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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 09.03.2000
Aktenzeichen: 2 BvL 13/99
Rechtsgebiete: NWBVO, BVerfGG, BhV, GG
Vorschriften:
NWBVO § 12 a | |
BVerfGG § 81 a | |
BVerfGG § 80 Abs. 2 Satz 1 | |
BhV § 6 Abs. 1 Nr. 2 | |
GG Art. 100 Abs. 1 | |
GG Art. 74 a | |
GG Art. 100 Abs. 1 | |
GG Art. 70 Abs. 1 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvL 8/99 - - 2 BvL 9/99 - - 2 BvL 10/99 - - 2 BvL 11/99 - - 2 BvL 12/99 - - 2 BvL 13/99 - - 2 BvL 14/99 - - 2 BvL 15/99 -
In den Verfahren
zur verfassungsrechtlichen Prüfung
des § 12a Nordrhein-Westfälische Beihilfenverordnung vom 27. März 1975 (GVBl S. 332 - NWBVO -) in der Fassung des Art. II Abs. 8 des Haushaltssicherungsgesetzes vom 17. Dezember 1998 (GVBl S. 757)
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 10. September 1999 (26 K 3720/99) -
- 2 BvL 8/99 -,
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 10. September 1999 (26 K 3605/99) -
- 2 BvL 9/99 -,
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 10. September 1999 (26 K 3574/99) -
- 2 BvL 10/99 -,
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 10. September 1999 (26 K 4300/99) -
- 2 BvL 11/99 -,
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 10. September 1999 (26 K 3622/99) -
- 2 BvL 12/99 -,
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 10. September 1999 (26 K 3472/99) -
- 2 BvL 13/99 -,
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 10. September 1999 (26 K 3293/99) -
- 2 BvL 14/99 -,
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 10. September 1999 (26 K 2951/99) -
- 2 BvL 15/99 -
hat die 4. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Präsidentin Limbach und die Richter Jentsch, Di Fabio gemäß § 81a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 9. März 2000
einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Vorlagen sind unzulässig.
Gründe:
I.
Gegenstand der Vorlagen ist die nach Besoldungsgruppen gestaffelte beihilferechtliche Kostendämpfungspauschale im nordrhein-westfälischen Beamtenrecht.
1. Durch Art. II Abs. 8 des Haushaltssicherungsgesetzes 1998 des Landes Nordrhein-Westfalen vom 17. Dezember 1998 (GVBl S. 757) wurde die Landes-Beihilfenverordnung (NWBVO) um einen § 12a ergänzt. Jeder Beihilfeberechtigte muss danach je Kalenderjahr einen bestimmten Betrag von den an sich beihilfefähigen, krankheitsbedingten Ausgaben selbst tragen. Die Höhe dieses Betrages ist u.a. nach Besoldungsgruppen gestaffelt. Die Vorschrift lautet insoweit wie folgt:
§ 12a
Kostendämpfungspauschale
(1) Die nach Anwendung des § 12 Abs. 7 verbleibende Beihilfe wird je Kalenderjahr, in dem ein Beihilfeantrag gestellt wird, um folgende Kostendämpfungspauschale gekürzt:
Stufe|Besoldungsgruppen|Betrag|1|Besoldungsgruppen A 7 bis A 11|200 DM|2|Besoldungsgruppen A 12 bis A 15, B 1, C 1 und C 2, H 1 bis H 3, R 1| 400 DM|3|Besoldungsgruppen A 16, B 2 und B 3, C 3, H 4 und H 5, R 2 und R 3|600 DM|4|Besoldungsgruppen B 4 bis B 7, C 4, R 4 bis R 7|800 DM|5|Höhere Besoldungsgruppen|1000 DM
(2) Die Beträge nach Absatz 1 werden bei Teilzeitbeschäftigung im gleichen Verhältnis wie die Arbeitszeit vermindert.
(3) Die Beträge nach Absatz 1 bemessen sich
1. bei Ruhestandsbeamten, Richtern im Ruhestand sowie früheren Beamten und Richtern (§ 1 Abs. 1 Nr. 2) nach dem Ruhegehaltssatz,
2. ...
