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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 09.05.2006
Aktenzeichen: 1 BvR 761/06
Rechtsgebiete: BVerfGG, EGZPO, ZPO, GKG, BGB


Vorschriften:

BVerfGG § 90 Abs. 2 Satz 1
BVerfGG § 93 a
BVerfGG § 93 b
BVerfGG § 93 d Abs. 1 Satz 3
EGZPO § 26 Nr. 8 Satz 1
ZPO § 8
ZPO § 9
GKG § 41 Abs. 1 Satz 1
BGB § 569
BGB § 573
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 761/06 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 1. September 2005 - 1 S 9/05 -

hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier und die Richter Steiner, Gaier gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 9. Mai 2006 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie mangels der gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG erforderlichen Erschöpfung des Rechtswegs unzulässig ist. Die Beschwerdeführer haben nämlich keine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt, obwohl deren Statthaftigkeit insbesondere nicht die Beschwergrenze des § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO (20.000 €) entgegen stand.

Ist das Bestehen oder die Dauer eines Mietverhältnisses streitig, berechnet sich die Rechtsmittelbeschwer gemäß § 8 ZPO grundsätzlich nach dem Betrag der auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Miete (stRspr; vgl. zuletzt BGH, NJW-RR 2005, S. 867 <868>; NZM 2004, S. 460; Beschluss vom 7. November 2002 - LwZR 9/02 - juris Rn. 10). Maßgeblich ist also nicht die nur für den Gebührenstreitwert einschlägige Vorschrift des § 41 Abs. 1 Satz 1 GKG, die den Streitwert auf das Jahresentgelt begrenzt. Die streitige Zeit im Sinn des § 8 ZPO beginnt mit der Erhebung der Räumungsklage (vgl. BGH, NJW-RR 2005, S. 867 <868> m.w.N.). Bei Mietverträgen von unbestimmter Dauer wie dem des Ausgangsverfahrens endet sie grundsätzlich zu dem Zeitpunkt, auf den derjenige hätte kündigen können, der die längere Bestehenszeit für sich in Anspruch nimmt (vgl. BGH, a.a.O.).

Beruft sich der Nutzungsberechtigte allerdings gegenüber der Kündigung auf Schutzregeln, die das Kündigungsrecht des Vermieters einschränken und ihm (dem Nutzungsberechtigten) ein Recht zur Fortsetzung der Nutzung geben, so dauert die streitige Zeit bis zu dem Zeitpunkt an, den der Nutzungsberechtigte als den für ihn günstigsten Beendigungszeitpunkt des Mietvertrages in Anspruch nimmt. Hat er keinen festen Zeitpunkt genannt, so ist darauf abzustellen, was er bereits in erster Instanz vermutlich gewollt hat. Ergeben sich dafür keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte, so ist davon auszugehen, dass er zwar ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht für sich in Anspruch nimmt, dass der Zeitpunkt der Beendigung dieses Nutzungsrechts aber ungewiss ist. In einem solchen Fall ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die streitige Zeit in entsprechender Anwendung des § 9 ZPO zu bestimmen und die Beschwer darum mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag der Miete anzusetzen (vgl. BGH, NJW-RR 2005, S. 867 <868 f.>; NZM 2004, S. 460; Beschluss vom 7. November 2002, a.a.O., Rn. 10 ff.; NJW-RR 1996, S. 316; NJW-RR 1992, S. 1359 f.).

So liegt der Fall hier. Die Beschwerdeführer haben sich auf die das Kündigungsrecht des Vermieters von Wohnraum einschränkenden Bestimmungen der §§ 569, 573 BGB berufen, die eine Kündigung nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes beziehungsweise eines berechtigten Interesses des Vermieters erlauben. Ein Zeitpunkt, zu dem sie das Mietverhältnis von sich aus hätten beenden wollen, ist ihrem Vorbringen bis zum Erlass des mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteils des Landgerichts nicht zu entnehmen. Die mit einer Revision geltend machbare Beschwer belief sich mithin auf 39.083,10 € (dreieinhalbfacher Jahresbetrag der für die Wohnung und die Garage vertraglich vereinbarten Kaltmiete von monatlich 930,55 €) und überstieg die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO demnach deutlich.

Daran ändert auch der nach der - vermeintlich letztinstanzlichen - Verurteilung erfolgte Auszug nichts. Es ist bereits nicht vorgetragen oder anderweitig ersichtlich, dass ihn die Beschwerdeführer bei zutreffender Beurteilung der Rechtslage überhaupt zu diesem Zeitpunkt vorgenommen hätten. Zudem haben sie (wie die Anhörungsrüge und die Verfassungsbeschwerde verdeutlichen) ihren Nutzungswillen hinsichtlich der Wohnung nicht aufgegeben, sondern sich nur dem landgerichtlichen Räumungsausspruch gebeugt - freilich mit dem inneren Vorbehalt, das Urteil noch beseitigen und die Nutzungsmöglichkeit wiedererlangen zu können. Einen Einfluss auf die streitige Zeit und damit die Rechtsmittelbeschwer hätte der Auszug darum nicht entfaltet.

Im Übrigen wäre die Beschwergrenze auch bei Berücksichtigung des Auszuges als Endzeitpunkt überschritten. Die streitige Zeit würde dann jedenfalls von Mitte Dezember 2003 bis zum 5. Oktober 2005 reichen. Bereits bei Zugrundelegung von 21,5 Monatsmieten - also ohne Hinzurechnung der Oktobertage 2005 - beliefe sich die Beschwer auf 20.006,83 €.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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