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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 03.07.2004
Aktenzeichen: 2 BvR 1056/04
Rechtsgebiete: BVerfGG, AsylVfG, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 93b
AsylVfG § 73 Abs. 1 Satz 1
GG Art. 2 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1056/04 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen a) den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 27. April 2004 - A 6 S 314/04 -,

b) das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23. Januar 2004 - A 15 K 11963/03 -

hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Jentsch, Broß und die Richterin Lübbe-Wolff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 23. Juli 2004 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die rechtlichen Folgen einer Verzögerung beim Widerruf der Asylanerkennung.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers angezeigt; denn sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).

Die den angegriffenen Entscheidungen zugrundeliegende Annahme, § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG sehe die Unverzüglichkeit des Widerrufs nicht im Interesse des davon betroffenen Ausländers vor, sondern ausschließlich im öffentlichen Interesse an der alsbaldigen Beseitigung seiner Rechtsposition als anerkannter Asylberechtigter, entspricht der in der fachgerichtlichen Rechtsprechung herrschenden Auffassung (BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 1997 - 9 B 280/97 -, NVwZ-RR 1997, S. 741 <742>; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20. Januar 2000 - 6 A 12169/99.OVG -, InfAuslR 2000, S. 468; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Mai 1996 - 19 A 1770/96.A - JURIS; OVG Niedersachsen, Urteil vom 10. Januar 1997 - 1 L 3062/96 - JURIS; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. April 1997 - 11 A 10920/97 - JURIS; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. März 1997, - A 14 S 2854/96 - AuAS 1997, S. 162; zustimmend Marx, AsylVfG, 5. Aufl. 2003, § 73, Rn. 169; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand August 2002, § 73 AsylVfG, Rn. 21; a.A. VG Frankfurt InfAuslR 2000, S. 469 <472>; VG Stuttgart, InfAuslR 2003, S. 261 <263>). Sie ist nach den geltenden Maßstäben für die verfassungsgerichtliche Kontrolle fachgerichtlicher Entscheidungen (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; stRspr) nicht zu beanstanden.

Die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs verletzt den Beschwerdeführer auch nicht dadurch in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG, dass sie angesichts der festgestellten Schutzrichtung des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG eine Verletzung seiner Rechte durch den nicht unverzüglich erfolgten Widerruf verneint hat. Dabei kommt es auf die von der Verfas-sungsbeschwerde aufgeworfene Frage, inwieweit belastende Entscheidungen, die eine Norm des geltenden Rechts verletzen, unter Berufung auf Art. 2 Abs. 1 GG unabhängig von der Schutzrichtung der verletzten Norm abgewehrt werden können, nicht an. Der Verwaltungsgerichtshof misst der Schutzrichtung des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ersichtlich die Bedeutung zu, dass das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge bereits objektivrechtlich nicht gegen diese Bestimmung verstößt, wenn es die darin bezeichnete Statusentscheidung in Fällen, in denen ein Widerruf nicht unverzüglich erfolgte, später noch widerruft. Diese Auslegung ist nicht willkürlich und auch sonst verfassungsrechtlich ebensowenig zu beanstanden wie das zugrundeliegende Verständnis von Sinn und Zweck des Unverzüglichkeitsgebots. Zielt die Verpflichtung zu unverzüglichem Widerruf allein auf die alsbaldige Beseitigung der Statusentscheidung, so spricht von Verfassungs wegen nichts dagegen, sie für den Fall eingetretener Verzögerung nicht als Verbot der Nachholung zu verstehen. Bei verzögertem Widerruf liegt nach diesem Verständnis ein Rechtsverstoß nur darin, dass die Statusentscheidung nicht bereits früher widerrufen wurde, nicht aber darin, dass sie jetzt noch widerrufen wird. Die Frage, ob eine unter Verstoß gegen einfaches Recht ergangene Widerrufsentscheidung den Betroffenen unabhängig vom Schutzzweck der verletzten Norm in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt, stellt sich unter dieser Voraussetzung nicht.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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