(5) Die Kostendämpfungspauschale nach den Absätzen 1 bis 3 vermindert sich um 50 DM für jedes berücksichtigungsfähige Kind ...
Die weiteren Absätze enthalten Regelungen über die Behandlung von Witwen und Witwern (Abs. 3 Nr. 2) sowie Ausnahmen für Waisen, Beamte auf Widerruf und pflegebedürftige Personen (Abs. 4, 7).
2. Die Kläger der Ausgangsverfahren sind Beamte, Ruhestandsbeamte und Richter im Dienste des Landes Nordrhein-Westfalen, die verschiedenen Besoldungsgruppen in den Besoldungsordnungen A und R des Bundesbesoldungsgesetzes angehören. Sie beantragten Anfang 1999 jeweils Beihilfe zu Kosten für in Anspruch genommene ärztliche Leistungen bei ihrem Dienstherrn. Dieser erkannte die in den Ausgangsverfahren im Streit stehenden Beträge im Grundsatz ganz oder teilweise als beihilfefähig an, zog aber die Kostendämpfungspauschale gemäß § 12a NWBVO in der jeweils einschlägigen Höhe ab, sodass die Kläger nur einen Teil der geltend gemachten Summen bewilligt erhielten. Dagegen richten sich die vor dem Verwaltungsgericht erhobenen Klagen mit den Anträgen, ihren Dienstherrn zur Bewilligung der ungekürzten Beihilfe zu verpflichten.
3. Mit Beschlüssen vom 10. September 1999 hat das Gericht die bei ihm anhängigen Verfahren ausgesetzt und sie gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung der Frage der Vereinbarkeit von § 12a NWBVO in der Fassung des Haushaltssicherungsgesetzes 1998 mit dem Grundgesetz vorgelegt.
Das vorlegende Gericht hält § 12a NWBVO für verfassungswidrig, weil die Staffelung der Pauschale nach Besoldungsgruppen mittelbar eine Regelung der Beamtenalimentation beinhalte, für die das Land gemäß Art. 74a GG i.V.m. dem Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) nicht gesetzgebungsbefugt sei. Zuständig sei das Land nur für den Bereich der Beamtenfürsorge, deren Ausprägung die Beihilfe sei. Ein Verstoß gegen die bundesstaatliche Kompetenzordnung und das Rechtsstaatsprinzip liege bereits dann vor, wenn eine Landesregelung zwar von einer Gesetzgebungsbefugnis des Landes gedeckt sei, aber einer bundesgesetzlichen Regelung auf einem anderen Gebiet inhaltlich mittelbar zuwiderlaufe. Das sei bei der Kostendämpfungspauschale der Fall. Die betroffenen Beamten und Richter müssten den durch die Regelung verursachten Mehrbetrag zur Deckung von Krankheitskosten aus ihrer bundesrechtlich festgelegten Alimentation entnehmen. Die Staffelung der Pauschale nach Besoldungsgruppen ebne das vom Bundesbesoldungsgesetz vorgesehene Spannungsverhältnis zwischen den einzelnen Besoldungsstufen mittelbar ein. Eine solche, den Wertungen eines Bundesgesetzes zuwiderlaufende Regelung sei dem Landesgesetzgeber aus Kompetenzgründen verwehrt.
II.
Die Vorlagen sind unzulässig.
1. Die Richtervorlagen genügen nicht den Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG. Nach dieser Vorschrift muss die Begründung angeben, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des vorlegenden Gerichts abhängt und mit welcher übergeordneten Rechtsvorschrift sie unvereinbar ist. Dem genügt eine Richtervorlage nur, wenn das Gericht seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Norm näher begründet und die für seine Überzeugung maßgeblichen Erwägungen umfassend und nachvollziehbar darlegt (vgl. BVerfGE 65, 308 <316>; 86, 52 <57>; 88, 198 <201>; zuletzt: Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Januar 1999 - 1 BvL 14/98 -, NJW 1999, S. 1098 <1099>). Wird im Vorlagebeschluss in Bezug auf die zur Überprüfung gestellte Norm ein verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab zu Grunde gelegt, der zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in offenkundigem Widerspruch steht, hat das vorlegende Gericht seinen hiervon abweichenden Maßstab in Auseinandersetzung mit der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts näher zu begründen (vgl. BVerfGE 80, 182 <186>). Andernfalls lässt sich dem Vorlagebeschluss ein Prüfungsmaßstab im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nicht entnehmen.
