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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 08.05.2007
Aktenzeichen: 2 BvM 1/03
Rechtsgebiete: BVerfGG, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 80 Abs. 2
BVerfGG § 82 Abs. 3
BVerfGG § 83 Abs. 2
BVerfGG § 84
GG Art. 25
GG Art. 25 Abs. 2
GG Art. 56
GG Art. 100 Abs. 1
GG Art. 100 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES

- 2 BvM 1/03 - - 2 BvM 2/03 - - 2 BvM 3/03 - - 2 BvM 4/03 - - 2 BvM 5/03 - - 2 BvM 1/06 - - 2 BvM 2/06 -

In den Verfahren

zur verfassungsrechtlichen Prüfung der Frage,

ob der seitens der Beklagten erklärte Staatsnotstand wegen Zahlungsunfähigkeit diese kraft einer Regel des Völkerrechts berechtigt, die Erfüllung fälliger Zahlungsansprüche zeitweise zu verweigern, und gegebenenfalls, ob es sich dabei um eine allgemeine Regel des Völkerrechts handelt, die gemäß Artikel 25 des Grundgesetzes Bestandteil des Bundesrechts ist, die unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen - hier die Parteien - erzeugt,

I. a) Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 10. März 2003 in seiner abgeänderten Fassung vom 2. Juli 2003 - 31 C 2966/02 - 83 -,

b) Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 10. März 2003 in seiner abgeänderten Fassung vom 4. Juli 2003 - 31 C 3476/02 - 83 -,

c) Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 10. März 2003 in seiner abgeänderten Fassung vom 3. Juli 2003 - 31 C 3474/02 - 83 -,

d) Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 21. März 2003 in seiner abgeänderten Fassung vom 24. November 2003 - 31 C 3475/02 - 83 -,

e) Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 21. März 2003 in seiner abgeänderten Fassung vom 9. Dezember 2003 - 31 C 150/03 - 83 -

- 2 BvM 1-5/03 -,

II. Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Mai 2006 - 31 C 883/04 - 83 -

- 2 BvM 1/06 -,

III. Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 19. Mai 2006 - 30 C 1236/05 - 24 -

hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter Vizepräsident Hassemer, Broß, Osterloh, Di Fabio, Mellinghoff, Lübbe-Wolff, Gerhardt, Landau am 8. Mai 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Es ist keine allgemeine Regel des Völkerrechts feststellbar, die einen Staat gegenüber Privatpersonen berechtigt, die Erfüllung fälliger privatrechtlicher Zahlungsansprüche unter Berufung auf den wegen Zahlungsunfähigkeit erklärten Staatsnotstand zeitweise zu verweigern.

Gründe:

A. - I.

Die Republik Argentinien sieht sich seit 1999 mit erheblichen volkswirtschaftlichen Problemen konfrontiert, die sich zumindest zeitweise bis zu einer Finanzkrise des Staates ausgeweitet hatten. Argentinien bediente sich im Zusammenhang mit der Finanzkrise in bedeutendem Umfang des Instruments der Staatsanleihen im Ausland, um den Devisen- und Kapitalbedarf zu decken. Solche Anleihen wurden auch auf dem deutschen Kapitalmarkt aufgelegt und von deutschen Gläubigern gezeichnet.

Im Jahre 2000 erhielt die Republik Argentinien vom Internationalen Währungsfonds (IWF) einen Kredit in Höhe von 39,7 Mrd. U.S.-Dollar. Um die mit der Auszahlung verbundenen Auflagen zu erfüllen, leitete die Republik Argentinien drastische Haushaltskürzungen ein, die wiederum einen erheblichen Vertrauensverlust gegenüber der argentinischen Währung bewirkten. Die Folge war, dass Argentinien auf den Kapitalmärkten höhere Zinsen zu zahlen hatte, was vor dem Hintergrund der bestehenden volkswirtschaftlichen Probleme schließlich dazu führte, dass mit dem Gesetz Nr. 25.561 über den öffentlichen Notstand und die Reform des Wechselkurssystems vom 6. Januar 2002 der "öffentliche Notstand auf sozialem, wirtschaftlichem, administrativem, finanziellem und währungspolitischem Gebiet" erklärt wurde. Auf der Grundlage der daraufhin erlassenen Verordnung 256/2002 vom 6. Februar 2002 zur Umstrukturierung der Verbindlichkeiten und Schuldenzahlung der argentinischen Regierung wurde der Auslandsschuldendienst durch die argentinische Regierung ausgesetzt, um ihn neu zu ordnen. Das Gesetz über den öffentlichen Notstand wurde jährlich - zuletzt ein weiteres Mal bis zum 31. Dezember 2007 - verlängert.

Nach einer entsprechenden Entscheidung vom 15. Dezember 2005 zahlte die Republik Argentinien mittlerweile ihre vollständigen Außenstände an den IWF in Höhe von 9,6 Mrd. U.S.-Dollar vorzeitig zurück.

II.

1. Vor den Frankfurter Zivilgerichten sind mehrere Klagen deutscher Anleger gegen die Republik Argentinien anhängig. Mit Beschlüssen vom 10. März 2003 und 21. März 2003 legte das Amtsgericht zunächst die Frage vor, ob Regeln des Völkerrechts einer Verurteilung der Beklagten entgegenstehen.

2. Mit Beschlüssen vom 2. Juli 2003, 3. Juli 2003, 4. Juli 2003, 24. November 2003 und 9. Dezember 2003 fasste das Gericht die Vorlagebeschlüsse neu und legte nunmehr die Frage vor, ob der seitens der Beklagten erklärte Staatsnotstand wegen Zahlungsunfähigkeit diese kraft einer Regel des Völkerrechts berechtigt, die Erfüllung fälliger Zahlungsansprüche zeitweise zu verweigern und gegebenenfalls, ob es sich dabei um eine allgemeine Regel des Völkerrechts handelt, die gemäß Artikel 25 GG Bestandteil des Bundesrechts ist, die unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen - hier die Parteien - erzeugt.

Zur Begründung wird ausgeführt, die Vorlagefrage sei für die jeweiligen Verfahren entscheidungserheblich, weil die Klagen hinsichtlich der Hauptforderungen zulässig und begründet seien und nur aufgrund einer Anwendung des von der Beklagten behaupteten völkerrechtlichen Grundsatzes der Rechtfertigung einer Zahlungsverweigerung wegen des Staatsnotstands abgewiesen werden könnten. Das erkennende Gericht gehe von dem Vorliegen eines Staatsnotstands aus und sei der Auffassung, dass es über dessen tatsächliche Umstände nicht selbst urteilen könne. Ernsthafte Zweifel an dem Bestehen einer allgemeinen Regel des Völkerrechts zur Einwendbarkeit des Staatsnotstands ergäben sich daraus, dass es einen völkerrechtlichen Grundsatz des Staatsnotstands zwar gebe, der grundsätzlich auch die Nichterfüllung einer völkerrechtlichen Pflicht rechtfertigen könne, es aber an eindeutigen Entscheidungen internationaler Gerichte zu den Rechtsfolgen einer Zahlungsunfähigkeit gerade auch gegenüber fälligen Forderungen privater Dritter fehle.

3. Mit Beschlüssen vom 16. Mai 2006 und 19. Mai 2006 legte das Amtsgericht erneut zwei Verfahren zur selben Frage vor.

III.

1. Gemäß § 83 Abs. 2 BVerfGG wurde dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat und der Bundesregierung Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

Für die Bundesregierung nahm das Bundesministerium der Justiz mit Schreiben vom 30. Dezember 2003 zur völkerrechtlichen Wirkung des Staatsnotstands Stellung. Darin wird ausgeführt, dass Regelungen über die fehlende Einklagbarkeit von Ansprüchen gemäß Art. VIII Abschnitt 2 (b) des Abkommens über den Internationalen Währungsfonds in seiner Fassung vom 30. April 1976 (BGBl 1978 II S. 13 ff.) der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage nicht entgegenstünden. Nach Auffassung der Bundesregierung bestehe keine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG, die es einem Staat gestatte, Zahlungsverpflichtungen aus privatrechtlichen Verträgen durch Berufung auf einen Staatsnotstand einseitig auszusetzen. Zwar lägen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Staatsnotstand eine völkergewohnheitsrechtliche Verankerung erfahren habe. Dies gelte aber nur im Rahmen der engen Voraussetzungen des Art. 25 der Artikel zur Staatenverantwortlichkeit der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen, also nur für die Rechtfertigung der Verletzung völkerrechtlicher Pflichten. Zudem dürfe der Staat das Auftreten der Gefahr nicht selbst verursacht haben.

Hinsichtlich einer Übertragung dieser Grundsätze auf den Fall, in dem ein Staat wegen Überschuldung seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkomme, bestünden aber erhebliche Zweifel. Präzedenzfälle seien im Übrigen nur vereinzelt ersichtlich und ließen keine klare Rechtsüberzeugung erkennen. Die allgemeinen Grundsätze des Staatsnotstands seien auch nicht in einer Weise konkretisiert, dass sie direkt auf Fälle der Zahlungsunfähigkeit und eine daraus abgeleitete Rechtfertigung einer Vertragsverletzung angewandt werden könnten. Eine gewohnheitsrechtliche Regel müsste nicht nur einen Rechtfertigungsgrund beinhalten, sondern darüber hinaus auch den Durchgriff auf ein privatrechtliches Verhältnis anordnen. Dies würde eine Pflicht des Gerichtsstaates zum Schutz des Schuldnerstaates vor seinen Gläubigern voraussetzen. Eine solche Pflicht sei aber nicht ersichtlich. Argumente in der völkerrechtlichen Literatur, wonach ein privater Gläubiger nicht besser gestellt sein solle als ein staatlicher Gläubiger, griffen vorliegend nicht durch. Von einer generellen Besserstellung könne nicht gesprochen werden, da privaten Gläubigern im Regelfall spätestens im Vollstreckungsverfahren die Staatenimmunität entgegenhalten werde. Ein erklärter Immunitätsverzicht dürfe nicht über den Durchgriff eines völkerrechtlichen Ausnahmetatbestands auf privatrechtliche Verträge de facto unterlaufen werden.

2. Des Weiteren wurde dem Bundesgerichtshof Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Präsident des Bundesgerichtshofs verwies mit Schreiben vom 5. Dezember 2003 auf eine Äußerung der Vorsitzenden des IX. und IXa. Zivilsenats. Darin teilten diese mit, es seien zum damaligen Zeitpunkt zwei Rechtsbeschwerden anhängig, deren Entscheidungszeitpunkt noch nicht absehbar sei. Im Übrigen seien die genannten Zivilsenate mit den in den Vorlageverfahren aufgeworfenen Rechtsfragen noch nicht befasst gewesen.

3. Den Parteien der Ausgangsverfahren wurde gemäß § 82 Abs. 3, § 84 BVerfGG Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

a) Die Kläger der Ausgangsverfahren führen im Wesentlichen aus, die Republik Argentinien habe sich bereits im Jahre 2003 nicht mehr im Staatsnotstand befunden, jedenfalls aber sei ein solcher selbstverschuldet, sodass eine Berufung darauf ausgeschlossen werden müsse. Zum Beleg verweisen sie auf Statistiken und umfangreiches Datenmaterial zur positiven Wirtschaftsentwicklung in Argentinien sowie auf ausländische Gerichtsurteile, in denen der Staatsnotstand nicht als Hinderungsgrund für eine Verurteilung und Vollstreckung fälliger Zahlungsansprüche zu Gunsten privater Gläubiger anerkannt worden sei.

b) Die Republik Argentinien nahm mit Schriftsatz vom 4. Februar 2004 zu den im Jahre 2003 vorgelegten Verfahren Stellung und legte ein von ihr in Auftrag gegebenes gemeinsames Gutachten von Prof. Dr. Michael Bothe und Prof. Dr. Gerhard Hafner vor. Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2006 nahm die Republik Argentinien außerdem zu den Vorlagen aus dem Jahre 2006 Stellung und bekräftigte darin ihre Auffassung, sich auch im Verfahren vor den deutschen Gerichten gegenüber privaten Gläubigern auf den Staatsnotstand als rechtfertigende Einrede berufen zu können.

Nach Auffassung der Republik Argentinien handelt es sich bei dem Rechtfertigungsgrund des Staatsnotstands um eine Regel des Völkergewohnheitsrechts. Die Staatenverantwortlichkeit sei bislang nicht kodifiziert, sodass Regeln über die Begründung der Verantwortlichkeit wie auch über die Rechtfertigung an sich rechtswidrigen Verhaltens dem Gewohnheitsrecht zugeordnet werden müssten. Die gewohnheitsrechtliche Anerkennung des Staatsnotstands als Rechtfertigungsgrund ergebe sich aus den Arbeiten der Völkerrechtskommission, den Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs und der einschlägigen völkerrechtlichen Literatur.

