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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 12.03.2007
Aktenzeichen: 2 BvE 1/07
Rechtsgebiete: BVerfGG, GG, NATO-Vertrag
Vorschriften:
BVerfGG § 32 | |
BVerfGG § 32 Abs. 1 | |
BVerfGG § 63 | |
BVerfGG § 64 Abs. 1 | |
GG Art. 20 Abs. 2 | |
GG Art. 24 Abs. 2 | |
GG Art. 38 Abs. 1 | |
GG Art. 38 Abs. 1 Satz 2 | |
GG Art. 44 Abs. 1 Satz 1 | |
GG Art. 59 Abs. 2 | |
NATO-Vertrag Art. 1 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES
- 2 BvE 1/07 -
In dem Organstreitverfahren
über die Anträge
I. festzustellen,
1. dass die Bundesregierung die Rechte des Deutschen Bundestages aus Artikel 59 Absatz 2 Grundgesetz und Artikel 20 Absatz 2 Grundgesetz sowie die Rechte der Antragsteller aus Artikel 38 Absatz 1 Grundgesetz dadurch verletzt hat, dass sie es unterlassen hat, einem das Integrationsprogramm des Zustimmungsgesetzes zum NATO-Vertrag überschreitenden stillen Bedeutungswandel von Artikel 1 NATO-Vertrag entgegenzuwirken, und dass sie sich aktiv an diesem Bedeutungswandel beteiligt,
2. dass der Deutsche Bundestag die Rechte der Antragsteller aus Artikel 38 Absatz 1 Grundgesetz dadurch verletzt hat, dass er durch den Beschluss vom 9. März 2007 über den Antrag der Bundesregierung vom 8. Februar 2007 (BTDrucks 16/4298) über die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan der Bundesregierung einen Militäreinsatz ermöglicht, der nur nach Änderung des NATO-Vertrages unter parlamentarischer Beteiligung in Form eines Zustimmungsgesetzes hätte ermöglicht werden dürfen,
II. im Wege der einstweiligen Anordnung
der Bundesregierung aufzugeben, den Vollzug ihres Beschlusses vom 7. Februar 2007 über die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (BTDrucks 16/4298), dem der Deutsche Bundestag am 9. März 2007 zugestimmt hat und der die Entsendung von Tornado-Aufklärungsflugzeugen nach Afghanistan zum Gegenstand hat, bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen,
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der Richter Vizepräsident Hassemer, Broß, Di Fabio, Lübbe-Wolff, Gerhardt am 12. März 2007 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Gründe:
A.
Die Anträge im Organstreitverfahren betreffen die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan.
I.
1. Nach dem Sturz des Taliban-Regimes einigten sich die größten ethnischen Gruppen Afghanistans im November und Dezember 2001 in der "Petersberger Konferenz" auf das "Übereinkommen über vorläufige Regelungen in Afghanistan bis zur Wiederherstellung dauerhafter staatlicher Institutionen" vom 5. Dezember 2001, die so genannte "Bonner Vereinbarung". Darin ersuchten die Teilnehmer der Konferenz den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die baldige Entsendung einer Truppe im Rahmen eines Mandats der Vereinten Nationen in Erwägung zu ziehen; diese Truppe werde dazu beitragen, die Sicherheit in Kabul und den umgebenden Gebieten zu gewährleisten, und könne gegebenenfalls nach und nach auch in anderen Städten und weiteren Gebieten eingesetzt werden. Am 20. Dezember 2001 genehmigte der Sicherheitsrat in seiner 4443. Sitzung die Einrichtung einer Internationalen Sicherheitsbeistandstruppe (International Security Assistance Force - ISAF), um die Afghanische Interimsverwaltung bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit in Kabul und Umgebung zu unterstützen. Der Sicherheitsrat verlängerte im Folgenden diese Genehmigung, zuletzt in seiner 5521. Sitzung am 12. September 2006 um ein weiteres Jahr bis zum 13. Oktober 2007.
