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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 10.06.2009
Aktenzeichen: 1 BvR 825/08
Rechtsgebiete: GG, VAG, VVG


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 9 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1
VAG § 12 Abs. 1b
VVG § 193 Abs. 5
VVG § 206 Abs. 1
Der Kontrahierungszwang für Krankenversicherungen nach Einführung des Basistarifs durch die Gesundheitsreform 2007 greift bei kleineren Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit im Sinne von § 53 VAG in die Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG ein. Der Kontrahierungszwang besteht deswegen nur gegenüber Antragstellern aus ihrem nach der Satzung vorgesehenen Mitgliederkreis.
1 BvR 825/08 1 BvR 831/08

In den Verfahren

...

hat das Bundesverfassungsgericht - Erster Senat -

unter Mitwirkung

der Richterin und Richter Präsident Papier,Hohmann-Dennhardt,Bryde,Gaier,Eichberger,Schluckebier,Kirchhof,Masing

am 10. Juni 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerden werden mit der Einschränkung zurückgewiesen, dass § 12 Absatz 1b Satz 1 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen und § 193 Absatz 5 Satz 1 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag nur in verfassungskonformer Auslegung nach Maßgabe der Gründe mit Artikel 9 Absatz 1 des Grundgesetzes vereinbar sind.

Gründe:

A.

I.

Die Verfassungsbeschwerden betreffen verschiedene Vorschriften des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) vom 26. März 2007 und des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts (im Folgenden: VVG-ReformG) vom 23. November 2007. Die beschwerdeführenden kleineren Versicherungsvereine wenden sich gegen die neugeschaffenen Vorschriften über den Zwang zum Abschluss von Versicherungen im Basistarif in der privaten Krankenversicherung und das absolute Kündigungsverbot für alle Krankenkostenvollversicherungen.

1. Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26. März 2007 hält das zweigliedrige Krankenversicherungssystem von gesetzlicher und privater Krankenversicherung aufrecht, hat aber zum 1. Januar 2009 erhebliche Neuerungen eingeführt. Es begründet eine Versicherungspflicht für alle Einwohner Deutschlands in der gesetzlichen oder der privaten Krankenversicherung. Gesetzliche und private Krankenversicherung sollen als jeweils eigene Säule für die ihnen zugewiesenen Personenkreise einen dauerhaften und ausreichenden Versicherungsschutz gegen das Risiko der Krankheit auch in sozialen Bedarfssituationen sicherstellen (vgl. zu den Einzelheiten Urteil des Ersten Senats vom 10. Juni 2009 - 1 BvR 706/08 u.a.).

2. Seit dem 1. Januar 2009 gilt für alle Personen, die weder gesetzlich krankenversichert sind noch einem sonstigen Sicherungssystem angehören, eine Pflicht zum Abschluss und zur Aufrechterhaltung einer Krankheitskostenversicherung bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen (§ 193 Abs. 3 VVG).

3. § 12 Abs. 1a VAG verpflichtet Versicherungsunternehmen mit Sitz im Inland, welche die substitutive Krankenversicherung betreiben, ab dem 1. Januar 2009 zum Angebot eines branchenweit einheitlichen Basistarifs, dessen Vertragsleistungen in Art, Umfang und Höhe der gesetzlichen Krankenversicherung jeweils vergleichbar sind. Der Basistarif muss Varianten für Kinder und Jugendliche sowie für beihilfeberechtigte Personen und deren berücksichtigungsfähige Angehörige enthalten. Den Versicherten müssen verschiedene Selbstbehaltsstufen eingeräumt werden.

Im Basistarif besteht für die privaten Krankenversicherungsunternehmen gemäß § 12 Abs. 1b VAG ein Kontrahierungszwang. Versicherungsvertragsrechtlich spiegelt sich dies in § 193 Abs. 5 VVG wider, der einen privatrechtlichen Anspruch auf Abschluss eines Vertrages im Basistarif einräumt. Die Vorschrift lautet:

"Der Versicherer ist verpflichtet,

1. allen freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten

a) innerhalb von sechs Monaten nach Einführung des Basistarifes,

b) innerhalb von sechs Monaten nach Beginn der im Fünften Buch Sozialgesetzbuch vorgesehenen Wechselmöglichkeit im Rahmen ihres freiwilligen Versicherungsverhältnisses,

2. allen Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig sind, nicht zum Personenkreis nach Nummer 1 oder Absatz 3 Satz 2 Nr. 3 und 4 gehören und die nicht bereits eine private Krank- heitskostenversicherung mit einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen vereinbart haben, die der Pflicht nach Absatz 3 genügt,

3. Personen, die beihilfeberechtigt sind oder vergleichbare Ansprüche haben, soweit sie zur Erfüllung der Pflicht nach Absatz 3 Satz 1 ergänzenden Versicherungsschutz benötigen,

4. allen Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die eine private Krankheitskostenversicherung im Sinn des Absatzes 3 mit einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen vereinbart haben und deren Vertrag nach dem 31. Dezember 2008 abgeschlossen wird,

Versicherung im Basistarif nach § 12 Abs. 1a des Versicherungsaufsichtsgesetzes zu gewähren. ..."