Notstand bestehe, wenn wesentliche Interessen des Staates gefährdet seien. Zwar ließen sich diese Interessen nicht objektiv in allgemein gültiger Weise definieren, es müsse aber nicht erst die Existenz des Staates selbst auf dem Spiel stehen, um den Notstand zu begründen. Bei der Zahlungsfähigkeit eines Staates handele es sich um ein schutzwürdiges wesentliches Interesse. Sei ein Staat zahlungsunfähig, werde die Erfüllbarkeit aller Staatszwecke beeinträchtigt. Aus der internationalen Judikatur und Doktrin folge, dass ein Staat sich auch in wirtschaftlichen und finanziellen Notlagen auf den Staatsnotstand berufen könne. Die Notstandshandlung müsse im Übrigen die einzige Möglichkeit zur Gefahrenabwehr sein und einer Interessen- und Güterabwägung standhalten. Beide Kriterien seien hier erfüllt. Zwar scheide eine Berufung auf den Staatsnotstand aus, wenn ein Staat die Notstandslage selbst verschuldet habe, die Beurteilung wirtschaftspolitischer Wertungen sei aber einer gerichtlichen Kontrolle nicht zugänglich und beschränke sich auf eine reine Willkürkontrolle. Im Falle einer Finanzkrise sei der Beweis der Kausalität eines bestimmten Verhaltens wegen der Abhängigkeit der nationalen Wirtschaft von globalen wirtschaftlichen Zusammenhängen außerdem nicht möglich.

Zur Übertragbarkeit der Regeln über den völkerrechtlichen Notstand auf Privatrechtsverhältnisse führt die Republik Argentinien aus, der wirtschaftliche Notstand könne gegenüber Privaten vor den Gerichten der Bundesrepublik Deutschland eingewendet werden. Die Artikel zur Staatenverantwortlichkeit stünden einer Erstreckung auf Privatrechtsverhältnisse jedenfalls nicht entgegen. Lege man Art. 25 der Artikel zur Staatenverantwortlichkeit so aus, dass sich dieser auf internationale Verpflichtungen beschränke, so verweise Art. 56 ausdrücklich auf die Ergänzung der Artikel durch weiteres Völkergewohnheitsrecht. Die internationale Judikatur umfasse eine Reihe von Fällen, in denen der Notstand zur Rechtfertigung einer Zahlungsverweigerung zugelassen werde. Ferner würden finanzielle Verpflichtungen gegenüber Privatpersonen zu international obligations, sofern sie im Wege des diplomatischen Schutzrechts auf völkerrechtliche Ebene gehoben würden.

IV.

Der erkennende Senat beauftragte Prof. Dr. August Reinisch mit der Erstellung eines Gutachtens zur Frage der völkerrechtlichen Geltung und Wirkung des Staatsnotstands. Das Gutachten sollte insbesondere Aussagen dazu enthalten, ob der Staatsnotstand als Rechtfertigungsgrund im Völkerrecht gewohnheitsrechtlich verankert sei, wie die Staatenpraxis zur Anerkennung des Staatsnotstands im internationalen Rechtsverkehr sei und welche praktischen Auswirkungen der finanzielle Notstand eines Staates auf Verfahren vor ausländischen nationalen Gerichten habe.

Auf der Grundlage einer Erörterung der einschlägigen Völkerrechtspraxis kommt der Gutachter zu dem Schluss, es gebe keine gewohnheitsrechtlich verankerte Regel des Völkerrechts, die besagt, dass der völkerrechtliche Rechtfertigungsgrund des Staatsnotstands auch in Privatrechtsverhältnissen gegenüber Privaten vor nationalen Gerichten eingewendet werden könne. Die Spruchpraxis internationaler Gerichte und Tribunale liefere keine eindeutigen Hinweise darauf, dass der völkerrechtliche Rechtfertigungsgrund des Staatsnotstands auch auf privatrechtliche Schuldverträge einwirke. Auch die Literatur gebe kaum Anhaltspunkte für die Entscheidung über die Relevanz des Notstands im Verhältnis eines Staates zu Privaten aufgrund von Darlehensverhältnissen, die dem nationalen Recht unterliegen. Zwar gebe es verschiedene Stellungnahmen, die für eine Gleichbehandlung von völkerrechtlichen und privatrechtlichen Verhältnissen einträten, das Fehlen einschlägiger Verfahren spreche aber gegen eine Verpflichtung nationaler Gerichte, den Staatsnotstand als Rechtfertigung für die Nichterfüllung anzuerkennen. Ausgeschlossen sei eine Berücksichtigung auf der Grundlage innerstaatlichen Rechts hingegen nicht. Die Praxis nationaler Gerichte zeige im Hinblick auf die Übertragbarkeit der Regeln des völkerrechtlichen Notstands bisher aber keine einheitliche Linie. Die Rechtsprechung gehe vielfach auf das Argument des Staatsnotstands gar nicht ein, sondern lasse die Zulässigkeit eines Verfahrens an der Frage der Staatenimmunität scheitern.

B.

Die Vorlagen sind zulässig.

1. Die Vorlagefragen sind dahingehend zu konkretisieren, dass die entscheidungserhebliche Frage die mögliche Einwendung des Staatsnotstands gegenüber Privatpersonen und in Bezug auf fällige privatrechtliche Zahlungsansprüche betrifft. Aus der Begründung der Beschlüsse in Verbindung mit den Verfahrensumständen ergibt sich, dass privatrechtliche Zahlungsansprüche privater Gläubiger gegenüber einem ausländischen Staat in Frage stehen und das Amtsgericht zweifelt, ob es eine allgemeine Regel des Völkerrechts gibt, die gerade in dieser Konstellation eine Berufung auf den Notstand anerkennt.

2. Die Vorlage eines Fachgerichts an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 2 GG ist zulässig, wenn in einem Rechtsstreit die Existenz oder Tragweite einer allgemeinen Regel des Völkerrechts zweifelhaft ist (vgl. BVerfGE 15, 25 <31>; 16, 27 <32>; 46, 342 <358>; 75, 1 <11 f.>). Zudem muss das vorlegende Gericht die Entscheidungserheblichkeit in zureichender Weise dartun (vgl. BVerfGE 4, 319 <321>; 15, 25 <30>; 16, 27 <32 f.>; 75, 1 <12>; Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2006 - 2 BvM 9/03 -, DVBl 2007, S. 242 ff.). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Ernst zu nehmende Zweifel sind bereits deswegen anzunehmen, weil das Amtsgericht dargelegt hat, dass es keine einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung zu den vorgelegten Fragen gebe und die Judikatur internationaler Gerichte zur Übertragbarkeit des Rechtfertigungsgrundes des Staatsnotstands auf das Verhältnis zu Privatpersonen nicht in für die Vorlagefragen entscheidender Weise Stellung nehme.

Das Amtsgericht hat in seinen Vorlagebeschlüssen in zureichender Weise dargetan, dass die verfassungsgerichtliche Entscheidung über das Bestehen einer allgemeinen Regel des Völkerrechts für die fachgerichtlichen Verfahren vorgreiflich ist. In den Ausgangsverfahren kommt es nach der Darlegung des Amtsgerichts auf die Wirkung des Staatsnotstands als mögliche allgemeine Regel des Völkerrechts maßgeblich an. Im Grundsatz unterwirft sich ein Staat, der im Ausland privatwirtschaftlich tätig wird und der Anwendung der Regeln der Zivilrechtsordnung und -gerichtsbarkeit des Gerichtsstaates zustimmt, dieser nationalen Ordnung und deren Regeln in vollem Umfang. Die besondere Relevanz des Völkerrechts und daran anknüpfend die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen ergibt sich jedoch daraus, dass im Einzelfall, beruhend auf der völkerrechtlichen Souveränität von Staaten, Ausnahmen von der Gleichbehandlung eines Staates mit Privatpersonen bestehen. Dies gilt, auch wenn ein Staat privatwirtschaftlich tätig wird, beispielsweise dann, wenn die Fachgerichte über die Vollstreckung in hoheitlich genutztes Vermögen eines Staates zu entscheiden haben (vgl. auch BVerfGE 46, 342 ff.; Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2006 - 2 BvM 9/03 -, a.a.O.).

Die Annahme des vorlegenden Gerichts, der Staatsnotstand dauere auch gegenwärtig an, ist im Hinblick darauf, dass die Republik Argentinien das Gesetz über den öffentlichen Notstand bis zum 31. Dezember 2007 verlängert hat (Gesetz 26.204 vom 13. Dezember 2006 zur Verlängerung des Gesetzes 25.561), jedenfalls nicht unvertretbar.

Besteht eine allgemeine Regel des Völkerrechts, die es der Republik Argentinien gestattet, sich auch im Privatrechtsverhältnis gegenüber ihren Gläubigern auf den völkerrechtlichen Notstand als Rechtfertigung für eine Zahlungsverweigerung zu berufen, könnte ein Urteil, so lange diese Einrede wirkt, jedenfalls nicht für vollstreckbar erklärt werden. Ergibt das Normverifikationsverfahren hingegen, dass die Republik Argentinien gegenüber den Gläubigern den Staatsnotstand nicht einwenden kann, ist das vorlegende Gericht nicht gehindert, seine Entscheidung ohne Berücksichtigung des Einwands der Zahlungsunfähigkeit auf Grundlage der geltenden Bundesgesetze zu treffen.

C.

Eine allgemeine Regel des Völkerrechts, die einen Staat gegenüber Privatpersonen berechtigt, die Erfüllung fälliger privatrechtlicher Zahlungsansprüche unter Berufung auf den wegen Zahlungsunfähigkeit erklärten Staatsnotstand zeitweise zu verweigern, ist gegenwärtig nicht feststellbar.

Eine Regel des Völkerrechts ist dann allgemein im Sinne des Art. 25 GG, wenn sie von der überwiegenden Mehrheit der Staaten anerkannt wird (vgl. BVerfGE 15, 25 <34>). Die Allgemeinheit der Regel bezieht sich auf deren Geltung, nicht auf den Inhalt, wobei eine Anerkennung durch alle Staaten nicht erforderlich ist. Ebensowenig ist es erforderlich, dass gerade die Bundesrepublik Deutschland die Regel anerkannt hat.

Allgemeine Regeln des Völkerrechts sind Regeln des universell geltenden Völkergewohnheitsrechts, ergänzt durch aus den nationalen Rechtsordnungen tradierte allgemeine Rechtsgrundsätze (vgl. BVerfGE 15, 25 <32 ff.>; 16, 27 <33>; 23, 288 <317>; 94, 315 <328>; 96, 68 <86>). Ob eine Regel eine solche des Völkergewohnheitsrechts ist oder ob es sich um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz handelt, ergibt sich aus dem Völkerrecht selbst, welches die Kriterien für die Völkerrechtsquellen vorgibt. Nach einhelliger Auffassung bezieht sich Art. 25 GG dagegen nicht auf völkervertragliche Regelungen. Völkerrechtliche Verträge sind von den Fachgerichten selbst anzuwenden und auszulegen (vgl. BVerfGE 15, 25 <32 f., 34 f.>; 16, 27 <33>; 18, 441 <450>; 59, 63 <89>; 99, 145 <160>; Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Dezember 2000 - 2 BvR 1290/99 -, JZ 2001, S. 975; stRspr). An die Feststellung einer allgemeinen Regel des Völkerrechts sind wegen der darin zum Ausdruck kommenden grundsätzlichen Verpflichtung aller Staaten hohe Anforderungen zu stellen.

1. Das Völkerrecht kennt weder ein einheitliches noch ein kodifiziertes Konkursrecht der Staaten (vgl. Ohler, Der Staatsbankrott, JZ 2005, S. 590 <592>; Baars/Böckel, Argentinische Auslandsanleihen vor deutschen und argentinischen Gerichten, ZBB 2004, S. 445 <458>). Zwar enthalten einzelne völkerrechtliche Abkommen allgemeine Notstandsklauseln; ob diese sich aber auf den wirtschaftlichen Notstand beziehen, ist im Einzelfall ebenso auslegungsbedürftig wie die näheren Voraussetzungen der Berufung auf den Notstand im Falle der Zahlungsunfähigkeit in völkerrechtlichen und privatrechtlichen Rechtsverhältnissen. Die Regelungen der Rechtsfolgen der Zahlungsunfähigkeit eines Staates sind damit fragmentarischer Natur und können, wenn sich die entsprechende Verfestigung anhand der völkerrechtlichen Kriterien nachweisen lässt, nur dem Völkergewohnheitsrecht oder den allgemeinen Rechtsgrundsätzen zuzuordnen sein.