2. Die Bundesregierung beantragte am 21. Dezember 2001 die Zustimmung des Deutschen Bundestags zur Beteiligung deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan, die der Deutsche Bundestag am 22. Dezember 2001 erteilte. Zur Begründung ihres Antrags führte die Bundesregierung unter anderem aus, dass die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe ein wesentlicher Beitrag Deutschlands zur Implementierung des auf dem Petersberg in Gang gesetzten nationalen Versöhnungsprozesses in Afghanistan sei. Die völkerrechtliche Grundlage hierfür finde sich in der Bonner Vereinbarung und den Resolutionen des Sicherheitsrats zu Afghanistan. In verfassungsrechtlicher Hinsicht handelten die deutschen Streitkräfte bei ihrer Beteiligung an der Sicherheitsunterstützungstruppe in Umsetzung der Resolution 1386 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 2001 im Rahmen und nach den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne des Art. 24 Abs. 2 GG. Der zunächst auf ein halbes Jahr befristete Einsatz wurde im Folgenden aufgrund entsprechender Anträge der Bundesregierung verlängert, zuletzt bis zum 13. Oktober 2007. Status und Rechte der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe richten sich nach den zwischen der NATO und der Regierung von Afghanistan getroffenen Vereinbarungen.
3. a) Am 8. Februar 2007 beantragte die Bundesregierung die Zustimmung des Deutschen Bundestags zu der deutschen Beteiligung an der NATO-geführten Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (ISAF) mit Fähigkeiten zur Aufklärung und Überwachung in der Luft. Zur Begründung heißt es unter anderem, bereits die am 28. September 2006 beschlossene Verlängerung des Mandats für die Fortsetzung der deutschen Beteiligung an ISAF habe unter der Erwartung der Ausweitung von ISAF auf ganz Afghanistan gestanden, die am 5. Oktober 2006 mit der Übernahme der Verantwortung für die ISAF-Ostregion vollzogen worden sei. Mit der Übernahme der Verantwortung im Süden und Osten des Landes stelle sich die NATO neuen Herausforderungen, insbesondere einer angespannteren Sicherheitslage. Notwendig sei daher aus Sicht der NATO auch die Fähigkeit zur Aufklärung aus der Luft. Der Aufklärung im gesamten Verantwortungsbereich von ISAF komme eine hohe Bedeutung zu. Der Antrag der Bundesregierung solle es ermöglichen, diese Fähigkeit in Ergänzung des bereits bestehenden deutschen Beitrags zu ISAF zu stellen. Für die Aufgabe der Aufklärung und Überwachung aus der Luft seien Aufklärungsflugzeuge vom Typ TORNADO RECCE vorgesehen, die über die Fähigkeit zur abbildenden Aufklärung am Tag und in der Nacht verfügten. In personeller Hinsicht sei der Einsatz von bis zu 500 Soldatinnen und Soldaten mit entsprechender Ausrüstung zusätzlich vorgesehen.
b) Der Deutsche Bundestag stimmte diesem Antrag am 9. März 2007 zu. Der Vollzug des Beschlusses hat noch am selben Tage begonnen.
II.
Die Antragsteller haben am 9. März 2007 Anträge im Organstreitverfahren sowie einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.
1. Zur Begründung der Organklagen tragen sie vor:
a) Die Anträge seien zulässig. Ihre Antragsbefugnis ergebe sich zum einen aus der möglichen Verletzung ihrer Rechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG und zum anderen daraus, dass sie in Prozessstandschaft die Verletzung von Rechten des Bundestags durch die Bundesregierung geltend machten. Die prozessstandschaftliche Wahrnehmung von Rechten des Bundestags habe das Bundesverfassungsgericht zwar bislang nur Fraktionen, nicht aber einzelnen Abgeordneten des Bundestags zugestanden. Der vorliegende Fall biete indessen Anlass, diese Rechtsprechung grundlegend zu überdenken; zumindest müsse für Fälle wie diesen eine Ausnahme zugelassen werden.
