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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 24.10.2000
Aktenzeichen: 2 BvR 1256/96
Rechtsgebiete: BGB, BVerfGG, GG
Vorschriften:
BGB § 87 Abs. 1 | |
BVerfGG § 93a | |
BVerfGG § 93a Abs. 2 | |
BVerfGG § 93d Abs. 1 Satz 3 | |
GG Art. 140 | |
GG Art. 103 Abs. 1 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1256/96 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der R...
- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Oskar Karl und Koll., Wiener Straße 49, Dresden -
gegen
a) den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 9. Mai 1996 - V ZR 73/94 -,
b) das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 11. Februar 1994 - 5 U 40/93 -,
c) das Urteil des Kreisgerichts Dresden vom 10. Juni 1992 - 3 C 1972/91 -,
d) mittelbar das Gesetz über den Grundbesitz der russisch-orthodoxen Kirche in Deutschland vom 25. Februar 1938 (RGBl I S. 223) und die hierzu erlassene 1. Durchführungsverordnung vom 5. Mai 1939 (RGBl I S. 879)
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Präsidentin Limbach und die Richter Hassemer, Di Fabio gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 24. Oktober 2000 einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
I.
Beschwerdeführerin ist die als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannte Diözese Berlin und Deutschland des Moskauer Patriarchats der Russisch-Orthodoxen Kirche. Sie wendet sich gegen zivilgerichtliche Entscheidungen, mit denen ihr gegenüber rechtskräftig festgestellt wurde, dass ein in Dresden belegenes Kirchengrundstück - die Kirche des Hl. Semeon vom Wunderberge - im Eigentum der ebenfalls als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannten Russisch-Orthodoxen Diözese des Orthodoxen Bischofs von Berlin und Deutschland steht, welche sich der Jurisdiktion der Russisch-Orthodoxen Auslandskirche mit Sitz in Jordanville (USA) zurechnet.
1. Das streitbefangene Kirchengrundstück war 1874 in die Semen von Wikulin-Stiftung eingebracht worden, deren Stiftungszweck die Überlassung der Kirche an die in Dresden aufhältigen Bekenner der orthodoxen russischen Kirche war.
Die Stiftung wurde als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen.
2. Mit dem Gesetz über den Grundbesitz der russisch-orthodoxen Kirche in Deutschland vom 25. Februar 1938 (RGBl I S. 223) wurde der Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten ermächtigt, die Eigentumsverhältnisse an näher bezeichneten Kirchengrundstücken zu regeln und über diesbezügliche Streitigkeiten unter Ausschluss des Rechtswegs zu entscheiden. Mit der Ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über den Grundbesitz der russisch-orthodoxen Kirche in Deutschland vom 5. Mai 1939 (RGBl I S. 879) wurden die Bestimmungen dieses Gesetzes auf den für Zwecke der orthodoxen Kirche in Dresden bestimmten Grundbesitz erstreckt. Auf dieser Grundlage übertrug der Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten mit Entscheidung vom 23. Mai 1939 das Eigentum an dem Kirchengrundstück von der Semen von Wikulin-Stiftung auf die als "deutschfreundlich" und antisowjetisch erachtete Russisch-Orthodoxe Diözese des Orthodoxen Bischofs von Berlin und Deutschland (zur nationalsozialistischen Kirchenpolitik gegenüber den russisch-orthodoxen Kirchen vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1992 - 2 BvR 1088/88 u. a. -, NJW 1992, S. 2812, 2814). Ihrer Jurisdiktion unterstellte sich die Dresdner Kirchengemeinde im gleichen Jahr bzw. wurde in sie eingegliedert. Im Oktober 1940 verfügte das Sächsische Ministerium für Volksbildung im Hinblick auf die Übertragung des Stiftungsgrundstücks die Aufhebung der Semen von Wikulin-Stiftung gemäß § 87 Abs. 1 BGB.
3. Nach dem Krieg blieb die Russisch-Orthodoxe Diözese des Orthodoxen Bischofs von Berlin und Deutschland als Eigentümerin des Kirchengrundstücks im Grundbuch eingetragen, während sich die Dresdner Kirchengemeinde wieder der Jurisdiktion des Moskauer Patriarchats unterstellte.