2. Im Völkergewohnheitsrecht ist zwar die Berufung auf den Staatsnotstand in solchen Rechtsverhältnissen anerkannt, die ausschließlich dem Völkerrecht unterliegen; für eine Erstreckung der Rechtfertigung auf Privatrechtsverhältnisse zu privaten Gläubigern fehlt es hingegen an Belegen für eine von der notwendigen Rechtsüberzeugung (opinio juris sive necessitatis) getragene Staatenpraxis.

a) Der Grundsatz, dass ein Verhalten, das mit der jeweiligen Rechtsordnung nicht in Einklang steht, unter besonderen Umständen gerechtfertigt sein kann, ist den nationalen Rechtsordnungen wie auch dem Völkerrecht inhärent. Nationale Rechtsordnungen kennen ganz allgemein sowohl den strafrechtlichen als auch den zivilrechtlichen Notstand als Rechtfertigung für ein ansonsten rechtswidriges Verhalten, selbst wenn sich die konkrete Ausgestaltung der Voraussetzungen für die Annahme der Rechtfertigung unterscheiden mag. Bereits in seinem Völkerrechtslehrbuch aus dem Jahre 1898 stellte von Liszt fest, dass die strafrechtlich und privatrechtlich anerkannten Begriffe der Notwehr und des Notstands auch auf dem Gebiet des Völkerrechts die Rechtswidrigkeit der begangenen Verletzung ausschließen können (von Liszt, Das Völkerrecht, 1898, S. 128 f.).

b) Im Zusammenhang mit der Anerkennung und Wirkung des völkerrechtlichen Staatsnotstands wird zum Beleg der gewohnheitsrechtlichen Geltung zuvörderst auf die Arbeiten der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen (International Law Commission - ILC) zur Staatenverantwortlichkeit und deren Rezeption in der Judikatur internationaler Gerichtshöfe und Schiedsgerichte verwiesen. Nach mehrjährigen Beratungen und mehreren Entwürfen legte die Völkerrechtskommission im Jahre 2001 der Generalversammlung der Vereinten Nationen einen Konventionsentwurf zum Thema Responsibility of States for internationally wrongful acts vor, die so genannten Artikel zur Staatenverantwortlichkeit (Articles on State Responsibility - Annex zur Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen A/RES/56/83; im Folgenden: ILC-Artikel zur Staatenverantwortlichkeit).

Die ILC-Artikel zur Staatenverantwortlichkeit setzen sich im Wesentlichen mit Fragen der Zurechenbarkeit und Folgen der Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen durch Staaten auseinander. Als Rechtfertigungsgrund ist in diesem Kodifikationsentwurf auch der völkerrechtliche Staatsnotstand geregelt (Art. 25). Der Entwurf hat bislang nicht zum Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages geführt. Das Dokument ist von der Generalversammlung der Vereinten Nationen zwar am 12. Dezember 2001 angenommen worden. Dies führt aber weder eo ipso zu einer gewohnheitsrechtlichen Geltung noch zu einer rechtlich verbindlichen Geltung aus anderem Grund, kann allerdings Indiz einer Rechtsüberzeugung sein, wie sie für die Herausbildung von Gewohnheitsrecht erforderlich ist. Im Ergebnis ist im Schrifttum wie auch in der Einschätzung internationaler Gerichte und Tribunale inzwischen allgemein anerkannt, dass Art. 25 der ILC-Artikel zur Staatenverantwortlichkeit geltendes Völkergewohnheitsrecht darstellt. Die Kommentare der Völkerrechtskommission während des Kodifikationsprozesses belegen für diese Vorschrift das erklärte Ziel, durch eine Bewertung der Staatenpraxis und der Entscheidungen internationaler Gerichtshöfe sowie eine Auswertung der Schriften anerkannter Völkerrechtswissenschaftler Inhalt und Umfang der gewohnheitsrechtlichen Geltung des Konzepts herauszufinden und in der Kodifikation abzubilden (International Law Commission, State Responsibility, Yearbook of the International Law Commission 1980, Vol. II, u.a. Rn. 55 und 78).

Art. 25 der ILC-Artikel zur Staatenverantwortlichkeit lautet in deutscher Übersetzung:

1. Ein Staat kann sich nur dann auf einen Notstand als Grund für den Ausschluss der Rechtswidrigkeit einer Handlung, die mit einer völkerrechtlichen Verpflichtung dieses Staates nicht im Einklang steht, berufen, wenn die Handlung:

a) die einzige Möglichkeit für den Staat ist, ein wesentliches Interesse vor einer schweren und unmittelbar drohenden Gefahr zu schützen, und

b) kein wesentliches Interesse des Staates oder der Staaten, gegenüber denen die Verpflichtung besteht, oder der gesamten internationalen Gemeinschaft ernsthaft beeinträchtigt.

2. In keinem Fall kann ein Staat sich auf einen Notstand als Grund für den Ausschluss der Rechtswidrigkeit berufen,

a) wenn die betreffende völkerrechtliche Verpflichtung die Möglichkeit der Berufung auf einen Notstand ausschließt oder

b) wenn der Staat zu der Notstandssituation beigetragen hat.

Dem Wortlaut nach handelt es sich bei dem Notstand nach Art. 25 der ILC-Artikel zur Staatenverantwortlichkeit um einen Rechtfertigungsgrund in einem Völkerrechtsverhältnis. Der Notstand schließt nämlich, sofern die Voraussetzungen vorliegen, nur die Rechtswidrigkeit des Bruchs einer völkerrechtlichen Verpflichtung aus.

c) In einer Grundsatzentscheidung zu Gunsten der Berufung auf den Staatsnotstand im Verhältnis zweier Staaten zueinander entschied der Internationale Gerichtshof (IGH) im Gabcíkovo-Nagymaros-Fall, dass das Völkergewohnheitsrecht einen Staatsnotstand anerkenne, der die Rechtswidrigkeit einer Handlung, die ansonsten mit dem Völkerrecht nicht in Einklang stehe, entfallen lasse (Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs vom 25. September 1997, Gabcíkovo-Nagymaros Project <Hungary/Slovakia>, I.C.J. Reports 1997, S. 7 ff. Rn. 51). Im Hinblick auf die Voraussetzungen des Notstands verweist der Internationale Gerichtshof auf die restriktiven Voraussetzungen des damaligen Art. 33 des Entwurfs der ILC-Artikel zur Staatenverantwortlichkeit, der sich mit dem heutigen Art. 25 weitestgehend deckt, und kommt zu dem Schluss, dass auch diese das Gewohnheitsrecht widerspiegelten.

Das Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs aus dem Jahre 2004 betreffend den Bau von israelischen Sperrmaßnahmen bekräftigt die Auffassung des Gerichts hinsichtlich der gewohnheitsrechtlichen Anerkennung des Notstands (Rechtsgutachten <Advisory opinion> des Internationalen Gerichtshofs vom 9. Juli 2004, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, 43 International Legal Materials 2004, S. 1009 ff. Rn. 140).

Zu dem gleichen Ergebnis gelangte auch der Internationale Seegerichtshof in seiner Entscheidung vom 1. Juli 1999 (The M/V Saiga <No. 2> Case, 38 International Legal Materials 1999, S. 1323 ff. Rn. 134) betreffend die Beschlagnahme eines Schiffes vor der Küste von Guinea. Zwar wurde in diesem Verfahren im Ergebnis die Berufung auf den Staatsnotstand abgelehnt; dies begründete der Gerichtshof aber damit, dass die Voraussetzungen im konkreten Fall mangels einer ernsthaften Beeinträchtigung eines wesentlichen staatlichen Interesses nicht vorgelegen hätten. Die gewohnheitsrechtliche Anerkennung des Staatsnotstands als Rechtfertigung für die Verweigerung einer völkerrechtlichen Pflicht im zwischenstaatlichen Bereich wurde hingegen ausdrücklich angenommen.

3. Die einschlägige Rechtsprechung internationaler und nationaler Gerichte und die Stellungnahmen des völkerrechtlichen Schrifttums erlauben nicht die positive Feststellung einer allgemeinen Regel des Völkerrechts, wonach ein Staat über den auf Völkerrechtsverhältnisse beschränkten Anwendungsbereich des Art. 25 der ILC-Artikel zur Staatenverantwortlichkeit hinaus berechtigt wäre, nach Erklärung des Staatsnotstandes wegen Zahlungsunfähigkeit auch die Erfüllung fälliger Zahlungsansprüche in Privatrechtsverhältnissen gegenüber privaten Gläubigern zeitweise zu verweigern. Es fehlt an einer einheitlichen Staatenpraxis, die einen solchen Rechtfertigungsgrund kraft Völkerrechts anerkennt. Dem Bundesverfassungsgericht steht es im Rahmen eines Normverifikationsverfahrens nicht zu, eine bestehende allgemeine Regel des Völkerrechts tatbestandlich auszudehnen.

a) Die Praxis internationaler Gerichtshöfe bildet keine hinreichende Grundlage für die Anerkennung einer Einwendung eines Staatsnotstands gegenüber Privatpersonen. Die Entscheidungen internationaler Gerichtshöfe sind regelmäßig wichtige Anhaltspunkte für eine gewohnheitsrechtliche Verankerung bestimmter Regeln des Völkerrechts, weil diese sich - oftmals im Gegensatz zu Entscheidungen nationaler Gerichte - mit der völkerrechtlichen Qualifikation und Geltung bestimmter Normen auseinandersetzen. Auch die Entscheidungen von internationalen Schiedsgerichten werden seit jeher als Indikatoren für das Bestehen von Völkergewohnheitsrecht herangezogen. Während Gerichtshöfe wie der Internationale Gerichtshof oder der Internationale Seegerichtshof ihren Statuten nach regelmäßig auf die Klärung solcher Völkerrechtsfragen beschränkt sind, die das Verhältnis zweier oder mehrerer Staaten oder anderer Völkerrechtssubjekte zueinander zum Gegenstand haben, können internationale Schiedsgerichte auch Fälle verhandeln, die wirtschaftliche Streitigkeiten zwischen Staaten und Privaten betreffen.

aa) Das International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID), das als Schiedsgericht fungiert und organisatorisch der Weltbank angegliedert ist, hat bereits mehrfach die Berufung von Staaten auf den Notstand als Rechtfertigung geprüft. In diesen Verfahren waren die Antragsteller teilweise dem Privatrecht unterliegende juristische Personen. Dennoch geben diese Fälle keine Anhaltspunkte für die Übertragbarkeit der Einrede des Staatsnotstands auf Privatrechtsverhältnisse.

Es ist insoweit danach zu unterscheiden, ob die gerügte Pflichtverletzung und deren Rechtfertigung durch die Einrede des Notstands sich auf das völkerrechtliche Investitionsschutzabkommen oder auf einen privatrechtlichen Vertrag zwischen Investor und Staat beziehen. Beides ist im Zusammenhang mit den Kompetenzen des International Centre for Settlement of Investment Disputes grundsätzlich möglich. Die einschlägigen Verfahren zum Staatsnotstand betrafen allerdings die Rüge der Pflichtverletzung aus den zwischenstaatlichen Investitionsabkommen, die als völkerrechtliche Verträge zu qualifizieren sind, und gerade nicht die unmittelbaren privatrechtlichen Ansprüche des Investors. Aus völkerrechtlicher Sicht besteht die Besonderheit der Schlichtung von Streitigkeiten vor dem International Centre for Settlement of Investment Disputes darin, dass Private als Antragsteller die Verletzung eines zwischenstaatlichen, völkerrechtlichen Abkommens rügen können. Inhaltlich wird somit die Verletzung einer Pflicht gerügt, die nicht unmittelbar dem privaten Antragsteller, sondern dessen Heimatstaat gegenüber geschuldet wird, obwohl der Schutzzweck des Abkommens auf die Interessen der privaten Investoren ausgerichtet ist. Rechte und Pflichten des Gegnerstaates ergeben sich in solchen Fallgestaltungen aus einem völkerrechtlichen Vertrag, in dem außerdem regelmäßig eine eigene Notstandsklausel enthalten ist, mithin also aus einem Völkerrechtsverhältnis.

In der Entscheidung des ICSID-Tribunals im Fall CMS Gas Transmission Company v. The Argentine Republic (ICSID Case No. ARB/01/8) vom 12. Mai 2005, die im Zusammenhang mit dem argentinischen Staatsnotstand regelmäßig zitiert wird, handelte es sich um die rechtliche Bewertung der Verletzung des zugrunde liegenden völkerrechtlichen Vertrages zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Republik Argentinien und nicht um die Einwendung des Staatsnotstands im Privatrechtsverhältnis.

Am 3. Oktober 2006 entschied das ICSID-Tribunal im Fall LG&E Energy Corp v. The Argentine Republic, dass sich die Republik Argentinien für den Zeitraum zwischen 2001 und 2003 als Rechtfertigung für die Verletzung ihrer Pflichten aus dem bilateralen Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika auf Staatsnotstand berufen könne (ICSID Case No. ARB/02/1 <Decision on Liability> Rn. 267). Auch diese erstmalige Anerkennung des argentinischen Staatsnotstands als Rechtfertigung für eine zeitweilige Zahlungsverweigerung in einer Investitionsschutzstreitigkeit durch das ICSID ist für die Frage der Einwendbarkeit des Notstands in Privatrechtsverhältnissen unergiebig. Auch hier beschränkte sich die Einrede des Notstands auf die völkerrechtlichen Pflichten zwischen den Staaten als Parteien des völkerrechtlichen Investitionsschutzvertrages. Zu der Frage, ob einem Privaten der Staatsnotstand unmittelbar entgegengehalten werden könne, nimmt die Entscheidung nicht Stellung.

bb) Von der Republik Argentinien wird in ihrer Äußerung zu den Vorlagen besonderes Gewicht auf die Entscheidung im so genannten Serbian Loans-Fall des Ständigen Internationalen Gerichtshofs gelegt, dem vom Völkerbund etablierten Vorgänger des heutigen Internationalen Gerichtshofs (Entscheidung des Ständigen Internationalen Gerichtshofs vom 12. Juli 1929, Case Concerning the Payment of Various Serbian Loans issued in France, Publications of the Permanent Court of International Justice, Serie A, Nr. 20/21 <1929>, Urteil Nr. 14, S. 5 ff.).