Ist der private Krankheitskostenversicherungsvertrag vor dem 1. Januar 2009 abgeschlossen, kann bei Wechsel oder Kündigung des Vertrags der Abschluss eines Vertrags im Basistarif beim eigenen oder einem anderen Versicherungsunternehmen unter Mitnahme der Alterungsrückstellungen gemäß § 204 Abs.1 VVG nur bis zum 30. Juni 2009 verlangt werden (§ 12 Abs. 1b Satz 2 VAG).

Beantragt ein Versicherungsnehmer die Aufnahme in den Basistarif, darf der Antrag nur abgelehnt werden, wenn der Antragsteller bereits bei dem Versicherer versichert war und der Versicherer

1. den Versicherungsvertrag wegen Drohung oder arglistiger Täuschung angefochten hat oder

2. vom Versicherungsvertrag wegen einer vorsätzlichen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zurückgetreten ist (§ 12 Abs. 1b Satz 4 VAG, § 193 Abs. 5 Satz 4 VVG).

Der Beitrag für den Basistarif ohne Selbstbehalt und in allen Selbstbehaltsstufen darf den Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übersteigen (§ 12 Abs. 1c Satz 1 VAG). Für Personen mit Anspruch auf Beihilfe nach beamtenrechtlichen Grundsätzen tritt an die Stelle des Höchstbeitrags der gesetzlichen Krankenversicherung ein Höchstbeitrag, der dem prozentualen Anteil des die Beihilfe ergänzenden Leistungsanspruchs entspricht (§ 12 Abs. 1c Satz 3 VAG). Der Höchstbeitrag vermindert sich auf die Hälfte, wenn allein durch die Zahlung des Beitrags Hilfebedürftigkeit im Sinne des Zweiten oder des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entsteht (§ 12 Abs. 1c Satz 4 VAG). Besteht auch bei einem verminderten Beitrag Hilfebedürftigkeit, beteiligt sich der zuständige Träger auf Antrag des Versicherten im erforderlichen Umfang, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden wird (§ 12 Abs. 1c Satz 5 VAG). Besteht unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, gilt Satz 4 entsprechend; der zuständige Träger zahlt den Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist (§ 12 Abs. 1c Satz 6 VAG).

Der Verband der privaten Krankenversicherung wird damit beliehen, Art, Umfang und Höhe der Leistungen im Basistarif nach Maßgabe der Regelungen in § 12 Abs. 1a VAG festzulegen. Die Fachaufsicht übt das Bundesministerium der Finanzen aus (§ 12 Abs. 1d VAG).

Die Beiträge für den Basistarif ohne die Kosten für den Versicherungsbetrieb werden auf der Basis gemeinsamer Kalkulationsgrundlagen einheitlich für alle beteiligten Unternehmen ermittelt (§ 12 Abs. 4b VAG).

Im Basistarif ist die Vereinbarung von Risikozuschlägen und Leistungsausschlüssen unzulässig (§ 203 Abs. 1 Satz 2 VVG).

Alle Versicherungen, die einen Basistarif anbieten, müssen sich gemäß § 12g Abs. 1 VAG zur dauerhaften Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungen am Ausgleich der Versicherungsrisiken im Basistarif beteiligen und dazu ein Ausgleichssystem schaffen und erhalten, dem sie angehören. Das Ausgleichssystem muss einen dauerhaften und wirksamen Ausgleich der unterschiedlichen Belastungen gewährleisten. Mehraufwendungen, die im Basistarif aufgrund von Vorerkrankungen entstehen, sind auf alle im Basistarif versicherten Personen gleichmäßig zu verteilen; Mehraufwendungen, die zur Gewährleistung der in § 12 Abs. 1c VAG genannten Begrenzungen entstehen, sind auf alle beteiligten Versicherungsunternehmen so zu verteilen, dass eine gleichmäßige Belastung dieser Unternehmen bewirkt wird.

Die Mehraufwendungen für Vorerkrankungen tragen damit nur die im Basistarif Versicherten. Hingegen werden die Mehraufwendungen für Beitragsbegrenzungen im Ergebnis erforderlichenfalls auch auf die Versicherten der anderen substitutiven Tarife der privaten Krankenversicherung umgelegt, da nach § 8 Abs. 1 Nr. 6 KalV in die Kalkulation dieser Tarife die Aufwendungen zur Umlage der Begrenzung der Beitragshöhe im Basistarif eingerechnet werden.

4. Jede Kündigung einer Krankheitskostenversicherung, mit der die Pflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG zum Abschluss einer substitutiven Krankheitskostenversicherung erfüllt wird, durch den Versicherer ist ausgeschlossen (§ 206 Abs. 1 Satz 1 VVG).

II.

Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um kleinere Versicherungsvereine, die ihren Mitgliedern Krankenkostenvollversicherungen und bestimmte Zusatzversicherungen anbieten. Sie müssen diese Versicherungen stets im Rahmen eines Mitgliedschaftsverhältnisses abschließen, denn Versicherungsgeschäfte ohne Mitgliedschaft, die § 21 Abs. 2 VAG den größeren Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit gestattet, sind ihnen nicht erlaubt; § 53 Abs. 1 Satz 2 VAG bestimmt dazu ausdrücklich: "Versicherungen gegen festes Entgelt, ohne dass der Versicherungsnehmer Mitglied wird, dürfen nicht übernommen werden."

1. Bei dem Beschwerdeführer zu 1) ist der Kreis der Mitglieder satzungsgemäß beschränkt auf katholische Priester und Priesteramtskandidaten im Pastoralkurs, sofern der Versicherungsnehmer einer deutschen Diözese angehört oder in einer dieser Diözesen seinen Wohnsitz oder seine dienstliche Tätigkeit hat. Hier sind knapp 4200 Personen in Krankheitskostenvollversicherungen versichert, davon rund 99 % als beihilfeberechtigte Personen in reduzierten Beihilfetarifen.

Bei dem Beschwerdeführer zu 2) kann ordentliches Mitglied jeder der Diözese Rottenburg-Stuttgart inkardinierte Priester werden, soweit er das 50. Lebensjahr noch nicht überschritten hat. Daneben können noch Alumnen und Diakone, die der Diözese Stuttgart-Rottenburg zugeordnet werden, außerordentliche Mitglieder werden. Im Jahr 2007 versicherte der Verein 879 Personen in Krankheitskostenvollversicherungen, davon rund 98 % in beihilfekonformen Tarifen.

2. Mit den Verfassungsbeschwerden wenden sich die Beschwerdeführer unmittelbar gegen die genannten Vorschriften, soweit mit ihnen ein Zwang zum Abschluss von Versicherungen ab dem 1. Januar 2009 im branchenweit einheitlichen Basistarif sowie für alle substitutiven Krankenvollversicherungen ein absolutes Kündigungsverbot eingeführt wird. Sie rügen eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG.

Der Sachvortrag der Beschwerdeführer stimmt weitgehend mit dem Vorbringen überein, welches dem Urteil des Ersten Senats vom 10. Juni 2009 (1 BvR 706/08 u.a.) zugrunde lag. Zusätzlich tragen die Beschwerdeführer vor, die Vorschriften über den Kontrahierungszwang im Basistarif stellten ein mit Art. 9 Abs. 1 GG unvereinbares faktisches Verbot der reinen Standesversicherung dar. Dies zerstöre den Gedanken einer Solidargemeinschaft unter Personen, die durch ihre geistliche Berufung miteinander verbunden seien, und überschreite das Maß des Erforderlichen, weil für die Sicherstellung des Versicherungsschutzes bisher nicht oder nicht ausreichend versorgter Versicherter genügend private Krankenversicherungen zur Verfügung stünden, bei denen der Zugang allen Personen eröffnet sei. Das absolute Kündigungsverbot des § 206 Abs. 1 Satz 1 VVG sei mit der Vereinigungsfreiheit unvereinbar, weil es sie zwinge, die Mitgliedschaft im Verein selbst bei schwersten, vom Mitglied zu vertretenden Störungen aufrechtzuerhalten.

3. Zu den Verfassungsbeschwerden hat die Bundesregierung Stellung genommen. Sie führt aus, der Eingriff in die Möglichkeit, einen bestimmten Personenkreis exklusiv zu versichern, sei als gering zu bewerten, da es den Beschwerdeführern unbenommen bleibe, auf öffentliche Werbung zu verzichten und dadurch faktisch den Zugang dritter Personen zu minimieren. Da es sich bei den Beschwerdeführern um Wirtschaftsvereine handele und der Eingriff sich auf ihre wirtschaftliche Betätigung beschränke, werde in ein eventuell vorhandenes Nähe- oder Vertrauensverhältnis zwischen den Mitgliedern nicht eingegriffen.

B.

I.

1. Die Verfassungsbeschwerden sind im Wesentlichen zulässig, soweit sich die Beschwerdeführer gegen die versicherungsvertrags- und versicherungsaufsichtsrechtlichen Vorschriften zum Basistarif und zum absoluten Kündigungsverbot wenden. Eine Verletzung von Art. 9 Abs. 1 GG kommt allerdings nur durch den Kontrahierungszwang der Versicherer im Basistarif (§ 12 Abs. 1b Satz 1 VAG, § 193 Abs. 5 Satz 1 VVG) und das absolute Kündigungsverbot für alle substitutiven Krankenkostenversicherungen (§ 206 Abs. 1 Satz 1 VVG) in Betracht. Ein Eingriff in das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit durch die übrigen Vorschriften über den Basistarif ist dagegen ausgeschlossen, weil sich aus diesen Normen für die Beschwerdeführer lediglich die Pflicht ergibt, zusätzlich zu ihren Normaltarifen einen in bestimmter Weise ausgestalteten Tarif anzubieten und ihren Mitgliedern den Wechsel in diesen Tarif zu ermöglichen. Eingriffe in die Vertrags- und Kalkulationsfreiheit eines Versicherungsunternehmens berühren, wie der Erste Senat im Urteil vom 10. Juni 2009 dargelegt hat, nicht den speziellen, auf das Prinzip freier sozialer Gruppenbildung bezogenen Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 GG.