4. a) 1990 wurde die Russisch-Orthodoxe Diözese Berlin und Leipzig des Moskauer Patriarchats als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt. Das Grundbuchamt trug sie im Wege der "Namensberichtigung" als Eigentümerin des streitbefangenen Kirchengrundstücks ein.
b) Mit Urteil vom 10. Juni 1992 gab das Kreisgericht Dresden der Klage der Russisch-Orthodoxen Diözese des Orthodoxen Bischofs von Berlin und Deutschland gegen die Beschwerdeführerin auf Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs statt.
c) Nachdem die Klägerin zwischenzeitlich von Amts wegen wieder in das Grundbuch eingetragen worden war, änderte sie im Berufungsrechtszug den Klageantrag auf Feststellung, dass sie die Eigentümerin des streitbefangenen Grundstücks sei.
Mit Urteil vom 11. Februar 1994 wies das Oberlandesgericht Dresden die Berufung der Beschwerdeführerin mit der Maßgabe zurück, dass der Urteilstenor im Sinne des geänderten Klageantrags gefasst wurde.
d) Der Bundesgerichtshof wies mit Zwischenurteil vom 15. Dezember 1995 den Antrag eines vorgeblichen Destinatärs der Semen von Wikulin-Stiftung auf Beitritt zum Rechtsstreit auf Seiten der Beschwerdeführerin zurück und führte dabei unter anderem aus, dass die Stiftung von der Rechtskraft einer Sachentscheidung nicht erfasst werde. Mit Beschluss vom 9. Mai 1996 nahm er die Revision der Beschwerdeführerin nicht an. Die Sache habe keine grundsätzliche Bedeutung und im Ergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg.
5. Mit Bescheid vom 10. August 1999 stellte das Regierungspräsidium Dresden als Stiftungsbehörde - nachdem es einen vorangehenden Bescheid gleichen Inhalts zwischenzeitlich wieder aufgehoben hatte - fest, dass die Semen von Wikulin-Stiftung fortbestehe, weil die Aufhebungsverfügung vom 11. Oktober 1940 nicht dem richtigen Adressaten bekannt gegeben worden sei.
Mit Bescheid vom 10. April 2000 wurde dem Restitutionsantrag der Semen von Wikulin-Stiftung nach dem Vermögensgesetz stattgegeben und wurden die Restitutionsanträge der Beschwerdeführerin und der Klägerin des Ausgangsverfahrens zurückgewiesen.
II.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 14 Abs. 1 und 3 sowie Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 und Art. 138 Abs. 2 WRV.
Im Wesentlichen macht sie geltend, die Erste Durchführungsverordnung vom 5. Mai 1939 sei unwirksam, gemessen an den Grundsätzen, mit denen das Bundesverfassungsgericht in vorangehenden Entscheidungen das Gesetz über den Grundbesitz der russisch-orthodoxen Kirche in Deutschland vom 25. Februar 1938 für wirksam erklärt habe (vgl. Beschluss des Vorprüfungsausschusses des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 30. November 1983 - 2 BvR 1411/80 -, NJW 1984, S. 968, und Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1992 - 2 BvR 1088/88 u. a. -, NJW 1992, S. 2812). Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetz vom 25. Februar 1938 den Charakter als "schlechthin nicht mehr zu beachtendes Unrecht" (vgl. BVerfGE 3, 58 <119>; 6, 309 <332>; 23, 98 <106>; 28, 119 <139>; 54, 53 <67>) mit Hinweis darauf abgesprochen, dass das Gesetz eine primär ordnungspolitisch motivierte Entscheidung sei, um die nach der Aufspaltung der russisch-orthodoxen Auslandskirchen problematische Rechtsnachfolge in die ursprünglich dem Kaiserlich-Russischen Fiskus gehörigen Kirchengrundstücke zu klären. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin konnte die durch die Erste Durchführungsverordnung ermöglichte Enteignung in Dresden eine vergleichbare Ordnungsfunktion nicht haben, weil dort eine Unsicherheit über die Rechtsnachfolge nicht bestanden habe. Eigentümerin des Kirchengrundstücks sei bis dahin unzweifelhaft immer die Semen von Wikulin-Stiftung gewesen.
Außerdem habe das Berufungsgericht gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen, weil es auf seine Zweifel über die Funktionsfähigkeit der Stiftung - mit der das Gericht die Ordnungsfunktion der Maßnahme in Dresden begründet hat - nicht hingewiesen habe. Schließlich stehe der Beschwerdeführerin ein Rückübereignungsanspruch zu, weil die Enteignung nunmehr ihren Zweck verfehle.
