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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 15.12.2004
Aktenzeichen: 2 BvR 1210/01
Rechtsgebiete: GG
Vorschriften:
GG Art. 14 Abs. 1 | |
GG Art. 3 Abs. 1 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1210/01 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
gegen a) den Beschlluss des Bundessozialgerichts vom 26. März 2001 - B 4 RA 130/00 B -,
b) den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. Juni 2000 - L 13 RA 684/97 -,
c) das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. März 1997 - S - 6/An - 1934/95 -
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Broß, Di Fabio und Gerhardt gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 15. Dezember 2004 einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
Der Beschwerdeführer, ein früheres Mitglied des Landtags von Rheinland-Pfalz, begehrt die Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung.
I.
§ 15 Abs. 1 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Landtags Rheinland-Pfalz vom 21. Juli 1978 (GVBl S. 587, im Folgenden: AbgG RhPf) sieht für Abgeordnete, die ohne Versorgungsanspruch aus dem Landtag ausscheiden, eine Versorgungsabfindung in Höhe von 70 vom Hundert des jeweiligen Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung vor. Daneben ermöglichte § 15 Abs. 2 AbgG RhPf in der bis zum Erlass des Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes Rheinland-Pfalz und des Landesdatenschutzgesetzes vom 21. November 1989 (GVBl S. 240) geltenden Fassung in Verbindung mit § 23 Abs. 7 und Abs. 8 des Abgeordnetengesetzes des Bundes vom 18. Februar 1977 (BGBl I S. 297, im Folgenden: AbgG Bund) in der vor Erlass des Siebten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes vom 16. Januar 1987 (BGBl I S. 143) geltenden Fassung die Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung innerhalb von zwei Jahren nach dem Ausscheiden aus dem Parlament. Mit den genannten Neuregelungen trat an die Stelle der Nachentrichtung von Beiträgen und nunmehr alternativ zu der Versorgungsabfindung die Möglichkeit der Nachversicherung in entsprechender Anwendung der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften. Übergangsvorschriften enthalten die Änderungsgesetze nicht. Gemäß § 23 Abs. 4 Satz 2 AbgG RhPf fanden und finden die genannten Regelungen auch im Falle der nachträglichen Verwirkung des Versorgungsanspruchs Anwendung.
II.
1. Der im März 1933 geborene Beschwerdeführer war von 1967 bis 1983 Mitglied des rheinland-pfälzischen Landtags. Gemäß § 11 AbgG RhPf in der bis zum 31. Dezember 1993 geltenden Fassung hatte er nach seinem Ausscheiden aus dem Landtag Anspruch auf Altersversorgung ab dem Zeitpunkt der Vollendung des 55. Lebensjahres.
2. Im Jahre 1985 wurde der Beschwerdeführer zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils im August 1986 verlor er gemäß § 45 Abs. 1 StGB das passive Wahlrecht und damit gemäß § 23 Abs. 4 Satz 1 AbgG RhPf in der bis zum 30. Juni 1987 geltenden Fassung in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Nr. 2 und § 28 Abs. 2 Nr. 2 des Landeswahlgesetzes in der Fassung vom 1. September 1982 (GVBl S. 355) auch die Anwartschaft auf die Altersversorgung nach dem Abgeordnetengesetz. Die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde nahm die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch Beschluss vom 2. Oktober 1991 - 2 BvR 880/91 - nicht zur Entscheidung an.
3. Im Jahre 1993 beantragte der Beschwerdeführer bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte erfolglos die Nachversicherung für die Zeit seiner Mitgliedschaft im Landtag.
Die daraufhin erhobene Klage wies das Sozialgericht ab. Mangels Übergangsvorschriften komme es für die Beurteilung der Rechtslage allein auf den Zeitpunkt des Verlustes der Versorgungsanwartschaft an. Zu diesem Zeitpunkt habe das Gesetz die Möglichkeit der Nachversicherung indes noch nicht vorgesehen. Verfassungsrechtlich sei dies unbedenklich, weil mit der Versorgungsabfindung und der Möglichkeit der Nachentrichtung von Beiträgen eine ausreichende Auffangregelung existiert habe.
Die Berufung wies das Landessozialgericht mit im Wesentlichen gleichlautender Argumentation zurück und ließ die Revision nicht zu.
