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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Urteil verkündet am 17.12.2001
Aktenzeichen: 2 BvE 2/00
Rechtsgebiete: GG
Vorschriften:
GG Art. 38 Abs. 1 Satz 2 | |
GG Art. 46 Abs. 2 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES
- 2 BvE 2/00 -
Verkündet am 17. Dezember 2001
In dem Verfahren über den Antrag,
gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG
festzustellen, dass
1. der Deutsche Bundestag die Rechte des Antragstellers aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 46 Absatz 2 GG dadurch verletzt hat, dass er
a) mit dem "Beschluss betreffend Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Bundestages" in der ersten Sitzung der 14. Wahlperiode am 26. Oktober 1998 seine Immunität aufgehoben hat,
b) in der 102. Sitzung der 14. Wahlperiode am 11. Mai 2000 die Genehmigung zum Vollzug von Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüssen des Amtsgerichts Kleve vom 4. Mai 2000 gegen den Antragsteller erteilt hat,
c) es unterlassen hat, gemäß Artikel 46 Absatz 4 GG die Aussetzung des Strafverfahrens gegen den Antragsteller zu verlangen;
2. der Präsident des Deutschen Bundestages die Rechte des Antragstellers aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 46 Absatz 2 GG dadurch verletzt hat, dass er es unterlassen hat, einen Beschluss des Deutschen Bundestages herbeizuführen, der gemäß Artikel 46 Absatz 4 GG die Aussetzung des Strafverfahrens gegen den Antragsteller verlangt;
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der Richterinnen und Richtern Präsidentin Limbach, Sommer, Jentsch, Hassemer, Broß, Osterloh, Di Fabio, Mellinghoff
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2001 durch
Urteil
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Anträge zu 1. a) und 2. werden verworfen.
Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.
Gründe:
A.
Das Organstreitverfahren betrifft die Aufhebung der Immunität eines Abgeordneten.
I.
Der 14. Deutsche Bundestag beschloss in seiner ersten Sitzung am 26. Oktober 1998, die Geschäftsordnung einschließlich ihrer Anlagen, soweit sie vom Deutschen Bundestag zu beschließen sind, in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980 (BGBl I S. 1237), zuletzt geändert laut Bekanntmachung vom 12. Februar 1998 (BGBl I S. 428), zu übernehmen (vgl. BTDrucks 14/1; Plenarprotokoll 14/1 S. 15 D). Zu den Anlagen der Geschäftsordnung gehört seit der 5. Wahlperiode ein "Beschluss des Deutschen Bundestages betr. Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Bundestages". In dem Beschluss heißt es:
1. Der Deutsche Bundestag genehmigt bis zum Ablauf dieser Wahlperiode die Durchführung von Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder des Bundestages wegen Straftaten, es sei denn, dass es sich um Beleidigungen (§§ 185, 186, 187a Abs. 1 StGB) politischen Charakters handelt. Das Ermittlungsverfahren darf im Einzelfall frühestens 48 Stunden nach Zugang der Mitteilung beim Präsidenten des Deutschen Bundestages eingeleitet werden. ...
2. Diese Genehmigung umfasst nicht
a) die Erhebung der öffentlichen Klage wegen einer Straftat und den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls oder einer Strafverfügung,
...
c) freiheitsentziehende und freiheitsbeschränkende Maßnahmen im Ermittlungsverfahren.
...
5. Ist der Vollzug einer angeordneten Durchsuchung oder Beschlagnahme gegen ein Mitglied des Deutschen Bundestages genehmigt, ist der Präsident beauftragt, die Genehmigung mit der Auflage zu verbinden, dass beim Vollzug der Zwangsmaßnahme ein anderes Mitglied des Bundestages und - falls die Vollstreckung in Räumen des Bundestages erfolgen soll - ein zusätzlicher Vertreter des Präsidenten anwesend sind; das Mitglied des Bundestages benennt der Präsident im Benehmen mit dem Vorsitzenden der Fraktion des Mitgliedes des Bundestages, gegen das der Vollzug von Zwangsmaßnahmen genehmigt ist.
...
Die Geschäftsordnung enthält in Immunitätsangelegenheiten folgende Verfahrensregelungen:
§ 107 Immunitätsangelegenheiten
(1) Ersuchen in Immunitätsangelegenheiten sind vom Präsidenten unmittelbar an den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung weiterzuleiten.
(2) Dieser hat Grundsätze über die Behandlung von Ersuchen auf Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Bundestages aufzustellen (Anlage 6) und diese Grundsätze zum Ausgangspunkt seiner in Einzelfällen zu erarbeitenden Beschlussempfehlungen an den Bundestag zu machen.
...
(4) Vor der Konstituierung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung kann der Präsident dem Bundestag in Immunitätsangelegenheiten unmittelbar eine Beschlussempfehlung vorlegen.
Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung beschloss zu Beginn der Wahlperiode - wie in den vorangegangenen Wahlperioden - Grundsätze in Immunitätsangelegenheiten (Anlage 6 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages). In diesen heißt es:
...
3. Stellung der betroffenen Mitglieder des Bundestages
In Immunitätsangelegenheiten soll das betroffene Mitglied des Bundestages im Bundestag das Wort zur Sache nicht erhalten; von ihm gestellte Anträge auf Aufhebung seiner Immunität bleiben unberücksichtigt.
4. Beweiswürdigung
Der Bundestag darf nicht in eine Beweiswürdigung eintreten. Das Immunitätsrecht bezweckt, die Funktionsfähigkeit und das Ansehen des Bundestages sicherzustellen. Die Entscheidung über die Aufrechterhaltung oder Aufhebung der Immunität ist eine politische Entscheidung und darf ihrem Wesen nach kein Eingriff in ein schwebendes Verfahren sein, bei dem es um die Feststellung von Recht oder Unrecht, Schuld oder Nichtschuld geht. Der Kern der erwähnten politischen Entscheidung beruht auf einer Interessenabwägung zwischen den Belangen des Parlaments und den Belangen der anderen hoheitlichen Gewalten. Es darf somit nicht in eine Beweiswürdigung hinsichtlich der Erfüllung eines Unrechttatbestandes eingetreten werden.
...
Nach Nr. 192a Abs. 2 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) in der ab 1. Juli 1998 geltenden Fassung (BAnz Nr. 112 vom 12. Juni 1998) umfasst die allgemeine Genehmigung nach Nr. 1 des Bundestagsbeschlusses nicht den Vollzug einer angeordneten Durchsuchung oder Beschlagnahme in dem genehmigten Verfahren. Insoweit sind die Staatsanwaltschaften angewiesen, gemäß Nr. 192 Abs. 1 RiStBV einen Beschluss des Bundestags im Einzelfall herbeizuführen.
II.
Der Antragsteller ist Mitglied des 14. Deutschen Bundestags. Er gehört der Fraktion der CDU/CSU an. Für den Fall eines Wahlsieges der CDU bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 14. Mai 2000 war er für das Amt des nordrhein-westfälischen Justizministers vorgesehen.
Mit Schreiben vom 17. April 2000 teilte der Leitende Oberstaatsanwalt in Kleve dem Antragsgegner zu 2. mit, es sei beabsichtigt, gegen den Antragsteller ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung einzuleiten. Der Anfangsverdacht ergebe sich aus einem Vergleich des von dem Antragsteller in den Jahren 1993 bis 1997 für Immobiliengeschäfte und Kapitalanlagen aufgewendeten Vermögens und den für diesen Zeitraum in den Steuererklärungen angegebenen Einkünften. Der Vergleich führe zu einem nach dem Inhalt der Steuererklärungen nicht mehr nachzuvollziehenden und dort nicht deklarierten Vermögenszuwachs. Es sei beabsichtigt, richterliche Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen zu erwirken. Er bitte, soweit erforderlich, eine Entschließung des Bundestags über die Genehmigung des Vollzugs der Durchsuchungen und Beschlagnahmen herbeizuführen. Vorsorglich weise er darauf hin, dass bezüglich einer möglichen Steuerverkürzung für 1993 mit dem 18. Mai 2000 Strafverfolgungsverjährung eintreten könnte.
