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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 29.01.2002
Aktenzeichen: 2 BvR 1245/01
Rechtsgebiete: BVerfGG, StPO, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 92
BVerfGG § 93b
BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 90 Abs. 1
BVerfGG § 23 Abs. 1 Satz 2
StPO § 304 Abs. 1
StPO § 304 Abs. 2
StPO § 95 Abs. 1
StPO § 98 Abs. 2 Satz 2
GG Art. 13
GG Art. 14 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1245/01 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerden

gegen

a) den Beschluss des Landgerichts Dresden vom 29. Juni 2001 - 14 Qs 3/01 -,

b) den Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 19. März 2001 - 270 Gs 1043/01 -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Präsidentin Limbach und die Richter Hassemer, Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 29. Januar 2002 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt.

1. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 2. ist unzulässig, weil der Rechtsweg nicht erschöpft ist (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Über ihre Beschwerde gemäß § 304 Abs. 1 und Abs. 2 StPO wurde bisher, soweit ersichtlich, nicht förmlich entschieden. Es kann auch nicht angenommen werden, dass insoweit nur eine gleich lautende Entscheidung wie im Fall des Beschwerdeführers zu 1. aussteht und deshalb der Beschwerdeführerin zu 2. die Rechtswegerschöpfung vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde nicht zuzumuten ist (§ 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG). Sie ist, anders als der Beschwerdeführer zu 1., auch dadurch in ihren Rechten betroffen, dass die Herausgabe der Beweisgegenstände vor dem Hintergrund einer Beschlagnahmeanordnung erfolgte, die den rechtsstaatlichen Mindestanforderungen nicht genügt (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 3. September 1991 - 2 BvR 279/90 -, StV 1992, S. 49 f.). Damit fehlt eine wirksame erstinstanzliche Entscheidung über die Beschlagnahme der konkreten Beweisgegenstände. Die allgemein gehaltene Beschlagnahmeanordnung im ermittlungsrichterlichen Beschluss, die keine konkret zu beschlagnahmenden Beweisgegenstände nennt, hatte allenfalls die Bedeutung einer Begründung und Richtlinie für die Durchsuchung (OLG Oldenburg; StV 1994, S. 178 <179>; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 105 Rn. 7). Sie wurde zunächst auch nicht vollzogen, denn die - nach dem Durchsuchungsprotokoll freiwillige - Herausgabe der Beweisgegenstände erfolgte auf Grund der Herausgabepflicht nach § 95 Abs. 1 StPO. Die Bedingung der pauschalen Anordnung der Beschlagnahme der Beweisgegenstände, "soweit sie nicht freiwillig herausgegeben werden", war zur Zeit der Durchsuchung daher auch nicht eingetreten. Wurde in dem als Beschwerde bezeichneten Schriftsatz dem staatlichen Gewahrsam widersprochen, so bedarf es nun der Vollziehung einer Beschlagnahme. Insoweit muss eine erneute erstinstanzliche Entscheidung herbeigeführt werden. Die Beschwerde gegen die pauschale Beschlagnahmeanordnung kann dazu in einen Rechtsbehelf nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO umgedeutet werden (vgl. OLG Oldenburg, StV 1994, S. 178 <179>; Nack in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 4. Aufl., § 98 Rn. 2). Eine abschließende Beschwerdeentscheidung des Landgerichts, das über das Rechtsmittel der Beschwerdeführerin zu 2. noch nicht entschieden hat, liegt nicht vor.

2. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1. gegen den Durchsuchungsbeschluss ist unbegründet, diejenige gegen die Beschlagnahmeanordnung im gleichen Beschluss ist unzulässig.

a) Die Verdachtsumschreibung im Durchsuchungsbeschluss reicht aus, um den Zweck der Durchsuchungsanordnung zu erfüllen, den Zugriff auf Beweisgegenstände bei der Vollziehung der Durchsuchung zu begrenzen (vgl. BVerfGE 103, 142 <151>). Dazu kann insbesondere bei Beginn des Ermittlungsverfahrens noch keine genaue Einzelaktbeschreibung gefordert werden (vgl. Ciolek-Krepold, Durchsuchung und Beschlagnahme in Wirtschaftsstrafsachen, 2000, Rn. 68); es genügt eine gewisse Konkretisierung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Von Verfassungs wegen erforderlich ist nur, dass die Tatschilderung über eine floskelhafte Beschreibung des Vorwurfs, etwa als "Abrechnungsbetrug", hinausgeht (vgl. BVerfGE 20, 162 <224 f.>; 42, 212 <220>; 44, 353 <371>). Dem trägt der ermittlungsrichterliche Beschluss Rechnung. Er umschreibt eine Abrechnungspraxis, die in einer noch unbestimmten Zahl von Fällen zu einer unrichtigen Abrechnung der ihrer Art nach näher umschriebenen ärztlichen Leistungen geführt haben soll; Zeitraum und Gesamtumfang der Abrechnungen wurden genannt.

Die Beschreibung der aufzuklärenden Straftaten wird durch die Angaben über die Beweismittel, denen die Durchsuchung gilt, ergänzt. Ausreichend ist insoweit, wenn die erwarteten Beweismittel wenigstens annäherungsweise - gegebenenfalls in Form beispielhafter Angaben - beschrieben werden (vgl. BVerfGE 42, 212 <221>). Dies ist in der ermittlungsrichterlichen Entscheidung geschehen.

Eine Angabe der Indiztatsachen, auf die der Verdacht gestützt wird, ist in einem Durchsuchungsbeschluss zwar möglich. Sie ist aber von Verfassungs wegen nicht immer geboten. Die spätestens bei der Anklageerhebung in einer Anklageschrift erforderliche Bekanntgabe der Beweisgrundlagen des Verdachts dient der Ermöglichung einer sachgerechten Verteidigung gegen den Vorwurf. Diese Verteidigung kann unabhängig von der Vollziehung einer Durchsuchung erfolgen. Die Mitteilung der Verdachtsgründe ist für den Durchsuchungsbeschluss deshalb nicht im Sinne von Art. 13 GG konstitutiv.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Vorwurf des Abrechnungsbetruges willkürlich erhoben wurde. Der Beschwerdeführer zu 1. gibt zu, in den Abrechnungen seien Fremdleistungen der niedergelassenen Ärzte Dr. S. und Dr. B. einbezogen gewesen. Er meint zwar, dies sei Teil einer stationären medizinischen Gesamtleistung. Jedoch kann die komplexe Konstruktion der laufenden Einbeziehung von Fremdleistungen krankenhausexterner Ärzte in eine Gesamtabrechnung stationärer Krankenhausleistungen jedenfalls im Blick auf das Willkürverbot den Verdacht rechtfertigen, es liege eine unrichtige Abrechnungspraxis vor. Eine ins Einzelne gehende Nachprüfung des von den Fachgerichten angenommenen Verdachts ist nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 95, 96 <128>).

Angesichts des Umfangs der bei vorläufiger Bewertung der Sach- und Rechtslage angenommenen Betrugstaten mit einem Millionenschaden für die Krankenkassen ist auch nicht ersichtlich, dass die Durchsuchungsanordnung unverhältnismäßig wäre.

b) Der Angriff des Beschwerdeführers zu 1. auf die pauschale Beschlagnahmeanordnung ist unsubstantiiert (§§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde-Begründung führt nicht aus, inwieweit er dadurch selbst in eigenen Rechten verletzt sein könnte (§ 90 Abs. 1 BVerfGG). Der Schutzbereich des Art. 13 GG wird durch eine Beschlagnahme von Gegenständen nicht berührt. Eine Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG oder des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 3. September 1991 - 2 BvR 279/90 -, StV 1992, S. 49 <50>) ist nicht geltend gemacht worden.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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