergrenze wie in den Jahren 1993 bis 1995 bestand nicht mehr.

Das Zweite Gesetz zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung (2. GKV-Neuordnungsgesetz - 2. GKV-NOG) vom 23. Juni 1997 (BGBl I S. 1520) begrenzte neben der Budgeterhöhung nunmehr auch die Erhöhung der Fallpauschalen und Sonderentgelte grundsätzlich auf die voraussichtlichen Einnahmesteigerungen bei den Krankenkassen. Mehrerlöse wurden aber nur noch zu 75 vom Hundert, Mindererlöse zu 50 vom Hundert ausgeglichen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 BPflV). Ab 1999 gab es erneut Änderungen (Art. 7 des Gesetzes zur Stärkung der Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung <GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz - GKV-SolG> vom 19. Dezember 1998 <BGBl I S. 3853>).

Mit dem GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 vom 22. Dezember 1999 (BGBl I S. 2626) erging der Auftrag an die Spitzenverbände der Krankenkassen, den Verband der privaten Krankenversicherung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft, ein neues, umfassendes und pauschalierendes Vergütungssystem auf der Grundlage der Diagnosis Related Groups (DRG-orientiertes Fallpauschalensystem) zu entwickeln und zum 1. Januar 2003 einzuführen. Der Gesamtbetrag für die Erlöse eines Krankenhauses aus Fallpauschalen, Sonderentgelten und dem Budget nach § 12 BPflV wurde grundsätzlich an die Entwicklung der Einnahmen der Krankenkassen angebunden. Die Quote für den Ausgleich der Mindererlöse wurde von 50 auf 40 vom Hundert gesenkt.

Das Fallpauschalengesetz vom 23. April 2002 (BGBl I S. 1412) enthält in Art. 5 das Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (Krankenhausentgeltgesetz - KHEntgG), das für 2003 und 2004 erneut Änderungen hinsichtlich des Mehrerlösausgleichs vorsieht.

2. Das Krankenhaus der Beschwerdeführerin ist ein Plankrankenhaus mit 214 Betten.

a) Nachdem in den Pflegesatzverhandlungen für das Jahr 1995 zwischen der Beschwerdeführerin und den gesetzlichen Krankenkassen keine Einigung hatte erzielt werden können, setzte die Schiedsstelle für die Festsetzung der Krankenhauspflegesätze in Thüringen durch Schiedsspruch vom 19. Juni 1995 für das Jahr 1995 ein festes Budget von 25.925.383 DM fest. Dabei brachte sie in Anwendung von § 4 Abs. 5 Satz 1 BPflV 1992 die von der Beschwerdeführerin 1993 und 1994 erzielten Mehrerlöse in Höhe von 437.549 DM bzw. 970.583 DM budgetmindernd in Abzug. Mit Bescheid vom 31. Juli 1995 genehmigte der Beklagte des Ausgangsverfahrens den Schiedsspruch.

b) Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Berufung der Beschwerdeführerin ist erfolglos geblieben. Die Schiedsstelle habe § 4 Abs. 5 Satz 1 BPflV 1992 zutreffend angewandt. Die Regelungen über den Mehrerlösausgleich seien verfassungsgemäß. § 4 Abs. 5 Satz 1 BPflV 1992 greife zwar in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ein, weil die Vorschrift eine objektiv berufsregelnde Tendenz habe. Dieser Eingriff sei aber gerechtfertigt. Die Vorschrift diene nämlich der Sicherung der finanziellen Stabilität sowie der Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung und damit einem Gemeinwohlbelang von hoher Bedeutung. Die angegriffene Vorschrift sei geeignet und erforderlich, um den Ausgabenanstieg der Krankenhäuser spürbar einzudämmen. Es sei der Beschwerdeführerin zumutbar gewesen, ihre Planung auf die strikte Einhaltung des Budgets einzurichten. Angesichts der übergangsweisen Regelung habe hingenommen werden müssen, dass Behandlungen außerhalb des Budgets nicht vergütet worden seien.

Es liege auch kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor. Die gesundheits- und sozialpolitischen Anliegen stellten sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung der Krankenhäuser im Rahmen des Mehr- und Mindererlösausgleichs dar. Ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG sei nicht ersichtlich. § 4 Abs. 5 Satz 1 BPflV 1992 bilde eine zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentums.

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen die Nichtzulassung der Revision hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen.

3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung ihrer Grundrechte gemäß Art. 2, Art. 12 und Art. 14 GG.