Das Schreiben ging am 28. April 2000 beim Antragsgegner zu 2. ein. Dieser leitete es am selben Tag an den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung weiter. Der Sekretär des Ausschusses bestätigte dem Leitenden Oberstaatsanwalt den Eingang des Schreibens und wies ihn darauf hin, dass die Genehmigung des Vollzugs der Durchsuchungen und Beschlagnahmen die Vorlage der gerichtlichen Anordnungen erfordere.
Am 4. Mai 2000 ordnete das Amtsgericht Kleve die Durchsuchung der Wohnräume des Antragstellers in Weeze und Berlin, seiner Büroräume in Berlin und seines Wahlkreisbüros in Kleve sowie die Durchsuchung von Wohn- und Büroräumen seiner geschiedenen Ehefrau und in den Geschäftsräumen verschiedener Kreditinstitute an. Mit Schreiben vom 5. Mai 2000 bat der Leitende Oberstaatsanwalt in Kleve den Antragsgegner zu 2. - nunmehr unter Beifügung der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse -, eine Entschließung des Antragsgegners zu 1. über die Genehmigung des Vollzugs der angeordneten Maßnahmen herbeizuführen. Auf einstimmige Empfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (vgl. BTDrucks 14/3338) beschloss der Antragsgegner zu 1. am 11. Mai 2000 ohne Aussprache und in sofortiger Abstimmung, die beantragten Genehmigungen zu erteilen (Plenarprotokoll 14/102 S. 9541 C). Die Durchsuchungen fanden noch am selben Tag, d.h. drei Tage vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, statt.
Am 12. Mai 2000 teilte der Antragsteller auf einer Pressekonferenz mit, dass er seine Vermögensverhältnisse freiwillig gegenüber der Staatsanwaltschaft offengelegt habe. Den Vorwurf der Steuerhinterziehung wies er zurück.
Auf die Beschwerde des Antragstellers stellte das Landgericht Kleve durch Beschluss vom 11. August 2000 rechtskräftig fest, dass die Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse des Amtsgerichts rechtswidrig gewesen seien. Das Amtsgericht habe zu Unrecht den Verdacht einer Steuerhinterziehung angenommen. Die von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Ermittlungsergebnisse hätten keine Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen gerechtfertigt. Am 14. August 2000 stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren wegen fehlenden Tatverdachts ein. Am 19. September 2000 entschuldigte sich der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen beim Antragsteller für das rechtswidrige Vorgehen seiner Behörden. Der zuständige Generalstaatsanwalt wurde in den einstweiligen Ruhestand versetzt.
III.
Am 26. Oktober 2000 hat der Antragsteller das Organstreitverfahren anhängig gemacht. Zur Begründung trägt er vor:
1. Der gegen den Antragsgegner zu 1. gerichtete Antrag sei zulässig. Zu den Statusrechten eines Abgeordneten gehöre auch das Recht auf Immunität, das ihm Schutz vor Behinderungen seiner parlamentarischen Tätigkeit bieten solle. Sowohl der Beschluss über die generelle Aufhebung der Immunität als auch die Genehmigung der Durchsuchungen habe ihn in diesem Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 46 Abs. 2 GG verletzt. Eine aktuelle, die Antragsfrist in Lauf setzende Betroffenheit habe der generelle Beschluss über die Aufhebung der Immunität vom 26. Oktober 1998 erst durch die Aufnahme von Ermittlungen gegen ihn am 30. April 2000 erlangt. Der Antragsgegner zu 1. habe auch dadurch die Rechte des Antragstellers verletzt, dass er es während des gesamten Zeitraums der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen vom 30. April bis 14. August 2000 unterlassen habe, gemäß Art. 46 Abs. 4 GG die Aussetzung des Verfahrens zu verlangen.
Der gegen den Antragsgegner zu 2. gerichtete Antrag sei ebenfalls zulässig. Der Antragsgegner zu 2. habe es unterlassen, unmittelbar nach Eingang des Antrags des Leitenden Oberstaatsanwalts in Kleve vom 17. April 2000 ein Aussetzungsverlangen des Bundestags nach Art. 46 Abs. 4 GG herbeizuführen, und dadurch den Antragsteller in seinen Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 46 Abs. 4 GG verletzt. Der Bundestagspräsident sei verpflichtet, Ersuchen der Staatsanwaltschaft auf Plausibilität und Schlüssigkeit zu prüfen. Anderenfalls würde die 48-Stunden-Frist zwischen Mitteilung der Staatsanwaltschaft und Einleitung des Ermittlungsverfahrens im Normalfall ungenutzt verstreichen. Diese Prüfung habe der Antragsgegner zu 2. unterlassen.
2. Die Anträge seien auch begründet.
a) Der Beschluss des Deutschen Bundestags betr. Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Bundestags vom 26. Oktober 1998 sei verfassungswidrig. Der Verzicht auf eine Prüfung des Einzelfalls widerspreche Wortlaut sowie Sinn und Zweck des Art. 46 Abs. 2 GG. Die Immunität diene nicht nur der Sicherung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Parlaments, sondern auch dem Schutz des einzelnen Abgeordneten vor tendenziöser Verfolgung. Wie das Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller zeige, seien Fälle derartiger Verfolgung selbst in einem demokratischen Rechtsstaat nicht auszuschließen. Zudem sei jeder Abgeordnete "Vertreter des ganzen Volkes" (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG), so dass mit der Beeinträchtigung seiner Tätigkeit auch das Parlament als Ganzes an Repräsentativität verliere. Das Verfahren der Immunitätsaufhebung müsse deshalb auf den verfassungsrechtlichen Status des Abgeordneten Rücksicht nehmen und dürfe nicht vollständig zur Disposition des Parlaments gestellt werden. Dies werde durch den generellen Aufhebungsbeschluss, der die gebotene Einzelfallprüfung auf die lediglich theoretische Möglichkeit eines Aussetzungsverlangens nach Art. 46 Abs. 4 GG verschiebe, nicht hinreichend gewährleistet.
b) Die Genehmigung zum Vollzug der Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung vom 11. Mai 2000 sei bereits formell verfassungswidrig, weil weder der Bundestag noch der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung dem Antragsteller rechtliches Gehör gewährt hätten. Da nicht erkennbar gewesen sei, welche Steuern der Antragsteller in welcher Höhe und in welchem Zeitraum verkürzt haben solle, habe hier offenkundig ein Nachfragebedarf bestanden. Außerdem sei das gesamte Verfahren durch den irreführenden Hinweis im Schreiben des Leitenden Oberstaatsanwalts vom 17. April 2000 auf eine drohende Strafverfolgungsverjährung beherrscht und überschattet gewesen. Schließlich seien bei der Beschlussfassung schon vollendete Tatsachen geschaffen gewesen. Die parlamentarischen Beobachter seien teilweise schon zum Ort der Durchsuchung unterwegs gewesen.