2. Unzulässig sind die Verfassungsbeschwerden, soweit die Beleihung des Verbands der privaten Krankenversicherung mit der Festlegung von Art, Umfang und Höhe der Leistungen im Basistarif (§ 12 Abs. 1d VAG) und § 8 Abs. 1 Nr. 6 und 7 KalV angegriffen werden. Die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung wird von den Beschwerdeführern insoweit entgegen § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG nicht ausreichend dargelegt.

II.

Soweit die Verfassungsbeschwerden zulässig sind, erweisen sie sich bei verfassungskonformer Auslegung der Vorschriften über den Kontrahierungszwang als unbegründet.

1. Der Erste Senat hat mit Urteil vom 10. Juni 2009 entschieden, dass die angegriffenen Vorschriften grundsätzlich mit der Verfassung im Einklang stehen. Insbesondere werden die Unternehmen der privaten Krankenversicherung durch die Pflicht, einen branchenweit einheitlich ausgestalteten und auf einen Höchstbeitrag begrenzten Basistarif anzubieten, nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. Die dortigen Darlegungen gelten für die Beschwerdeführer in gleicher Weise.

2. Die Pflicht, allen in § 12 Abs. 1b Satz 1 VAG, § 193 Abs. 5 Satz 1 VVG genannten Personen Versicherungsschutz im Basistarif zu gewähren, stellt für kleinere Versicherungsvereine, die nur Mitglieder-, aber keine Vertragsgeschäfte führen dürfen und bei denen eine engere personelle Bindung zwischen den versicherten Mitgliedern besteht, allerdings einen Eingriff in ihre Vereinigungsfreiheit dar (dazu unter a)). Eine von Art. 9 Abs. 1 GG angeleitete verfassungskonforme Auslegung der einfachgesetzlichen Vorschriften zum Kontrahierungszwang ergibt jedoch, dass sie nicht in vollem Umfang für kleine Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit - wie die beiden Beschwerdeführer - gelten (dazu unter b)). Ein Verstoß gegen die Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG liegt deswegen nicht vor.

a) Die ausnahmslose Geltung der Vorschriften über den Kontrahierungszwang im Basistarif nach § 12 Abs. 1b Satz 1 VAG, § 193 Abs. 5 Satz 1 VVG wäre in Bezug auf die Beschwerdeführer mit Art. 9 Abs. 1 GG unvereinbar.

aa) Art. 9 Abs. 1 GG schützt das Recht, Vereine und Gesellschaften zu gründen. Der persönliche Schutzbereich erfasst dabei nicht nur die natürlichen Personen, welche sich zu einem Verein zusammenschließen, sondern auch den Verband selbst in seinem Recht auf Selbstbestimmung über die eigene Organisation, das Verfahren der Willensbildung und die Führung der Geschäfte sowie das Recht auf Entstehen und Bestehen (vgl. BVerfGE 80, 244 <253> stRspr). Erfasst ist damit grundsätzlich auch das Recht des Vereins, über die Aufnahme und den Ausschluss von Mitgliedern selbst zu bestimmen.

Das Bundesverfassungsgericht hat es allerdings bisher offen gelassen, ob das Schutzgut und der Inhalt des Art. 9 Abs. 1 GG eine Anwendung der Gewährleistung auf Wirtschaftsgesellschaften zulässt. Denn im Unterschied zu dem Typus der Vereinigungen, die das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit seiner Geschichte und seiner heutigen Geltung nach primär schützen will, tritt bei diesen Gesellschaften das personale Element bis hin zur Bedeutungslosigkeit zurück (vgl. BVerfGE 50, 290 <355>). Dieser Aspekt ist auch bei den großen Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit von Bedeutung, deren Mitgliederzahl sich im sechs- bis siebenstelligen Bereich bewegt. Die Durchführung der Versicherung ist bei ihnen ein entpersonalisiertes Massengeschäft. Das gemeinsame Interesse der Vereinsmitglieder beschränkt sich auf möglichst günstige Versicherungsbedingungen. Ein solcher Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit wird von seinen Mitgliedern kaum anders wahrgenommen als die das gleiche Geschäft betreibende Aktiengesellschaft.

