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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 14.08.2001
Aktenzeichen: 2 BvR 1142/00
Rechtsgebiete: BVerfGG, StPO, IRG, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 92
BVerfGG § 93b
BVerfGG § 93a
BVerfGG § 23 Abs. 1 Satz 2
BVerfGG § 90 Abs. 2 Satz 1
BVerfGG § 93d Abs. 1 Satz 3
StPO § 147
StPO § 147 Abs. 1
StPO § 147 Abs. 2
IRG § 66
IRG § 61 Abs. 1 Satz 2
IRG § 61 Abs. 1 Satz 3
IRG § 66 Abs. 1 Nr. 1
GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 103 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1142/00 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 29. Mai 2000 - OLGAusl. III AR RH 598/98 (28/00) -

hat die 4. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Präsidentin Limbach und die Richter Jentsch, Di Fabio gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 14. August 2001 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Herausgabe von kopierten Bank- und Geschäftsunterlagen im Wege der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen gemäß § 66 IRG sowie dem Europäischen Rechtshilfeübereinkommen.

I.

1. Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft ersuchte mit Noten vom 14. Februar 1998, 22. Mai 1998 und 11. Januar 1999, umfangreiche Geschäfts- und Bankunterlagen u.a. bei der Beschwerdeführerin zu 1. zu beschlagnahmen und als Beweismittel in dem dortigen Untersuchungsverfahren herauszugeben. Nach Anfertigung von ermittlungsrelevanten Kopien wurden die beschlagnahmten Originalunterlagen vom Landeskriminalamt Anfang März 2000 freigegeben. Die Staatsanwaltschaft lehnte den Antrag auf Akteneinsicht ab, da der Geschäftsführer der Beschwerdeführerinnen als Zeuge geführt werde. Auf Antrag der Beschwerdeführerinnen erkannte das Oberlandesgericht München mit Beschluss vom 29. Mai 2000 auf Zulässigkeit der Herausgabe der Kopien. Ermittle der ersuchende Staat gegen unbekannt, so genüge es, wenn es nach den Umständen nicht völlig ausgeschlossen sei, dass die Gegenstände Beweisbedeutung gewinnen könnten. Auch Unterlagen, die die Ermittlung der unmittelbaren Beweise erst ermöglichten, seien deshalb Beweismittel im Sinne des Rechtshilferechts.

2. Die Beschwerdeführerinnen machen u.a. einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie - der Sache nach - der Garantie rechtlichen Gehörs geltend. Im Verfahren vor dem Oberlandesgericht hätten sie keine Kenntnis gehabt, welche der beschlagnahmten und wieder freigegebenen Unterlagen als Kopien an die Ukraine herausgegeben werden sollen; zudem verstehe der angegriffene Beschluss den Begriff der Beweiserheblichkeit zu weit.

II.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie wirft keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Fragen auf und ist ohne Aussicht auf Erfolg (§ 93a Abs. 2 BVerfGG).

2. Das Recht der Beschwerdeführerin zu 1. auf effektiven Rechtsschutz ist nicht verletzt.

a) Die Versagung der Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft ist kein Mangel der angegriffenen gerichtlichen Entscheidung. Das Fachgericht hatte im Ausgangsverfahren keinen Einfluss auf die Entscheidung nach § 147 Abs. 2 StPO. Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin zu 1. dem Grundsatz der Subsidiarität nicht genügt, weil sie die staatsanwaltschaftliche Versagung der Akteneinsicht nicht mit den hiergegen gegebenen Rechtsbehelfen beanstandet hat.

b) Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht fehlt es insoweit an einer den Anforderungen der §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG genügenden Darlegung, dass die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde gewahrt ist. Danach hat der Beschwerdeführer über die Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne, § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, hinaus alle prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen, um eine drohende Grundrechtsverletzung zu verhindern oder eine schon erfolgte zu korrigieren (vgl. BVerfGE 66, 337 <364>; stRspr).