Die Genehmigung sei auch materiell mit den Rechten des Antragstellers aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 46 Abs. 2 GG nicht vereinbar. Die Entscheidung über die Aufhebung der Immunität stehe im pflichtgemäßen Ermessen des Parlaments. Der Abgeordnete habe einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Der Bundestag müsse einen Antrag auf Immunitätsaufhebung auf seine innere Folgerichtigkeit und Vollständigkeit hin überprüfen. Außerdem müsse er kontrollieren, ob der Antrag Grund zu der Annahme biete, dass sich hinter ihm unsachliche (politische) Motive verbergen. Schon bei den geringsten Zweifeln müsse das Verfahren bis zur Klärung dieser Frage nach Art. 46 Abs. 4 GG ausgesetzt werden.
Schließlich habe der Bundestag zu prüfen, ob die Ermittlungsmaßnahme verhältnismäßig sei. Hier sei der Anfangsverdacht der Steuerverkürzung im Antrag der Staatsanwaltschaft schon deshalb nicht plausibel gewesen, weil die angeblich hinterzogenen Steuern nicht bezogen auf die einzelnen Veranlagungszeiträume ausgewiesen worden seien. Außerdem hätte der Antragsgegner zu 1. - ähnlich wie später das Landgericht Kleve - der Plausibilität des angeblichen Vermögenszuwachses nachgehen müssen. Drei Tage vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen habe der Verdacht, dass es sich um eine tendenziöse Verfolgung handele, nicht fern gelegen. Die Durchsuchungen seien außerdem - für den Antragsgegner zu 1. erkennbar - unverhältnismäßig gewesen. Der Antragsteller sei bereit gewesen, alle benötigten Unterlagen auszuhändigen. Nach einer solchen Überprüfung der genehmigungsbedürftigen Maßnahme müsse das Parlament eine sorgfältige Abwägung zwischen dem Strafverfolgungsinteresse einerseits und dem Eingriff in den Abgeordnetenstatus andererseits vornehmen, wobei die Schwere der Tat und der Grad des Tatverdachts ebenso zu berücksichtigen seien wie die Erfordernisse des öffentlichen Vertrauens in die Integrität eines Abgeordneten. Das habe der Antragsgegner zu 1. nicht getan. Den angegriffenen Entscheidungen fehle außerdem eine Begründung, ohne die eine verfassungsgerichtliche Kontrolle nicht möglich sei.
c) Aus den dargelegten Gründen hätte der Antragsgegner zu 1. jedenfalls von seinem Reklamationsrecht nach Art. 46 Abs. 4 GG Gebrauch machen müssen.
d) Auch der Antrag gegen den Antragsgegner zu 2. sei begründet. Er hätte als Erster die dargelegten Mängel des Antrags auf Genehmigung der Durchsuchungen erkennen und einen Aussetzungsbeschluss des Bundestags nach Art. 46 Abs. 4 GG herbeiführen müssen.
IV.
Die Antragsgegner halten die Anträge für unzulässig (1.), jedenfalls aber für unbegründet (2.).
1. a) Die Anträge zu 1. a) und b) seien verfristet. Der Beschluss vom 26. Oktober 1998 habe - anders als die Vorschrift der Geschäftsordnung im Urteil des Senats vom 13. Juni 1989 (BVerfGE 80, 188) - bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung Rechtswirkungen für den Antragsteller entfaltet; denn er sei von hier an nicht mehr durch die Immunität vor strafrechtlichen Ermittlungsverfahren geschützt gewesen. Der Beschluss selbst habe deshalb die 6-Monats-Frist gemäß § 64 Abs. 3 BVerfGG in Lauf gesetzt. Die Genehmigung der Durchsuchung durch den Beschluss des Antragsgegners zu 1. vom 11. Mai 2000 sei eine bloße Folgeentscheidung der mit dem Beschluss vom 26. Oktober 1998 getroffenen Verfahrensregelung.
b) Der Antragsteller sei für keinen der Anträge antragsbefugt. Der Bundestag verstehe die parlamentarische Immunität nicht als Abgeordneten-, sondern als Parlamentsprivileg. Historisch habe sie sich als Organrecht des Parlaments entwickelt, das dessen Existenz gegenüber der als Willkür verstandenen Machtausübung des Königs schützen sollte. Art. 46 Abs. 2 GG gehe davon aus, dass der Bundestag mit der Aufhebung der Immunität auf ein eigenes Recht verzichte. Nur so lasse sich seine Verfügungsmacht über das Immunitätsrecht erklären. Der Abgeordnete selbst könne nach allgemeiner Ansicht nicht auf seine Immunität verzichten. Praktische Wirksamkeit gewinne die Immunität dadurch, dass der Abgeordnete sie jeder staatlichen Stelle - außer dem Bundestag selbst als dem Rechtsinhaber - entgegenhalten könne. Die Immunität diene nicht dem innerparlamentarischen Minderheitenschutz, weil der Bundestag in Immunitätsfragen mit der Mehrheit seiner Mitglieder entscheide. Sie solle die Funktionsfähigkeit eines im Idealfall vollständig versammelten Parlaments gewährleisten; maßgeblich sei nicht die Repräsentation durch den einzelnen Abgeordneten, sondern die Kollektivrepräsentation durch die Gesamtheit der Abgeordneten. Schließlich sprächen auch der Grundsatz der Gewaltenteilung, der Gedanke der privilegienfeindlichen Demokratie und die zusätzliche Arbeitsbelastung des Bundestags durch eine Individualisierung des Immunitätsrechts gegen eine Antragsbefugnis des Antragstellers.
Der mit dem Antrag zu 1. b) geltend gemachte Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Immunitätsaufhebung bestehe ebenfalls nicht. Eine gerichtliche Kontrolle scheitere am Mangel rechtlicher Überprüfungsmaßstäbe. Aus diesem Grund ergebe sich für den Antrag zu 1. c) aus Art. 46 Abs. 4 GG ebenfalls keine Antragsbefugnis.
Sie fehle auch für den Antrag zu 2.. Der Präsident des Bundestags habe im Immunitätsverfahren keine prozessualen oder materiellen Rechte von Verfassungsrang inne.
c) Schließlich fehle für alle Anträge das Rechtsschutzbedürfnis. Konkrete Anhaltspunkte für ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller seien weder vorgetragen noch ersichtlich.
2. Die Anträge seien zudem unbegründet.
a) Der Beschluss vom 26. Oktober 1998 sei verfassungsgemäß. Das vom Bundestag in langer Praxis entwickelte Immunitätsverfahren sei Ausdruck parlamentarischer Ermessensausübung im Rahmen seiner Geschäftsordnungsautonomie. Der Bundestag habe bei der antizipierten Ermessensausübung die repräsentative Zusammensetzung des Parlaments, seine Arbeitsfähigkeit, sein Ansehen, die Gleichmäßigkeit der Strafrechtspflege, aber auch die Interessen des betroffenen Abgeordneten zu berücksichtigen. Er differenziere nach der Schwere des Tatvorwurfs, der Eilbedürftigkeit freiheitsbeschränkender Maßnahmen und vor allem der beeinträchtigenden Wirkung der Ermittlungsmaßnahmen auf die parlamentarische Arbeit des Abgeordneten. Die allgemeine Aufhebung der Immunität zu Beginn einer Legislaturperiode offenbare sich bei näherer Betrachtung als überschaubare, zeitlich und sachlich limitierte Freigabe dieses Rechts, die jederzeit rückholbar sei.
b) Auch der Beschluss vom 11. Mai 2000 zur Genehmigung der Durchsuchungen sei verfassungsgemäß. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs liege nicht vor. Da es sich bei der Immunität um ein Parlamentsprivileg handele, fehle es in der Person des Antragstellers bereits an einer rechtlichen Betroffenheit. Eine Anhörung führe im Übrigen zur Notwendigkeit, sich mit den vorgebrachten Gründen bewertend auseinander zu setzen. Damit würde aber in eine Beweiswürdigung eingetreten werden, was der Bundestag nach Nr. 4 der Grundsätze in Immunitätsangelegenheiten ausdrücklich vermeiden wolle. Eine Durchsuchung müsse zudem überraschend erfolgen.