Die Frage, ob sich unter diesen Voraussetzungen große Versicherungsvereine überhaupt auf Art. 9 Abs. 1 GG berufen können, wenn ihnen gesetzlich die Aufnahme neuer Mitglieder zur Pflicht gemacht wird, muss im vorliegenden Verfahren indessen nicht entschieden werden. Denn bei den Beschwerdeführern handelt es sich um kleinere Versicherungsvereine im Sinne des § 53 VAG, welche satzungsgemäß fast ausschließlich Priester versichern. Hier stellt der gesetzliche Kontrahierungszwang einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 GG dar, weil der Aspekt der freien sozialen Gruppenbildung bei solchen Vereinen von Gewicht ist.

Die in § 53 Abs. 1 Satz 1 VAG näher definierten kleineren Versicherungsvereine haben bestimmungsgemäß einen sachlich, örtlich oder dem Personenkreis nach eng begrenzten Wirkungskreis. Das bedeutet eine Beschränkung auf wenige, versicherungstechnisch einfach handhabbare Risiken, auf einen räumlichen Wirkungskreis oder eine bestimmte, abgegrenzte Personengruppe. Zusätzlich darf der Verein auch wirtschaftlich nur einen bescheidenen Wirkungskreis entfalten; aus seinem Geschäftsplan und der Art und Weise des betriebenen Geschäfts muss hervorgehen, dass auch die künftigen Entwicklungschancen des Unternehmens eng begrenzt bleiben (Weigel, in: Prölss, VAG, 12. Aufl. 2005, § 53 Rn. 6a; Petersen, Versicherungsunternehmensrecht, S. 75). Diese Selbstbeschränkung des eigenen Tätigkeitsfeldes wird durch gesetzliche Erleichterungen honoriert. Während der rechtliche Rahmen für den großen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit mit Rücksicht auf das Verkehrsbedürfnis in enger Anlehnung an das Recht der Aktiengesellschaft gestaltet wurde, hat der Gesetzgeber mit § 53 Abs. 1 und 2 VAG für kleinere Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit mehr auf das allgemeine Vereinsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs abgestellt, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass es sich um einen kleinen Geschäftsbetrieb in einfachen Formen mit meist personalen Bindungen zwischen den Mitgliedern handelt, bei denen der Vereins- gegenüber dem Unternehmenscharakter überwiegt (Laars, in: Nomos Kommentar zum VAG, § 53 Rn. 1 f.; Weigel, a.a.O., § 53 Rn. 1).

Diese personale Komponente des kleineren Versicherungsvereins wird bei den Beschwerdeführern in besonderer Weise deutlich. Bei einem Versicherungsverein, der satzungsgemäß ausschließlich Priester und Priesteramtskandidaten versichert, liegt es nahe, dass die Entscheidung über die Mitgliedschaft nicht allein von einem wirtschaftlichen Interesse an einer günstigen Versicherung geleitet ist, sondern der spezielle Solidargedanke eines in Beruf und Glauben verbundenen Kollektivs hinzutritt und dies für die Mitglieder einen bedeutsamen Grund für die Mitgliedschaft darstellt. In einem solch überschaubaren Rahmen kann die Versicherung auf Gegenseitigkeit noch Ausdruck einer lebendigen Gemeinschaft und solidarischen Selbsthilfe sein. Das hat in besonderer Weise bei einem Verein wie dem Beschwerdeführer zu 2) mit weniger als 900 Mitgliedern zu gelten, die ausnahmslos Priester in Baden-Württemberg sind.

bb) Die Vorschriften über den Kontrahierungszwang im Basistarif greifen in die Vereinigungsfreiheit der Beschwerdeführer ein, weil sie nicht mehr frei darin sind, nur nach Maßgabe ihrer Satzung über die Aufnahme neuer Mitglieder zu entscheiden. Vielmehr müssen sie jede Person, welche die Voraussetzungen des § 193 Abs. 5 Satz 1 VVG erfüllt und bei ihnen eine Versicherung im Basistarif beantragt, als Mitglied aufnehmen. Anders als den großen Versicherungsvereinen steht ihnen die Möglichkeit des § 21 Abs. 2 VAG, das Versicherungsgeschäft gegen festes Entgelt zu betreiben, ohne dass die Versicherungsnehmer Mitglieder werden, nicht zur Verfügung. Denn den kleineren Versicherungsvereinen ist das Nichtmitgliedergeschäft auf reiner Vertragsbasis nach § 53 Abs. 1 Satz 2 VAG untersagt.

(1)

Gesetzliche Regelungen im Schutzbereich der Vereinigungsfreiheit sind zur zivilrechtlichen Ausgestaltung von Vereinen und Gesellschaften verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Greifen sie in die Vereinigungsfreiheit ein, sind sie außerhalb von Verboten nach Art. 9 Abs. 2 GG nur zulässig, sofern andere Grundrechte oder Rechtsgüter mit Verfassungsrang einen solchen Eingriff in den Schutzbereich der Vereinigungsfreiheit rechtfertigen. Die grundsätzliche Aufnahmeautonomie eines Vereins kann danach durch einen Aufnahmezwang durchbrochen werden, wenn auf Seiten des Aufnahmebewerbers ein erhebliches Interesse an der Aufnahme besteht und der Vereinigung die Aufnahme zumutbar ist. Das setzt aber in jedem Fall voraus, dass die Interessen des Gemeinwohls, die der Staat beim Schutz anderer verfassungskräftiger Rechtsgüter wahrnimmt, die Intensität des Eingriffs in die Vereinsfreiheit rechtfertigen (vgl. BVerfGE 30, 227 <243>; 84, 372 <379> ).

