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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 31.07.2008
Aktenzeichen: 1 BvR 839/08
Rechtsgebiete: SGB V, BVerfGG, SGG


Vorschriften:

SGB V § 116b Abs. 2
SGB V § 116b Abs. 3
SGB V § 116b Abs. 4
SGB V § 116b Abs. 5
BVerfGG § 90 Abs. 2 Satz 1
BVerfGG § 90 Abs. 2 Satz 2
BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 93b
SGG § 51 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 839/08 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen

§ 116b Abs. 2 bis 5 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl I S. 378)

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Hohmann-Dennhardt und die Richter Gaier, Kirchhof gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 31. Juli 2008 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der von den Beschwerdeführern als verletzt gerügten Rechte angezeigt; denn die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdeführer sind nicht beschwerdebefugt; sie sind durch die angegriffene gesetzliche Regelung des § 116b Abs. 2 bis 5 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) nicht unmittelbar in ihren Grundrechten betroffen. Richtet sich eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz, so setzt die Beschwerdebefugnis voraus, dass der Beschwerdeführer durch die angegriffene Norm nicht nur selbst und gegenwärtig, sondern auch unmittelbar in seinen Grundrechten betroffen ist (vgl. BVerfGE 115, 118 <137>; stRspr). Eine unmittelbare Betroffenheit liegt vor, wenn die angegriffene Bestimmung, ohne eines weiteren Vollzugsaktes zu bedürfen, die Rechtsstellung des Beschwerdeführers verändert (vgl. BVerfGE 115, 118 <137>; m.w.N.). Dieser muss also geltend machen, dass er gerade durch die Norm und nicht erst durch ihren Vollzug in seinen Grundrechten betroffen ist. Setzt das Gesetz zu seiner Durchführung rechtsnotwendig oder auch nur nach der tatsächlichen staatlichen Praxis einen besonderen, vom Willen der vollziehenden Stelle beeinflussten Vollziehungsakt voraus, muss der Beschwerdeführer grundsätzlich zunächst diesen Akt angreifen und den gegen ihn eröffneten Rechtsweg beschreiten, bevor er Verfassungsbeschwerde erhebt (vgl. BVerfGE 109, 279 <306>). Eine unmittelbare Betroffenheit wird ausnahmsweise aber dann bejaht, wenn die Norm ihren Adressaten bereits vor konkreten Vollzugsakten zu später nicht mehr korrigierbaren Dispositionen veranlasst (vgl. BVerfGE 97, 157 <164>; m.w.N.). Auch kann sich die Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein vollziehungsbedürftiges Gesetz richten, wenn der Beschwerdeführer den Rechtsweg nicht beschreiten kann, weil es ihn nicht gibt (vgl. BVerfGE 67, 157 <170>) oder weil er keine Kenntnis von der Maßnahme erlangen kann (vgl. BVerfGE 100, 313 <354>). Die Beschwerdeführer sind von der angegriffenen Norm nicht unmittelbar betroffen. § 116b Abs. 2 bis 5 SGB V kann nur dann Auswirkungen auf die Position der Beschwerdeführer entfalten, wenn die Norm durch eine stattgebende Entscheidung über einen Antrag eines Krankenhauses im Planungs- oder zumindest im Einzugsbereich der Praxis eines Beschwerdeführers vollzogen wird. Erst hierdurch entsteht dem einzelnen niedergelassenen spezialisierten Vertragsarzt durch die begünstigten Krankenhäuser Konkurrenz; ohne den Vollzugsakt ändert sich für den Vertragsarzt an den Rahmenbedingungen seiner Tätigkeit hingegen nichts. Es liegt keine Fallkonstellation vor, in der trotz eines noch erforderlichen Vollzugsaktes eine unmittelbare Betroffenheit durch die gesetzliche Regelung zu bejahen