Als materiellrechtlicher Prüfungsmaßstab für parlamentarische Ermessensentscheidungen kämen lediglich solche Richtlinien in Betracht, die sich das Parlament selbst auferlegt habe. Der Geschäftsordnung, dem generellen Immunitätsaufhebungsbeschluss und den Grundsätzen in Immunitätsangelegenheiten entspreche der Beschluss vom 11. Mai 2000. Nachweislich hätten weder die zu diesem Zeitpunkt von der Staatsanwaltschaft bereits korrigierten Angaben bezüglich der Verjährung noch die Landtagswahl eine Rolle gespielt. Das allgemeine Bestreben des Bundestags, nicht in laufende staatsanwaltliche oder gerichtliche Verfahren einzugreifen, stelle keinen Ermessensfehler dar. Von dieser Regel im Fall des Antragstellers abzuweichen, habe es zum Zeitpunkt der Entscheidung keinen Anlass gegeben. Das zeige sich auch daran, dass die Entscheidung sowohl im Ausschuss als auch im Plenum einstimmig getroffen worden sei. Ob der Bundestag eine allgemeine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen habe, sei an sich schon fraglich. Die Aussicht, möglicherweise Mitglied einer Landesregierung zu werden, schütze der Abgeordnetenstatus jedenfalls nicht. Im Übrigen sei ein milderes Mittel zur Ermöglichung ordnungsgemäßer Ermittlungen nicht ersichtlich.
c) Der Antrag zu 1. c) sei ebenfalls unbegründet. Eine Pflicht, gemäß Art. 46 Abs. 4 GG die Aussetzung des Strafverfahrens zu verlangen, könne nur durch Umstände ausgelöst werden, die bereits eine Aufhebung der Immunität rechtswidrig gemacht hätten. Dass dem Antragsgegner zu 1. bis zur Einstellung des Verfahrens am 14. August 2000 neue Umstände zur Kenntnis gelangt seien, sei weder ersichtlich noch vom Antragsteller behauptet.
d) Prüfungspflichten des Bundestagspräsidenten bestünden nur sehr eingeschränkt: Er sei im Wesentlichen vor Konstituierung des Immunitätsausschusses zuständig und müsse Bundestagsabgeordnete bestimmen, die im Fall einer Durchsuchung oder Beschlagnahme das Verfahren vor Ort begleiten. Die Herleitung weiterer Pflichten sei verfassungsrechtlich unzulässig; sie würde gegen das parlamentarische Selbstverwaltungsrecht verstoßen. Der Antragsgegner zu 2. habe mithin keine Pflichten verletzt.
V.
Die Landtage von Baden-Württemberg und von Thüringen haben zum Verfahren Stellung genommen.
Der Präsident des Landtags von Baden-Württemberg hat mitgeteilt, der Landtag fasse zu Beginn der Wahlperiode einen generellen Immunitätsaufhebungsbeschluss, der im Wesentlichen dem des Bundestags entspreche. Der Landtag von Thüringen hat nach Auskunft seiner Präsidentin Ermittlungsverfahren gegen Abgeordnete nur insoweit generell genehmigt, als es um Verkehrsdelikte geht. Im Übrigen hat er die Entscheidungen in Immunitätsangelegenheiten auf einen Justizausschuss übertragen.
VI.
In der mündlichen Verhandlung sind die Vorsitzende des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, die Abgeordnete Erika Simm, der Abgeordnete Eckart von Klaeden, Mitglied des Ausschusses, und der Sekretär des Ausschusses, Ministerialrat Dr. Helmut Winkelmann, gehört worden.
B.
I.
Die Anträge zu 1. a) und zu 2. sind unzulässig.
1. Der Antrag zu 1. a) ist verfristet. Gemäß § 64 Abs. 3 BVerfGG muss der Antrag binnen sechs Monaten, nachdem die beanstandete Maßnahme dem Antragsteller bekannt geworden ist, gestellt werden. Der Beschluss des Deutschen Bundestags betr. Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Bundestags wurde in der ersten Sitzung des 14. Deutschen Bundestags am 26. Oktober 1998 gefasst und in diesem Zeitpunkt dem Antragsteller in seiner Eigenschaft als Abgeordneter bekannt. Die Frist für einen gegen diesen Beschluss gerichteten Antrag lief deshalb am 26. April 1999 ab. Die Antragsschrift ist aber erst am 26. Oktober 2000 beim Bundesverfassungsgericht eingegangen.
Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 13. Juni 1989 (BVerfGE 80, 188 <209 ff.>) eine Vorschrift der Geschäftsordnung des Bundestags erst von dem Zeitpunkt an als Maßnahme im Sinne von § 64 Abs. 1 BVerfGG gewertet, in dem sie bei dem Antragsteller eine aktuelle rechtliche Betroffenheit auszulösen vermag. Dieser Zeitpunkt könne mit dem Erlass der Vorschrift zusammenfallen. Er könne aber auch erst danach liegen. Das sei dann der Fall, wenn die Bestimmung an rechtliche Voraussetzungen anknüpfe, die sich in der Person des Antragstellers erst später verwirklichten. Von da an laufe auch die Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG (vgl. BVerfGE 92, 80 <88>).
Auch nach diesen Grundsätzen ist nicht - wie der Antragsteller meint - die Einleitung des gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens als Zeitpunkt für den Fristbeginn anzusetzen. Denn nicht erst die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens führt zu einer aktuellen rechtlichen Betroffenheit des Abgeordneten. Unmittelbar rechtlich betroffen wird er in seinem Status schon durch den zu Beginn der Wahlperiode gefassten Beschluss über die generelle Aufhebung der Immunität selbst. Sieht sich ein Abgeordneter durch die generelle Freigabe der Ermittlungstätigkeit in seinen Rechten als Abgeordneter verletzt, etwa weil die Genehmigung ohne Prüfung des Einzelfalls erteilt werde oder weil die Frist zwischen Zugang der Mitteilung der Staatsanwaltschaft und Einleitung des Ermittlungsverfahrens mit 48 Stunden zu kurz bemessen sei, kann er dies im Organstreitverfahren geltend machen, ohne dass es eines konkreten Zusammenhangs mit einem bestimmten Ermittlungsverfahren bedarf (vgl. BVerfGE 92, 80 <88>; Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 8. März 2001 - 2 BvK 1/97 - S. 9). Hat der Bundestag die Genehmigung allgemein im Vorhinein erteilt, ist schon damit das sich aus Art. 46 Abs. 2 GG ergebende Verfahrenshindernis beseitigt. Die spätere Einleitung des Ermittlungsverfahrens berührt den Status des Abgeordneten nicht, sie bringt lediglich die vorweggenommene Genehmigung zur Wirkung. Der Bundestag kann zwar gemäß Art. 46 Abs. 4 GG noch verlangen, das Strafverfahren gegen den Abgeordneten auszusetzen. Bei einem hierauf gerichteten Antrag wäre Maßnahme im Sinne von § 64 Abs. 1 und 3 BVerfGG jedoch nicht mehr der generelle Immunitätsaufhebungsbeschluss, sondern das Unterlassen des Bundestags, die Aussetzung des Verfahrens zu verlangen.
2. Der gegen den Präsidenten des Deutschen Bundestags gerichtete Antrag zu 2. ist mangels eines zulässigen Angriffsgegenstandes unzulässig.