Gegenstand ihres Antrags, soweit er sich gegen die Bundesregierung richte, sei die Mitwirkung der Bundesregierung an einer Fortentwicklung des NATO-Vertrages, die über das im Zustimmungsgesetz zum NATO-Vertrag festgelegte Integrationsprogramm hinausgehe und somit ultra vires erfolge. Diese Mitwirkung sei ein Bündel von Maßnahmen und Unterlassungen im Sinne von § 64 Abs. 1 BVerfGG. Soweit sich der Antrag gegen den Bundestag richte, sei Antragsgegenstand sein Beschluss vom 9. März 2007.
b) Die Anträge seien auch begründet. Verletzt seien die Mitwirkungsrechte des Bundestags. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 22. November 2001 (BVerfGE 104, 151) seien der Bundesregierung für die Mitwirkung an der Fortentwicklung des NATO-Vertrages verfassungsrechtliche Grenzen gezogen, die hier überschritten seien.
Die Bundesregierung habe durch ihre Mitwirkung an der stillschweigenden Änderung des NATO-Vertrages aber auch Rechte der Antragsteller als Bundestagsabgeordnete verletzt. Die Änderung des Vertrages ohne Vertragsgesetz führe zu einer verfassungswidrigen Verkürzung der Mitwirkungsrechte des einzelnen Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG. Denn im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens bezüglich eines Zustimmungsgesetzes zur Änderung des NATO-Vertrages habe der einzelne Abgeordnete wesentlich bessere Möglichkeiten, seine Verantwortung gegenüber den Wählern zur Geltung zu bringen und auf die Gestaltung der Außenpolitik Einfluss zu nehmen als in Bezug auf eine Vielzahl von Einzelakten oder gar Unterlassungen der Bundesregierung. Indem die Regierung die ihr von Verfassungs wegen gezogenen Grenzen für die Fortentwicklung des Vertrages überschreite, schmälere sie zugleich die sich aus Art. 38 Abs. 1 GG ergebenden Mitwirkungsrechte des einzelnen Abgeordneten. So sei dessen Kontrollfunktion, wie sie sich etwa in seinem Fragerecht äußere, ein unmittelbar dem Abgeordneten gegenüber der Regierung zustehendes Recht, das der Abgeordnete in Fällen wie dem vorliegenden nicht wirksam wahrnehmen könne.
Der Bundestag habe die Rechte der Antragsteller aus Art. 38 Abs. 1 GG dadurch verletzt, dass er durch seinen Beschluss vom 9. März 2007 einen Militäreinsatz ermöglicht habe, der nur nach Änderung des NATO-Vertrages unter parlamentarischer Beteiligung in Form eines Zustimmungsgesetzes hätte ermöglicht werden dürfen. Die Antragsteller hätten dem Präsidenten des Bundestags ihre Sicht der Dinge in einem ausführlichen Schreiben vom 21. Februar 2007 dargelegt. Gleichwohl habe der Bundestag über den Antrag beraten und beschlossen. Dadurch habe er das Recht der Abgeordneten auf Mitwirkung an dem eigentlich erforderlichen Gesetzgebungsverfahren verletzt. In einem solchen Gesetzgebungsverfahren hätten die Antragsteller unvergleichlich viel bessere Mitwirkungsmöglichkeiten gehabt als in dem "kurzen Prozess" einer Beratung über einen einfachen Parlamentsbeschluss. Im vorliegenden Fall komme hinzu, dass mit dem Vorgehen, über die Entsendung der Tornado-Flugzeuge ohne vorherige Beratung einer Änderung des NATO-Vertrages zu entscheiden, der wesentliche und weiterreichende Entscheidungsgegenstand verdeckt und unsichtbar gemacht worden sei. Den Abgeordneten sei nicht klar gewesen, dass es in der Sache um eine Änderung des NATO-Vertrages gegangen sei.