Hierbei handelt es sich nicht um formale Anforderungen an Vorlagebeschlüsse, die ohne weiteres verzichtbar wären. Eine sorgfältige Prüfung der Voraussetzungen für eine Vorlage gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ist schon deshalb geboten, weil das vorlegende Gericht mit der Aussetzung des Verfahrens den Beteiligten zunächst eine Entscheidung zur Sache verwehrt und die Erledigung des Rechtsstreits verzögert (vgl. BVerfGE 78, 165 <178>; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Januar 1999 - 1 BvL 14/98 -, NJW 1999, S. 1098 <1099>). Vor allem aber verlangt der Grundgedanke des Art. 100 Abs. 1 GG, die Autorität des parlamentarischen Gesetzgebers im Verhältnis zur Rechtsprechung zu wahren, dass das Gericht sich seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Norm in Auseinandersetzung mit den hierfür maßgeblichen Gesichtpunkten bildet, bevor es das Bundesverfassungsgericht anruft (vgl. BVerfGE 86, 71 <77>).
2. Die Vorlagebeschlüsse genügen den vorstehend aufgeführten Anforderungen an die Begründung und Darlegung nicht.
a) Der vom vorlegenden Gericht angewandte verfassungsrechtliche Maßstab widerspricht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die Vorlagebeschlüsse setzen sich nicht hinreichend mit dieser Rechtsprechung auseinander und legen ihre Gründe für die Abweichung nicht dar.
Das Verwaltungsgericht belegt den von ihm angewendeten Maßstab mit drei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 98, 83 ff.; 98, 106 ff.; 98, 265 ff.) zu Fragen der bundesstaatlichen Kompetenzordnung.
Zum einen hätte das vorlegende Gericht bei der maßstäblichen Heranziehung dieser verfassungsgerichtlichen Entscheidungen berücksichtigen müssen, dass die Gefahr "gegenläufiger Regelungen", "die die Rechtsordnung widersprüchlich machen" (vgl. BVerfGE 98, 83 <97>; 98, 265 <301>) hier womöglich deshalb anders zu beurteilen ist, weil die angegriffene Regelung des § 12a NWBVO in der Fassung des Haushaltssicherungsgesetzes 1998 den Bereich der Leistungs- und nicht, wie in den angeführten Entscheidungen, den der Eingriffsverwaltung betrifft.
Zum anderen aber lagen den vom Verwaltungsgericht angeführten Fällen Bund-Länder-Kollisionslagen zwischen materiellem Bundesrecht einerseits und Verfahrens- und Abgabenrecht der Länder andererseits zu Grunde. Für den hier vorliegenden Fall der Kollision von Sachkompetenzen eines Landes einerseits mit ebensolchen des Bundes andererseits hat das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit dagegen wiederholt entschieden, dass unter den Gesichtspunkten Rechtssicherheit und Bundestreue die Ausübung einer Sachkompetenz nur im Falle des offenbaren Missbrauchs unzulässig ist (vgl. BVerfGE 4, 115 <140>; 14, 76 <99>; 61, 149 <205>; zustimmend: Rengeling in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band IV, § 100 Rn. 11). Mittelbare Auswirkungen einer kompetenzgerechten Landesregelung auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung wären danach unterhalb der Schwelle des gezielten Missbrauchs verfassungsrechtlich nicht relevant. Das vorlegende Gericht, das die Zuständigkeit des Landes gemäß Art. 70 Abs. 1 GG weder für die Regelung der Beihilfe allgemein noch für die angegriffene Vorschrift im Besonderen in Abrede stellt, setzt sich mit dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht auseinander.