Das Unterlassen einer Maßnahme ist im Organstreit nur dann rechtserheblich, wenn eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Vornahme der unterlassenen Maßnahme nicht ausgeschlossen werden kann. Fehlt es hieran, so ist der Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Unterlassens mangels eines zulässigen Angriffsgegenstandes unzulässig (vgl. BVerfGE 96, 264 <277>; Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 2001 - 2 BvE 1/00 - S. 8).
So liegt es beim Antrag zu 2.. Eine Grundlage für die behauptete verfassungsrechtliche Verpflichtung des Antragsgegners zu 2., einen Beschluss des Bundestags herbeizuführen, der die Aussetzung des Strafverfahrens gegen den Antragsteller verlangt, ist nicht ersichtlich. Art. 46 Abs. 4 GG berechtigt nur den Bundestag. Gemäß § 107 Abs. 4 GOBT kann der Bundestagspräsident dem Bundestag in Immunitätsangelegenheiten nur vor der Konstituierung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung unmittelbar eine Beschlussempfehlung vorlegen. Nach der Konstituierung des Ausschusses liegt dieses Recht ausschließlich bei dem Ausschuss selbst; der Bundestagspräsident fungiert dann nur noch als "Poststelle" (vgl. § 107 Abs. 1 GOBT). Sollte in Nr. 1 des Bundestagsbeschlusses vom 26. Oktober 1998 die 48-Stunden-Frist zwischen Zugang der Mitteilung beim Bundestagspräsidenten und Einleitung des Ermittlungsverfahrens bei bloßer Weiterleitung des Ersuchens an den Ausschuss zu kurz bemessen sein, wäre dies eine Frage der Verfassungsmäßigkeit des Beschlusses des Bundestags. Eine Pflicht des Bundestagspräsidenten, das Ersuchen der Staatsanwaltschaft eigenständig zu prüfen und gegebenenfalls auf einen entsprechenden Bundestagsbeschluss hinzuwirken, ergäbe sich aber auch hieraus nicht.
II.
Die Anträge zu 1. b) und c) sind zulässig.
1. Insoweit hat der Antragsteller mit seiner am 26. Oktober 2000 eingegangenen Antragsschrift die Antragsfrist des § 64 Abs. 3 BVerfGG gewahrt. Die Frist für den Antrag zu 1. b) begann mit Kenntnis des Antragstellers von der Genehmigung vom 11. Mai 2000 zum Vollzug der Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen zu laufen. Die mit dem Antrag zu 1. c) begehrte Aussetzung des Strafverfahrens hätte der Antragsgegner zu 1. frühestens nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens, also nach dem 30. April 2000, verlangen können, so dass auch die Frist frühestens dann zu laufen begann.
2. Der Antragsteller ist auch antragsbefugt.
Im Organstreit kann der einzelne Abgeordnete die behauptete Verletzung oder Gefährdung jedes Rechts, das mit seinem Status verfassungsrechtlich verbunden ist, geltend machen. Sein Antrag ist zulässig, wenn nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass der Antragsgegner Rechte des Antragstellers, die aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten erwachsen, durch die beanstandete rechtserhebliche Maßnahme verletzt oder unmittelbar gefährdet hat (§ 64 Abs. 1 BVerfGG; vgl. BVerfGE 94, 351 <362 f.>; 99, 19 <28>).
a) Der Antragsteller rügt eine Verletzung von Art. 38 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 46 Abs. 2 GG. Diese Rüge ist zulässig. Zwar können sich aus Art. 46 Abs. 2 GG nicht ohne weiteres Rechte eines einzelnen Abgeordneten gegenüber dem Bundestag ergeben. Denn der Genehmigungsvorbehalt für die strafrechtliche Verfolgung von Abgeordneten dient vornehmlich dem Parlament als Ganzes. Der einzelne Abgeordnete hat aber aus Art. 46 Abs. 2 i.V.m. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG einen Anspruch darauf, dass sich das Parlament bei der Entscheidung über die Aufhebung der Immunität nicht - den repräsentativen Status des Abgeordneten grob verkennend - von sachfremden, willkürlichen Motiven leiten lässt.
aa) Gemäß Art. 46 Abs. 2 GG darf ein Abgeordneter wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung grundsätzlich nur mit Genehmigung des Bundestags zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden. Aus diesem Wortlaut allein lässt sich ein subjektives Recht des Abgeordneten gegenüber dem Bundestag auf den Fortbestand oder die Aufhebung der Immunität nicht herleiten. Allerdings begründet der Genehmigungsvorbehalt ein Verfahrenshindernis zu Gunsten des Abgeordneten (vgl. Magiera, in: Sachs, GG, 2. Aufl. 1999, Art. 46 Rn. 12; Klein, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, § 17 Rn. 38). Gegenüber Maßnahmen der Strafverfolgungsorgane kann er sich auf das Fehlen der erforderlichen Genehmigung berufen.
bb) Auch aus der Geschichte des Immunitätsrechts lässt sich ein Recht des Abgeordneten gegenüber dem Parlament auf Aufrechterhaltung oder Aufhebung seiner Immunität nicht herleiten. Historisch wurzelt die Immunität in der Tradition des englischen Parlamentarismus. Als Schutzvorkehrung gegen Übergriffe der Exekutive und Judikative fand sie auf dem europäischen Kontinent ihren ersten Niederschlag in den Verfassungsdokumenten der Französischen Revolution. Der deutsche Frühkonstitutionalismus knüpfte an diesen ausländischen Vorbildern an (vgl. Klein, a.a.O., § 17 Rn. 9-14). Sowohl die bayerische als auch die badische Verfassung von 1818, später auch die Paulskirchenverfassung, die Reichsverfassung von 1871 und die Weimarer Verfassung normierten ein Immunitätsrecht (vgl. Klein, a.a.O., § 17 Rn. 9 ff.; Butzer, Immunität im demokratischen Rechtsstaat, 1991, S. 30 ff.). Der Wortlaut der Immunitätsvorschriften ist seit mehr als einem Jahrhundert nahezu unverändert (vgl. Butzer, a.a.O., S. 66).
In der Zeit des Frühkonstitutionalismus sollte der Genehmigungsvorbehalt die monarchische Exekutive daran hindern, unliebsame Abgeordnete durch die willkürliche Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen in ihrer parlamentarischen Tätigkeit zu behindern. Dieser Schutz des einzelnen Abgeordneten diente zugleich der Erhaltung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Gesamtparlaments (vgl. Butzer, a.a.O., S. 75). Da die Entscheidung über die Genehmigung der Strafverfolgung dem Parlament als Ganzem übertragen war, wurde der Genehmigungsvorbehalt in der parlamentarischen Praxis nicht als Vorrecht des einzelnen Abgeordneten, sondern als "Schutzrecht des Hauses" angesehen (vgl. Graf zu Dohna, in: Anschütz/Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, 1. Band, 1930, S. 445).
Diese Auffassung war auch im Parlamentarischen Rat vorherrschend. Der Abgeordnete Dr. de Chapeaurouge (CDU) stellte in der zweiten Sitzung des Hauptausschusses vom 11. November 1948 (S. 21 f. des Sitzungsprotokolls) den Antrag, einem Abgeordneten, gegen dessen Willen die Aufhebung seiner Immunität abgelehnt worden ist, das Recht der Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht einzuräumen. Zur Begründung verwies er auf einen Fall, in dem ein Abgeordneter selbst um Aufhebung seiner Immunität gebeten hatte. Die Abgeordneten Dr. Greve (SPD), Dr. Menzel (SPD), Walter (CDU) und Dr. von Brentano (CDU) sprachen sich gegen den Antrag aus. Es sei nicht möglich, ein Bundesverfassungsgericht in eine Prüfung darüber eintreten zu lassen, ob das Parlament - aus Gründen, die lediglich in seiner Institution liegen - die Aufhebung der Immunität zu Recht abgelehnt habe oder nicht. Zudem enthalte die Regelung in erster Linie ein Recht des Parlaments und nicht des einzelnen Abgeordneten. Der Abgeordnete Dr. de Chapeaurouge zog daraufhin seinen Antrag zurück.
