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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 28.01.2004
Aktenzeichen: 2 BvR 1140/03
Rechtsgebiete: GG
Vorschriften:
GG Art. 1 Abs. 1 | |
GG Art. 2 Abs. 1 | |
GG Art. 3 Abs. 1 | |
GG Art. 20 Abs. 3 | |
GG Art. 19 Abs. 4 | |
GG Art. 103 Abs. 1 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1140/03 -
In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde
gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 3. Januar 2003 - 16 W 36/2002 -
und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Broß, Di Fabio und Gerhardt gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 28. Januar 2004 einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Gründe:
Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von Urteilen des Bezirksgerichts Jerusalem in einer Ehesache auf der Grundlage des deutsch-israelischen Abkommens über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 20. Juli 1977 (BGBl 1980 II S. 925).
I.
1. a) Der Beschwerdeführer hat 1976 eine israelische Staatsangehörige geheiratet. Im Januar 1993 teilten die Eheleute dem Bezirksgericht Jerusalem mit, dass sie eine Vereinbarung über ihre Scheidung und die Folgesachen getroffen hätten. Daraufhin erklärte das Gericht die Vereinbarung als sogenanntes Familienstandsurteil für rechtskräftig.
In der Vereinbarung verpflichtete sich der Beschwerdeführer zu Unterhaltszahlungen, der Bereitstellung von Kapital für den Kauf einer Eigentumswohnung in Israel und zu einem Versorgungsausgleich im Hinblick auf seine Pensionsansprüche in Deutschland. Die Rechtswirkung der Scheidung wurde von der Erfüllung dieser Verpflichtungen abhängig gemacht. Der Beschwerdeführer erfüllte die Vereinbarung nur teilweise.
Die Ehefrau reichte im Juli 1995 beim Bezirksgericht Jerusalem eine Unterhaltsklage ein, um eine Verurteilung des Beschwerdeführers zur Zahlung der ausstehenden Beträge zu erreichen. Im August 1996 verurteilte das Gericht den Beschwerdeführer zunächst zu Zahlungen aus der Vereinbarung. Daneben wurde der Beschwerdeführer zusätzlich zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet, weil die Ehe fortbestehe und der Ehefrau deshalb Unterhaltsansprüche zustünden.
Auf die Berufung des Beschwerdeführers hob der Oberste Gerichtshof Israels das Urteil auf und verwies die Sache an das Bezirksgericht zurück. Das Bezirksgericht bestätigte seine Entscheidung mit einer erweiterten Begründung, die auf die erneute Berufung des Beschwerdeführers vor dem Obersten Gerichtshof Bestand hatte. Daraufhin wurden die israelischen Gerichtsentscheidungen rechtskräftig.
b) Mit Beschluss vom 25. Juli 2002 erklärte das Landgericht Bonn auf Antrag der Ehefrau des Beschwerdeführers die Urteile des Bezirksgerichts Jerusalem auf der Grundlage des deutsch-israelischen Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommens für vollstreckbar. Der Titel beläuft sich auf insgesamt € 792.330,95. Die Beschwerde des Beschwerdeführers wies das Oberlandesgericht Köln mit Beschluss vom 3. Januar 2003 zurück. Das Landgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung der Entscheidungen und die Zulassung der Zwangsvollstreckung vorlägen. Die Einwände des Beschwerdeführers hätten sich gegen die materielle Richtigkeit der Urteile gerichtet, die grundsätzlich nicht überprüft werde. Auch liege kein Verstoß gegen den ordre public (Art. 5 Abs. 1 Nr. 2 des Abkommens) vor. Die Entscheidungen des Bezirksgerichts beruhten nicht auf der Anwendung israelischen Unterhaltsrechts, sondern auf der Auslegung des vorrangig zu berücksichtigenden, zwischen den Eheleuten geschlossenen Abkommens.
2. Der Beschwerdeführer rügt mit seiner fristgemäß am 7. Februar 2003 erhobenen Verfassungsbeschwerde die Verletzung von Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG. Die Höhe der Zahlungsverpflichtungen überstiegen seine Leistungsfähigkeit und bedrohten ihn in seiner Existenz. Die Verurteilung zu einer weiteren Zahlung von Unterhalt neben den vertraglichen Verpflichtungen habe Strafcharakter.
Mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2003 trägt der Beschwerdeführer ausführlich ergänzend vor, dass er mit seiner Verfassungsbeschwerde auch die Verletzung seines Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG und die Verletzung von Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 GG rüge. Zugleich stellte er einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, weil die zeitweilig ausgesetzte Zwangsvollstreckung nunmehr fortgesetzt werde.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig und hat im Übrigen keinen Erfolg.
1. a) Ein Beschwerdeführer muss innerhalb der Frist des § 93 BVerfGG hinreichend deutlich die Möglichkeit einer Verletzung seiner Grundrechte oder grundrechtsähnlichen Rechte vortragen (vgl. BVerfGE 6, 132 <134>; 20, 323 <329 f.>; 28, 17 <19>). Diesen Maßstäben genügt die Beschwerdeschrift teilweise nicht. Der Beschwerdeführer hat erst in seinem Schriftsatz vom 17. Dezember 2003, nach Ablauf der Frist gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG, die Verletzung weiterer Grundrechte gerügt und begründet. Sowohl die Grundrechtsrügen als auch die Begründung beziehen sich jedoch auf die bereits mit dem Schriftsatz vom 6. Februar 2003 angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln. Im Ergebnis hat der Beschwerdeführer sich mit dem Schriftsatz vom 17. Dezember 2003 nicht auf das zulässige Nachschieben von weiteren Rechtsausführungen beschränkt, sondern die Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf die dort gerügten Grundrechtsverstöße ein zweites Mal erhoben.
b) Des weiteren hat der Beschwerdeführer die Vereinbarung (Familienstandsurteil) zwischen ihm und seiner Frau nicht vorgelegt. Der Beschwerdeführer hat jedoch die für die verfassungsrechtliche Beurteilung wesentlichen und unverzichtbaren Unterlagen vorzulegen oder ihrem wesentlichen Inhalt nach wiederzugeben (vgl. BVerfGE 88, 40 <45>; 93, 266 <288>).
Die Vereinbarung der Eheleute, die durch das zuständige israelische Gericht zu einem Familienstandsurteil erklärt wurde, ist das Schlüsseldokument des Verfahrens. Da die Vereinbarung nicht in ihrer Gesamtheit gewürdigt werden kann, kann letztendlich die Frage nicht geklärt werden, ob und inwieweit sich die Auslegung des Bezirksgerichts von dem vereinbarten Inhalt und somit von dem Willen der Vertragsparteien entfernt hat.
2. Die Verfassungsbeschwerde hat im Übrigen in der Sache keinen Erfolg. Die angegriffene Entscheidung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Für die verfassungsgerichtliche Nachprüfung der Auslegung und Anwendung völkervertraglicher Abmachungen, die durch Gesetz die Kraft innerstaatlichen deutschen Rechts erhalten haben, gelten dieselben Grundsätze, die auch sonst die Befugnis des Bundesverfassungsgerichts, Gerichtsentscheidungen zu überprüfen, begrenzen. Die fachgerichtliche Auslegung und Anwendung völkerrechtlicher Abkommen kann nur daraufhin geprüft werden, ob sie willkürlich sind oder auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts beruhen oder mit anderen verfassungsrechtlichen Vorschriften unvereinbar sind (vgl. BVerfGE 18, 441 <450>; 94, 315 <328>). Dieser Maßstab ist auch auf die Prüfung der israelischen Gerichtsentscheidungen durch die deutschen Fachgerichte im Rahmen des Anerkennungsverfahrens übertragbar.
b) Ein Mangel der angegriffenen Entscheidung, der auf eine Verkennung der Bedeutung und Tragweite der als verletzt gerügten Grundrechte hindeuten könnte, ist nicht festzustellen. Das Oberlandesgericht hat in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass die Einwände des Beschwerdeführers noch nicht geeignet sind, den ordre public-Vorbehalt des Abkommens auszulösen.
Das Oberlandesgericht hat weiter zu Recht darauf hingewiesen, dass sich der Beschwerdeführer im Kern gegen die materielle Richtigkeit der israelischen Gerichtsentscheidungen wendet und dass er sich vor Ort um eine Änderung der Gerichtsentscheidungen bemühen müsse. Eine mit der Vollstreckung etwa einhergehende besondere Härte für den Beschwerdeführer ist in diesem Fall nicht geeignet, die Voraussetzungen des ordre public zu erfüllen.
Von einer weiter gehenden Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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