2. Zur Begründung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung tragen die Antragsteller vor: Ihr Antrag in der Hauptsache sei weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Die im Rahmen der Entscheidung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG daher zu treffende Folgenabwägung müsse zugunsten der Antragsteller ausfallen. Wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, das Hauptsacheverfahren aber Erfolg hätte, zöge dies für die Antragsteller und den Bundestag äußerst schwerwiegende Folgen nach sich, da ihre Rechte de facto verwirkt wären. Würde dagegen die einstweilige Anordnung erlassen und stellte sich später heraus, dass die Hauptsacheanträge unbegründet seien, so träten keine schwerwiegenden und irreversiblen Folgen ein. Der Einsatz der Tornados würde sich lediglich verzögern. Zwar bestehe die Gefahr eines Ansehensverlusts Deutschlands innerhalb der NATO, doch sei damit zu rechnen, dass die anderen Mitgliedstaaten Respekt vor einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hätten. Im Übrigen habe die Bundesregierung es in der Hand, darauf hinzuwirken, dass die verfassungs- und völkerrechtlichen Voraussetzungen für eine Entsendung der Aufklärungsflugzeuge geschaffen würden. Wäge man die Gründe ab, die für und gegen den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung sprächen, so wögen die dafür sprechenden Gründe eindeutig schwerer. Während auf der einen Seite eine irreversible Verletzung der Rechte der Antragsteller und des Bundestags drohe, sei auf der anderen Seite allenfalls mit einer vorübergehenden Beeinträchtigung der Rechte der Antragsgegner zu rechnen.
III.
Die Bundesregierung hält den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für unbegründet. Die im Hauptsacheverfahren gestellten Anträge seien bereits unzulässig, jedenfalls aber offensichtlich unbegründet. Schließlich müsse auch eine Folgenabwägung zur Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung führen.
B.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.
1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln. Dabei müssen die Gründe, welche für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme sprechen, außer Betracht bleiben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedoch nur begründet, wenn eine vorläufige Regelung zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum allgemeinen Wohl dringend geboten ist.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung im Organstreitverfahren bedeutet einen Eingriff des Bundesverfassungsgerichts in die Autonomie eines anderen Verfassungsorgans. Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 32 BVerfGG ist deshalb grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 104, 23 <27>; 106, 51 <58>; 108, 34 <41>). Der Erlass kann allein der vorläufigen Sicherung des strittigen organschaftlichen Rechts der Antragsteller dienen, damit es nicht im Zeitraum bis zur Entscheidung der Hauptsache durch Schaffung vollendeter Tatsachen überspielt wird (vgl. BVerfGE 89, 38 <44>; 96, 223 <229>; 98, 139 <144>; 108, 34 <41>). In dem hier zu beurteilenden Fall ist ein besonders strenger Maßstab auch deshalb geboten, weil eine Maßnahme mit völkerrechtlichen und außenpolitischen Auswirkungen in Rede steht (vgl. BVerfGE 33, 195 <197>; 83, 162 <171 f.>; 88, 173 <179>; 89, 38 <43>; 108, 34 <41>).
Für eine einstweilige Anordnung ist kein Raum, wenn der in der Hauptsache gestellte Antrag sich von vornherein als unzulässig oder als offensichtlich unbegründet erweist.
2. Die in der Hauptsache gestellten Anträge sind unzulässig.
Anträge im Organstreitverfahren sind gemäß § 64 Abs. 1 BVerfGG nur zulässig, wenn ein Antragsteller schlüssig behauptet, dass er und der Antragsgegner an einem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis unmittelbar beteiligt sind und dass der Antragsgegner hieraus erwachsende verfassungsmäßige Rechte und Zuständigkeiten des Antragstellers oder des Organs, dem er angehört, durch die beanstandete Maßnahme oder das Unterlassen verletzt oder unmittelbar gefährdet hat; schlüssig ist die Behauptung, wenn die Rechtsverletzung nach dem vorgetragenen Sachverhalt möglich erscheint (vgl. BVerfGE 80, 188 <209>; 93, 195 <203 f.>; 102, 224 <231 f.>).
a) Soweit die Antragsteller geltend machen, die Bundesregierung habe Rechte des Bundestags aus Art. 59 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 2 GG verletzt, indem sie es unterlassen habe, einem "das Zustimmungsgesetz zum NATO-Vertrag überschreitenden stillen Bedeutungswandel von Art. 1 NATO-Vertrag entgegenzuwirken", und sich "aktiv an diesem Bedeutungswandel beteiligt" habe, setzt die Zulässigkeit des Antrags voraus, dass die Antragsteller befugt sind, Rechte des Bundestags im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen.
