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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 28.06.2004
Aktenzeichen: 2 BvR 1379/01
Rechtsgebiete: StiftG, GG


Vorschriften:

StiftG § 10 Abs. 1
StiftG § 11 Abs. 3
StiftG § 16 Abs. 1
StiftG § 16 Abs. 2
GG Art. 14 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 3 Satz 4
GG Art. 19 Abs. 1 Satz 2
GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 104 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1379/01 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerden

der

1. A ... ,

und weiterer 942 Beschwerdeführer

Auf den Seiten 1 bis 42 befinden sich die Namen der insgesamt 943 Beschwerdeführer.

gegen

a) das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" vom 2. August 2000 (BGBl I S. 1263), soweit es darauf abzielt, dass die angebliche "Unbegründetheit von Ansprüchen gegen die Bundesrepublik wegen Zwangsarbeit ehemaliger Deportierter und anderer Gefangener gesetzlich festgestellt wird",

b) § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 3, § 16 Abs. 1 und 3, § 19 StiftG

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Broß, Di Fabio und Gerhardt gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 28. Juni 2004 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses so genannter italienischer Militärinternierter vom Anwendungsbereich des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (BGBl I 2000 S. 1263) - StiftG - sowie die Frage, ob durch das Gesetz in verfassungswidriger Weise in Eigentumspositionen der Beschwerdeführer zu 2. bis 943. eingegriffen wurde.

I.

1. Der Beschwerdeführer zu 2. ist italienischer Staatsangehöriger. Er wurde im September 1943 als Offizier des italienischen Heeres von Einheiten der deutschen Wehrmacht verhaftet. Italien war im Zweiten Weltkrieg zunächst ein Verbündeter des Deutschen Reiches. Nach dem Sturz Mussolinis im September 1943 schloss die neue Regierung Italiens mit den Alliierten einen Waffenstillstand und erklärte Deutschland im Oktober 1943 den Krieg. Die bis zum Frontwechsel mit Deutschland verbündeten italienischen Soldaten wurden von der deutschen Wehrmacht vor die Alternative gestellt, an der Seite Deutschlands den Krieg fortzusetzen oder in Kriegsgefangenschaft zu gehen. Diejenigen, die wie der Beschwerdeführer zu 2. den Weg der Kriegsgefangenschaft wählten, wurden in der deutschen Kriegswirtschaft als Arbeitskräfte eingesetzt.

Im Sommer 1944 wurden aus außenpolitischen Gründen die vom Deutschen Reich internierten italienischen Soldaten, im Januar 1945 dann auch die Offiziere, aus der Kriegsgefangenschaft entlassen und in ein "ziviles Arbeitsverhältnis" überführt. Die schlechten Arbeitsbedingungen und die Lagerunterbringung blieben jedoch weitgehend bestehen. Eine Einwilligung der italienischen Militärinternierten in den formalen Statuswechsel erfolgte größtenteils nicht, so auch beim Beschwerdeführer zu 2.

2. Der Beschwerdeführer zu 3. ist gleichfalls italienischer Staatsangehöriger. Er wurde im August 1944 im Zuge von Vergeltungsmaßnahmen gegen die italienische Zivilbevölkerung von Soldaten der deutschen Wehrmacht verhaftet, zur Zwangsarbeit herangezogen und dabei misshandelt. Er betreibt in Italien ein zivilgerichtliches Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland mit dem Ziel, Schadensersatz und Schmerzensgeld für die Zeit der Internierung und Zwangsarbeit zu erhalten. Das erstinstanzliche Gericht hat seine Zuständigkeit wegen der staatlichen Immunität Deutschlands vor italienischen Gerichten verneint. Über das eingelegte Rechtsmittel ist noch nicht entschieden.

3. Die Beschwerdeführer zu 4. bis 943. sind wie der Beschwerdeführer zu 2. italienische Militärinternierte, ohne dass Näheres über ihr Einzelschicksal vorgetragen wird.

4. Die Beschwerdeführerin zu 1. ist ein Idealverein, der die Interessen der italienischen Militärinternierten vertritt. Die Beschwerdeführer zu 2. bis 943. sind Mitglieder dieses Vereins.