Der durch § 4 Abs. 5 Satz 1 BPflV 1992 bewirkte Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit verstoße gegen das Prinzip der Erforderlichkeit. Die Budgetobergrenze sei ihrem Wesen nach keine Regelung, die die Krankenhauskosten senke und damit zur Stabilisierung der Beitragssätze beitrage. Die Einführung einer Budgetobergrenze mit Mehrerlösausgleich mindere nur bei gut geführten Krankenhäusern die Erlöse und damit als Kehrseite der Medaille die Ausgaben der Krankenkassen. Der Gesetzgeber habe übersehen, dass demjenigen Krankenhaus, das nach Erreichen der Budgetobergrenze weitere Leistungen erbringe, variable Kosten entstünden, die infolge der gesetzlich normierten Abführung der Mehrerlöse nicht gedeckt würden. Vor dem Hintergrund der Erfüllung eines Versorgungsauftrages und des Behandlungszwanges werde der Beschwerdeführerin zugemutet, Leistungen unentgeltlich zu erbringen. Das gesetzgeberische Ziel, die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung zu stabilisieren, wäre auch erreicht, wenn der Gesetzgeber den leistungsstarken Krankenhäusern die zur Deckung der variablen Kosten erforderlichen Beträge belassen und diese nicht im Wege des Mindererlösausgleichs an die leistungsschwachen Krankenhäuser weitergeleitet hätte, bei denen überhaupt keine variablen Kosten entstanden seien. Die Umverteilung führe zu einer Bestrafung der gut geführten und leistungsstarken Krankenhäuser.

Darüber hinaus verstoße der Mehrerlösausgleich gegen Art. 14 Abs. 1 GG, weil er hinsichtlich der flexiblen Kosten zu Lasten der Substanz der Gesellschaft gehe und ihr Eigenkapital aushöhle.

4. Neben den Beteiligten des Ausgangsverfahrens haben die Bundesregierung, der Freistaat Thüringen, das Bundessozialgericht, die Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen e.V., die gesetzlichen Krankenkassen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft, der Deutsche Evangelische Krankenhausverband, der Katholische Krankenhausverband Deutschlands sowie die Bundesrechtsanwaltskammer Stellung genommen.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist, ungeachtet der Frage ihrer Zulässigkeit, nicht zur Entscheidung anzunehmen. Denn die Voraussetzungen für die Annahme (§ 93 a Abs. 2 BVerfGG) liegen unabhängig davon nicht vor.

1. Der Vortrag der Beschwerdeführerin zu Art. 14 Abs. 1 GG ist bereits unsubstantiiert. Dass durch den Ausgleich von Mehrerlösen ihr Eigenkapital ausgehöhlt wurde oder eine Bestandsgefährdung eingetreten sein könnte, ist nicht ersichtlich, selbst wenn man die seither eingetretene Entwicklung in Rechnung stellt. Die angegriffenen Entscheidungen, mit denen das Budget für 1995 unter Abzug der Mehrerlösausgleiche für 1993 und 1994 als rechtmäßig erachtet wurde, könnten allerdings die Berufsausübung der Beschwerdeführerin betreffen und an Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu messen sein (vgl. BVerfGE 101, 331 <346> m.w.N.). Der Vortrag hierzu genügt verfassungsprozessualen Anforderungen. Eine Überprüfung am Maßstab des Art. 2 Abs. 1 GG scheidet dagegen aus (vgl. BVerfGE 105, 252 <279>; stRspr).

2. Die Verfassungsbeschwerde wirft keine Fragen von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung auf (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG).

Das Bundesverfassungsgericht hat geklärt, dass Vergütungsregelungen und hierauf gründende Entscheidungen, die auf die Einnahmen, welche durch eine berufliche Tätigkeit erzielt werden können, und damit auch auf die Existenzerhaltung von nicht unerheblichem Einfluss sind, in die Freiheit der Berufsausübung eingreifen (vgl. BVerfGE 47, 285 <321>). Sie sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, die durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird (vgl. BVerfGE 94, 372 <390>; 101, 331 <347>). Die Beschränkungen des Grundrechts aus Gründen des Gemeinwohls stehen unter dem Gebot der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

3. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Gerichte haben in den angegriffenen Entscheidungen zu Recht ausgeführt, dass die Regelung über den Mehrerlösausgleich legitime Gemeinwohlzwecke verfolgte und verhältnismäßig war.