Auch die Anerkennung eines Anspruchs des Abgeordneten darauf, dass sich das Parlament bei seiner Immunitätsentscheidung nicht von sachfremden, willkürlichen Motiven leiten lässt, wird zwar durch die historische Entwicklung des Immunitätsrechts und die Entstehungsgeschichte des Art. 46 Abs. 2 GG nicht gestützt; sie stehen einem solchen Anspruch aber auch nicht entgegen. Ein Schutz des einzelnen Abgeordneten gegenüber dem Gesamtparlament ist erst unter Geltung des Grundgesetzes durch die Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit und des Organstreitverfahrens möglich geworden.
Im Parlamentarischen Rat ging es zudem um eine besondere Konstellation, nämlich um Rechtsschutz gegen die Aufrechterhaltung der Immunität. Dass der Abgeordnete über die Immunität nicht disponieren, insbesondere nicht auf sie verzichten kann, ist unbestritten (vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. II, 1998, Art. 46 Rn. 23; Magiera, in: Sachs, GG, 2. Aufl. 1999, Art. 46 Rn. 12; Trute, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 46 Rn. 23).
cc) Sinn und Zweck der Immunität bestätigen ebenfalls, dass die Immunität dem Schutz des Parlaments dient. Der den Genehmigungsvorbehalt des Art. 46 Abs. 2 GG rechtfertigende und in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG zum Ausdruck kommende Gedanke der Repräsentation begründet jedoch auch einen Anspruch des Abgeordneten: Das Parlament muss die Entscheidung über die Aufhebung der Immunität im Hinblick auf den repräsentativen Status des Abgeordneten frei von Willkür treffen.
Spätestens seit der Weimarer Republik wird geltend gemacht, dass die Immunität ein Anachronismus und ihr geschichtlicher Zweck seit dem Übergang von der konstitutionellen Monarchie zur parlamentarischen Demokratie entfallen sei. Angesichts der Tatsache, dass die Regierung - einschließlich des Justiz- und des Innenministers - vom Vertrauen des Parlaments abhängig sei, könne die Gefahr "tendenziöser Verfolgung" von Abgeordneten durch die Exekutive kaum mehr praktisch werden (Bockelmann, Die Unverfolgbarkeit der deutschen Abgeordneten nach deutschem Immunitätsrecht, 1951, S. 11).
Die Ansicht, dass die Immunität im demokratischen Rechtsstaat überholt und überflüssig sei, unterstellt ein ideales Verhältnis von geschriebenem Recht und Verfassungswirklichkeit. Die Gefahr willkürlicher Verfolgung von Abgeordneten mag in einem funktionierenden Rechtsstaat wenig wahrscheinlich sein. Gänzlich auszuschließen ist sie nicht. Die Geschichte lehrt, wie bereits der Bayerische Verfassungsgerichtshof zutreffend festgestellt hat (Entscheidung vom 24. Oktober 1958, BayVerfGH NF 11, 146 <155>), dass in Zeiten politischer Spannungen keine sichere Gewähr dafür besteht, dass das Parlament frei von Übergriffen der Behörden seinen Aufgaben nachkommen kann. Die Schutzvorkehrung der Immunität soll gerade dazu beitragen, dass das Parlament in kritischen Situationen handlungsfähig bleibt.
Im Übrigen sind selbst korrekte, nicht in politischer Absicht veranlasste behördliche Maßnahmen geeignet, die Arbeit des Parlaments zu beeinträchtigen. Das gilt gleichermaßen für jene Ermittlungen, die entweder durch Anzeigen, die Streitlust Privater oder durch Verdächtigungen seitens der Medien ausgelöst worden sind (vgl. BayVerfGH NF 11, 146 <157>; Klein, a.a.O., § 17 Rn. 68). Art. 46 Abs. 2 GG macht den Genehmigungsvorbehalt nicht davon abhängig, ob die behördliche Maßnahme korrekt oder rechtswidrig ist. Selbst die rechtlich einwandfreie Strafverfolgungsmaßnahme gegen einen Abgeordneten setzt die vorherige Genehmigung des Parlaments voraus. Auch in diesem Falle kann das Parlament mit Rücksicht auf seine Belange die Genehmigung verweigern.
Die Immunität findet heute ihre Rechtfertigung vor allem im Repräsentationsprinzip. Auch wenn das Grundgesetz den einzelnen Abgeordneten als "Vertreter des ganzen Volkes" bezeichnet, so kann er dieses doch nur gemeinsam mit den anderen Parlamentsmitgliedern repräsentieren. Wird das Volk bei parlamentarischen Entscheidungen nur durch das Parlament als Ganzes, d.h. durch die Gesamtheit seiner Mitglieder, angemessen repräsentiert, so muss die Mitwirkung aller Abgeordneten bei derartigen Entscheidungen nach Möglichkeit und im Rahmen des im demokratisch-parlamentarischen System des Grundgesetzes Vertretbaren sichergestellt sein (vgl. BVerfGE 44, 308 <316>; BVerfGE 80, 188 <217 f.>; 84, 304 <321>; vgl. auch Klein, a.a.O., § 17 Rn. 68; Magiera, in: Bonner Kommentar, Art. 46 Rn. 15). Durch eine Behinderung der parlamentarischen Arbeit des einzelnen Abgeordneten werden nicht nur die vom Volke festgelegten Mehrheitsverhältnisse verändert. Der Strafverfolgungsmaßnahmen ausgesetzte Abgeordnete wird möglicherweise auch gehindert, seine Sachkompetenz, seine Erfahrungen, seine Überzeugungen und die Interessen seiner Wähler in die parlamentarische Arbeit einzubringen. Auch dadurch wird die parlamentarische Willensbildung, die auf einen Ausgleich sozialer Gegensätze zielt, beeinträchtigt (vgl. Wurbs, Regelungsprobleme der Immunität und der Indemnität in der parlamentarischen Praxis, 1988, S. 24 - 27).
Nach wie vor soll die Immunität auch davor schützen, dass missliebige Abgeordnete durch Eingriffe der anderen Gewalten in ihrer parlamentarischen Arbeit behindert werden (vgl. Wurbs, a.a.O., S. 23). Der durch Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete repräsentative verfassungsrechtliche Status des Abgeordneten ist zugleich die Grundlage für die repräsentative Stellung des Bundestags. Zwar übt dieser die vom Volke ausgehende Staatsgewalt als "besonderes Organ" aus. Doch nimmt der Bundestag seine Aufgaben und Befugnisse nicht losgelöst von seinen Mitgliedern, sondern in der Gesamtheit seiner Mitglieder wahr. Demgemäss ist jeder Abgeordnete berufen, an der Arbeit des Bundestags, seinen Verhandlungen und Entscheidungen teilzunehmen (vgl. BVerfGE 80, 188 <217 f.>; 102, 224 <237>). Durch strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen wird der Abgeordnete in der ungestörten Wahrnehmung seiner Aufgaben behindert. Daraus folgt, dass der Bundestag bei der Freigabe der Ermittlungen auch auf die aus dem Mandat folgenden Mitwirkungsrechte des betroffenen Abgeordneten Bedacht nehmen muss. So darf er sich über evident sachfremde behördliche Maßnahmen, die offensichtlich die parlamentarische Arbeit eines missliebigen Abgeordneten erschweren sollen, nicht hinwegsetzen. Jeder einzelne Abgeordnete zählt und ist ein unentbehrliches Element der Gesamtheit.