Die Nichtzulassungsbeschwerde verwarf das Bundessozialgericht als unzulässig. Der Beschwerdeführer habe den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht hinreichend dargelegt.
III.
Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 14 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie aus Art. 3 Abs. 1 GG.
Die verwirkte Abgeordnetenversorgung sei Bestandteil der Abgeordnetenentschädigung gewesen. Die sozialgerichtlichen Entscheidungen führten zu einer verfassungswidrigen "Konfiskation", denn sie hätten zur Folge, dass ihm keine Möglichkeit mehr offen stehe, eine auf Dauer angelegte Ersatzversorgung für die verlorene Abgeordnetenversorgung zu erlangen. Die Versorgungsabfindung des § 15 Abs. 1 AbgG RhPf stelle keine derartige, adäquate Ersatzversorgung dar. Die Sozialgerichte hätten daher entweder aus der seit 1989 geltenden Neuregelung oder jedenfalls "unmittelbar aus § 242 BGB in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 GG" eine Pflicht der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zur Nachversicherung des Beschwerdeführers herleiten müssen. Dies gelte umso mehr, als wegen der Frist des § 23 Abs. 2 Satz 2 AbgG Bund in der vor Inkrafttreten des Siebten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes geltenden Fassung die Nachentrichtung von Beiträgen nur innerhalb eines Zeitrahmens möglich gewesen sei, in welchem er seinen Anspruch auf Abgeordnetenentschädigung noch gar nicht verloren gehabt habe.
Unter diesem Gesichtspunkt stelle die Versagung der Nachversicherung auch eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung seiner Person gegenüber solchen Abgeordneten dar, die aus dem Parlament ausgeschieden seien, bevor sie überhaupt einen Versorgungsanspruch erworben hätten.
IV.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Ihr kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt, denn sie hat keine Aussicht auf Erfolg (BVerfGE 90, 22 <25 f.>).
1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
a) Ihrer Zulässigkeit steht der in Art. 94 Abs. 2 Satz 2 GG und § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG verankerte Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Dieser gebietet, dass der Beschwerdeführer im Ausgangsverfahren alle prozessualen Möglichkeiten ausschöpft, um eine Korrektur der behaupteten Grundrechtsverletzung zu erwirken (BVerfGE 68, 376 <379 f.>; stRspr). Zu den insoweit in Betracht kommenden Rechtsbehelfen zählt auch die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (BVerfGE 16, 1 <2>; 51, 386 <395 f.>). An einer dem Subsidiaritätsgrundsatz genügenden Rechtswegerschöpfung fehlt es auch dann, wenn der Beschwerdeführer zwar von der Nichtzulassungsbeschwerde Gebrauch gemacht hat, diese aber aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde (BVerfGE 1, 12 <13>).
Gemessen an diesen Maßstäben genügt die Verfassungsbeschwerde den Anforderungen des Subsidiaritätsgrundsatzes nicht. Das Bundessozialgericht hat die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig zurückgewiesen, weil der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung nicht in einer den Anforderungen des § 160a Abs. 2 Satz 3 SGG genügenden Weise begründet habe. Anhaltspunkte dafür, dass das Bundessozialgericht die Begründungsanforderungen überspannt hätte, sind weder dargetan noch ersichtlich.
b) Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Bundessozialgerichts richtet, ist sie nicht hinreichend begründet. Der Beschwerdeführer trägt nicht vor, inwieweit die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde aus rein prozessualen Gründen ihn in seinen in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechten verletzen soll.
2. Die Verfassungsbeschwerde kann aber auch in der Sache keinen Erfolg haben. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten.
a) Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Ein Anspruch auf Nachversicherung lässt sich unmittelbar aus dem Abwehrrecht des Art. 14 Abs. 1 GG nicht ableiten. Ob ein eventueller einfachrechtlicher Anspruch auf Nachversicherung den Schutz des Eigentumsgrundrechts genießt, kann dahingestellt bleiben. Denn das Sozialgericht und das Landessozialgericht haben in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass dem Beschwerdeführer ein solcher Anspruch zu keiner Zeit zustand.