In diesem Verfahren entschied der Ständige Gerichtshof, dass die streitbefangenen von französischen Privatpersonen gehaltenen Anleihen dem Privatrecht unterlagen, da jeder Vertrag, der nicht als Vertrag zwischen Staaten in ihrer Eigenschaft als Völkerrechtssubjekte zu qualifizieren ist, dem nationalen Recht eines Staates unterliegen müsse (vgl. Entscheidung des Ständigen Internationalen Gerichtshofs vom 12. Juli 1929, a.a.O., S. 41 ff.). Die Zahlungsverpflichtung des serbischen Staates bestand, wie auch in den Ausgangsverfahren der hier anhängigen Vorlagen, gegenüber Privatpersonen.

Gerügt wurde vor dem Ständigen Gerichtshof allerdings nicht die Verletzung privatrechtlicher Zahlungspflichten, sondern die Verletzung des völkerrechtlichen Fremdenrechts. Diese Rüge wurde vom Heimatstaat der privaten Gläubiger im Wege des diplomatischen Schutzrechts vor den Gerichtshof zur Entscheidung über die zwischenstaatliche Pflichtverletzung gestellt. Dies hängt zusammen mit der Zuständigkeit des Ständigen Gerichtshofs, die sich auf Streitigkeiten zwischen Staaten beschränkt. Die Frage, ob es sich um einen Rechtsstreit zwischen Staaten oder zwischen einem Staat und Privatpersonen handelt, ist vom Ständigen Gerichtshof ausführlich erörtert und zu Gunsten einer zwischenstaatlichen Streitigkeit entschieden worden.

Der Gerichtshof führt aus, dass die Meinungsverschiedenheit zwischen den beiden Staaten inhaltlich zwar gleichbedeutend mit der zugrunde liegenden Streitigkeit zwischen dem serbischen Königreich und den französischen Gläubigern, rechtlich davon aber zu unterscheiden sei, weil es sich um die Geltendmachung der Schutzpflichten eines Staates zu Gunsten seiner Staatsangehörigen gegenüber einem anderen Staat handele (vgl. Entscheidung des Ständigen Internationalen Gerichtshofs vom 12. Juli 1929, a.a.O., S. 18). Insofern unterscheiden sich auch die allein zwischenstaatlich definierten Maßstäbe dieser Entscheidung, in deren Zusammenhang auch ein Notstand unter dem Begriff der Höheren Gewalt (force majeure) erörtert wird, von denen, die es an die Entscheidung über die Vorlagefrage anzulegen gilt. Vielmehr differenziert die Entscheidung zwischen völkerrechtlichen Verträgen einerseits und Anleihen zwischen Staaten und Privatpersonen andererseits (vgl. Entscheidung des Ständigen Internationalen Gerichtshofs vom 12. Juli 1929, a.a.O., S. 40) und gibt keinen Anhaltspunkt für eine gewohnheitsrechtliche Regel, nach der die Berufung auf einen Notstand auch in Privatrechtsverhältnissen möglich ist.

Gleiches gilt für die Entscheidung eines Schiedsgerichts, der Französisch-Venezolanisch Gemischten Schiedskommission (Mixed Claims Commission France-Venezuela), im Fall French Company of Venezuelan Railroads (Entscheidung der Französisch-Venezolanisch Gemischten Schiedskommission vom 31. Juli 1905, United Nations Reports of International Arbitral Awards - UNRIAA, Bd. X, 1962, S. 285 ff.). Zwar scheint die Streitigkeit auf einer Klage einer französischen juristischen Person des Privatrechts gegen den Staat Venezuela zu beruhen, da über die Frage der venezolanischen Verantwortlichkeit für den Ruin einer privaten französischen Firma zu entscheiden war. Dass es sich dabei aber im Kern um eine zwischenstaatliche Streitigkeit handelt, in der Frankreich auf Grundlage des Fremdenrechts für seine Staatsangehörigen eintritt, ergibt sich daraus, dass der Streit auf Grundlage eines zwischenstaatlichen Vertrages geschlichtet wurde, und zwar durch die Zuerkennung einer Geldzahlung an einen Privaten, die aber von Frankreich geltend gemacht worden war (Entscheidung der Französisch-Venezolanisch Gemischten Schiedskommission vom 31. Juli 1905, a.a.O., S. 285 f.).

Diese Entscheidung, wie auch die im Serbian Loans-Fall, stammt aus einer Zeit, in der unmittelbare gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen Staaten und Privaten rechtlich nahezu ausgeschlossen waren, weil noch weitgehend der Grundsatz der absoluten Immunität von Staaten in nationalen Gerichtsverfahren galt und Privatpersonen vor internationalen Gerichtshöfen nicht antragsberechtigt waren. Eine Durchsetzung von Ansprüchen konnte nur mittels des Heimatstaates unter Zuhilfenahme der Rechtsfigur des diplomatischen Schutzes angestrebt werden. Grundlage der Entscheidung war in solchen Streitigkeiten folglich das Völkerrechtsverhältnis zwischen zwei Staaten. Für die heutzutage üblichen direkten Auseinandersetzungen vor nationalen Gerichten können diese rein zwischenstaatlichen Verfahren nicht als Anhaltspunkte für die Bewertung der Staatenpraxis zur direkten Einwendung des Staatsnotstands gegenüber Privaten herangezogen werden.

Der Umstand, dass es sich um eine Streitigkeit zwischen zwei Staaten bezüglich der Rückzahlung von Schulden und nicht um ein Privatrechtsverhältnis zwischen einem Staat und einer Privatperson handelte, verbietet es auch, aus dem Verfahren betreffend die Russischen Entschädigungen aus dem Jahre 1912 Schlüsse auf die Übertragbarkeit des völkerrechtlichen Notstands auf Privatrechtsverhältnisse zu ziehen (Entscheidung vom 11. November 1912, Affaire de l'indemnité Russe, UNRIAA, Bd. XI, 1962, S. 421 ff.). In seinem Spruch stellt das Schiedstribunal zwar ausdrücklich fest, der Notstand sei eine Figur, die im Völkerrecht ebenso anwendbar sei wie im Privatrecht (vgl. Entscheidung vom 11. November 1912, a.a.O., S. 443). Hier ging es aber um eine Streitigkeit zwischen Russland und der Türkei, in der die russische Regierung ausdrücklich die Verantwortlichkeit eines Staates für die fehlende Bedienung von Geldschulden geltend machte (vgl. Entscheidung vom 11. November 1912, a.a.O., S. 438). Aus diesem Kontext der rein zwischenstaatlichen Streitigkeit ergibt sich, dass der Verweis auf die Geltung des Notstandsgedankens im Privatrecht nur dazu dienen sollte, diesen Gedanken für die Begründung auch des völkerrechtlichen Notstands nutzbar zu machen. In diesem Sinne stellt das Schiedsgericht fest, dass das Völkerrecht sich insoweit den politischen Notwendigkeiten anpassen müsse (vgl. Entscheidung vom 11. November 1912, a.a.O., S. 443).

b) Auch die Betrachtung der nationalen Rechtsprechung zur Frage des Staatsnotstands führt mangels übereinstimmender Praxis nicht zu dem Ergebnis, dass die Anerkennung des Staatsnotstands mit Auswirkung auf Privatrechtsverhältnisse gewohnheitsrechtlich verankert ist. Die einschlägigen Entscheidungen nehmen entweder nur zum tatsächlichen Vorliegen einer Notstandslage, nicht aber zu ihrer rechtlichen Wirkung Stellung oder verlagern die Problematik auf die Ebene der Immunität und daraus resultierender Vollstreckungshindernisse. Das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. August Reinisch stellt nach Auswertung der Praxis nationaler Gerichte deshalb fest, dass sich hieraus keine aussagekräftigen Schlüsse zur Rechtfertigung staatlicher Zahlungsunfähigkeit durch Staatsnotstand gewinnen lassen (Rn. 126).

c) Im Hinblick auf das grundsätzliche Bestehen des völkerrechtlichen Rechtfertigungsgrundes des Notstands in Völkerrechtsverhältnissen ist das Schrifttum in Übereinstimmung mit der internationalen und nationalen Rechtsprechung der Auffassung, dass dieser gewohnheitsrechtlich anerkannt sei (vgl. Baars/Böckel, a.a.O., S. 459 m.w.N.). Die einschlägige Literatur unterscheidet aber ebenfalls zwischen der Anerkennung im Verhältnis von Staaten zueinander einerseits und der Anerkennung als Rechtfertigung im Verhältnis zu Privaten andererseits. Die Auffassungen des Schrifttums zur Übertragbarkeit des völkerrechtlichen Notstands auf Privatrechtsverhältnisse weichen signifikant voneinander ab (vgl. dazu Baars/Böckel, a.a.O., S. 461 ff. m.w.N.). Zwar verweisen Beiträge im Schrifttum darauf, es sei rechtspolitisch wünschenswert, den Staatsnotstand als Einrede gegenüber Privaten anzuerkennen (vgl. Dolzer, Staatliche Zahlungsunfähigkeit: Zum Begriff und zu den Rechtsfolgen im Völkerrecht, in: Jekewitz <Hrsg.>, Des Menschen Recht zwischen Freiheit und Verantwortung: Festschrift für Karl Josef Partsch zum 75. Geburtstag <1989>, S. 550), die mangelnde Staatenpraxis verbietet aber den Schluss auf bereits geltendes Gewohnheitsrecht (vgl. Hahn, Das Völkerrecht der Auslandsschuldenregelungen, Kreditwesen <1989>, S. 314 <318>). Auch die Übertragbarkeit einer Rechtspflicht, die aus einem allgemeinen Rücksichtnahmegebot resultiert, wird in der Literatur erörtert, im Ergebnis aber wiederum mangels hinreichender Belege aus der Staatenpraxis abgelehnt (vgl. Ohler, a.a.O., S. 594 f.).

Soweit im Schrifttum darauf verwiesen wird, es gebe innerstaatliche Rechtsgrundsätze, die allen Rechtsordnungen gemein seien und die deswegen auch völkerrechtliche Geltung beanspruchten, lässt sich dies zwar im Hinblick auf das grundsätzliche Gebot eines Ausgleichs zwischen Schuldner und Gläubiger aufrechterhalten, zur Entscheidung der Vorlagefrage ist dieser Ansatz aber nicht weiterführend. Wenn es einen allgemeinen Rechtsgrundsatz geben sollte, wonach ein Schuldnerstaat den Staatsbankrott gegenüber dem privaten Gläubiger einwenden könnte, müsste sich dieser anhand der Beispiele in der Staatenpraxis feststellen lassen; es müsste also zumindest eine gewisse Übereinstimmung der Rechtsordnungen in der Anerkennung dieses Grundsatzes erkennbar sein. Dies ist, wie die Bewertung der Staatenpraxis zur Verifikation von Gewohnheitsrecht ergeben hat, indes nicht der Fall. Auch ein allgemeiner Rechtsgrundsatz lässt sich mangels entsprechender Verankerung in der Praxis nicht verifizieren. Allein aus einem Ausgleichsgebot, das auch dem deutschen Schuldrecht und der verfahrensrechtlichen Absicherung der gegenläufigen Interessen inhärent ist, lässt sich keine völkerrechtliche Regel ableiten, die festlegt, dass ein staatlicher Gläubiger anders zu stellen sei als eine Privatperson, und sich deshalb auf den Staatsnotstand berufen könne.

4. Die Frage nach der gewohnheitsrechtlichen Anerkennung gerade eines wirtschaftlichen oder finanziellen Staatsnotstands wie auch nach dessen Voraussetzungen im Hinblick auf den Gefährdungsgrad wesentlicher Staatsinteressen kann hier offen bleiben. Denn jedenfalls kann auch ein wirtschaftlich oder finanziell definierter Notstand seitens eines Staates nicht gegenüber Privaten eingewendet werden, solange es an einer gewohnheitsrechtlichen Regel des Völkerrechts fehlt, die die Übertragbarkeit der Einrede des Notstands von Völkerrechtsverhältnissen auf Privatrechtsverhältnisse anerkennt.

Abweichende Meinung der Richterin Lübbe-Wolff zum Beschluss des Zweiten Senats vom 8. Mai 2007

- 2 BvM 1/03 - - 2 BvM 2/03 - - 2 BvM 3/03 - - 2 BvM 4/03 - - 2 BvM 5/03 - - 2 BvM 1/06 - - 2 BvM 2/06 -

"Ausländer, die einem Staat Geld leihen, können schwerlich erwarten, von den Wechselfällen dieses Staates unter keinen Umständen nachteilig betroffen zu sein. ... Von einem Staat kann beispielsweise nicht erwartet werden, dass er seine Schulen, Universitäten und Gerichte schließt, seine Polizeikräfte entlässt und seine öffentlichen Dienstleistungen in einem solchen Ausmaß vernachlässigt, dass die Gemeinschaft dem Chaos und der Anarchie ausgesetzt wird, nur um seine ausländischen oder einheimischen Darlehensgeber zu befriedigen." Diese Stellungnahme der Regierung Südafrikas gegenüber dem vorbereitenden Ausschuss der Haager Kodifikationskonferenz von 1930 gehört zu den Materialien aus der Staatenpraxis, auf die die International Law Commission (ILC) ihre Überzeugung von der gewohnheitsrechtlichen Geltung der Einrede des Staatsnotstands gestützt hat (Addendum to the eighth report on State responsibility, in: Yearbook of the International Law Commission 1980, Vol. II, S. 13 ff., Rn. 25).

