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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 28.09.2007
Aktenzeichen: 2 BvR 1156/06
Rechtsgebiete: GG
Vorschriften:
GG Art. 1 Abs. 1 | |
GG Art. 2 Abs. 1 | |
GG Art. 20 Abs. 3 | |
GG Art. 33 Abs. 5 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1156/06 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
gegen a) den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. April 2006 - 1 A 1162/06 -,
b) das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 11. Januar 2006 - 4 K 2125/05 -
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richter Di Fabio und Landau gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 28. September 2007 einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen eine Anordnung seines Dienstherrn zum Nachweis der Dienstunfähigkeit wegen Krankheit.
Der Beschwerdeführer, ein Justizvollzugsobersekretär, erhielt die Anordnung des Leiters der Justizvollzugsanstalt, jede Dienstunfähigkeit infolge Krankheit durch unverzügliche Vorlage eines privatärztlichen Attests spätestens an dem der Erkrankung folgenden ersten Arbeitstag nachzuweisen. Seine gegen diese Anordnung gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Nach den Feststellungen im verwaltungsgerichtlichen Urteil, die mit der Verfassungsbeschwerde nicht angegriffen werden, hatte sich der Beschwerdeführer in den Jahren 2003 bis 2005 oftmals kurzfristig, unmittelbar vor Dienstantritt oder aus dem Dienst heraus, und unmittelbar vor oder nach einem dienstfreien Wochenende oder dienstfreien Tagen krank gemeldet.
II.
Mit der hiergegen erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 und Art. 33 Abs. 5 GG.
Die Anordnung verletze die von Art. 33 Abs. 5 GG umfasste Treuepflicht zwischen dem Dienstherrn und seinen Beamten. Die Anordnung könne nicht auf § 79 Abs. 1 Satz 2 des Landesbeamtengesetzes Nordrhein-Westfalen gestützt werden, da diese Vorschrift eine bereits bestehende Dienstunfähigkeit voraussetze und keine Anordnung im Voraus erlaube. Außerdem sei die Verfügung unbestimmt. Die unzulässige Anordnung verletze sowohl die allgemeine Handlungsfreiheit des Beschwerdeführers in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip als auch dessen Menschenwürde, da der Dienstherr durch die Anordnung sein Misstrauen gegenüber dem Beschwerdeführer zum Ausdruck bringe und ihn dadurch erniedrige.
III.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>; 96, 245 <248>). Sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
1. Entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung verstößt die Anordnung nicht gegen die von Art. 33 Abs. 5 GG umfasste Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Der Grundsatz der Fürsorgepflicht als Korrelat zur Treuepflicht des Beamten verpflichtet den Dienstherrn, bei seinen Entscheidungen die wohlverstandenen Interessen des Beamten in gebührender Weise zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 43, 154 <165>). Diesen Grundsatz haben der Dienstherr und die seine Anordnung bestätigenden Gerichte nicht verletzt. In der Pflicht, eine Dienstunfähigkeit infolge Krankheit auf Verlangen des Dienstvorgesetzten nachzuweisen, konkretisiert sich vielmehr die Dienstpflicht des Beamten, die er seinem Dienstherrn aufgrund des Beamtenverhältnisses schuldet (vgl. BVerwGE 21, 15 <16>). Mit der Berufung in das Beamtenverhältnis ist die Pflicht des Beamten verbunden, seine ganze Persönlichkeit für den Dienstherrn einzusetzen und diesem seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen (vgl. BVerfGE 55, 207 <236 f.>; 61, 43 <56>; 70, 69 <80>). Das Amt erfordert ein Ethos, das gekennzeichnet ist durch ein die gesamte Persönlichkeit prägendes hohes Maß an Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein, unbedingte Loyalität gegenüber dem Rechtsstaat, aktives Eintreten für diesen Staat, die Zurücknahme privater Bedürfnisse und Empfindlichkeiten zugunsten des Amtes sowie dessen würdevolle Ausübung.
Dem Beamten obliegt daher der Nachweis der Dienstunfähigkeit, wenn er seine Dienstpflicht vorübergehend nicht erfüllen kann. § 79 Abs. 1 Satz 2 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen erlaubt dabei nicht nur die Forderung eines Nachweises, nachdem die Dienstunfähigkeit bereits eingetreten ist, sondern auch eine generelle Anordnung im Voraus. Der Wortlaut der Vorschrift, die Dienstunfähigkeit sei auf Verlangen nachzuweisen, bedeutet nur, dass der Dienstherr nicht in jedem Falle einen Nachweis fordern muss, sondern diese Entscheidung seinem Ermessen überlassen ist (vgl. BVerwGE 21, 15 <17> zur entsprechenden Berliner Vorschrift). Die Ermessensentscheidung des Dienstherrn im Fall des Beschwerdeführers ist nicht zu beanstanden. Die konkreten Umstände, auf die der Dienstherr hier seine Zweifel an den Krankmeldungen des Beschwerdeführers stützte, sind im verwaltungsgerichtlichen Urteil dargelegt.
2. Die Anordnung ist auch inhaltlich hinreichend bestimmt. Der Beschwerdeführer konnte eindeutig erkennen, dass er die Dienstunfähigkeit spätestens an dem auf die Erkrankung folgenden Arbeitstag nachzuweisen hat. Es steht dazu nicht im Widerspruch, dass die Vorlage des Attests auch "unverzüglich" erfolgen sollte. Der Beschwerdeführer konnte diesen Begriff nicht etwa im zivilrechtlichen Sinne als "ohne schuldhaftes Zögern" (§ 121 Abs. 1 BGB), also ohne zeitlich genau festgelegte Frist, verstehen, da eine absolute Zeitgrenze für die Vorlage angeordnet worden war.
Aus den dargelegten Gründen verstoßen die Entscheidungen auch nicht gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
3. Es ist nicht ersichtlich, wie der Beschwerdeführer durch die Pflicht, seine Dienstunfähigkeit am nächsten Arbeitstag durch ärztliche Atteste nachzuweisen, in seiner Menschenwürde verletzt sein könnte. Erhöhte Anforderungen an den Nachweis der Dienstunfähigkeit, für die sich der Dienstherr auf konkrete Umstände stützen konnte, erniedrigen einen Beamten nicht.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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