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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 26.01.2000
Aktenzeichen: 2 BvR 106/96
Rechtsgebiete: BVerfGG, StrRehaG, WStrVO


Vorschriften:

BVerfGG § 93
BVerfGG § 93 a
BVerfGG § 90 Abs. 1
StrRehaG § 1 Abs. 1
StrRehaG § 1 Abs. 1 Nr. 2
WStrVO § 1 Abs. 1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 106/96 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

des Herrn G...

- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Peter Ruppenthal, Egenolffstraße 33, Frankfurt am Main -

gegen a) den Beschluss des Kammergerichts vom 7. Dezember 1995 - 5 Ws 306/95 REHA -,

b) den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 6. Juli 1995 - (551/550 Rh) 3 Js 821/93 (371/93) -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Präsidentin Limbach und die Richter Hassemer, Di Fabio gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 26. Januar 2000 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Bundesgerichtshof

- 5. Strafsenat -

z. H. Herrn RiBGH Nack

Karl-Heine-Straße 12

04229 Leipzig

JURIS-Dokumentation

im Hause

Herrn BVR a. D.

Dr. Haager

"JURIS: ja"

"Fachpresse: ja"

An die

Juristische Fakultät der

Humboldt-Universität zu Berlin

Marienstraße 19/20

10117 Berlin

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ihr keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt und die Annahme auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Die angegriffenen Entscheidungen sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Die ihnen zu Grunde liegende Norm des § 1 Abs. 1 StrRehaG, insbesondere die dort vorgesehene Beschränkung der Rehabilitierung auf DDR-Entscheidungen, die mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlich-rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar sind, ist verfassungsgemäß (Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 1999 - 2 BvR 1533/94 -, Umdruck S. 21 f.).

2. Dass die Gerichte die Tatsache der Verurteilung des Beschwerdeführers nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 WStrVO nicht haben genügen lassen, um die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 StrRehaG zu bejahen, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

Es ist weder ersichtlich noch dargetan, dass die hier angewandte Norm der Wirtschaftsstrafverordnung die in der Völkerrechtsgemeinschaft allgemein anerkannten Menschenrechte in schwer wiegender Weise missachtet hat und die Verurteilung des Beschwerdeführers deshalb unter der Wertordnung des Grundgesetzes keinen Bestand haben könnte (vgl. Urteil vom 7. Dezember 1999, Umdruck S. 20). Das Landgericht hat dargelegt, dass der DDR die hoheitliche Befugnis zugestanden habe, Gesetze zum Schutz ihrer Wirtschaftsordnung wirksam zu erlassen; solche Gesetze könnten nicht per se als Kennzeichen eines totalitären Herrschaftssystems angesehen werden, sondern gälten auch in rechtsstaatlich verfassten Ordnungen. Diese Ausführungen stehen im Einklang mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundlagenvertrag (BVerfGE 36, 1 <22>) und sind von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (vgl. auch Urteil vom 7. Dezember 1999, Umdruck S. 22). Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Mai 1960 (BVerfGE 11, 150), auf den sich der Beschwerdeführer mehrfach beruft, betraf die Frage der Vollstreckung einer DDR-Verurteilung wegen Wirtschaftsstraftaten mit Hilfe bundesdeutscher Behörden nach dem Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen vom 2. Mai 1953. Bei der Rehabilitierung geht es jedoch nicht um die Vollstreckung der angegriffenen Verurteilung eines DDR-Gerichts oder gar um ihre Erneuerung (Urteil vom 7. Dezember 1999, Umdruck S. 19). Vielmehr betrifft die Rehabilitierung die Wiedergutmachung judikativen Unrechts der DDR und damit das Unrecht einer fremden Staatsgewalt, für das die Bundesrepublik Deutschland nicht verantwortlich ist und für das sie nicht einzustehen hat (Urteil vom 7. Dezember 1999, Umdruck S. 19, 28).

3. Die Feststellung der Fachgerichte, dass die Verurteilung des Beschwerdeführers auch nach einer Einzelfallprüfung nicht der politischen Verfolgung gedient habe und dass die Rechtsfolgen nur insoweit in grobem Missverhältnis zu der zu Grunde liegenden Tat stünden, als die gegen den Beschwerdeführer erkannte Zuchthausstrafe ein Jahr übersteige, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Das Urteil des Stadtbezirksgerichts ist nicht unmittelbar am Grundgesetz zu messen; das Grundgesetz ist nach dem Beitritt der DDR nicht rückwirkend in deren Gebiet in Kraft gesetzt worden (Bundesverfassungsgericht, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 30. Oktober 1993 - 1 BvL 42/92 -). Dass die Fachgerichte bei der Auslegung von § 1 Abs. 1 Nr. 2 StrRehaG Bedeutung und Tragweite von Grundrechten des Beschwerdeführers verkannt hätten (BVerfGE 18, 85 <93>), ist weder ersichtlich noch dargetan. Auf die Ausführungen des Stadtbezirksgerichts zur Charakterisierung des Beschwerdeführers, auf die in der Begründung der Verfassungsbeschwerde Bezug genommen wird, ist das Kammergericht ausführlich eingegangen. Es hat dargelegt, dass es sich hierbei um eine ideologisch gefärbte Charakterisierung des Betroffenen gehandelt habe und es nahe liege, dass sich diese auf die Strafzumessung ausgewirkt habe.

Damit hat es die Teilaufhebung des Strafausspruchs des Stadtbezirksgerichts begründet. Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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