Sie illustriert, worum es bei der Frage nach der Existenz und Reichweite dieser Einrede geht.

Der Senat kommt zu dem Schluss, dass keine allgemeine Regel des Völkerrechts existiert, die es einem Staat ermöglichen würde, die Rechtsüberzeugung, dass der Aufrechterhaltung elementarer Staatsfunktionen Vorrang vor der unverzüglichen Befriedigung von Gläubigerinteressen zukommt, gegen privatrechtliche Ansprüche Privater zur Geltung zu bringen. Diese für die weitere Entwicklung des Völkerrechts bedeutsame Entscheidung trifft er anhand von Richtervorlagen, deren Zulässigkeit nach den Maßstäben der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu verneinen wäre (1.). Er geht dabei von einer unzulässigen Auslegung der Vorlagefrage aus (2.) und gelangt zu einem nach meiner Überzeugung falschen

Ergebnis (3.).

1. a) Vorlagen nach Art. 100 Abs. 2 GG sind, ebenso wie Vorlagen nach Art. 100 Abs. 1 GG, nur zulässig, wenn die zu verifizierende Regel des Völkerrechts und die Frage, ob sie Bestandteil des Bundesrechts ist, für das Ausgangsverfahren entscheidungserheblich sind (vgl. BVerfGE 4, 319 <321>; 15, 25 <30>; 16, 276 <279>; 100, 209 <211 f.>; stRspr). Dies ist nur der Fall, wenn die Beantwortung der Vorlagefrage zur Entscheidung über den Ausgangsrechtsstreit unerlässlich ist (vgl. BVerfGE 50, 108 <113> zu Art. 100 Abs. 1 GG), das heißt wenn das vorlegende Gericht ihr nicht ausweichen kann (vgl. BVerfGE 15, 25 <31>). Für die Frage der Entscheidungserheblichkeit kommt es auf die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts an; dies aber nur, wenn dessen Rechtsauffassung nicht offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 100, 209 <212>; stRspr). Das vorlegende Gericht hat außerdem die Entscheidungserheblichkeit näher zu begründen. Der Vorlagebeschluss muss mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen, dass das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der in Frage gestellten Vorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Falle ihrer Ungültigkeit und wie das Gericht dieses Ergebnis begründen würde (siehe für das Vorlageverfahren nach Art. 101 Abs. 1 GG BVerfGE 92, 277 <312 ff.>; 105, 61 <67>; stRspr). Gemäß §§ 84 und 80 Abs. 2 BVerfGG muss das vorlegende Gericht auch im Verfahren nach Art. 100 Abs. 2 GG angeben, inwiefern seine Entscheidung von der fraglichen Regel des Völkerrechts abhängig ist, und sich mit den insoweit in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Rechtsansichten auseinandersetzen (vgl. BVerfGE 100, 209 <212>). Um den Begründungsanforderungen zu genügen, muss das Gericht auch die bisherige Behandlung der Rechtsfragen, die für die Entscheidungserheblichkeit maßgeblich sind, fundiert würdigen und darstellen, inwiefern sich seine Rechtsauffassung mit den in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Ansichten deckt oder von ihnen abweicht (vgl. BVerfGE 100, 209 <214>).

Die in dieser Weise zu begründende Entscheidungserheblichkeit muss - dies ist ständige Rechtsprechung zu Art. 100 Abs. 1 GG, die angesichts gleichlautender gesetzlicher Zulässigkeitsvoraussetzungen (siehe § 84 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) bislang regelmäßig auch für Vorlagen nach Art. 100 Abs. 2 GG übernommen worden ist - nicht nur zum Zeitpunkt der Vorlage, sondern noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts fortbestehen (vgl. BVerfGE 14, 140 <142>; 24, 63 <67>; 85, 191 <203>; 108, 186 <209>). Wird die Entscheidungserheblichkeit im Laufe des Normenkontrollverfahrens infolge nachträglich eingetretener Umstände zweifelhaft, so muss das vorlegende Gericht die entstandene Ungewissheit innerhalb angemessener Zeit beseitigen; geschieht dies nicht, wird die Vorlage unzulässig (vgl. BVerfGE 51, 161 <163>).

b) Ob die Vorlage nach diesen Maßstäben zulässig ist, hat der Senat nicht geprüft. Man kann sich die Frage stellen, ob diese Anforderungen in Teilen zu weit gehen und insbesondere gewissen Besonderheiten des Normverifikationsverfahrens nach Art. 100 Abs. 2 GG nicht angemessen Rechnung tragen (s. etwa für das Erfordernis einer fundierten Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur in allen für die Entscheidungserheblichkeit relevanten Fragen Schorkopf, in: Umbach/Clemens/Dollinger <Hrsg.>, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, Rn. 22 zu §§ 83, 84 BVerfGG). Etablierte Zulässigkeitsanforderungen können aber nicht ohne die gegebenenfalls erforderliche ausdrückliche Korrektur der bisherigen Rechtsprechung fallweise übergangen werden, wenn es gerade passt. Eine nähere Prüfung war hier auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Zulässigkeit der Vorlage nach den genannten Maßstäben sich von selbst verstanden hätte. Abgesehen davon, dass diese Maßstäbe für positive Selbstverständlichkeiten zu komplex sind, werfen die Vorlagebeschlüsse schon auf den ersten Blick klärungsbedürftige Fragen der Zulässigkeit auf.

aa) Zur Frage der Entscheidungserheblichkeit führt das Amtsgericht aus, das Gericht gehe "vom Vorliegen eines Staatsnotstandes aus" und mache "nicht den Versuch, selbst beurteilen zu wollen" ob eine entsprechende unmittelbare und schwere Gefahr für den Staat Argentinien und die Funktionsfähigkeit seiner Organe und seiner Verwaltung vorliege. Der erkennende Richter stehe auf dem Standpunkt, dass - jenseits einer offensichtlichen Missbräuchlichkeit, für die nichts gerichtsbekannt und auch nichts vorgetragen sei - schon wegen fehlender Kenntnis der örtlichen Verhältnisse und wegen des zuzubilligenden Beurteilungsspielraums eine Beurteilung der Voraussetzungen des Notstandes nur durch die Organe des beklagten Staates Argentinien erfolgen könne. Es ist nicht völlig deutlich, ob es sich hier um die Darlegung eines Rechtsstandpunktes oder - wie die Formulierung, das Gericht "mache nicht den Versuch, selbst beurteilen zu wollen ..." nahelegen könnte - nur um Erläuterungen einer Willensbekundung handelt, die zur Begründung der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage von vornherein nicht dienen kann. Auch wenn es sich um Rechtsausführungen handeln sollte, genügen sie jedenfalls schon nicht den oben wiedergegebenen Anforderungen der bisherigen Rechtsprechung (siehe vor allem BVerfGE 100, 209 <212 ff.>) an die Begründung der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage, da sie sich mit der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur in keiner Weise auseinandersetzen.

bb) Diese Begründungsanforderungen sind nicht etwa deshalb zu ermäßigen oder beiseitezusetzen, weil für die vom Amtsgericht angenommene Beschränkung seiner Überprüfungskompetenz andere als im Völkerrecht wurzelnde Rechtsgründe weder genannt noch ersichtlich sind und also die Rechtsfrage, auf die näher einzugehen gewesen wäre, selbst völkerrechtlicher Natur ist. Das Vorlageverfahren nach Art. 100 Abs. 2 GG hat nicht den Sinn, die Fachgerichte von einer Befassung mit völkerrechtlichen Fragen zu entlasten. Es soll vielmehr der Rechtssicherheit dienen und die Achtung des Völkerrechts gewährleisten (vgl. BVerfGE 46, 342 <363>; 64, 1 <14>; 109, 13 <23>). Die Zulässigkeit von Vorlagen hängt deshalb ebenso wie die Vorlagepflicht der Fachgerichte davon ab, dass am Bestehen oder der Tragweite einer allgemeinen Regel des Völkerrechts ernstzunehmende objektive Zweifel bestehen (vgl. BVerfGE 23, 288 <316>; 64, 1 <13 ff.>; 92, 277 <316>). Bestehen solche Zweifel nicht, ist die Rechtslage also offenkundig, sind die Gerichte auch in Völkerrechtsfragen uneingeschränkt selbst prüfungs- und entscheidungsberechtigt und -verpflichtet (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 1985 - 2 BvR 1190/84 -, NJW 1986, S. 1427 <1427>). Folglich sind sie von der geforderten näheren Begründung der Entscheidungserheblichkeit auch dort, wo diese von der Geltung allgemeiner Regeln des Völkerrechts abhängt, nicht entlastet, soweit die diesbezügliche Rechtslage offenkundig ist.

Hinsichtlich der Befugnis des Amtsgerichts, im Falle der Geltung einer Völkerrechtsregel, die der Beklagten des Ausgangsrechtsstreits die Einrede des Staatsnotstands zur Seite stellt, selbst über die Voraussetzungen für das Eingreifen dieser Einrede zu entscheiden, ist die Rechtslage offenkundig. Eine Regel des Völkerrechts, die über eine etwaige Pflicht zu materieller Berücksichtigung eines geltend gemachten Notstands hinaus dem vorlegenden Gericht die Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Berechtigung dieser Einrede verböte, existiert offensichtlich nicht.

Eine rechtfertigende Wirkung des Staatsnotstands kommt nur unter strengen Voraussetzungen in Betracht. Dazu gehört unter anderem, dass eine schwerwiegende Bedrohung eines essentiellen Interesses des betreffenden Staates, wie zum Beispiel der Ausfall oder ein drohender Ausfall essentieller Staatsfunktionen im Bereich der Sicherheit und Daseinsvorsorge, vorliegt, wobei die Gefahr eine unmittelbare und gegenwärtige sein muss (vgl. nur ILC, a.a.O., Rn. 12 ff.). Schon diese unumstrittene besondere Strenge der Voraussetzungen des Notstandseinwandes verbietet es, dem Staat, der eine Notstandslage geltend macht, insoweit einen breiten Beurteilungsspielraum zuzugestehen, denn die materielle Strenge würde dadurch auf der Verfahrensebene relativiert. Auch die Rechtsprechung gibt für eine derartige Einschränkung nichts her; sie zeigt im Gegenteil, dass die Befugnis zu gerichtlicher Überprüfung mit großer Selbstverständlichkeit in Anspruch genommen wurde. Dies gilt auch für Verfahren, in denen Staaten sich im Zusammenhang mit verweigerter oder verzögerter Zahlung von Schulden auf eine Notstandslage berufen haben. Schon im Fall der Russischen Entschädigungen, in dem die türkische Regierung ihre Säumnis bei fälligen Zahlungen an die russische Regierung der Sache nach mit einer Notstandslage zu rechtfertigen versuchte (zur vom heutigen Sprachgebrauch abweichenden Einordnung als force majeure ILC, a.a.O., Rn. 22), hat der Ständige Schiedshof diese Rechtfertigung für anwendbar erklärt, sie aber im konkreten Fall aufgrund näherer Prüfung des Sachverhalts - unter anderem im Hinblick darauf, dass die Türkei in der Lage gewesen sei, Kreditvereinbarungen zu günstigen Zinssätzen abzuschließen, andere Kredite umzuschulden und letztlich einen bedeutenden Teil ihrer Staatsschulden zu tilgen - nicht als durchschlagend angesehen (Entscheidung vom 11. November 1912, UNRIAA, Bd. XI, S. 431 <443>). Seitdem auch der Internationale Gerichtshof ein Selbsteinschätzungsrecht des Staates, der sich auf eine Notstandslage beruft, ausdrücklich verneint und die Befugnis für sich in Anspruch genommen hat, das Vorliegen der Voraussetzungen des Notstandseinwandes akribisch zu prüfen, besteht in dieser Frage keinerlei Zweifel mehr (Case Concerning the Gabcíkovo-Nagymaros Project, ICJ Reports 1997, S. 7 ff., Rn. 51; s. auch bereits Nicaragua v. United States of America, ICJ Reports 1986, S. 14 ff., Rn. 282; vgl. auch Pfeiffer, ZVglRWiss 2003, S. 141 ff. <157: "selbstverständlich">; Tietje, Die Argentinien-Krise aus rechtlicher Sicht: Staatsanleihen und Staateninsolvenz, Beiträge zum Transnationalen Wirtschaftsrecht, Heft 37, S. 13; Schantz, VuR 2006, S. 210 <210 f.>; Bjorklund, Emergency Exceptions to International Obligations in the Realm of Foreign Investment: The State of Necessity as a Circumstance precluding Wrongfulness, www, S. 24 f.). Dementsprechend hat ein ICSID-Schiedsgericht im Fall CMS Gas Transmission, in dem sich die Frage stellte, ob eine vom Gericht angenommene Verletzung von Investorenrechten aus dem zwischen Argentinien und den USA abgeschlossenen bilateralen Investitionsschutzabkommen (BIT) durch die völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Einrede des Notstands und die inhaltlich zumindest teilweise parallele BIT-Klausel (Art. IX) gerechtfertigt war, die Kompetenz zur Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Notstands nach Art. 25 der ILC-Artikel zur Staatenverantwortlichkeit in Anspruch genommen und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die von Argentinien geltend gemachte Krise diese Voraussetzungen nicht erfüllt (vgl. CMS Gas Transmission Company vs. The Argentine Republic, vom 12. Mai 2005, Nr. ARB/01/8, Rn. 304 ff. <315 ff.> - www; kritisch dazu Schill, SchiedsVZ 2005, S. 285 <291>; van Aaken, ZVglRWiss 2006, S. 544 <559 ff.>). Ein weiteres ICSID-Schiedsgericht hat in der Frage, ob Argentinien sich auf eine Notstandslage berufen kann, zunächst analysiert, ob die fraglichen argentinischen Maßnahmen, wie von Argentinien geltend gemacht, im Sinne der einschlägigen BIT-Klausel notwendig zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung und zum Schutz seiner essentiellen Sicherheitsinteressen waren, und seine diesbezügliche Prüfungsbefugnis ausdrücklich bejaht (vgl. LG&E Energy Corp. vs. Argentine Republic, vom 3. Oktober 2006, Nr. ARB/02/1, Rn. 207 ff. - www); im Weiteren hat es auch die Rechtslage nach allgemeinem Völkerrecht anhand der Art. 25 ff. der ILC-Artikel zur Staatenverantwortlichkeit geprüft (a.a.O., Rn. 246 ff.) und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Notstandslage in Argentinien (nur) für die Zeit vom 1. Dezember 2001 bis zum 26. April 2003 bestand (a.a.O., Rn. 267 d.). Auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in seinem Urteil vom 13. Juni 2006 die eigene Prüfungskompetenz bejaht und das Vorliegen der Voraussetzungen eines Staatsnotstands zum Entscheidungszeitpunkt verneint (OLG Frankfurt am Main, NJW 2006, S. 2931 <2932>; zustimmend Schroeter, EWiR 2006, S. 557 <558>; Schantz, a.a.O., S. 310 <310 ff.>).