III.
Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht zur Entscheidung anzunehmen, da sie weder von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung ist noch Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>). Mit Ausnahme der Gehörsrüge ist sie nicht ausreichend begründet und damit unzulässig (§§ 23 Abs. 1, 92 BVerfGG). Die Gehörsrüge ist unbegründet.
1. Die Beschwerdeführerin leitet eine Verletzung verschiedener Grundrechte daraus her, dass die Fachgerichte von der fortdauernden Wirksamkeit der Eigentumsübertragung von der Semen von Wikulin-Stiftung auf die Klägerin des Ausgangsverfahrens, der Russisch-Orthodoxen Diözese des Orthodoxen Bischofs von Berlin und Deutschland, ausgegangen sind. Die Beschwerdeführerin versäumt es aber darzulegen, inwiefern sie selbst hierdurch in eigenen verfassungsmäßigen Rechten betroffen sein könnte. Die nicht weiter ausgeführte Behauptung, ihr stünde das Eigentum an dem Kirchengrundstück zu, und der Verweis auf den Tatbestand des Berufungsurteils reichen dazu nicht aus.
Die Fachgerichte haben über die Frage, wem das streitbefangene Grundstück zustehen würde, wenn die Eigentumsübertragung vom 23. Mai 1939 unwirksam wäre, folgerichtig keine Feststellungen getroffen. Es oblag deswegen der Beschwerdeführerin, vor dem Bundesverfassungsgericht substantiiert darzulegen, woraus sich ihre angebliche Eigentumsposition an dem Grundstück ergeben soll, deren verfassungsrechtlichen Schutz sie mit der Verfassungsbeschwerde einfordert. Dies gilt umso mehr, als die Beschwerdeführerin selbst sich im fachgerichtlichen Verfahren zuletzt auf den Standpunkt gestellt hatte, die Semen von Wikulin-Stiftung bestehe fort und sei Eigentümerin des Grundstücks. Auch die Stiftungsbehörde hat mit Bescheid vom 10. August 1999 den Fortbestand der Semen von Wikulin-Stiftung festgestellt. Legt man dies zugrunde, scheidet eine Verletzung der Beschwerdeführerin in den von ihr in Bezug genommenen Rechten von vornherein aus, weil sie dann zu keinem Zeitpunkt das Eigentum an dem Grundstück erlangt haben kann. Die Semen von Wikulin-Stiftung selbst ist - ungeachtet der Frage, ob die Beschwerdeführerin deren Rechte geltend machen wollte und konnte - durch die hier angegriffenen Gerichtsentscheidungen ebenfalls nicht in ihren verfassungsmäßigen Rechten betroffen, weil die Stiftung - wie der Bundesgerichtshof in seinem Zwischenurteil vom 15. Dezember 1995 ausgeführt hat - von der Rechtskraftwirkung der Entscheidungen nicht erfasst ist.
Die Beschwerdeführerin hat aber nicht nur versäumt, ihre Eigentumsposition mit Blick auf das Eigentumsrecht der Semen von Wikulin-Stiftung darzulegen. Sie hat auch nicht dargetan, dass im Falle einer wirksamen Aufhebung der Stiftung das Eigentum an dem Kirchengrundstück gerade ihr zugefallen wäre.
Abgesehen davon, dass nach dem Stiftungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs der Anfallberechtigte bei Aufhebung der Stiftung zunächst nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Auskehrung erhält (§§ 88, 47 ff. BGB; vgl. dazu H. Hof, in: Seifart/von Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 2. Aufl. 1999, § 12 Rn. 9 ff.), trägt die Beschwerdeführerin nicht vor und ist auch nicht ersichtlich, dass sie die Anfallberechtigte wäre. Weder behauptet sie eine entsprechende Bestimmung in der Stiftungssatzung (vgl. § 88 Satz 1 BGB), noch äußert sie sich zu der Regelung der Anfallberechtigung in § 23 des in Sachsen fortgeltenden Stiftungsgesetzes.
2. Das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist nicht verletzt. Nach dem Hinweis des Berufungsgerichts in der Sitzung vom 15. September 1993 musste die Beschwerdeführerin mit den in den Urteilsgründen dargelegten Zweifeln des Gerichts an der Funktionsfähigkeit der Stiftung rechnen.
3. Im Übrigen wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG von einer Begründung abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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