(2)

Daran gemessen wäre ein die Beschwerdeführer treffender allgemeiner Kontrahierungszwang im Basistarif jedoch mit Art. 9 Abs. 1 GG unvereinbar. Der Gesetzgeber verfolgt mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz das Ziel, allen Bürgern der Bundesrepublik Deutschland einen ausreichenden und bezahlbaren Krankenversicherungsschutz in der gesetzlichen oder in der privaten Krankenversicherung zu sichern, wofür er sich auf das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG berufen kann. Denn der Schutz der Bevölkerung vor dem Risiko der Erkrankung ist in der sozialstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes eine Kernaufgabe des Staates. Die gesetzgeberische Absicht, einen Krankenversicherungsschutz für alle Einwohner zu schaffen, ist von dem Ziel getragen, ein allgemeines Lebensrisiko abzudecken, welches sich bei jedem und jederzeit realisieren und ihn mit unabsehbaren Kosten belasten kann. Es ist ein legitimes Konzept des zur sozialstaatlichen Gestaltung berufenen Gesetzgebers, die für die Abdeckung der dadurch entstehenden Aufwendungen notwendigen Mittel auf der Grundlage einer Pflichtversicherung sicherzustellen. Hierfür ist der Gesetzgeber berechtigt, einen Kontrahierungszwang im Basistarif anzuordnen und auf diese Weise für den der privaten Krankenversicherung zugewiesenen Personenkreis einen ausreichenden und bezahlbaren Versicherungsschutz zu gewährleisten (vgl. Urteil des Ersten Senats vom 10. Juni 2009, S. 49 ff.).

Durch den allgemeinen Kontrahierungszwang würden den Beschwerdeführern trotz ihrer personal ausgestalteten Struktur Personen als Mitglieder aufgezwungen, welche mit dem bisher versicherten Personenkreis in keiner Beziehung mehr stünden. Um das mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz verfolgte Ziel zu gewährleisten, einen ausreichenden Versicherungsschutz für alle der privaten Krankenversicherung zugewiesenen Personen sicherzustellen, ist ein die kleineren Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit treffender allgemeiner Kontrahierungszwang im Basistarif nicht erforderlich. Es würde ausreichen, es bei dem allgemeinen Kontrahierungszwang für die großen Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit und Aktiengesellschaften bewenden zu lassen. Denn diese decken den Markt praktisch vollständig ab. Außer den beiden Beschwerdeführern gibt es zurzeit im Geltungsbereich des Gesetzes nur noch einen weiteren kleineren Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, der seinen Mitgliedern Krankenvollversicherungen anbietet. Bezogen auf die Gesamtzahl von rund 8,4 Millionen Privatversicherten liegt der Anteil der bei den kleineren Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit versicherten Personen im Promillebereich. Wenn man diese Vereine vom Kontrahierungszwang ausnähme, würde ein Versicherungsnehmer daher in jedem Fall einen Versicherer finden, bei dem er sich im Basistarif versichern könnte. Es ist auch nicht abzusehen, dass sich dies künftig grundlegend ändern könnte. Eine Ausnahme von dem Kontrahierungszwang für die kleineren Versicherungen würde deshalb das Anliegen des Gesetzgebers, jedem Bürger den Zugang zu einer Versicherung zu ermöglichen, nicht in Frage stellen. Die Vollfunktionalität der privaten Krankenversicherung, welche der Gesetzgeber mit der Kombination von Versicherungspflicht der Versicherungsnehmer einerseits und Versicherungszwang der Unternehmen im Basistarif andererseits anstrebt, wäre nicht gefährdet; denn die kleineren Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit sind nach § 12 Abs. 1a VAG ebenso wie die anderen Versicherungsunternehmen verpflichtet, den branchenweit einheitlichen Basistarif im Rahmen ihres satzungsrechtlich vorgesehenen Mitgliederkreises anzubieten und ihren Versicherungsnehmern den Wechsel in den Basistarif zu ermöglichen (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 VVG). Ebenso wenig würden die Beschwerdeführer einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil erlangen. An dem Risikoausgleich im Basistarif nach § 12g VAG nehmen die kleineren Versicherungsvereine unabhängig vom Kontrahierungszwang in gleicher Weise wie die großen Unternehmen teil. Angesichts der engen Voraussetzungen, unter denen die Zulassung als kleiner Versicherungsverein erlangt werden kann, ist auch auszuschließen, dass eine Ausnahme vom Kontrahierungszwang einen Anreiz zur Gründung kleinerer Versicherungsvereine schaffen würde, um dem Kontrahierungszwang im Basistarif zu entgehen.

b) Die einfachgesetzlichen Vorschriften über den Kontrahierungszwang im Basistarif lassen eine Auslegung zu, die einen Verfassungsverstoß vermeidet.