a) Die angegriffene Regelung diente nach dem Willen des Gesetzgebers zusammen mit einer Reihe anderer Maßnahmen dazu, der dramatischen Kostenentwicklung im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung entgegenzuwirken (vgl. BTDrucks 12/3608, S. 66 ff.). Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung wurden in den wichtigsten Leistungsbereichen begrenzt und ihre Steigerung an die beitragspflichtigen Einnahmen der Krankenkassenmitglieder gekoppelt. Im Krankenhausbereich sollte die gesetzliche Krankenversicherung allein im Jahre 1993 um 2,5 Mrd. DM entlastet werden (vgl. BTDrucks 12/3608, S. 159). Die sofortige, zeitlich begrenzte Budgetierung sollte die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung bremsen, bis die mit dem Gesundheitsstrukturgesetz eingeführten strukturellen Veränderungen umgesetzt waren und ihre Wirkung entfalten konnten. Mit den "festen Budgets" sollte ein starker Druck auf die Krankenhäuser entstehen, Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit zu ergreifen (vgl. BTDrucks 12/3608, S. 138). Gleichzeitig sollten Krankenhäuser, die die Verweildauer ohne Erhöhung der Fallzahlen verkürzten, durch den Ausgleich der Mindererlöse die Möglichkeit erhalten, Überschüsse zu erzielen.

Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach hervorgehoben, dass der Kostenaspekt für gesetzgeberische Entscheidungen im Gesundheitswesen erhebliches Gewicht hat und die Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung für das Gemeinwohl von hoher Bedeutung ist. Soll die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung mit Hilfe eines Sozialversicherungssystems erreicht werden, stellt auch dessen Finanzierbarkeit einen überragend wichtigen Gemeinwohlbelang dar, von dem sich der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Systems und bei der damit verbundenen Steuerung des Verhaltens der Leistungserbringer leiten lassen darf (vgl. BVerfGE 103, 172 <184, 185>).

b) Die Regelung über den Mehrerlösausgleich war zur Erreichung dieses Ziels geeignet. Angesichts der Dringlichkeit der Kostendämpfung hat der Gesetzgeber ein flexibles Budget nicht mehr für ausreichend gehalten. Es war nach seiner nicht zu beanstandenden Einschätzung nicht gleichermaßen geeignet, die gesteckten Ziele zu erreichen. Die mit dem festen Budget verbundenen Anreize haben auch tatsächlich gewirkt. Nach den vom Bundesministerium für Gesundheit vorgelegten Zahlen verkürzten die Krankenhäuser unter dem Druck der festen Budgets mit einem vollständigen Ausgleich der Mehr- und Mindererlöse die durchschnittliche Verweildauer ihrer Patienten um etwa 8,25 vom Hundert, während gleichzeitig die Fallzahlen in den Jahren 1993 bis 1995 um 5,4 vom Hundert anstiegen. Damit bestätigte sich die Einschätzung der Bundesregierung, dass über die Verweildauer Einsparpotentiale bestanden. Es wurde zwar absolut gesehen keine Einsparung bei den Krankenhauskosten erzielt, die Ausgaben insgesamt stiegen vielmehr in der Folgezeit weiter. Die Kosten für den einzelnen Behandlungsfall wurden aber gesenkt. Ab dem Jahr 1995 trat auch eine deutliche Dämpfung des Kostenanstiegs ein.

Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme nachvollziehbar dargelegt, dass ohne die Rückzahlung der Mehrerlöse eine Mehrbelastung der gesetzlichen Krankenkassen von 1,21 Mrd. DM eingetreten wäre. Eine dauerhafte Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung konnte nur erreicht werden, weil die gesunkene Verweildauer eine neue und sparsamere Grundlage für die in späteren Jahren verhandelten Krankenhausbudgets abgegeben hat. Auch die Höhe der Fallpauschalen, die für die Krankenhausfinanzierung zunehmend wichtig werden, richtet sich nach diesen gesunkenen Verweildauern.

Dass die Regelungen zum Mehrerlösausgleich zu einer Entlastung der Krankenkassen geführt haben, belegen auch die Angaben der Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen, wonach die Rückzahlung der Mehrerlöse die Erstattung der Mindererlöse für die Zeit der festen Budgets bei weitem überstieg.

c) Die Regelung war auch erforderlich. Soweit die Beschwerdeführerin auf die zuvor geltenden flexiblen Budgets als weniger beeinträchtigendes Mittel verweist, hat sie nicht aufzeigen können, dass diese langfristig ausreichend gewesen wären. Sie hatten den starken Anstieg der Krankenhauskosten nicht verhindern können. Mit dem festen Budget sollte der Druck zur Nutzung von Wirtschaftlichkeitsreserven verstärkt werden. Zumindest als vorübergehende Sofortmaßnahme stellte sich das feste Budget in Verbindung mit dem Mehrerlösausgleich als ein erforderliches Mittel zur Kostendämpfung dar, solange nicht mit anderen Mitteln auch der Kreis der Betroffenen verändert wurde.

