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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 24.02.2000
Aktenzeichen: 2 BvR 1295/98
Rechtsgebiete: BVerfGG, AsylVfG, VwGO


Vorschriften:

BVerfGG § 93 b
BVerfGG § 93 a
BVerfGG § 93 Abs. 1
AsylVfG § 81
AsylVfG § 81 Satz 1
AsylVfG § 78 Abs. 2
AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 3
VwGO § 161 Abs. 2
VwGO § 92 Abs. 2
VwGO § 58 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1295/98 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

des türkischen Staatsangehörigen Y ...

- Bevollmächtigte: Rechtsanwältin Monika Härdle und Koll., Tullastraße 10, Mannheim -

gegen a) das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 22. Juni 1998 - 11 K 1493/98.NW -,

b) den Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 9. Mai 1998 - 11 K 482/98.NW -,

c) den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 6. Februar 1998 - 2297151-163 -

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Sommer, Broß und die Richterin Osterloh gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 24. Februar 2000 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen ein verwaltungsgerichtliches Urteil, mit dem die Asylklage des Beschwerdeführers als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurde, nachdem der Beschwerdeführer gegen einen Beschluss gemäß § 81 AsylVfG (Einstellung des Verfahrens wegen Nichtbetreibens) den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens gestellt hatte.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig und kann deshalb mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg nicht zur Entscheidung angenommen werden (vgl. § 93a Abs. 2 BVerfGG; BVerfGE 90, 22 <25 f.>).

Der Beschwerdeführer hat den Rechtsweg nicht erschöpft (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).

Zwar hat der Beschwerdeführer - wie bei einem Streit über die Frage der Verfahrensbeendigung in den Fällen des § 81 Satz 1 AsylVfG mit Blick auf den Grundsatz der materiellen Subsidiarität erforderlich - einen Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens gestellt (vgl. BVerfG <1. Kammer des Zweiten Senats>, Beschluss vom 22. Oktober 1997 - 2 BvR 226/97 - <nur in JURIS veröffentlicht>); auch hat das Verwaltungsgericht die Klage "als offensichtlich unbegründet abgewiesen" und in der Konsequenz dieser Tenorierung die Unanfechtbarkeit seiner Entscheidung angenommen (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).

Ob dies formal richtig ist, ist jedenfalls umstritten und insbesondere nicht ober- oder höchstrichterlich geklärt. Deshalb ist es dem Beschwerdeführer zumutbar, von dem in § 78 Abs. 2 - 4 AsylVfG vorgesehenen - wenn auch in seiner Statthaftigkeit umstrittenen - Rechtsbehelf des Antrages auf Zulassung der Berufung Gebrauch zu machen, bevor er zulässigerweise Verfassungsbeschwerde erheben kann (vgl. BVerfGE 68, 376 <379 ff.>). In derartigen Fällen ist es grundsätzlich Aufgabe der Fachgerichte, über die streitige Zulässigkeitsfrage nach einfachem Recht unter Berücksichtigung der hierzu vertretenen Rechtsansichten zu entscheiden (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 68, 376 <381>). Der Funktion der Verfassungsbeschwerde würde es zuwiderlaufen, sie anstelle oder gleichsam wahlweise neben einem möglicherweise statthaften Rechtsmittel zuzulassen (vgl. BVerfGE 1, 5 <6>; 1, 97 <103>). Es ist daher geboten und einem Beschwerdeführer auch zumutbar, vor der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde die Statthaftigkeit weiterer einfachrechtlicher Rechtsbehelfe sorgfältig zu prüfen und von ihnen auch Gebrauch zu machen, wenn sie nicht offensichtlich unzulässig sind (vgl. BVerfGE 28, 1 <6>). Wird das Rechtsmittel als unzulässig verworfen, weil die Gerichte die umstrittene Zulässigkeitsfrage zuungunsten eines Beschwerdeführers beurteilen, bleibt es ihm unbenommen, nach Ergehen einer letztinstanzlichen Entscheidung innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 BVerfGG Verfassungsbeschwerde einzulegen und etwaige Grundrechtsverletzungen durch eine vorangegangene Sachentscheidung zu rügen (vgl. BVerfGE 68, 376 <381>).