Abgesehen vom Fehlen einer ausreichenden Begründung ist nach alledem die Annahme, die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Notstands seien diesseits der Grenze evidenter Missbräuchlichkeit allein von dem Staat zu beurteilen, der sich auf die Notstandslage beruft, auch offensichtlich unhaltbar im Sinne der Voraussetzungen für die Maßgeblichkeit der ausgangsgerichtlichen Feststellungen zur Entscheidungserheblichkeit (vgl. BVerfGE 94, 315 <323>; 100, 209 <212>). Ob die Darlegungen des vorlegenden Gerichts zu diesem Punkt - auch unter Berücksichtigung der Obliegenheit zu Nachträgen bei sich ändernden Umständen (vgl. BVerfGE 51, 161 <163>) - nichtsdestoweniger ausreichend sind, wäre zu prüfen und eine etwaige Abkehr von den strengen Maßstäben der oben wiedergegebenen Rechtsprechung offen auszuweisen gewesen.

cc) Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch darauf, dass nicht in allen Ausgangsverfahren Zinsforderungen im Streit sind. Soweit nur (noch) Rückzahlungsverpflichtungen geltend gemacht werden, stellt sich die Frage der Entscheidungserheblichkeit mit besonderer Schärfe. Unabhängig von allen Fragen, die hinsichtlich der Reichweite einer allgemeinen völkerrechtlichen Notstandseinrede zweifelhaft sein mögen, steht nämlich unzweifelhaft fest, dass diese Einrede jedenfalls in Bezug auf Zahlungspflichten keine den Hauptanspruch vernichtende, sondern nur eine suspensive Wirkung hat; dies folgt schon daraus, dass die Rechtfertigungswirkung des Staatsnotstands sich auf das zur Abwehr des Notstands Notwendige beschränkt (vgl. Art. 25.1 lit. (a) der ILC-Artikel zur Staatenverantwortlichkeit; zur bloßen Suspensivwirkung auch CMS Gas Transmission Company vs. The Argentine Republic vom 12. Mai 2005, Nr. ARB/01/8, Rn. 379 ff.; LG&E Energy Corp. vs. Argentine Republic, vom 3. Oktober 2006, Nr. ARB/02/1, Rn. 261; ILC, a.a.O., Rn. 14; Ermrich, Die Zahlungsunfähigkeit von Staaten, 2007, S. 150, 156 f.; van Aaken, a.a.O., S. 564; Kleinlein, AVR 2006, S. 405 <414 f.>; Ohler, a.a.O., S. 594; Kämmerer, ZaöRV 2005, S. 651 <658>; Pfeiffer, a.a.O., S. 158). Hinsichtlich des Hauptanspruchs kommt es demnach in den Ausgangsverfahren allein darauf an, ob der behauptete Notstand noch im Entscheidungszeitpunkt besteht (vgl. OLG Frankfurt am Main, NJW 2006, S. 2931 <2932>). Damit entfällt die Entscheidungserheblichkeit jeder abstrakten Vorlagefrage, wenn im Sinne der oben wiedergegeben Vorlagevoraussetzungen offenkundig ist, dass die engen Voraussetzungen einer Notstandslage (s. unter 1. b) bb)) in Argentinien gegenwärtig nicht mehr vorliegen. Angesichts der oben wiedergegeben Judikatur, angesichts der jüngeren Entwicklung der argentinischen Wirtschafts- und Finanzdaten - Wachstumsraten von mehr als 8 % in den zurückliegenden Jahren und auf den Internetseiten des International Monetary Fund ausgewiesenen Devisenreserven in Höhe von knapp 34 Mrd. US-Dollar - liegt es nahe, dies anzunehmen (vgl. zur Frage der Entscheidungserheblichkeit von Vorlagefragen zur Reichweite des Staatsnotstandes auch den Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 8. März 2007 - 2 BvM 6/03 u.a. -).

2. Der Senat verneint im Entscheidungstenor die Frage, ob eine allgemeine Regel des Völkerrechts besteht, die einen Staat gegenüber Privatpersonen berechtigt, die Erfüllung fälliger privatrechtlicher Zahlungsansprüche unter Berufung auf den wegen Zahlungsunfähigkeit erklärten Staatsnotstand zeitweise zu verweigern. Diese Frage war dem Bundesverfassungsgericht in drei Vorlagebeschlüssen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main gestellt. Der Befassung mit ihr ist die Grundlage entzogen, seitdem das Oberlandesgericht die betreffenden Beschlüsse wegen nicht mehr gegebener Entscheidungserheblichkeit aufgehoben und das Bundesverfassungsgericht die Verfahren für erledigt erklärt hat (BVerfG, a.a.O.).

Im vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht diese Frage dem Senat nicht vorgelegt. Er durfte sie daher nicht beantworten.

Zwar ist das Bundesverfassungsgericht im Verfahren nach Art. 100 Abs. 2 GG mit Rücksicht auf die völkerrechtsorientierte Gewährleistungsfunktion des Normverikationsverfahrens berechtigt - meines Erachtens sogar verpflichtet - die Vorlagefrage erforderlichenfalls in einer dieser Gewährleistungsfunktion dienlichen Weise umzuformulieren (vgl. BVerfGE 15, 25 <31 f.>; 16, 27 <32>; vgl. auch Sieckmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 100 Rn. 77; Rühmann, in: Umbach/Clemens <Hrsg.>, BVerfGG, 1. Aufl. 1992, § 83 Rn. 19). Dies kann aber nur so weit gehen, dass das Bundesverfassungsgericht die Frage, die das vorlegende Gericht beantwortet wissen möchte, in eine dem völkerrechtlichen Klärungsbedarf und den Entscheidungsmöglichkeiten im Normverifikationsverfahren angemessene Form übersetzt. Nicht erlaubt ist es dem Bundesverfassungsgericht dagegen, im Wege der Umformulierung eine Vorlagefrage zu produzieren, die das vorlegende Gericht offensichtlich oder gar ausdrücklich nicht zum Gegenstand des Verfahrens machen wollte. Die Umdeutung eines Vorlagebeschlusses darf nicht dem Rechtsstandpunkt des vorlegenden Gerichts widersprechen (vgl. BVerfGE 23, 146 <151>). Diese in einem Vorlageverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG getroffene Feststellung gilt unzweifelhaft auch für das Vorlageverfahren nach Art. 100 Abs. 2 GG. Die Funktion dieses Verfahrens erfordert keine weitergehenden Freiheiten. Eine Selbstbeschaffung von Vorlagefragen ist schon im Hinblick auf die Grenzen, die der richterlichen Gewalt durch das Gewaltenteilungsprinzip gesetzt sind, unzulässig.

Die vom Senat untersuchte und beantwortete Frage, ob die Einrede des Notstands von einem Staat auch gegen privatrechtliche Forderungen Privater geltend gemacht werden kann, hat das vorlegende Gericht ausdrücklich nicht gestellt. Vielmehr hat es ausgeführt, es gehe davon aus, dass es einen völkerrechtlichen Grundsatz des Staatsnotstands gebe. Die Zweifel hinsichtlich der Tragweite dieses Grundsatzes, die das Gericht formuliert und deretwegen es sich an das Bundesverfassungsgericht wendet, betreffen allein die Frage, ob die anerkannte Einrede des Staatsnotstands sich auch auf den Fall geltend gemachter Zahlungsunfähigkeit erstreckt. Soweit es um die Frage der Erstreckung auf privatrechtliche Forderungen Privater geht, vertritt das Gericht dagegen in seinen Vorlagebeschlüssen ohne irgendeine Zweifelsbekundung einen klaren Standpunkt: "Das Vorliegen eines Notstandes kann grundsätzlich die Nichterfüllung einer völkerrechtlichen Verpflichtung rechtfertigen, wenn sie zur Gewährleistung wesentlicher Staatsinteressen erforderlich ist und diese Interessen schwerer wiegen als die Belange des beeinträchtigten Staates. ... Umsomehr müsste dies für die Verpflichtungen eines Völkerrechtssubjekts gegenüber einer Privatperson gelten." Dass der Senat diesen Rechtsstandpunkt für falsch hält, berechtigt ihn nicht zur Erfindung einer Vorlagefrage, zu der er sich entsprechend äußern kann.

3. Die materielle Rechtslage ist meines Erachtens nicht die, die der Senat auf die selbstgestellte Frage hin festgestellt hat.

a) Neben dem Gewohnheitsrecht sind die anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze - insbesondere die Grundsätze, die sich als Gemeingut in den nationalen Rechtsordnungen auffinden lassen - eigenständige Quellen des Völkerrechts (vgl. Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut). Auch sie gehören zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 Abs. 2 GG (vgl. auch BVerfGE 23, 288 <317>; 109, 13 <27>; Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2006 - 2 BvM 9/03 -, DVBl 2007, S. 242 <243>; stRspr). Der völkerrechtliche Geltungsanspruch solcher Grundsätze ist, auch was die inhaltliche Reichweite angeht, nicht davon abhängig, dass sie zugleich Völkergewohnheitsrecht darstellen, d.h. nach den für die Feststellung von Völkergewohnheitsrecht maßgeblichen Kriterien auch anhand durchgängiger Staatenpraxis nachweisbar sind (näher statt vieler Weiss, AVR 2001, S. 394 <403 ff.>, m.w.N.).