Die Prozessstandschaft ist eine Ausnahme von dem allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsatz, dass Verfahrensbeteiligte nur eigene Rechte geltend machen können, und bedarf daher einer ausdrücklichen gesetzlichen Zulassung (vgl. BVerfGE 60, 319 <325>; 90, 286 <343>). Eine solche gesetzliche Zulassung der Prozessstandschaft findet sich in den § 63, § 64 Abs. 1 BVerfGG, wonach Organteile Rechte des Organs geltend machen können. Die Regelung ist eng auszulegen. Nach überkommener Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bezieht sie sich lediglich auf ständig vorhandene Gliederungen des Bundestags (so bereits BVerfGE 2, 143 <160>). Das Bundesverfassungsgericht hat auf dieser Grundlage insbesondere die Befugnis der Fraktionen des Bundestags anerkannt, Rechte des Gesamtparlaments in Prozessstandschaft geltend zu machen (vgl. BVerfGE 2, 143 <165>; 45, 1 <28>; 90, 286 <336>; 100, 266 <268>; 103, 81 <86>; 104, 151 <193>; 105, 197 <220>; 113, 113 <121>). Daneben können etwa die in einen Untersuchungsausschuss entsandten Mitglieder einer Fraktion, sofern diese mindestens ein Viertel der Mitglieder des Bundestags umfasst, die Rechte der Einsetzungsminderheit im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG geltend machen (vgl. BVerfGE 105, 197 <220 f.>). Der einzelne Abgeordnete ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dagegen kein Organteil im genannten Sinne; er ist daher nicht befugt, im Organstreit Rechte des Bundestags als Prozessstandschafter geltend zu machen (vgl. BVerfGE 90, 286 <343 f.>; vgl. auch bereits BVerfGE 67, 100 <126>).
Das Vorbringen der Antragsteller gibt keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Zwar trifft es zu, dass jeder einzelne Abgeordnete "Teil" des Bundestags ist und § 64 Abs. 1 BVerfGG es seinem Wortlaut nach genügen lässt, wenn ein Organteil im Sinne des § 63 BVerfGG Rechte des Organs, dem es angehört, geltend macht. Der Ausschluss des einzelnen Abgeordneten von der prozessstandschaftlichen Wahrnehmung von Rechten des Bundestags rechtfertigt sich jedoch aus dem aus der Entstehungsgeschichte ersichtlichen Zweck der Öffnung des Organstreitverfahrens für andere Beteiligte als die obersten Bundesorgane. Dies ist vor dem Hintergrund der weitgehenden Übereinstimmung von Regierung und der sie tragenden Parlamentsmehrheit im parlamentarischen Regierungssystem zu sehen und soll nach der Vorstellung des Parlamentarischen Rates vor allem dazu dienen, Oppositionsfraktionen und damit der organisierten parlamentarischen Minderheit als dem Gegenspieler der Regierungsmehrheit den Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht zu eröffnen, um somit die tatsächliche Geltendmachung der dem Parlament im Verfassungsgefüge zukommenden Rechte zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 90, 286 <344> mit Nachweisen zur Debatte im Parlamentarischen Rat).
b) Soweit die Antragsteller eine Verletzung eigener Rechte durch Maßnahmen oder Unterlassungen der Bundesregierung geltend machen, fehlt es bereits an der schlüssigen Darlegung eines die Antragsteller und die Bundesregierung umschließenden Verfassungsrechtsverhältnisses (zu diesem Erfordernis BVerfGE 1, 208 <221>; 60, 175 <199>; 84, 290 <297>; stRspr).
