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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 01.08.2008
Aktenzeichen: 2 BvR 1001/08
Rechtsgebiete: BVerfGG, StGB
Vorschriften:
BVerfGG § 93a | |
BVerfGG § 93a Abs. 2 | |
BVerfGG § 93b | |
StGB § 61 Nr. 1 | |
StGB § 61 Nr. 2 | |
StGB § 61 Nr. 3 | |
StGB § 61 Nr. 4 | |
StGB § 61 Nr. 5 | |
StGB § 61 Nr. 6 | |
StGB § 63 | |
StGB § 64 Satz 2 n.F. |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1001/08 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
gegen
a) den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 8. April 2008 - 2 Ws 69/08 -,
b) den Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. Februar 2008 - 26 StVK 4/08 -
und Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
und Beiordnung eines Rechtsanwalts
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Voßkuhle, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 1. August 2008 einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Michael A, Neuruppin, wird abgelehnt.
Gründe:
Ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg; sie ist jedenfalls unbegründet.
1. Soweit der Beschwerdeführer sich gegen die Verhältnismäßigkeit der Fortdauer seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wendet, weil die Dauer des bisherigen Maßregelvollzuges die Dauer der daneben verhängten Freiheitsstrafe überschreite, verkennt er die unterschiedlichen Zielrichtungen von Freiheitsstrafen und Maßregeln (vgl. BVerfGE 109, 133 <173> ff.).
a) Während Strafe dem Schuldausgleich dient und sich das Strafmaß in jedem einzelnen Fall am Maßstab des Schuldprinzips messen lassen muss (BVerfGE 45, 187 <259 f.>; 95, 96 <140>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Dezember 2006 - 2 BvR 1895/05 -, EuGRZ 2007, S. 64 <65>; stRspr.), dienen die in § 61 Nr. 1 bis 6 StGB aufgezählten Maßregeln der Besserung und Sicherung des Verurteilten. Sie übernehmen damit diejenigen insbesondere individualpräventiven Funktionen, die die Strafe wegen ihrer Bindung an die Schuld des Täters gerade nicht übernehmen kann (BVerfGE 109, 133 <174>), und unterliegen statt des Schuldprinzips dem Übermaßverbot (§ 62 StGB). Daher ist für die Entscheidung über die Verhältnismäßigkeit des weiteren Maßregelvollzuges die wegen der Anlasstat neben der Anordnung der Maßregel verhängte Freiheitsstrafe allenfalls von untergeordneter Bedeutung. Vielmehr fordert das Übermaßverbot, im Rahmen der Entscheidung über die Fortdauer des Maßregelvollzuges die Sicherungsbelange der Allgemeinheit und den Freiheitsanspruch des Untergebrachten im Einzelfall abzuwägen (vgl. BVerfGE 70, 297 <311>; 109, 133 <159>). Der Richter hat im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung die von dem Täter ausgehenden Gefahren zur Schwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffs ins Verhältnis zu setzen. Dabei kommt es insbesondere darauf an, ob und welche Art rechtswidriger Taten von dem Untergebrachten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt. Je länger die Unterbringung andauert, umso strenger sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzugs. Der Einfluss des gewichtiger werdenden Freiheitsanspruchs stößt jedoch dort an Grenzen, wo es nach Art und Maß der von dem Untergebrachten drohenden Gefahren vor dem staatlichen Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit unvertretbar erscheint, den Untergebrachten in Freiheit zu entlassen (vgl. BVerfGE 70, 297 <315>; 109, 133 <159>).
b) Nach diesem Maßstab ist die Fortdauer der Vollstreckung der Maßregel nicht unverhältnismäßig. Denn angesichts der vier Vorverurteilungen wegen ähnlich gelagerter Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern, der fixierten homosexuell-pädophilen Orientierung des Beschwerdeführers und seiner - auch von der Verfassungsbeschwerde nicht in Abrede gestellten - Therapieverweigerung liegt ein hohes Risiko der Begehung ähnlich schwerer Sexualstraftaten im Falle einer Entlassung und ein Überwiegen des Sicherungsinteresses der Allgemeinheit zumindest nicht so fern, dass die fachgerichtlichen Entscheidungen verfassungsrechtlich zu beanstanden wären.
2. Dem stünde auch nicht entgegen, wenn der Beschwerdeführer - wie er vorträgt - nicht therapiefähig sein sollte. Denn die Anordnung und Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist auch dann zulässig, wenn sie allein oder vorrangig den Sicherungsbelangen der Allgemeinheit dient. Die hinreichend konkrete Aussicht eines wenigstens zeitweiligen Therapieerfolges ist - im Gegensatz zur Rechtslage bei der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 Satz 2 StGB n.F. (vgl. bereits BVerfGE 91, 1 <28 ff.>) - bei der Unterbringung gemäß § 63 StGB gerade keine Voraussetzung (BGH NStZ 1998, 35; OLG Hamburg, NJW 1995, 2424 <2425>; Stree in Schönke-Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 63 StGB Rn. 20).
Von einer weitergehenden Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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