Die Einrede des Staatsnotstands ist nicht nur, wie der Senat angenommen hat, kraft Völkergewohnheitsrechts allgemein anerkannt. Es handelt sich auch um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, hinter dem allgemein anerkannte Überzeugungen über die Grenzen der Durchsetzbarkeit von Forderungen und den Vorrang elementarer Gemeinwohlbelange - insbesondere mit Blick auf den Schutz von Leben und Gesundheit - stehen (vgl. den Bericht des Ausschusses für Internationales Währungsrecht der International Law Association, in: International Law Association <ILA>, Report of the Sixty-Third Conference, Warsaw 1988, S. 418 ff., Rn. 21; Dolzer, in: Des Menschen Recht zwischen Freiheit und Verantwortung, Festschrift für Partsch, 1989, S. 531 <545 ff.>; Pfeiffer, a.a.O., S. 149 ff.; Tietje, a.a.O., S. 18).

aa) Die Materialien aus der Staatenpraxis, aus denen sich die gewohnheitsrechtliche Geltung der Notstandseinrede ergibt, bringen deren zugleich prinzipiellen Charakter deutlich zum Ausdruck. Die Stellungnahme Dänemarks im Rahmen der Haager Kodifikationskonferenz, mit der die schon mehrfach zitierte Materialanalyse für die International Law Commission beginnt, ging dahin, dass man sich im internationalen Recht auf Selbstverteidigung und Notstand als Prinzipiensache berufen können sollte, dass diese Einrede aber, wie im Privatrecht, gewissen Begrenzungen unterliegen solle, die noch nicht hinreichend deutlich bestimmt seien ("Self-defence and necessity should as a matter of principle be an admissible plea in international law; but, as in private law, they should be subject to certain limitations which have not yet been fixed with sufficient clearness", ILC, a.a.O., Rn. 20). Im Fall der Russischen Entschädigungen, in dem die Notstandseinrede noch, wie früher häufig, unter der Überschrift "force majeure" geführt wurde, hat auch der Ständige Schiedshof auf die Herkunft dieser Einrede aus den nationalen Rechtsordnungen verwiesen: Die Einrede könne im internationalen Recht ebenso erhoben werden wie im Privatrecht; das internationale Recht müsse sich den politischen Notwendigkeiten anpassen ("LŽexception de la force majeure ... est opposable en droit international public aussi bien quŽen droit privé; le droit international doit sŽadapter aux nécessités publiques"; Affaire de lŽindemnité Russe, UNRIAA, Bd. XI, S. 431 <443>). Das Gutachten von Prof. Dr. August Reinisch, auf das der Senat seine Entscheidung stützt, stellt dazu richtig fest, diese Äußerung scheine darauf abzuzielen, dass dieser Rechtfertigungsgrund als ein in verschiedenen Privatrechtsordnungen verankerter allgemeiner Rechtsgrundsatz und damit auch als ein völkerrechtlicher Grundsatz anzusehen ist (S. 27 des Gutachtens; vgl. auch Reinisch, Anm. zu LG Frankfurt am Main, Urteil vom 14. März 2003, JZ 2003, S. 1013 <1014>; der Verfasser kritisiert hier mit Verweis auf die eben zitierte Passage aus dem Russische-Entschädigungen-Schiedsspruch die vom Landgericht obiter dictum geäußerten Zweifel an der Anwendbarkeit der Notstandseinrede gegenüber Privaten). Die Stellungnahme Südafrikas zur Haager Kodifikationskonferenz, aus der eingangs schon zitiert wurde, stützt die Berechtigung der Notstandseinrede für Staaten ebenfalls auf Parallelität zu dem, was auf nationaler Ebene für Individuen gilt. Die Notstandslage wird als eine dargestellt, in der der Staat nicht allen seinen Verpflichtungen genügen kann und daher denen Vorrang geben muss, die von essentiellerer Bedeutung sind. Das sind, wie die eingangs wiedergegebene Passage illustrieren soll, die Pflichten des Staates zur Aufrechterhaltung seiner elementaren Sicherheits- und Daseinsvorsorgeleistungen. Es gibt, so die Stellungnahme, Grenzen dessen, was vernünftigerweise von einem Staat erwartet werden kann, in derselben Weise, wie das auch bei einem Individuum der Fall ist ("There are limits to what may be reasonably expected of a State in the same manner as with an individual", ILC, a.a.O., Rn. 25).

Auch in Fällen, in denen nicht ausdrücklich auf die Privatrechtsordnungen verwiesen wurde, ist die Einrede des Staatsnotstands seit jeher als Ausdruck einer allgemeinen Rechtsüberzeugung von grundsätzlicher Art begründet und formuliert worden. Im Fall der French Company of Venezualan Railroads hat der Schiedsrichter der Französisch-Venezolanischen Mixed-Claims-Commission in einer Weise, die an die Argumentation Südafrikas erinnert, die Berechtigung der venezolanischen Berufung auf Notstand auf den Gedanken gestützt, dass hier nicht nur ein vorrangiges Recht, sondern sogar eine vorrangigen Interessen geschuldete Pflicht im Spiel war ("Its first duty was to itself. Its own preservation was paramount. Its revenues were properly devoted to that end", French Company of Venezuelan Railroads Case, UNRIAA, Bd. X, S. 285 <353>). Dieselbe Rechtsüberzeugung und ihre Grundlagen kommen noch deutlicher im Fall der Société Commerciale de Belgique zum Ausdruck, in dem Griechenland sich gegenüber Zahlungsverpflichtungen aus anderweitigen Schiedssprüchen unter anderem auf Notstand berufen hatte. In diesem 1938/39 vor dem Ständigen Internationalen Gerichtshof verhandelten Fall trug der Rechtsbeistand Griechenlands, Jean Youpis, vor, ein Staat könne in die Lage kommen, nicht mehr sowohl den Pflichten gegen seine Gläubiger als auch denen gegen seine Bürger nachkommen zu können, so dass sich die Frage stelle, welche der beiden Verpflichtungen in einem solchen Fall zurücktreten müsse. Dies sei eine in den letzten zwanzig Jahren häufig, besonders auch in Fällen, in denen Staaten die Zahlung an ihre Gläubiger eingestellt hatten, zu erörternde Rechtsfrage gewesen.

Die Lehrmeinung erkenne hier an, dass die Pflicht einer Regierung, für die Funktionsfähigkeit seiner essentiellen öffentlichen Dienste zu sorgen, sich gegen die Pflicht zur Bezahlung seiner Schulden durchsetze. In den dazu angeführten Belegen wird unter anderem darauf hingewiesen, dass für Staaten keine strengeren Verpflichtungen gelten können als für einen zahlungsunfähigen oder ruinierten Privaten.

Der Rechtsbeistand der belgischen Gegenseite erwiderte, dass die belgische Regierung mit dem Prinzip, wonach ein Staat zur Bezahlung einer Schuld nicht verpflichtet sei, wenn dadurch seine essentiellen öffentlichen Dienste gefährdet würden, wohl einverstanden wäre; er bestritt nur, dass die Anwendung dieses Prinzips hier zur Rechtfertigung der griechischen Zahlungsverweigerung führe, und erklärte, dass die belgische Regierung nach einer ihr günstigen Feststellung der Rechtslage durch den Gerichtshof auf die Fähigkeit der griechischen Regierung, zu zahlen, Rücksicht nehmen werde (vgl. Permanent Court of International Justice <PCIJ>, Serie C, Nr. 87 <1938-1939>, 187 ff. <205 ff.>; 234 <236, 271>). Nach einer Änderung des ursprünglichen Klageantrags lag die Frage, ob die tatsächlichen Voraussetzungen eines Notstands für Griechenland gegeben waren, nicht mehr in der Entscheidungskompetenz des Gerichtshofs. Der Gerichtshof stellte deshalb fest, dass er zwar über die griechische Einrede nicht entscheiden, jedoch die Erklärung zu Protokoll nehmen könne, nach der Belgien die Zahlungsfähigkeit Griechenlands berücksichtigen werde (vgl. PCIJ, Serie A/B, Nr. 78 <1939>, 171 f., 178). Die Entscheidung gilt daher als Bestätigung des von den Beteiligten einvernehmlich anerkannten Grundsatzes, dass die Verpflichtung eines Staates gegenüber seinen Gläubigern keinen Vorrang hat gegenüber der Pflicht, seine Kernaufgaben im Inneren zu erfüllen (vgl. ILC, a.a.O., Rn. 31: "... the Court showed that it implicitly accepted the basic principle on which the parties were in agreement").

Dass der internationalen Rechtsprechung schon frühzeitig gerade das staatliche Zahlungsmoratorium, von dem regelmäßig auch private Gläubiger betroffen sind, als typischer Anwendungsfall der Notstandseinrede vor Augen stand, zeigt neben dem Plädoyer des griechischen Rechtsbeistandes im Fall Société Commerciale de Belgique auch der Schiedsspruch der General Claims Commission Mexico/U.S.A. im Fall Dickson Car Wheel Company (U.S.A.) v. United Mexican States aus dem Jahr 1931. Dieser Fall betraf den Ausfall von Zahlungen, die die mexikanische Eisenbahngesellschaft einem amerikanischen Unternehmen für die Lieferung von Rädern schuldete, infolge einer notstandsbedingten Beschlagnahme der Bahn durch die mexikanische Regierung. Das Schiedsgericht führte in seiner Entscheidung, in der es den geltend gemachten Notstand als Rechtfertigungsgrund anerkannte, gerade Zahlungsmoratorien als Beispiel für Notstandsmaßnahmen auf, wie sie Staaten ergreifen können, ohne für die Schäden verantwortlich zu werden, die Fremden daraus entstehen (vgl. UNRIAA, Bd. IV, S. 669 ff. <681 f.>).

bb) Die Annahme, der Anwendungsbereich der Einrede des Staatsnotstands sei auf das von den ILC-Artikeln zur Staatenverantwortlichkeit erfasste Rechtsverhältnis zwischen Staaten beschränkt, liegt vor diesem Hintergrund nicht nahe. Mit dieser Einrede wird, soweit es um finanzielle Verbindlichkeiten des Staates geht, der Grundsatz anerkannt, dass bestimmten elementaren Aufgaben und Pflichten des Staates, vor allem denjenigen, von denen unmittelbar Leben und Gesundheit seiner Bürger abhängen, in der Regel - nämlich soweit nicht gleichermaßen essentielle Interessen auch für die Gegenseite auf dem Spiel stehen - Vorrang vor der pünktlichen Bedienung von Gläubigerinteressen gebührt. Dieser Grundsatz kann nicht in der behaupteten Weise eingeschränkt werden, ohne mit sich selbst in Widerspruch zu geraten.

Auf den Widerspruch, der mit der Annahme einer solchen Einschränkung verbunden wäre, verweist das vorlegende Gericht, wenn es davon ausgeht, die Einrede des Staatsnotstands müsse, soweit sie gegenüber einem anderen Staat geltend gemacht werden könne, erst recht auch im Verhältnis zu privaten Gläubigern anwendbar sein. Abgesehen davon, dass die Reichweite des hier in Rede stehenden Grundsatzes schon nach dessen Inhalt nicht in der vom Senat angenommenen Weise beschränkt werden kann, entspricht es auch der herrschenden Auffassung, dass die Rechte privater Gläubiger im Verhältnis zu einem Schuldnerstaat nicht weiter gehen können als die anderer Staaten. Mit dieser Feststellung hat sich unter anderem die International Law Association bei ihrer 63. Konferenz in Warschau in einer Resolution auf der Grundlage eines Berichts ihres Ausschusses für Internationales Währungsrecht auf den Standpunkt gestellt, dass Staaten sich zur Rechtfertigung zeitweiliger Nichtbedienung von Schulden auch Privaten gegenüber auf Staatsnotstand berufen können (The International Law Association <ILA>, Report of the Sixty-Third Conference, Warsaw 1988, S. 20 ff., Rn. 7 ff. <10>; vgl. auch Pfeiffer, a.a.O., S. 155 f.; van Aaken, a.a.O., S. 560 f.; Dolzer, a.a.O., S. 550; ebenso im Ergebnis Tietje, a.a.O., S. 17 f.). Der zugrundeliegende Ausschussbericht weist in diesem Zusammenhang nicht nur auf allgemeine völkerrechtliche Grundsätze über den Rechtsstatus von Staaten und Privaten hin, sondern hebt auch hervor, dass Sinn und Zweck der Rechtsfigur des Notstandes nicht dafür sprechen, dass sie den Schuldnerstaat gegenüber einem ausländischen Privatgläubiger weniger schützt als gegenüber einem anderen Staat (vgl. Committee on International Monetary Law, Committee Report, in: ILA, a.a.O., S. 418 ff., Rn. 23; vgl. auch Dolzer, a.a.O., S. 550; Pfeiffer, a.a.O., S. 155).

Das Vorrangverhältnis, um das es bei der Notstandsfrage geht, ist außerdem heute auch durch das ius cogens der Menschenrechte unterfüttert. Auch auf diesen Gesichtspunkt hat der Ausschuss für Internationales Währungsrecht in seinem der Resolution der International Law Association zugrundeliegenden Bericht hingewiesen (vgl. Committee on International Monetary Law, a.a.O., Rn. 21; vgl. auch van Aaken, a.a.O., S. 560; Kämmerer, a.a.O., S. 657; Dolzer, a.a.O., S. 547). Die Durchsetzung staatlicher Zahlungspflichten gegenüber ausländischen Gläubigern bei Gefahr eines dadurch verursachten, verschärften oder verlängerten Ausfalls elementarer Staatsfunktionen wäre - soweit nicht gleichermaßen essentielle Belange auch auf der Gläubigerseite auf dem Spiel stehen - menschenrechtswidrig.

Selbst die Autoren, die der Senat für seine Auffassung heranzieht, geben sich Mühe, nachzuweisen, dass zum Schutz der im Notstandsfall berührten essentiellen Interessen eines Staates die Anwendbarkeit der Notstandseinrede in Privatrechtsstreitigkeiten vor nationalen Gerichten, oder jedenfalls die Anwendbarkeit schon im Erkenntnisverfahren, gar nicht erforderlich sei. Sie bestreiten also der Sache nach nicht die umfassende Geltung des Rangverhältnisses der Rechtspflichten, das in der Rechtsfigur des Staatsnotstands verkörpert ist, sondern sind der Auffassung, dass dieses Rangverhältnis durch Entscheidungen nationaler Gerichte in Privatrechtsstreitigkeiten - oder zumindest durch Erkenntnisurteile - gar nicht berührt sei (vgl. für die Ebene des Erkenntnisverfahrens Baars/Böckel, a.a.O., S. 461; allgemeiner Ohler, a.a.O., S. 594 f.). Genaugenommen wird damit nicht die Geltung der Notstandseinrede, sondern das Vorliegen ihrer Voraussetzungen für diesen Bereich verneint.

b) Wenn der Senat annimmt, die Notstandseinrede sei kraft Völkerrechts nur im Anwendungsbereich der ILC-Artikel zur Staatenverantwortlichkeit, also im Verhältnis zwischen Staaten, maßgeblich, so passt dies schon nicht dazu, dass auch ICSID-Schiedsgerichte in Verfahren, in denen Private als Kläger aus eigenem Recht auftreten, diese Einrede als anwendbar behandelt haben (s.o. 1. b) bb); vgl. auch Wälde, in: Weiler <Hrsg.>, International Investment Law and Arbitration, 2005, S. 383 <417 f.>). Nach dem eben Ausgeführten ginge aber auch die vorsichtigere Annahme, die Einrede gelte nur in genuin völkerrechtlichen Rechtsverhältnissen und daher jedenfalls nicht in privatrechtlichen Streitigkeiten zwischen Staaten und Privaten, von falschen Voraussetzungen über die Trennbarkeit dieser Geltungssphären in der hier interessierenden Frage aus.

