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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 30.09.2003
Aktenzeichen: 1 BvR 865/00
Rechtsgebiete: GG, BVerfGG
Vorschriften:
GG Art. 2 Abs. 1 | |
GG Art. 1 Abs. 1 | |
BVerfGG § 93 a Abs. 2 Buchstabe a | |
BVerfGG § 93 a Abs. 2 Buchstabe b |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 865/00 -
In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde
gegen das Urteil des Kammergerichts vom 29. Februar 2000 - 9 U 5861/98 -
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier, die Richterin Haas und den Richter Hoffmann-Riem gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 30. September 2003 einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Abweisung einer Klage auf Entschädigung wegen der in der Tageszeitung "Bild" veröffentlichten Wiedergabe einer angeblichen Äußerung B.s über den Beschwerdeführer.
1. Die Beklagte zu 1 im Ausgangsverfahren gibt die Tageszeitung "Bild" heraus. In der Ausgabe vom 9. Januar 1998 wurde auf Seite 2 ein Artikel "B.: Die CSU ist wie eine gute Mafia" veröffentlicht, dessen Autorin die Beklagte zu 2 im Ausgangsverfahren war. Nach dem Artikel soll B. anlässlich einer Sondervorstellung bei der CSU über den Beschwerdeführer, den letzten Innenminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten der DDR, gesagt haben: "Dieser Mann ist solche Bundesscheiße, da möchte man überhaupt nicht reintreten".
Das Landgericht hat die Beklagten des Ausgangsverfahrens zu einer Entschädigungszahlung in Höhe von 40.000 DM verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hin änderte das Kammergericht diese Entscheidung ab und wies die Klage mit der Begründung ab, die in dem Zitat enthaltene Äußerung sei zwar geeignet, das Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers zu verletzen. Bei der vorzunehmenden Güterabwägung sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Beklagten allein die Tatsachenbehauptung aufgestellt hätten, B. habe sich so geäußert. Den Inhalt der Äußerung hätten sie sich nicht zu Eigen gemacht. Das von der Presse wahrzunehmende Interesse der Öffentlichkeit habe die Beklagten berechtigt, das Zitat trotz seines stark diffamierenden Inhalts zu veröffentlichen. Sie hätten sich vor der Veröffentlichung ausreichend von der Richtigkeit des Zitats überzeugt.
Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG).
2. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des § 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG zu. Die für ihre Beurteilung maßgebliche Frage nach dem Verhältnis der Meinungsfreiheit zum Persönlichkeitsschutz hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 99, 185 <193 ff.>). Mangels Erfolgsaussichten ist die Annahme der Verfassungsbeschwerde auch nicht nach § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt.
Die angegriffene Entscheidung verstößt nicht gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.
a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) schützt Elemente der Persönlichkeit, die nicht Gegenstand besonderer Freiheitsgarantien sind, aber diesen in ihrer konstituierenden Bedeutung für die Persönlichkeit nicht nachstehen. Dazu gehört die soziale Anerkennung des Einzelnen. Daher umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das eigene Bild in der Öffentlichkeit auszuwirken (vgl. BVerfGE 99, 185 <193>; stRspr).
Der hier beanstandete Satz hat eine derartige Persönlichkeitsrelevanz. Die Äußerung beeinträchtigt den sozialen Geltungsanspruch des Beschwerdeführers und kann insbesondere das Bild nachhaltig negativ beeinflussen, das sich die Öffentlichkeit von ihm macht.
Nach Art. 2 Abs. 1 GG wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht allerdings durch die Rechte anderer beschränkt. Zu diesen Rechten gehört die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Geht es - wie hier - um die rechtliche Bewertung des Inhalts einer bestimmten Äußerung, ist ungeachtet des Verbreitungsmediums Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG einschlägig, nicht etwa die Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 85, 1 <12 f.>; 95, 28 <34>; 97, 391 <400>).
Die Veröffentlichung der Äußerung eines Dritten ist zunächst insoweit eine Tatsachenbehauptung, als es um die Aussage geht, dass die Äußerung von dem Dritten stammt. Enthält die Äußerung inhaltlich - wie hier - eine nicht dem Beweis zugängliche wertende Aussage mit eigenem Gewicht, liegt die Persönlichkeitsrechtsverletzung jedoch in erster Linie in ihr.