Die Auslegung und Anwendung einfachen Rechts ist grundsätzlich Aufgabe der Fachgerichte. Das Bundesverfassungsgericht kann nur einschreiten, wenn dabei Fehler erkennbar werden, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts beruhen (BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 18, 315 <343>; stRspr), insbesondere, wenn die gefundene Auslegung willkürlich erscheint (BVerfGE 80, 48 <51>; 108, 129 <137 f.>).
Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung, die neu eingeführte Nachversicherungsregelung sei auf ehemalige Abgeordnete, die - wie der Beschwerdeführer - bereits vor Inkrafttreten der Neuregelung ihre Versorgungsanwartschaft verloren haben, nicht anwendbar, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die zu Grunde liegende Annahme, das für die Anwendung der Nachversicherungsmöglichkeit maßgebliche Ereignis sei der Eintritt des Nachversicherungsfalls, entspricht nicht nur der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSGE 1, 219 <221 f.>; 25, 24 <25 f.>; 43, 200 <202>; Urteil des Bundessozialgerichts vom 12. März 1981 - 11 RA 8/80 -, SozR 2200 § 1232 RVO Nr. 10; Urteil des Bundessozialgerichts vom 31. März 1992 - 4 RA 25/91 -, SozR 3-2200 § 1232 RVO Nr. 3), sondern kann sich darüber hinaus auch auf die Regelung in § 233 SGB VI stützen. Diese gilt zwar lediglich für das Verhältnis der Vorschriften über die Nachversicherung des SGB VI zu den Vorgängerregelungen im Angestelltenversicherungsgesetz bzw. der Reichsversicherungsordnung. Den Gesetzgebungsmaterialien ist jedoch zu entnehmen, dass der Gesetzgeber mit dieser Regelung die insofern "von Rechtsprechung und Praxis herausgearbeiteten allgemeinen Grundsätze des Nachversicherungsrechts" übernommen (vgl. die Begründung der Bundesregierung zu § 228 des Gesetzentwurfs zum SGB VI - entspricht § 233 der endgültigen Gesetzesfassung -, BRDrucks 120/89, S. 197 f.) und damit gebilligt hat. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Grundsätze bestehen - trotz der mit jeder "Stichtagsregelung" zwangsläufig verbundenen Härten - nicht (vgl. BVerfGE 49, 260 <275>; 71, 364 <397>; 80, 297 <311>; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts <Vorprüfungsausschuss> vom 10. März 1982 - 1 BvR 584/81 -, SozR 2200 § 1232 RVO Nr. 11).
Eine Verletzung des Eigentumsgrundrechts liegt schließlich auch unter dem Gesichtspunkt des Verlustes der Versorgungsanwartschaft nicht vor. Unabhängig von der Frage, ob die Versorgungsanwartschaft den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG genießt, liegt ein möglicher Eingriff allenfalls in deren in Folge der strafgerichtlichen Verurteilung kraft Gesetzes eingetretenem Verlust, nicht hingegen in der Versagung des Zugangs zur Nachversicherung in den angegriffenen Entscheidungen. Dass die Verwirkungsregelungen des § 23 Abs. 4 Satz 1 AbgG RhPf keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem den Beschwerdeführer betreffenden Beschluss vom 2. Oktober 1991 - 2 BvR 880/91 - bereits entschieden.
b) Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt.
Eine Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers gegenüber solchen Abgeordneten, die unversorgt aus dem Parlament ausgeschieden sind, liegt nicht vor. Die Frist des § 23 Abs. 2 Satz 2 AbgG Bund in der vor Inkrafttreten des Siebten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes geltenden Fassung stand einer Nachentrichtung von Beiträgen nicht entgegen. Aus dem Zusammenspiel dieser Bestimmung mit § 23 Abs. 4 Satz 2 AbgG RhPf und § 15 AbgG RhPf in der bis zum Erlass des Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes Rheinland-Pfalz und des Landesdatenschutzgesetzes vom 21. November 1989 geltenden Fassung ergibt sich, dass die Frist von zwei Jahren erst mit Verlust der Versorgungsansprüche zu laufen begann. Der Beschwerdeführer hatte daher, ebenso wie unversorgt ausscheidende Abgeordnete, die Möglichkeit, durch die Nachentrichtung von Beiträgen die entstandene Versorgungslücke jedenfalls zum Teil zu schließen.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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