Für die Beschwerdeführerin zu 1. hätte die Möglichkeit bestanden, die beanstandete Benachteiligung im Wege eines Antrags auf Akteneinsicht gemäß § 147 Abs. 1 StPO geltend zu machen. Die Verfassungsbeschwerde setzt sich mit dieser Möglichkeit nicht auseinander; für einen entsprechenden Antrag vor dem Oberlandesgericht ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich. Der durch § 61 Abs. 1 Satz 2 IRG eröffnete Rechtsweg zum Oberlandesgericht genügt dem sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden Gebot eines effektiven Rechtsschutzes gegen die öffentliche Gewalt. Dem durch Art. 19 Abs. 4 GG verbürgten Rechtsschutz des von der Herausgabe betroffenen Dritten entspricht die Garantie des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG. Dieser Anspruch umfasst grundsätzlich auch das Recht auf Einsicht in die Verfahrensakten. Dementsprechend findet § 147 StPO zur Akteneinsicht durch den Rechtsbeistand gemäß § 61 Abs. 1 Satz 3 IRG Anwendung auf das Verfahren der Entscheidung über die Zulässigkeit der Rechtshilfe vor dem Oberlandesgericht.

Demgegenüber ist nicht erheblich, dass die Beschwerdeführerin bei der Staatsanwaltschaft erfolglos Akteneinsicht beantragt hatte. Deren Verfahren ist von dem der gerichtlichen Prüfung der Zulässigkeit der Rechtshilfe getrennt. Zudem standen der Beschwerdeführerin gegen die staatsanwaltschaftliche Akteneinsichtsverwehrung die allgemeinen Rechtsbehelfe offen.

3. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist nicht verletzt.

Bei der Rechtshilfe in Strafsachen findet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Anwendung, und zwar auf die Zulässigkeit der Rechtshilfe ebenso wie auf deren Durchführung nach den innerstaatlichen Vornahmeermächtigungen.

Wenn gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 1 IRG auf Ersuchen einer zuständigen Stelle Gegenstände herausgegeben werden, die als Beweismittel für ein ausländisches Verfahren dienen können, ist damit zwar nicht ausgeschlossen, dass sie letztlich im Strafverfahren keine Verwendung finden. Dies ist aber unvermeidbar, weil das strafrechtliche Ermittlungsverfahren auf einem Tatverdacht beruht. Die rechtsstaatlich, auch durch die Europäische Menschenrechtskonvention geforderte umfassende Ermittlungstätigkeit bringt Nachforschungen mit sich, auch wenn die Ermittlungsergebnisse später nicht zu einer Anklage oder Verurteilung führen sollten. Entscheidend ist nur die potentielle Bedeutung des zu beschlagnahmenden Materials als Beweismittel (vgl. BVerfGE 77, 1 <53>, zum deutschen Prozess).

Es begegnet daher von Verfassungs wegen keinen Bedenken, wenn die Fachgerichte es im internationalen Rechtshilfeverkehr genügen lassen, dass die Beweiserheblichkeit der von dem Ersuchen umfassten Beweismittel nicht ausgeschlossen ist (vgl. BGHSt 20, 170 <173>). Es ist auch nicht ersichtlich, dass den angegriffenen Entscheidungen eine grundlegend fehlerhafte Einschätzung der Beweismitteleignung der von dem Ersuchen der ukrainischen Behörden umfassten und nunmehr herauszugebenden Unterlagen zu Grunde läge. Die Geschäfts- und Bankunterlagen stehen offensichtlich in Zusammenhang mit dem Tatverdacht. Ihre Auswertung wird eine intensive Prüfung durch die ukrainischen Behörden verlangen. Gegen die Schlussfolgerung des Oberlandesgerichts, die Einschätzung des Bayerischen Landeskriminalamts, dass hier von vornherein überhöhte Preiskalkulationen oder irgendwelche Geheimabsprachen nicht offenbar seien, stehe der Herausgabe nicht entgegen, ist von Verfassungs wegen daher nichts zu erinnern. Dass ein engeres, hinsichtlich seiner Aussagekraft für die untersuchten Vorgänge ebenso geeignetes Ersuchen zu erlangen war, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

4. Im Übrigen wird von einer Begründung abgesehen, § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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