Der Vortrag der Antragsteller, die Bundesregierung verletze sie in ihren aus Art. 38 Abs. 1 GG folgenden Rechten, indem sie an einer Änderung des NATO-Vertrages ohne formelle, gemäß Art. 59 Abs. 2 GG einen Gesetzesbeschluss des Bundestags erfordernde Vertragsänderung mitwirke, ist nicht geeignet, ein derartiges Rechtsverhältnis darzulegen. Die Frage nach dem verfassungsrechtlichen Erfordernis eines Zustimmungsgesetzes nach Art. 59 Abs. 2 GG betrifft die Abgrenzung der Kompetenzen von Bundestag und Bundesregierung und berührt nicht den Status des einzelnen Abgeordneten. Die Kompetenzen des Bundestags stellen nicht lediglich eine Bündelung der Kompetenzen seiner Mitglieder dar, er ist vielmehr als oberstes Bundesorgan selbst Inhaber originärer Kompetenzen (vgl. BVerfGE 90, 286 <342 f.>). Das in Art. 59 Abs. 2 GG genannte Erfordernis der Zustimmung des Bundestags zu völkerrechtlichen Verträgen, die die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf die Gesetzgebung des Bundes beziehen, in Form eines Bundesgesetzes enthält der Sache nach einen besonderen Gesetzesvorbehalt, ist ein Element der Gewaltenteilung (vgl. BVerfGE 68, 1 <86>) und beinhaltet daher eine derartige, dem Bundestag als oberstem Verfassungsorgan zukommende Kompetenz. Zwar nimmt der Bundestag seine Befugnisse nicht losgelöst von seinen Mitgliedern wahr und ist jeder einzelne Abgeordnete berufen, an der Arbeit des Bundestags, seinen Verhandlungen und Entscheidungen teilzunehmen (vgl. BVerfGE 80, 188 <217 f.>; 90, 286 <343>). Das Recht auf Mitwirkung an der parlamentarischen Arbeit als solches begründet jedoch ein unmittelbares Rechtsverhältnis lediglich zwischen dem Abgeordneten und dem Bundestag (vgl. BVerfGE 90, 286 <343>), nicht jedoch folgt daraus eine Befugnis des einzelnen Abgeordneten, alle dem Bundestag als Organ im Verhältnis zu anderen Verfassungsorganen zukommenden Befugnisse geltend zu machen. Vor diesem Hintergrund ist auch der Verweis der Antragsteller auf das gemäß § 105 der Geschäftsordnung des Bundestags jedem einzelnen Abgeordneten zustehende Recht, Fragen an die Bundesregierung zu richten, nicht geeignet, im vorliegenden Fall die Antragsbefugnis der Antragsteller zu begründen.
Entgegen der Ansicht der Antragsteller kann schließlich auch eine von ihnen behauptete mittelbare Rechtsverletzung ihre Antragsbefugnis im Organstreitverfahren nicht begründen. Die Annahme, die behauptete Verletzung der Rechte des Bundestags führe zu einer mittelbaren, die Antragsbefugnis im Organstreitverfahren begründenden Rechtsverletzung der Antragsteller, liefe im Ergebnis auf eine Geltendmachung von Rechten des Bundestags durch die Antragsteller und damit auf eine Umgehung der dargelegten engen Voraussetzungen, die § 64 Abs. 1 BVerfGG an die prozessstandschaftliche Geltendmachung fremder Rechte im eigenen Namen im Organstreitverfahren stellt, hinaus.
c) Mit ihrer Rüge, der Bundestag habe durch seinen Beschluss vom 9. März 2007 über den Antrag der Bundesregierung vom 8. Februar 2007 einen Militäreinsatz ermöglicht, der nur nach Änderung des NATO-Vertrages unter parlamentarischer Beteiligung in Form eines Zustimmungsgesetzes hätte ermöglicht werden dürfen, haben die Antragsteller eine mögliche Verletzung oder Gefährdung eigener Statusrechte ebenfalls nicht dargetan. Die Antragsteller meinen, der Bundestag hätte den Antrag der Bundesregierung zurückweisen müssen, um nicht an einer stillschweigenden Änderung des Zustimmungsgesetzes zum NATO-Vertrag mitzuwirken. Durch den gleichwohl gefassten Beschluss sei ihr Recht auf Mitwirkung an dem "eigentlich notwendigen" Gesetzgebungsverfahren verletzt. Dem kann nicht gefolgt werden.
Die von den Antragstellern behauptete Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Beschlusses bildet nicht den Gegenstand eines Verfassungsrechtsverhältnisses zwischen den Antragstellern und dem Bundestag. Es fehlt insoweit an eigenen Rechten der Antragsteller als Bezugspunkt eines solchen Verfassungsrechtsverhältnisses.