5. a) In den Jahren 1999 und 2000 kam es zu Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und Regierungen anderer am Zweiten Weltkrieg beteiligter Staaten über eine Entschädigung von in deutschen Unternehmen und im öffentlichen Bereich eingesetzten Zwangsarbeitern. In ihrer Folge verabschiedete der deutsche Gesetzgeber am 2. August 2000 das StiftG, mit dem eine rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts unter dem Namen "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" eingerichtet wurde. Zweck der Stiftung ist es, über Partnerorganisationen Finanzmittel zur Gewährung von Leistungen an ehemalige Zwangsarbeiter und von anderem Unrecht aus der Zeit des Nationalsozialismus Betroffene bereitzustellen (§ 2 StiftG). Die Mittelvergabe an die Leistungsberechtigten erfolgt ausschließlich durch die Partnerorganisationen; die Stiftung selbst ist weder berechtigt noch verpflichtet (§ 10 StiftG). Als Partnerorganisation für Italien zuständig ist die International Organization for Migration (IOM) in Genf, eine Immunität genießende juristische Person des internationalen Rechts.

b) Der Kreis der leistungsberechtigten Zwangsarbeiter und anderen Betroffenen wird in § 11 Abs. 1 StiftG näher bestimmt. Leistungsberechtigt ist demnach, wer

1. in einem Konzentrationslager im Sinne von § 42 Abs. 2 Bundesentschädigungsgesetz oder in einer anderen Haftstätte [...] unter vergleichbaren Bedingungen inhaftiert war und zur Arbeit gezwungen wurde,

2. aus seinem Heimatstaat in das Gebiet des Deutschen Reichs in den Grenzen von 1937 oder in ein vom Deutschen Reich besetztes Gebiet deportiert wurde, zu einem Arbeitseinsatz in einem gewerblichen Unternehmen oder im öffentlichen Bereich gezwungen und unter anderen Bedingungen als den in Nummer 1 genannten inhaftiert oder haftähnlichen Bedingungen oder vergleichbar besonders schlechten Lebensbedingungen unterworfen war.

Kriegsgefangenschaft begründet gemäß § 11 Abs. 3 StiftG keine Leistungsberechtigung; in der Gesetzesbegründung hierzu (BTDrucks 14/3206 S. 16) heißt es:

Kriegsgefangene, die zu Arbeiten herangezogen wurden, können dafür grundsätzlich keine Leistungen erhalten, denn nach den Regeln des Völkerrechts dürfen Kriegsgefangene von dem Gewahrsamsstaat zu Arbeiten herangezogen werden. Aus der Kriegsgefangenschaft entlassene, in den Zivilarbeiterstatus überführte Personen können, wenn sie die Voraussetzungen im Übrigen erfüllen, zum Berechtigtenkreis nach Absatz 1 gehören.

Nach § 12 Abs. 1 StiftG sind andere Haftstätten im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 durch "unmenschliche Haftbedingungen, unzureichende Versorgung und fehlende medizinische Versorgung" gekennzeichnet. Ausgeschüttet werden je nach Betroffenheit bis zu 15.000 DM (§ 9 StiftG).

Schließlich sieht § 16 StiftG einen Ausschluss von Ansprüchen vor:

(1) Leistungen aus Mitteln der öffentlichen Hand einschließlich der Sozialversicherung sowie deutscher Unternehmen für erlittenes nationalsozialistisches Unrecht im Sinne von § 11 können nur nach diesem Gesetz beantragt werden. [...]

(2) Jeder Leistungsberechtigte gibt im Antragsverfahren eine Erklärung ab, dass er [...] mit Erhalt einer Leistung nach diesem Gesetz auf jede darüber hinausgehende Geltendmachung von Forderungen gegen die öffentliche Hand für Zwangsarbeit [...] verzichtet.