Bei der Entscheidung über die Genehmigung der Strafverfolgung sind die Interessen des Parlaments und die des betroffenen Abgeordneten gegenüber den anderen Staatsgewalten nicht in jedem Falle gleichgerichtet. Der Abgeordnete kann je nach dem parlamentarischen Kräfteverhältnis auch gegenüber dem Parlament schutzbedürftig sein. Parlament und Regierung stehen heute nicht in Frontstellung einander gegenüber. Vielmehr verläuft die Grenze quer durch das Plenum: Regierung und die sie unterstützende Parlamentsmehrheit bilden gegenüber der Opposition politisch eine Einheit (BVerfGE 102, 224 <236>). Es kann deshalb nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die Parlamentsmehrheit sich bei der Entscheidung über die Genehmigung des Strafverfahrens sachfremde Erwägungen der Strafverfolgungsorgane zu Eigen macht. In einem solchen Fall bedarf der Abgeordnete eines verfassungsgerichtlich durchsetzbaren Schutzes. Um diesen Schutz zu gewährleisten, hat der einzelne Abgeordnete aus Art. 46 Abs. 2 i.V.m. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG einen Anspruch darauf, dass der Bundestag die Entscheidung über die Genehmigung von gegen ihn gerichteten Strafverfolgungsmaßnahmen frei von Willkür trifft.
dd) Dass der Antragsgegner zu 1. diesen Anspruch durch die Erteilung der Genehmigung vom 11. Mai 2000 zum Vollzug der Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen verletzt hat, kann jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen werden.
b) Antragsbefugt ist der Antragsteller auch, soweit er eine Verletzung von Art. 38 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 46 Abs. 4 GG geltend macht. Das Recht, die Aussetzung des Strafverfahrens zu verlangen, steht nach Art. 46 Abs. 4 GG allein dem Bundestag zu. Ebenso wie der Genehmigungsvorbehalt für die Einleitung eines Strafverfahrens dient dieses Recht jedoch nicht nur dem Bundestag selbst, sondern auch seinen Mitgliedern, durch deren Gesamtheit der Bundestag seine Aufgaben wahrnimmt. Art. 46 Abs. 4 gewährt i.V.m. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG dem Abgeordneten dementsprechend ein Recht gegenüber dem Bundestag auf willkürfreie Entscheidung über das Verlangen, das Strafverfahren auszusetzen. Dass der Antragsgegner zu 1. dieses Recht verletzt hat, indem er in Kenntnis der gegen den Antragsteller gerichteten strafprozessualen Maßnahmen von einem solchen Aussetzungsverlangen abgesehen hat, ist jedenfalls nicht ausgeschlossen.
3. Das im Organstreitverfahren auf Seiten des Antragstellers erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (stRspr; vgl. BVerfGE 87, 207 <209>) ist gegeben. Dass die angegriffenen Maßnahmen inzwischen keine Wirkungen mehr entfalten, schadet nicht (vgl. BVerfGE 10, 4 <11>; 41, 291 <303>; 49, 70 <77>). Der Streit zwischen den Beteiligten über die Genehmigung von Strafverfolgungsmaßnahmen kann sich jederzeit wiederholen. Konkrete Anhaltspunkte für ein weiteres gegen den Antragsteller gerichtetes Ermittlungsverfahren sind insoweit nicht erforderlich.
C.
Die Anträge sind, soweit zulässig, nicht begründet.
I.
Der Bundestag hat durch die Erteilung der Genehmigung vom 11. Mai 2000 zum Vollzug der Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen den Anspruch des Antragstellers aus Art. 46 Abs. 2 i.V.m. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG auf willkürfreie Entscheidung nicht verletzt.
1. Die Aufhebung der Immunität eines Abgeordneten ist eine Maßnahme im Rahmen der Parlamentsautonomie, die der Bundestag grundsätzlich in eigener Verantwortung trifft (vgl. BVerfGE 102, 224 <235 f.>). Die dem Parlament zustehende Autonomie erstreckt sich nicht nur auf Angelegenheiten der Geschäftsordnung. Autonomie bezeichnet die allgemeine Befugnis des Parlaments, seine eigenen Angelegenheiten selbst zu regeln (BVerfGE 102, 224 <235>). Die Genehmigung der Durchführung von Strafverfahren gegen seine Mitglieder ist eine eigene Angelegenheit des Parlaments; der Genehmigungsvorbehalt dient vornehmlich dazu, die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Parlaments zu erhalten. Daher entscheidet das Parlament grundsätzlich in eigener Verantwortung, ob es die Genehmigung erteilt oder versagt.
Nach Nr. 4 Satz 2 der vom Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung beschlossenen Grundsätze ist die Entscheidung über die Aufrechterhaltung oder Aufhebung der Immunität eine "politische Entscheidung". Der Kern dieser Entscheidung beruht auf einer Interessenabwägung zwischen den Belangen des Parlaments und den Belangen der anderen hoheitlichen Gewalten (Nr. 4 Satz 3 der Grundsätze). Bei dieser Abwägung kommt dem Bundestag ein weiter Entscheidungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 80, 188 <220>; 84, 304 <322>). Der Abgeordnete hat keinen Anspruch darauf, dass im Rahmen der Abwägung eine Überprüfung stattfindet, die seine Interessen in den Vordergrund rückt. Denn in erster Linie dient der Genehmigungsvorbehalt für die strafrechtliche Verfolgung eines Abgeordneten dem Schutz des Parlaments als Ganzes. Der Anspruch des Abgeordneten auf eine willkürfreie Entscheidung über die Genehmigung der gegen ihn gerichteten Strafverfolgungsmaßnahmen ist erst dann verletzt, wenn das Parlament bei der erforderlichen Interessenabwägung den verfassungsrechtlichen Status des betroffenen Abgeordneten in grundlegender Weise verkannt hat.
Bereits das Prinzip der Repräsentation fordert die Prüfung, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass versucht wird, durch bewusst sachfremde Eingriffe die vom Wähler gewollte Zusammensetzung des Parlaments zu verändern. Jedenfalls wenn dies eindeutig und offensichtlich der Fall ist, darf der Bundestag die Genehmigung nicht erteilen.
Das Interesse des Abgeordneten an einem Schutz seiner Mandatsausübung erfordert jedoch keine darüber hinausgehende Prüfung und Abwägung. Der Bundestag ist insbesondere nicht verpflichtet, die nachteiligen Folgen zu überdenken, die sich aus der Genehmigung der Strafverfolgung für einen Landtagswahlkampf des Abgeordneten und für die Übernahme weiterer politischer Ämter ergeben können. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 46 Abs. 2 GG schützt den Abgeordneten nur bei der Wahrnehmung der sich aus seinem verfassungsrechtlichen Status als Mitglied des Bundestags ergebenden Rechte und Pflichten.
Der Bundestag ist auch nicht verpflichtet, im Rahmen der Abwägung die Schlüssigkeit des gegen den Abgeordneten erhobenen Tatvorwurfs und die Verhältnismäßigkeit der Ermittlungsmaßnahme zu prüfen. Die Haltlosigkeit des strafrechtlichen Vorwurfs und die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen können allerdings - zusammen mit weiteren Indizien - auf ein politisches Motiv für die Strafverfolgung hinweisen. Der Bundestag ist deshalb nicht gehindert, die Schlüssigkeit des erhobenen Vorwurfs über eine Evidenzkontrolle hinaus zu prüfen; verpflichtet ist er hierzu nicht.