Diese Beurteilung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Gesetzgeber ab 1997 dauerhaft zu flexiblen Budgets zurückgekehrt ist. Er hat in diesem Zusammenhang die Selbstverwaltung stärker eingebunden, die Entgelte pauschal um 1 vom Hundert gekürzt und ist vermehrt zu Fallpauschalen übergegangen. Die Bettenzahl ist in der Folge deutlich gesunken. Der Verlauf der weiteren Kostensteigerungen zeigt, dass die vergleichsweise drastischen Maßnahmen der Jahre 1993 bis 1995 langfristig weitergewirkt haben.

d) Verhältnismäßig im engeren Sinne war die Regelung ebenfalls. Die Beschwerdeführerin wurde nicht unangemessen belastet.

Zwar führte der Mehrerlösausgleich dazu, dass Leistungen oberhalb der Budgetgrenze nicht vergütet wurden. Es war der Beschwerdeführerin aber zuzumuten, dies vorübergehend hinzunehmen. Die angegriffene Regelung galt letzlich nur für einen Zeitraum von wenigen Jahren. Das Bundessozialgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass in den Jahren 1993 bis 1995 auch anderen Leistungserbringern im System der gesetzlichen Krankenversicherung ähnlich rigide Einschränkungen zugemutet wurden. Das gewählte Steuerungsmittel hat sich langfristig als erfolgreich erwiesen und konnte wieder durch ein System der flexiblen Budgets mit prozentualen Ausgleichen der Mehr- und Mindererlöse ersetzt werden. Mittlerweile erfolgt flächendeckend die Umstellung auf ein völlig neu strukturiertes Vergütungssystem. Der Gesetzgeber hat seinen Spielraum zur Erprobung unterschiedlicher Instrumente genutzt, sich den Reaktionen der betroffenen Leistungserbringer angepasst und die Maßnahmen in kurzen Abständen neu justiert.

Die Beschwerdeführerin hätte - ohne Verletzung ihres Sicherstellungsauftrages - ihre Leistungsplanung am Budget orientieren können. Unabhängig davon, ob die Vermutung des Bundesverwaltungsgerichts zutrifft, dass das Ausmaß der Budgetüberschreitung bei der Beschwerdeführerin auf eine bewusste Missachtung der gesetzlich angeordneten Grenzen hinweist, zeigt jedenfalls der Umstand, dass die Beschwerdeführerin ihre Verweildauern verkürzt hat, dass auch ihr eine Leistungssteuerung möglich war. Dass sie dabei ihrem Versorgungsauftrag nicht mehr gerecht werden konnte, hat sie ebensowenig vorgetragen wie Indizien für eine existenzielle Betroffenheit. Die Beschwerdeführerin hat auch nicht dargelegt, dass sie unternehmerische Maßnahmen getroffen hat, um etwa im Wege des Personal- oder Bettenabbaus den Vorgaben des Budgets zu genügen.

Die Beschwerdeführerin wurde auch nicht für ihre besondere Leistungsbereitschaft bestraft. Ihre Behauptung, die Regelung habe dazu geführt, dass die Mehreinnahmen eines leistungsfähigen Krankenhauses abgeschöpft würden, um die leistungsschwachen Krankenhäuser zu unterstützen, basiert auf der unzutreffenden Annahme, dass leistungsfähige Krankenhäuser notwendig den Budgetrahmen überschritten. Die Bundesrechtsanwaltskammer und die Verbände der gesetzlichen Krankenkassen haben insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass die Ausgleichsregelung des § 4 Abs. 5 BPflV 1992 jedes Krankenhaus traf, unabhängig davon, ob es ein gutes/leistungsfähiges oder schlechtes/weniger leistungsfähiges Krankenhaus war. Der Mindererlös konnte sich auch daraus ergeben, dass besonders wirtschaftlich gearbeitet wurde; Mehrerlöse konnten ein Indikator für unwirtschaftliche Verweildauern sein. Insofern ist die Argumentation der Beschwerdeführerin nicht tragfähig.

Es kommt hinzu, dass die gesamte Budgetregelung im Jahr 1995 für diejenigen Krankenhäuser nicht mehr anwendbar war, die ab dem 1. Januar 1995 nur noch nach Fallpauschalen und Sonderentgelten abrechneten. Auch die Beschwerdeführerin hätte damit dem festen Budget jedenfalls ab 1995 durch einen frühzeitigen Umstieg auf das neue Abrechnungssystem ganz oder teilweise entgehen können. Die Beschwerdeführerin hat nicht vorgetragen, warum sie insoweit auf die Budgetierung nicht flexibel reagiert hat.

4. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).

Ende der Entscheidung

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