b) Das vorlegende Gericht macht - entgegen dem von ihm aufgestellten Prüfungsmaßstab - darüber hinaus nicht deutlich, inwiefern § 12a NWBVO in der Fassung des Haushaltssicherungsgesetzes 1998 in tatsächlicher Hinsicht eine mittelbare Regelung der Beamtenalimentation enthält. Die Vorlagebeschlüsse stützen sich insofern allein auf ein nicht näher begründetes obiter dictum des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 77, 345 <351>) und eine Stimme in der Literatur (Neuhäuser, NVwZ 1999, S. 824 <825>). Demgegenüber hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bereits durch Beschluss vom 15. September 1995 - 3 B 94.2210 - (zitiert nach: Schütz, Beamtenrecht, ES/C IV 2, Nr. 97, S. 332 <333>) den beihilferechtlichen Kostendämpfungsvorschriften des Bundes keine besoldungsrechtliche Relevanz beigemessen. Auch das Bundesverfassungsgericht hat - freilich in anderem Zusammenhang - eine mittelbare Beeinflussung zwischen einer Beihilfekürzung und der Höhe der Dienstbezüge ausdrücklich verneint (vgl. BVerfGE 83, 89 <99>). Das vorlegende Gericht hätte die unterschiedlichen Anknüpfungspunkte von Beihilfe und Alimentation beachten und darlegen müssen, warum seiner Ansicht nach hier eine besoldungsrechtsgleiche Wirkung von Beihilfevorschriften dennoch gegeben ist.
Das Bundesverfassungsgericht hat auf Grund eines vergleichbaren Gedankenganges eine Bewertung der Staffelung von Kindergartenbeiträgen nach dem Einkommen der Eltern als verdeckte Einkommensbesteuerung abgelehnt, weil diese Gebühr an die individuelle Inanspruchnahme einer (konkreten) staatlichen Leistung geknüpft ist (vgl. BVerfGE 97, 332 <343>). Hinzu kommt im vorliegenden Fall die - vom Beklagten im Ausgangsverfahren zur Vorlage 2 BvL 8/99 vorgetragene - geringe Höhe der Pauschale gemessen am Einkommen, die nach seinem Vortrag in keiner Besoldungsgruppe mehr als 1 v.H. betrage. Die Auswirkungen der gestaffelten Kostendämpfungspauschale auf das Besoldungsniveau wären dann so gering, dass von einer relevanten Verfälschung des bundesrechtlich intendierten Spannungsverhältnisses zwischen den Besoldungsgruppen durch den Landesgesetzgeber kaum ausgegangen werden kann. Die Vorlagebeschlüsse führen nicht aus, weshalb im vorliegenden Fall ausnahmsweise eine andere Bewertung geboten sein sollte.
c) Auch aus den vom vorlegenden Gericht referierten Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich nicht, dass der Landesgesetzgeber mit der angegriffenen Regelung besoldungsrechtliche Ziele verfolgen wollte. Der dort als Motiv genannte Aspekt der sozialen Gerechtigkeit ist auch im Rahmen der Beihilfegewährung, die in der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht wurzelt und auf einen angemessenen Ausgleich von krankheitsbedingten Mehrbelastungen unter Berücksichtigung der jeweils zumutbaren Eigenbelastung des Beamten gerichtet ist (vgl. BVerfGE 83, 89 <100>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 16. September 1992 - 2 BvR 1161/89 u.a. -, DVBl 1992, S. 1590; BayVGH, aaO), ein grundsätzlich legitimes Bemessungskriterium. Es findet etwa auch in den - vom vorlegenden Gericht ebenfalls nicht diskutierten - Kostendämpfungsregelungen des Bundes Berücksichtigung, wenn dort die durch § 6 Abs. 1 Nr. 2 BhV festgelegten Zuzahlungen bei Arzneimittelkäufen in Abs. 5 der Vorschrift auf maximal 2 v.H. des jährlichen Einkommens des Betroffenen begrenzt werden.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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