So wird der Status der Antragsteller nicht von der Frage berührt, ob ein Beschluss des Bundestags rechtswirksam ist oder nicht (vgl. bereits BVerfGE 2, 143 <167>). Das Grundgesetz verleiht den Antragstellern kein eigenes Recht im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG dahingehend, dass das Verhalten des Bundestags in jeder Hinsicht, auch soweit es ihren Status nicht berührt, mit dem Grundgesetz in Einklang steht; für eine umfassende, von eigenen Rechten des Antragstellers losgelöste, abstrakte Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Maßnahme ist im Organstreit kein Raum (vgl. BVerfGE 73, 1 <29>; 80, 188 <212>; 104, 151 <193 f.>). Das Organstreitverfahren dient dem Schutz der Rechte der Staatsorgane im Verhältnis zueinander, nicht einer allgemeinen Verfassungsaufsicht (BVerfGE 100, 266 <268>). Mit den Rügen, der Bundestag habe dem Antrag der Bundesregierung zu Unrecht zugestimmt und in der Form eines einfachen Parlamentsbeschlusses anstatt in der Form eines Gesetzes entschieden, zielt der hier gestellte Antrag auf eine solche allgemeine Verfassungskontrolle. Er ist in der Sache darauf gerichtet, die Vereinbarkeit des angegriffenen Beschlusses mit Art. 24 Abs. 2 und Art. 59 Abs. 2 GG durch das Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. Diese Normen begründen jedoch keine Statusrechte der Antragsteller.
Etwas anderes gilt auch nicht deswegen, weil - wie die Antragsteller meinen - der wesentliche Entscheidungsgegenstand durch den angegriffenen Beschluss des Bundestags "verdeckt und unsichtbar" gemacht worden sei und dass es daher an einer hinreichenden Information der Abgeordneten über das, worüber sie zu entscheiden gehabt hätten, gefehlt habe. Zum einen läge ein solches Informationsdefizit im Falle der Antragsteller gerade nicht vor, da ihnen nach ihrem Vorbringen der aus ihrer Sicht "eigentliche" Entscheidungsgegenstand - die faktische Änderung des NATO-Vertrages - bewusst war. Zum anderen hätte die Rechtsauffassung der Antragsteller die Konsequenz, dass nahezu jede formell oder materiell verfassungswidrige Entscheidung des Bundestags zugleich auch Rechte des einzelnen Abgeordneten verletzte, weil eine Information der Abgeordneten über die richtiger- und rechtmäßigerweise zu treffende Entscheidung in einem solchen Fall nicht gegeben wäre. Mit der Behauptung, die jeweils in Rede stehende Entscheidung - sei es ein Gesetzesbeschluss, sei es eine sonstige Maßnahme des Parlaments - hätte allenfalls unter anderen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen getroffen werden können, wäre - träfe die Ansicht der Antragsteller zu - immer auch eine Verletzung von Informationsrechten der Abgeordneten im Hinblick auf die verfassungsrechtlich zulässige Alternative vorgetragen. Das Organstreitverfahren würde auf diesem Wege zu einem objektiven Beanstandungsverfahren für Abgeordnete, deren verfassungsrechtliche Auffassungen von der Parlamentsmehrheit nicht geteilt werden, und nötigte das Bundesverfassungsgericht, in diesen Fällen stets die Verfassungsmäßigkeit der fraglichen Maßnahme in jeder Hinsicht zu untersuchen. Denn erst wenn deren Verfassungsmäßigkeit verneint wird, kann sich in einem zweiten Schritt die Frage stellen, wie das jeweils angestrebte Regelungsziel verfassungskonform erreicht werden könnte und welche Verfahrensrechte die Abgeordneten im Rahmen einer verfassungsrechtlich zulässigen Alternative gehabt hätten. Diese Verfahrensrechte sind aber nicht schon deswegen zwangsläufig in einer die Antragsbefugnis im Rahmen des Organstreitverfahrens eröffnenden Weise verletzt, weil sich die Mehrheit des Bundestags nicht für die von den Antragstellern allein für verfassungsmäßig gehaltene Alternative entschieden hat.
C.
Diese Entscheidung ist im Ergebnis einstimmig ergangen.
Ende der Entscheidung
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