Bei Rechtsverhältnissen, an denen Staaten und Private beteiligt sind, bereitet die eindeutige und ausschließliche Zuordnung entweder zum nationalen oder zum internationalen Recht oft Schwierigkeiten (s. statt vieler Böckstiegel, Der Staat als Vertragspartner ausländischer Privatunternehmen, 1971, S. 76 ff. u. passim). Auch soweit die Sphären des nationalen und des internationalen Rechts ihrem Rechtscharakter nach klar unterscheidbar sind und unterschieden werden müssen, können jedenfalls die bestehenden inhaltlichen Zusammenhänge ein Auseinanderfallen der materiellen Rechtsinhalte verbieten. So liegt es hier. Besteht eine allgemeine Regel des Völkerrechts, nach der der Vorrang elementarer Pflichten gegenüber den eigenen Bürgern einen Staat berechtigt, anderen Staaten gegenüber im Notstandsfall fällige Zahlungen zeitweise zu verweigern, und beruft ein Schuldnerstaat sich hierauf in einer privatrechtlichen Streitigkeit vor den Gerichten eines anderen Staates, so macht er damit den völkerrechtlichen Anspruch, im Notstandsfall der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung seiner Funktionsfähigkeit im Inneren Vorrang geben zu können, gegenüber dem Forumstaat und damit in einem völkerrechtlichen Verhältnis geltend. Respektiert der Gerichtsstaat diesen Anspruch nicht, so kann diese Rechtsverletzung ihrerseits zum Gegenstand eines genuin völkerrechtlichen Rechtsstreits werden. Die Art und Weise, in der staatliche Gerichte in privatrechtlichen Streitigkeiten mit der von einem Staat geltend gemachten Einrede des Staatsnotstands umgehen, fällt daher ebenso in den Anwendungsbereich des Völkerrechts wie die von einem Staat unmittelbar vor einem internationalen Gericht geltend gemachte Einrede des Notstands. Das Völkerrecht verlangt folglich, was die Einrede des Notstands angeht, für das Verhältnis Staat-Privater dieselbe materielle Rechtslage wie für das Verhältnis Staat-Staat. Diese notwendige Identität der materiellen Anspruchsinhalte hat der Internationale Gerichtshof im Fall der Serbian Loans, einem der Präzedenzfälle für die völkerrechtliche Anerkennung der Notstandseinrede, zum Ausdruck gebracht, indem er feststellte, dass ein Streit zwischen einem Schuldnerstaat und seinen ausländischen Anleihegläubigern mit dem hierauf bezüglichen Streit zwischen dem Schuldnerstaat und dem sein diplomatisches Schutzrecht wahrnehmenden Heimatstaat der Anleihegläubiger im Grunde identisch ("fundamentally identical") sei, wenn auch mit dem Unterschied, dass es sich im letzteren Fall um einen Streit zwischen Staaten handelt und der Internationale Gerichtshof sich nach Art. 34 seines Statuts allein in dieser Variante mit dem Streit befassen kann (vgl. PCIJ, Serie A, Nr. 20/21 <1929>, S. 18).

c) Zu Unrecht geht der Senat davon aus, auch die Rechtsprechung nationaler Gerichte spreche gegen die Existenz einer allgemeinen Regel des Völkerrechts, nach der ein Staat die Einrede des Staatsnotstands auch vor nationalen Gerichten geltend machen kann (zu den insoweit bei allgemeinen Rechtsgrundsätzen geltenden Nachweisanforderungen siehe oben unter 3 a)).

In Italien hat der Oberste Kassationsgerichtshof im April 2005 entschieden, dass es sich bei den Rechtsakten, mit denen Argentinien den Staatsnotstand erklärt und die Einstellung des Schuldendienstes angeordnet hatte, um Äußerungen souveräner Staatsgewalt handele, dass der absolute Vorrang der Interessen der staatlich organisierten Gemeinschaft, der durch diese Rechtsakte geschützt werden solle, deren Bewertung als etwaige Rechtsverletzung nach dem für kommerzielle Aktivitäten geltenden Regime des Privatrechts ausschließe; vielmehr greife hier die Immunität des Staates für acta iure imperii ein (Corte Suprema di Cassazione, Ordinanza vom 27. Mai 2005, R.G.N. 6532/04, www). Mit dieser Entscheidung des höchsten Organs der italienischen ordentlichen Gerichtsbarkeit wird die aus dem Völkerrecht folgende Pflicht, im Falle eines Staatsnotstands auch im Rahmen privatrechtlicher Streitigkeiten den Vorrang des Rechts des betreffenden Staates zur Abwehr dieses Notstands zu respektieren, nicht verneint, sondern im Gegenteil gerade anerkannt. Dass das Gericht diese Anerkennung schon auf der Ebene der Immunitätsfrage vollzieht, ändert daran nichts.

Was die Rechtsprechung in den Vereinigten Staaten von Amerika angeht, die von einigen Autoren als Beleg für fehlende allgemeine Anerkennung der Notstandseinrede in Privatrechtsverhältnissen verbucht wird (vgl. Baars/Böckel, a.a.O., S. 461; Ohler, a.a.O., S. 594 f.; vgl. auch das der Senatsentscheidung zugrundeliegende Gutachten von Prof. Dr. August Reinisch, Rn. 117 ff., 125 f.), so trifft es zwar zu, dass dort einem erklärten Staatsnotstand nicht per se durchschlagende Bedeutung zugemessen wird. Genutzt wird jedoch die Möglichkeit einer befristeten Aussetzung des Verfahrens, um bei Zahlungskrisen ausländischer Staaten eine Gefährdung des Umschuldungsprozesses abzuwenden (vgl. United States Court of Appeals for the Second Circuit in den Fällen Pravin Banker Associates, Ltd., v. Banco Popular del Peru and the Republic of Peru, vom 25. März 1997, Nr. 96-713, mit Verweis darauf, dass damit einer seit langem bestehenden Praxis der Anerkennung ausländischer Konkursverfahren durch die Bundesgerichte gefolgt werde, und EM Ltd. et al. v. Republic of Argentina, vom 13. Mai 2005, Nr. 05-1525-cv, mit Hinweis auf die entscheidende Bedeutung des Umschuldungsprozesses für die ökonomische Gesundheit einer Nation). Darüber hinaus genießen ausländische Staaten in den U.S.A. allgemein einen weitreichenden Schutz vor Vollstreckungsmaßnahmen. Der Foreign Sovereign Immunities Act erlaubt auch bei umfassendem Immunitätsverzicht nur den Zugriff auf in den U.S.A. belegenes Vermögen, welches kommerziell genutzt wird (28 U.S.C. § 1610 (a) (1); dazu und zur Auslegung dieser Bestimmung anhand ihres Zwecks, eine Störung des öffentlichen Handelns ausländischer Staaten zu vermeiden, siehe die Entscheidung des United States Court of Appeals for the Fifth Circuit im Fall Af-Cap Inc. vs. The Republic of Congo, vom 17. September 2004, Nr. 03-50506). Die Geldmittel ausländischer Zentralbanken sind gesondert geschützt (28 U.S.C. § 1611 (b) (1)). Der United States Court of Appeals for the Second Circuit hat demgemäß kürzlich die Beschlagnahme von Geldern der argentinischen Zentralbank, die sich auf Konten bei der Federal Reserve Bank of New York befanden und nach dem Willen der argentinischen Regierung für Zahlungen an den Weltwährungsfonds verwendet werden sollten, für unzulässig erklärt, obwohl Argentinien den betreffenden Gläubigern gegenüber im weitesten nach nationalem Recht möglichen Umfang auf seine Immunität verzichtet hatte: Der Foreign Sovereign Immunities Act immunisiere die Finanzmittel ausländischer Zentralbanken gegen Zwangsvollstreckung und Beschlagnahme; auch wenn es sich im konkreten Fall nicht um Finanzmittel der Zentralbank, sondern um solche der Reepublik Argentinien handelte, wäre zudem eine Beschlagnahme nur möglich, wenn die fraglichen Mittel für einen kommerziellen Zweck genutzt würden, was hier nicht der Fall sei (vgl. United States Court of Appeals for the Second Circuit, EM Ltd. v. Republic of Argentina und NML Capital Ltd. v. Republic of Argentina, vom 5. Januar 2007, Nrn. 06-0403-cv, 06-0405-cv, 06-0406-cv). Der Vollstreckungsschutz unter dem allgemeineren Gesichtspunkt der Immunität geht damit nach US-amerikanischem Recht über den insoweit für das deutsche Recht maßgeblichen Standard des völkerrechtlich Gebotenen (vgl. BVerfGE 46, 342 <388 f.>; 64, 1 <40>; Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2006 - 2 BvM 9/03 -, DVBl 2007, S. 242 ff.) hinaus; er zielt darauf, die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben eines ausländischen Staates auch dann nicht zu beeinträchtigen, wenn dieser sich im Rahmen kommerzieller Aktivitäten seines völkerrechtlichen Immunitätsschutzes entäußert hat.

d) Angesichts des völkerrechtlichen Grundsatzes, dass ein Staat berechtigt ist, im Notstandsfall der Erfüllung seiner elementaren Aufgaben im Inneren Vorrang gegenüber der pünktlichen Bedienung ausländischer Gläubiger zu geben, kann die Frage tatsächlich nur lauten, ob dieses Recht von solcher Art ist, dass es schon einer Verurteilung im Erkenntnisverfahren entgegensteht, oder ob ihm noch auf der Ebene der Vollstreckung ausreichend Rechnung getragen werden kann. Die Behandlung der Notstandseinrede durch internationale Gerichte, vor denen Staaten diese Einrede unmittelbar geltend gemacht haben, beantwortet diese Frage naturgemäß nicht. Die richtige Antwort hängt wesentlich von einer Beurteilung faktischer Konsequenzen ab, nämlich davon, ob spürbare negative Folgen für die Bemühungen des Schuldnerstaates um Beendigung oder Abwehr der kritischen Lage zu befürchten wären, wenn der Einrede des Notstands erst auf der Ebene der Vollstreckung Rechnung getragen würde (vgl. bejahend Kleinlein, AVR 2006, S. 405 <413>; Bothe/Hafner, Die völkerrechtliche Begründung staatlicher Leistungsverweigerungsrechte aus dem Gesichtspunkt des Notstands, Rechtsgutachten, Januar 2004, S. 45 f.; Pfeiffer, a.a.O., S. 165 f.; a.A. LG Frankfurt am Main, JZ 2003, S. 1010 <1011 ff.>; Grothe, Urteilsanmerkung, WuB I H 4 Währungs- und Devisenrecht; klärungsbedürftig ist darüber hinaus die Frage eines - gegebenenfalls im Erkenntnisverfahren berücksichtigungsbedürftigen - Wegfalls von Zinsansprüchen für die Dauer der Notstandslage, vgl. unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes den ICSID-Schiedsspruch LG&E Energy Corp. vs. Argentine Republic, vom 3. Oktober 2006, Nr. ARB/02/1, Rn. 261, 264, 267e, www).

Die Entscheidung des Senats bedeutet demgegenüber, dass die völkerrechtliche Einrede des Staatsnotstands, da sie in Privatrechtsstreitigkeiten vor nationalen Gerichten nicht anwendbar sein soll, weder im Erkenntnis- noch im Vollstreckungsverfahren eine Rolle spielen kann. Privatgläubiger - auch solche, die Staatsanleihen mit ungünstigen Risikobewertungen und entsprechend günstigen Zinsversprechen bewusst als spekulative Anlage gekauft haben (als Anschauungsmaterial dazu siehe OLG Frankfurt am Main, VersR 2005, S. 797 f.; OLG Koblenz, NJW-RR 2004, S. 1689 f.; LG Münster, BKR 2003, S. 762 ff. und S. 764 ff.) - können ihre Forderungen danach von nun an in Deutschland auch angesichts katastrophaler innerer Zusammenbrüche des Schuldnerstaates nicht nur titulieren lassen, sondern bei entsprechendem Immunitätsverzicht in den Anleihebedingungen auch mit Vollstreckung in für hoheitliche Zwecke bestimmtes Vermögen des Schuldnerstaates durchsetzen. Der US-amerikanische Rechtszustand liegt deutlich näher am Völkerrecht.

Ende der Entscheidung

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