Die verfassungskonforme Auslegung einer Norm ist geboten, wenn unter Berücksichtigung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesamtzusammenhang und Zweck mehrere Deutungen möglich sind, von denen jedenfalls eine zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führt. Grenzen werden der verfassungskonformen Auslegung durch den Wortlaut und den Gesetzeszweck gezogen. Ein Normverständnis, welches mit dem Gesetzeswortlaut nicht mehr in Einklang zu bringen ist, kann durch verfassungskonforme Auslegung ebenso wenig gewonnen werden wie ein solches, das in Widerspruch zu dem klar erkennbaren Willen des Gesetzes treten würde (vgl. BVerfGE 95, 64 <93> m.w.N.).

Zwar differenzieren § 193 Abs. 5 Satz 1 VVG und § 12 Abs. 1b Satz 1 VAG nicht zwischen kleineren und größeren Versicherungsgesellschaften im Sinne des Versicherungsaufsichtsgesetzes, sondern stellen unterschiedslos auf "den Versicherer" ab, der verpflichtet wird, dem berechtigten Personenkreis Versicherung im Basistarif zu gewähren. Allein der Wortlaut schließt jedoch eine Auslegung nicht aus, nach der der Kontrahierungszwang im Basistarif für die kleineren Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit nicht in vollem Umfang gilt. Maßgebend für den Inhalt einer Norm ist der in ihr zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt. Zur Erfassung des Sinnes der Norm sind alle Auslegungskriterien, insbesondere die Stellung der Einzelnorm im Gesetz sowie der Zweck der Regelung heranzuziehen. Dabei können gerade die systematische Stellung einer Vorschrift im Gesetz und ihr sachlich-logischer Zusammenhang mit anderen Vorschriften diesen Sinn und Zweck freilegen (vgl. BVerfGE 48, 246 <256> m.w.N.).

Würde der Kontrahierungszwang im Basistarif auch für kleinere Versicherungsvereine einfachrechtlich gelten, begründete das Versicherungsaufsichtsgesetz eine widersprüchliche Rechtslage. Der kleinere Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit ist auf einen sachlich, örtlich oder dem Personenkreis nach eng begrenzten Wirkungskreis gesetzlich beschränkt; diese Beschränkung setzt sich in der ihm erteilten Erlaubnis fort. Diese richtet sich nach dem eingereichten Geschäftsplan (§ 5 Abs. 2 VAG), zu dem die Satzung des Unternehmens gehört (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 VAG). Änderungen des Geschäftsplans, mit Ausnahme von Kapitalerhöhungen, bedürfen der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde (§ 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 VAG). Das Betreiben des Versicherungsgeschäfts außerhalb der erteilten Erlaubnis ist nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VAG eine Ordnungswidrigkeit. Die Beschwerdeführer sind kraft ihrer Satzung und der ihnen erteilten Erlaubnis nur zur Versicherung von Priestern und diesen gleichgestellten Personen berechtigt; bei dem Beschwerdeführer zu 2) ist die Geschäftstätigkeit darüber hinaus auch räumlich, nämlich auf das Gebiet der Diözese Rottenburg-Stuttgart, beschränkt. Nach dem Wortlaut von § 193 Abs. 5 Satz 1 VVG, § 12 Abs. 1b Satz 1 VAG wären sie jedoch verpflichtet, auch einen dem satzungsmäßigen Wirkungskreis nicht zugehörigen, unbeschränkten Personenkreis im Basistarif zu versichern. Die Beschwerdeführer müssten also entgegen den eigenen satzungsrechtlichen Vorgaben handeln, welcher die Grundlage für die aufsichtsbehördliche Anerkennung als kleinerer Verein ist (§ 53 Abs. 4 VAG), und damit Geschäfte außerhalb des genehmigten Geschäftsplans betreiben, was nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VAG eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Gleichzeitig würde, wenn eine größere Zahl von Personen bei ihnen um Versicherung im Basistarif nachsuchen würde, die beim kleineren Versicherungsverein gewollte und vom Gesetz vorausgesetzte Beschränkung auf einen bescheidenen Geschäftsbetrieb aufgegeben. Allgemeiner Kontrahierungszwang und Beschränkung der Geschäftstätigkeit kollidierten also. Derartige Widersprüche sind, soweit möglich, durch systematische und teleologische Auslegung zu beseitigen.