ist. Das Vorbringen der Beschwerdeführer, sie müssten schon jetzt Dispositionen treffen, die nach Aufgabe ihrer spezialisierten Tätigkeiten nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten, reicht für die Annahme einer unmittelbaren Betroffenheit nicht aus. Das Vorbringen ist jedenfalls nicht hinreichend substantiiert. Die Beschwerdeführer legen weder dar, welche konkreten Dispositionen sie vorzunehmen haben, noch erschließt sich, inwiefern die Dispositionen bereits vor den noch ausstehenden Entscheidungen über die Anträge der Krankenhäuser getroffen werden müssen (vgl. BVerfGE 97, 157 <164>; m.w.N.). Ferner liegt nicht der Fall vor, dass ein Rechtsweg nicht besteht (vgl. BVerfGE 67, 157 <170>) oder mangels Kenntnis des Vollzugsaktes nicht beschritten werden kann (vgl. BVerfGE 100, 313 <354>). Zunächst handelt es sich bei Bestimmung eines Krankenhauses zur ambulanten Behandlung nach § 116b Abs. 2 SGB V um einen Vollzugsakt, von dem die Beschwerdeführer Kenntnis erlangen können. Tatsächlich haben die Beschwerdeführer vorliegend sogar von der Antragstellung der Krankenhäuser erfahren. Des Weiteren ist gegen eine Entscheidung nach § 116b Abs. 2 SGB V der Rechtsweg eröffnet. Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ist jede gesetzlich normierte Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts (vgl. BVerfGE 67, 157 <170>). Nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist gegen Entscheidungen nach § 116b Abs. 2 SGB V der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet (vgl. auch LSG Hamburg, Beschluss vom 11. Februar 2008 - L 2 B 485/07 ER KA -, JURIS). Das wird in der von den Beschwerdeführern angesprochenen einschlägigen Literatur auch nicht bezweifelt. Soweit dort die Auffassung vertreten wird, Vertragsärzte könnten eine solche Entscheidung nicht mit Erfolg anfechten, weil ihnen kein Schutz gegen gleichrangige Konkurrenz zukomme (vgl. etwa Wagener/Weddehage, MedR 2007, S. 643 <648>; Wenner, GesR 2007, S. 337 <343>; anders Steinhilper, MedR 2007, S. 469 <472>; offen gelassen von LSG Hamburg, a.a.O.), betrifft das die Frage der Klagebefugnis beziehungsweise die der Begründetheit einer Klage, nicht jedoch die der Rechtswegeröffnung. Ohne Erfolg berufen sich die Beschwerdeführer schließlich darauf, die Beschreitung des Rechtswegs sei ihnen nicht zumutbar und jedenfalls gemäß § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG wegen allgemeiner Bedeutung der Sache entbehrlich. Selbst wenn die Sache in diesem Sinne allgemeine Bedeutung haben sollte oder die Beschreitung des Rechtswegs unzumutbar wäre (vgl. hierzu BVerfGE 70, 180 <186>), würde das Erfordernis einer unmittelbaren Betroffenheit des Beschwerdeführers nicht entfallen; entbehrlich wäre allenfalls die durch § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG geforderte Beschreitung des Rechtswegs gegen einen unmittelbar beeinträchtigenden Hoheitsakt. Im Übrigen kann eine Unzumutbarkeit der Beschreitung des Rechtswegs wegen von vornherein fehlender Erfolgsaussichten nur angenommen werden, wenn es bereits eine entgegenstehende gefestigte fachgerichtliche Rechtsprechung gibt (vgl. BVerfGE 70, 180 <186>). Das ist hier nicht der Fall. Den Fachgerichten obliegt indes vorrangig die Klärung, ob und in welchem Ausmaß ein Beschwerdeführer durch eine beanstandete Regelung oder Maßnahme in seinen Rechten betroffen ist und ob die Regelung mit der Verfassung vereinbar ist (vgl. BVerfGE 74, 69 <74>). Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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