Nach verbreiteter, wenn nicht überwiegender Auffassung in der asylverfahrensrechtlichen Rechtsprechung und Literatur ist im Falle der Erfolglosigkeit des Fortsetzungsantrages wegen der Rechtmäßigkeit der Betreibensaufforderung und der Einstellung des Verfahrens anstelle einer "Abweisung der Klage" die Feststellung auszusprechen, dass das Verfahren - durch Klagerücknahme - beendet ist (vgl. Molitor, in: GK-AsylVfG, Stand: Dezember 1999, 57. Erg.-Lfg., II - § 81, Rn. 189 m.w.N.; Marx, AsylVfG, 4. Aufl., § 81, Rn. 30; Renner, AuslR, 7. Aufl., § 81 AsylVfG, Rn. 21; vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Januar 1991 - 9 C 96.89 -, EZAR 630 Nr. 28, S. 6; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 23. August 1984 - 9 CB 48.84 -, EZAR 630 Nr. 14, S. 2, in dem das BVerwG ausführt, die Rechtslage <zu § 33 AsylVfG a.F.> sei nicht anders zu beurteilen als bei verfahrenseinstellenden Beschlüssen nach § 161 Abs. 2 VwGO oder § 92 Abs. 2 VwGO, wenn nachträglich streitig wird, ob übereinstimmende Erledigungserklärungen vorgelegen haben oder die Klage zurückgenommen worden ist; HessVGH, Urteil vom 11. September 1989 - 13 UE 1667/85 -, DVBl 1989, S. 1275, 1276; HessVGH, Entscheidung vom 7. Februar 1984 - 10 TE 544 und 545/83 -, JURIS). Ist aber ausschließlich ein Feststellungstenor formal richtig, hätte dies zur Folge, dass eine qualifizierte Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet oder offensichtlich unzulässig (vgl. § 78 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts möglicherweise nicht in Betracht kommt (so ausdrücklich Molitor, in: GK-AsylVfG, Stand: Dezember 1999, 57. Erg.-Lfg., II - § 81, Rn. 190; wohl auch Renner, AuslR, 7. Aufl., § 81 AsylVfG, Rn. 25). Dies wiederum hätte zur Folge, dass das Rechtsmittel der Zulassungsberufung nach Maßgabe von § 78 Abs. 2-4 AsylVfG eröffnet ist. Der Beschwerdeführer hätte deshalb, um den Rechtsweg zu erschöpfen, den Versuch unternehmen müssen, den möglicherweise in Betracht kommenden Antrag auf Zulassung der Berufung zu stellen; dabei hätte er sich entsprechend der in der Verfassungsbeschwerde erhobenen Gehörsrüge - jedenfalls nicht von vornherein aussichtslos - auf den Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG berufen können. Dieser Weg steht im Übrigen mit Blick auf § 58 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, 2. Alt. VwGO noch immer offen, da wegen des im Urteil enthaltenen Hinweises auf dessen Unanfechtbarkeit eine Frist für die Erhebung des Rechtsbehelfs noch nicht zu laufen begonnen hat. Sofern der Entscheidungsausspruch des Verwaltungsgerichts mit der von ihm angenommenen Folge der Unanfechtbarkeit fehlerhaft ist, ist die Stellung eines Antrages auf Zulassung der Berufung nicht ausgeschlossen oder unstatthaft, da bei formell inkorrekten Entscheidungen ein Beteiligter durch ein unrichtiges Verfahren des Gerichts keine Nachteile in seinen prozessualen Rechten erleiden darf (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. August 1984 - 9 CB 48.84 -, EZAR 630 Nr. 14, S. 2; Renner, AuslR, 7. Aufl., § 81 AsylVfG Rn. 25).

Die Stellung eines Antrages auf Zulassung der Berufung war dem Beschwerdeführer auch zumutbar. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die hier erörterte Rechtsfrage etwa in der Rechtsprechung des dem Verwaltunsgericht Neustadt an der Weinstraße im Instanzenzug übergeordneten Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz abschließend geklärt wäre.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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