Bei der systematischen Auslegung ist darauf abzustellen, dass einzelne, kollidierende Rechtssätze, die der Gesetzgeber in einen sachlichen Zusammenhang gestellt hat, grundsätzlich so zu interpretieren sind, dass sie miteinander vereinbar sind. Denn es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber sachlich Zusammenhängendes so geregelt hat, dass die gesamte Regelung einen durchgehenden, verständlichen Sinn ergibt (vgl. BVerfGE 48, 246 <257> ). Daran würde es im Fall der Geltung der Vorschriften über den Kontrahierungszwang für die kleineren Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit jedoch fehlen. Die historische Auslegung gibt keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber den Kontrahierungszwang im Basistarif bewusst auf die kleineren Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit erstrecken wollte und damit eine restriktive Auslegung ausgeschlossen wäre. In den Beratungen zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz wurde diese spezielle Problematik soweit erkennbar zu keinem Zeitpunkt angesprochen, sondern stets allein auf den Zweck der Sicherstellung eines Basisschutzes für alle privat Krankenversicherten hingewiesen (vgl. BTDrucks 16/3100, S. 207; BTDrucks 16/4247, S. 67). Im Hinblick auf Art. 9 Abs. 1 GG sind deshalb § 193 Abs. 5 Satz 1 VVG und § 12 Abs. 1b Satz 1 VAG dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass die kleineren Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit dem allgemeinen Kontrahierungszwang im Basistarif nicht unterworfen sind.

Nur soweit ein Antragsteller zum satzungsmäßigen Mitgliederkreis des jeweiligen kleineren Versicherungsvereins zählt, muss dieser ihn aufnehmen, um den für alle Versicherten erstrebten, vollfunktionalen Schutz im Basistarif auch dort zu gewährleisten. Der Vereinigungsfreiheit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 GG widerspricht dies nicht, denn der Verein hat gerade in der Satzung den Willen erklärt, diese Personengruppe zu versichern; die Bindung an diesen schon normativ erklärten Willen bei der Entscheidung über die Aufnahme eines Mitglieds im Einzelfall durch § 193 Abs. 5 Satz 1 VVG, § 12 Abs. 1b Satz 1 VAG ist ihm zumutbar. Eine gesetzlich erzwungene Öffnung der kleineren Versicherungsvereine auf alle denkbaren Antragsteller würde hingegen das Konzept des personengebundenen Einstehens einer bestimmten, hier weltanschaulich orientierten Berufsgruppe füreinander durchkreuzen und damit ihrer Vereinigungsfreiheit entgegenstehen.

3. Das seit dem 1. Januar 2009 für alle substitutiven Krankenvollversicherungen geltende absolute Kündigungsverbot des § 206 Abs. 1 Satz 1 VVG verstößt auch bei den beschwerdeführenden kleineren Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit nicht gegen Art. 9 Abs. 1 GG.

a) Der Schutzbereich der Vereinigungsfreiheit ist allerdings betroffen. Denn spiegelbildlich zur Freiheit des Vereins, über die Aufnahme neuer Mitglieder nur nach den selbst gesetzten Regeln entscheiden zu dürfen, schützt Art. 9 Abs. 1 GG auch die Freiheit, selbst die Regeln über die Beendigung der Mitgliedschaft zu bestimmen. Infolge von § 206 Abs. 1 Satz 1 VVG ist den Beschwerdeführern jede Möglichkeit, die Mitgliedschaft im Versicherungsverein zu beenden, genommen, da bei dem kleineren Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Versicherung und Mitgliedschaft zwingend miteinander verbunden sind (vgl. § 53 Abs. 1 Satz 2 VAG).

b) Dieser Eingriff ist jedoch auch bei kleineren Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit in gleichem Maße wie bei großen Versicherern grundsätzlich zum Schutz anderer Schutzgüter mit Verfassungsrang aus Gründen des gemeinen Wohls gerechtfertigt (vgl. BVerfGE 30, 227 <243>; 84, 372 <379> ). Das Kündigungsverbot des § 206 Abs. 1 Satz 1 VVG erfüllt in Zusammenhang mit der Anordnung von Versicherungspflicht und Kontrahierungszwang in der substitutiven Krankenvollversicherung den legitimen Zweck, den Verlust des Versicherungsschutzes zu verhindern und damit die Vollfunktionalität der privaten Krankenversicherung für den ihr zugewiesenen Personenkreis sicherzustellen. Dem Gesetzgeber ging es darum, in dem weitaus häufigsten Fall der Vertragsverletzung, nämlich des Prämienverzugs, den mit der Kündigung des Versicherungsvertrags verbundenen Verlust der Alterungsrückstellung zu verhindern (vgl. BT-Drucks 16/4247, S. 68). Das ist ein ausreichender sachlicher Grund, welcher den Eingriff in die Vereinigungsfreiheit rechtfertigt. Soweit es um andere Fälle von Vertragsverletzungen geht, zum Beispiel den dienstrechtlichen Status der versicherten Mitglieder oder um persönliche Pflichten gegenüber ihrem Verein, ist eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 9 Abs. 1 GG zwar nicht immer auszuschließen. Diesbezüglich sind die Beschwerdeführer aber gehalten, die konkreten Wirkungen des Gesetzes abzuwarten und dann gegebenenfalls Rechtsschutz vor den Fachgerichten zu sichern, bevor sie sich mit der Verfassungsbeschwerde an das Bundesverfassungsgericht wenden.

Ende der Entscheidung

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