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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 14.08.2007
Aktenzeichen: 2 BvR 1186/07
Rechtsgebiete: BVerfGG, StPO


Vorschriften:

BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 93b
StPO § 81g
StPO § 138a
StPO § 138a Abs. 1
StPO § 138a Abs. 2
StPO § 138a Abs. 4 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1186/07 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen a) den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 23. Februar 2007 - AnwSt(B) 7/06 -,

b) das Urteil des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs vom 10. Juli 2006 - AGH 13/05 -

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richter Di Fabio und Landau gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 14. August 2007 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Ein Annahmegrund nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.

Der Anwaltsgerichtshof hat den Anwendungsbereich des § 138a StPO nicht überdehnt, indem er die anwaltliche Wahrnehmung rechtlicher Interessen eines Betroffenen im DNA-Identitätsfeststellungsverfahren als Verteidigung wertete. Damit hat er auch nicht unzulässig in das Recht auf freie Berufsausübung des Beschwerdeführers eingegriffen. Zudem stellt es keine willkürliche Rechtsanwendung dar, dass der Gerichtshof von einem schuldhaften Verstoß des Beschwerdeführers gegen das Verteidigungsverbot ausgegangen ist.

Nach § 138a Abs. 4 Satz 1 StPO darf ein von der Teilnahme an einem Strafverfahren ausgeschlossener Verteidiger seinen Mandanten auch in anderen gesetzlich geordneten Verfahren nicht verteidigen. Das Gesetz führt nicht auf, was gesetzlich geordnete Verfahren im Sinne dieser Vorschrift sind. Eine Begriffsbestimmung ist jedoch möglich über das dem Rechtsanwalt in diesen Verfahren von Gesetzes wegen verbotene Verhalten. Verboten ist ihm die Übernahme einer Verteidigung. Damit ergeben sich als gesetzlich geordnete Verfahren die Verfahren, in denen der Mandant des Rechtsanwalts beschuldigt wird, denn Verteidigung ist das Sich-Zur-Wehrsetzen gegen eine von anderer Seite erhobene Beschuldigung. Gesetzlich geordnete Verfahren nach § 138a Abs. 4 Satz 1 StPO sind damit Bußgeldverfahren, Ehren- und Berufsgerichtsverfahren sowie sonstige rechtlich geregelte Disziplinarverfahren (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49 Aufl., § 138a Rn. 25). Zu den gesetzlich geordneten Verfahren im Sinne der Vorschrift zählen aber auch andere Strafverfahren (vgl. Wohlers, in: Systematischer Kommentar zur StPO, Stand: 51. Lfg., Februar 2007, § 138a Rn. 26).

Wie das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden hat, ist das DNA-Identitätsfeststellungsverfahren Teil eines solchen "anderen" Strafverfahrens, denn Sinn und Zweck des Verfahrens nach § 81g StPO ist die Identitätsfeststellung des Täters in zukünftigen und damit "anderen" Strafverfahren (vgl. BVerfGE 103, 21 <30>). Mithin wird der die rechtlichen Interessen des Betroffenen eines DNA-Identitätsfeststellungsverfahrens wahrnehmende Rechtsanwalt als Verteidiger tätig (vgl. BVerfGE, a.a.O. <40 f.>), weshalb er bei wirksamer Verteidigerausschließung nach § 138a Abs. 1 und 2 StPO für seinen Mandanten in einem solchen Verfahren nicht auftreten darf.

Die Zugehörigkeit des DNA-Identitätsfeststellungs-verfahrens zum Strafverfahrensrecht hätte dem Beschwerdeführer aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die Eingang in die von ihm - dem Beschwerdeführer - genutzte Kommentarliteratur gefunden hat (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. bzw. 47. Aufl., § 81g Rn. 16) - auch bekannt sein müssen. Hinzu kommt, dass auch die Fachgerichte die rechtliche Interessenvertretung im Verfahren nach § 81g StPO als Verteidigung begreifen (vgl. LG Karlsruhe, StV 2001, S. 390 f.). Deshalb ist es nicht willkürlich, dass der Anwaltsgerichtshof einen schuldhaften Verstoß des Beschwerdeführers gegen das Verteidigungsverbot angenommen hat.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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