Er darf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Ermittlungsmaßnahmen den hierfür zuständigen Gerichten überlassen. Das gilt selbst dann, wenn sich Anhaltspunkte für eine politische Motivierung des Strafverfahrens nicht ausschließen lassen. In einer solchen Situation kann es im Interesse sowohl des Bundestags als auch des betroffenen Abgeordneten liegen, zunächst den Ausgang des Ermittlungsverfahrens abzuwarten und eine gerichtliche Kontrolle der Ermittlungsmaßnahmen zu ermöglichen. Das Recht und gegebenenfalls die Pflicht, gemäß Art. 46 Abs. 4 GG die Aussetzung des Strafverfahrens zu verlangen, wenn sich im Laufe des Verfahrens die Anhaltspunkte für eine politische Motivierung der Strafverfolgung verdichten, bleibt unberührt.
Etwas anderes gilt erst dann, wenn vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann, dass das Strafverfahren gegen den Abgeordneten aus sachfremden, insbesondere politischen Motiven durchgeführt wird. Würde der Bundestag auch in einem solchen Fall die strafprozessualen Maßnahmen gestatten, so würde er sich die sachfremden Erwägungen der Strafverfolgungsorgane zu Eigen machen und dadurch selbst willkürlich handeln.
2. Nach diesem Maßstab ist die Erteilung der Genehmigung vom 11. Mai 2000 zum Vollzug der Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen nicht zu beanstanden. Für den Verdacht, diese Maßnahmen könnten politisch motiviert sein, gab es im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundestags keine augenfälligen Anhaltspunkte.
Der Antrag der Staatsanwaltschaft vom 5. Mai 2000 auf Erteilung der Genehmigung zum Vollzug der Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen war nicht offensichtlich unschlüssig. Die Staatsanwaltschaft stützte den Verdacht einer Steuerhinterziehung auf einen nach den Steuerklärungen 1993 bis 1997 nicht nachvollziehbaren Vermögenszuwachs. Sie verglich die Aufwendungen des Antragstellers und seiner damaligen Ehefrau für den Kauf - in zwei Fällen auch den anschließenden Verkauf - von insgesamt drei Immobilien und die Aufwendungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen einerseits mit den in den Steuererklärungen angegebenen Einkünften andererseits. Das Landgericht Kleve hat insoweit keine Einwendungen erhoben. Ob die in die Vergleichsrechnung eingestellten Einzelpositionen tragfähig begründet waren, ließ sich - wie die 15 Seiten umfassende Begründung des Beschlusses des Landgerichts Kleve zeigt - nur aufgrund einer vertieften Auseinandersetzung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht mit den einzelnen Zahlungsvorgängen feststellen. Eine solche Prüfung ist nicht Aufgabe des Bundestags bei seiner Entscheidung über die Aufhebung der Immunität. Ob bereits bei der Begründung des Anfangsverdachts einer Hinterziehung von Einkommensteuer die angeblich hinterzogenen Steuern den einzelnen Veranlagungszeiträumen zugeordnet werden müssen oder ob in diesem Verfahrensstadium noch eine zusammengefasste Betrachtung mehrerer Jahre genügt, ist eine nicht vom Bundestag zu beurteilende strafrechtliche Frage.
Die angeordneten Durchsuchungen beim Antragsteller waren auch nicht evident unverhältnismäßig. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts durch Rückfrage beim Antragsteller, die insoweit allein in Betracht gekommen wäre, hätte den Erfolg der Durchsuchungen gefährdet. Aus diesem Grund brauchten auch der Bundestag und der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung dem Antragsteller vor der Erteilung der Genehmigung kein rechtliches Gehör zu gewähren (vgl. BVerfGE 9, 89 <98>; 57, 346 <358 f.>; 83, 24 <35 f.>). Ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche Verpflichtung in Immunitätsangelegenheiten überhaupt bestehen kann, braucht hier nicht entschieden zu werden.
Die zeitliche Nähe zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen und die Benennung des Antragstellers als Kandidat für das Amt des nordrhein-westfälischen Justizministers für den Fall eines Wahlsiegs der CDU waren zwar Umstände, die eine besondere Aufmerksamkeit für eine etwaige politisch motivierte Einflussnahme auf das gegen den Antragsteller gerichtete Strafverfahren verlangten. Für sich allein genügten diese Umstände aber nicht, um die strafrechtliche Verfolgung des Antragstellers als willkürlich erscheinen zu lassen. Weitere greifbare Anhaltspunkte für eine politische Einflussnahme auf das Strafverfahren gab es nicht. Der möglicherweise irreführende Hinweis im ersten Schreiben des Leitenden Oberstaatsanwalts vom 17. April 2000 auf eine drohende Verfolgungsverjährung war, nachdem die Verjährung jedenfalls durch die richterlichen Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen vom 4. Mai 2000 unterbrochen war (vgl. § 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB), im zweiten Schreiben des Leitenden Oberstaatsanwalts vom 5. Mai 2000 nicht mehr enthalten. Die Frage der Verjährung hat deshalb, wie die Vorsitzende des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, Abgeordnete Erika Simm, und das der CDU-Fraktion angehörende Mitglied des Ausschusses, MdB Eckart von Klaeden, in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend erklärt haben, für den Zeitpunkt der Genehmigung keine Rolle gespielt. Die zeitliche Nähe der Ermittlungsmaßnahmen zur Landtagswahl und die exponierte Stellung des Antragstellers im dortigen Wahlkampf waren im Übrigen allgemein bekannt.
II.
Der Bundestag hat auch nicht den Anspruch des Antragstellers aus Art. 46 Abs. 4 i.V.m. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG auf eine willkürfreie Entscheidung über das Verlangen, das gegen ihn gerichtete Strafverfahren auszusetzen, verletzt. Denn auch nach Erteilung der Genehmigung zum Vollzug der Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen gab es keine augenfälligen Anhaltspunkte dafür, dass das gegen den Antragsteller gerichtete Strafverfahren sachfremden Zwecken diente und ihn in seiner parlamentarischen Arbeit behindern sollte.
Am Tag nach den Durchsuchungen teilte der Antragsteller auf einer Pressekonferenz zwar mit, er habe seine Vermögensverhältnisse gegenüber der Staatsanwaltschaft offengelegt und dadurch die gegen ihn erhobenen Vorwürfe ausgeräumt. Die Auswertung der beschlagnahmten und der vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen durfte der Bundestag aber weiterhin der zuständigen Staatsanwaltschaft, die rechtliche Überprüfung der Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen den Gerichten überlassen. Eine Anhörung durch den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung hat der Antragsteller nach den Durchsuchungen selbst nicht beantragt und im Übrigen dem Ausschuss auch keine neuen Tatsachen unterbreitet. Die Erforderlichkeit einer solchen Anhörung musste sich dem Ausschuss auch nicht aufdrängen. Es war nicht Aufgabe des Bundestags, ein etwaiges Fehlverhalten der Justizbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen aufzuklären und den Antragsteller gegebenenfalls hierfür zu rehabilitieren. Neue Erkenntnisse, die hätten Anlass geben können, die erteilte Genehmigung zu überprüfen, hätten sich allenfalls aus dem Beschluss des Landgerichts Kleve vom 11. August 2000 ergeben können. Dieser wurde dem Bundestag aber erst bekannt, nachdem die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren bereits von sich aus eingestellt hatte.
Ende der Entscheidung
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