Die Meinungsfreiheit findet nach Art. 5 Abs. 2 GG ihrerseits Schranken in den allgemeinen Gesetzen und im Recht der persönlichen Ehre. Dazu gehören die zivilrechtlichen Normen des Persönlichkeitsschutzes, auf die der Geldentschädigungsanspruch gegründet ist. Bei der Anwendung von § 823 Abs. 1 und 2 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG und §§ 185 ff. StGB sind die Ausstrahlungswirkung der Meinungsäußerungsfreiheit einerseits und der Persönlichkeitsschutz andererseits zu berücksichtigen. Für den Schutz der Persönlichkeit des Einzelnen können sich insbesondere aus dem entgegenstehenden Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit Einschränkungen ergeben. Insoweit bedarf es einer Güterabwägung im Einzelfall (vgl. BVerfGE 35, 202 <220 f.>).
b) Diesen Anforderungen wird die Entscheidung des Kammergerichts gerecht. Die von der "Bild"-Zeitung zitierte Äußerung von B. ist vom Kammergericht in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als Schmähkritik eingeordnet worden. Denn in ihr stand ersichtlich nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern jenseits auch polemischer oder überspitzter Kritik die Diffamierung der Person des Beschwerdeführers durch B. im Vordergrund (vgl. zu diesen Voraussetzungen der Schmähkritik BVerfGE 82, 272 <283 f.>; stRspr). Dennoch begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das Kammergericht im Zuge einer Abwägung in der Veröffentlichung der Äußerung durch die "Bild"-Zeitung keine rechtswidrige Persönlichkeitsbeeinträchtigung gesehen und in der Folge einen Geldentschädigungsanspruch verneint hat.
aa) Wer die Äußerung eines Dritten verbreitet, muss sich diese nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auffassung der Fachgerichte als eigene Äußerung zurechnen lassen, wenn es an einer eigenen und ernsthaften Distanzierung fehlt (vgl. BGH, VersR 1969, S. 851 <852>; BGHZ 132, 13 <18 f.>; BGH, NJW 1997, S. 1148 <1150>). Ein Zueigenmachen liegt insbesondere vor, wenn die Äußerung eines Dritten in den eigenen Gedankengang so eingefügt wird, dass dadurch die eigene Aussage unterstrichen werden soll (vgl. BGH, NJW 1976, S. 1198 <1200>; Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 34).
So liegt es hier aber nicht. Tragfähig stellt das Kammergericht darauf ab, dass der Artikel nach seinem Sachzusammenhang keine Billigung der wiedergegebenen Fremdäußerung erkennen lässt. Durch die verwandten Anführungszeichen werde deutlich auf die Äußerung eines Dritten hingewiesen (dazu vgl. allgemein Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl., 1994, Rz. 4.103).
Das Kammergericht hat die Veröffentlichung dahingehend gedeutet, dass aus der äußeren Form des Zeitungsartikels hinreichend deutlich werde, dass allein die beanstandete Meinung dokumentiert werde, ohne - etwa darauf aufbauend - eine eigene Stellungnahme über den Beschwerdeführer abzugeben. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagten der Meinungsäußerung beipflichten würden. Eine derartige Sachverhaltswürdigung ist Sache der Fachgerichte. Anlass zur verfassungsgerichtlichen Beanstandung besteht nicht.
bb) Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Kammergerichts, die Beklagte habe die Äußerung vor der Verbreitung unter Beachtung journalistischer Sorgfaltsanforderungen darauf überprüft, ob sie wirklich gefallen ist, und dass die Art und Intensität dieser Überprüfung hinreichend gewesen sei.
cc) Das Kammergericht hat in die gebotene Abwägung das von der Presse wahrgenommene Interesse der Information der Öffentlichkeit eingestellt. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, das Zitat trotz seines stark diffamierenden Inhalts zu veröffentlichen. Das Kammergericht stellt insbesondere darauf ab, dass der Beschwerdeführer zahlreiche öffentliche Ämter innegehabt habe und deshalb öffentliches Interesse erwecke. Ähnliches gelte für B., der nicht nur als Künstler bekannt sei, sondern als Dissident der DDR und Kritiker auch der heutigen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland hervorgetreten sei. Die Öffentlichkeit habe ein berechtigtes Interesse an Informationen über das noch nicht abgebaute Spannungsverhältnis zwischen den Personen, die in der DDR auf Grund ihrer beruflichen und politischen Tätigkeit prominent waren. Dies sind sachnahe Gesichtspunkte zur Anerkennung eines Interesses an öffentlicher Information. Verfassungsrechtlich sind sie nicht zu beanstanden.
c) Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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