6. Im August 2001 beschloss der Vorstand der Stiftung eine mit dem Bundesministerium der Finanzen abgestimmte "Leitlinie zur Leistungsberechtigung und zum Leistungsausschluss ehemaliger Kriegsgefangener nach dem Stiftungsgesetz". Darin wird im Hinblick auf § 11 Abs. 3 StiftG ausgeführt, dass ein zu ziviler Zwangsarbeit herangezogener Kriegsgefangener nicht leistungsberechtigt ist, wenn er während des gesamten Arbeitseinsatzes den Status des Kriegsgefangenen hatte. Nach dem Kriegsvölkerrecht ist bei Kriegsgefangenen die Heranziehung zur Arbeit zulässig. Ist der Kriegsgefangene also nur faktisch als Zivilarbeiter eingesetzt, nicht aber durch einen formellen Akt in den Zivilstatus überführt worden, ist eine Leistungsberechtigung nicht gegeben. [...] Die Bundesregierung hat durch ein Gutachten prüfen lassen, ob italienische Militärinternierte, die zur Zwangsarbeit herangezogen worden waren, im rechtlichen Sinne in den Zivilstatus überführt worden waren. Dies hat das Gutachten verneint. Die Bundesregierung hat sich der Auffassung des Gutachtens angeschlossen. Nach den Kriterien des Stiftungsgesetzes ist daher für die Bundesregierung eine Leistungsberechtigung der italienischen Militärinternierten nicht gegeben. Kriegsgefangenen, die in ein KZ verbracht worden sind, kann jedoch der Kriegsgefangenenstatus nicht entgegengehalten werden, da hier besondere NS-ideologisch motivierte Diskriminierungen und Misshandlungen ausschlaggebend waren und die Haft in einem Konzentrationslager nicht als allgemeines Kriegsschicksal angesehen werden kann.

Das angesprochene Gutachten stützt sich maßgeblich auf die Überlegung, dass der einen besonderen völkerrechtlichen Schutz vermittelnde Status eines Kriegsgefangenen nicht einseitig durch den verpflichteten Staat beseitigt werden kann.

In einem weiteren Beschluss des Stiftungsvorstandes aus dem August 2001 zur "Leistungsberechtigung von westeuropäischen Zwangsarbeitern nach dem Stiftungsgesetz" ist festgehalten, dass ehemalige Zwangsarbeiter, die aus westeuropäischen Staaten kamen, [...] die durch das Gesetz vorgesehenen humanitären Leistungen [...] erhalten [können], wenn sie Zwangsarbeit in einem Konzentrationslager, einem Ghetto oder einer anerkannten 'anderen Haftstätte' leisten mussten. [...] Westeuropäische Zwangsarbeiter erfüllen ansonsten nicht das Kriterium der 'vergleichbar besonders schweren Lebensbedingungen'. Es ist diesbezüglich ebenfalls von der Vermutung auszugehen, dass sie nicht unter 'haftähnlichen' Bedingungen untergebracht waren. Diese Vermutung kann nur durch Vorlage amtlicher Dokumente, die belegen, dass eine Lagerunterbringung objektiv haftähnlich war, widerlegt werden.

7. Weder der Beschwerdeführer zu 2. noch der Beschwerdeführer zu 3. haben bei der IOM einen Antrag auf Leistungen nach dem StiftG gestellt. Der Beschwerdeführer zu 3. war nach eigenem Vortrag nicht in einer anerkannten Haftstätte im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Abs. 1 StiftG und sieht sich mangels Verfügbarkeit entsprechender amtlicher Dokumente nicht in der Lage, den vom Stiftungsvorstand im Beschluss zur Leistungsberechtigung von westeuropäischen Zwangsarbeitern geforderten Nachweis zu erbringen.

II.

Mit der am 11. August 2001 von den Beschwerdeführern zu 1. bis 3. und am 17. Januar 2002 von den Beschwerdeführern zu 4. bis 943. unmittelbar gegen § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 3 und § 16 Abs. 1 und 2 StiftG erhobenen Verfassungsbeschwerde wird eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 und 3 Satz 4, Art. 19 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4, Art. 104 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG gerügt.

1. Die Beschwerdeführer zu 2. und 3. behaupten, wegen der Zwangsarbeit und der dabei erlittenen Behandlung einen Schadensersatzanspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland zu haben. Dieser soll sich einerseits auf § 839 BGB in Verbindung mit Art. 2 und 3 des Haager Abkommens über die Behandlung der Kriegsgefangenen vom 27. Juli 1929 (RGBl II 1934 S. 227), andererseits unmittelbar auf Art. 3 des Haager Abkommens, betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs vom 18. Oktober 1907 (Haager Abkommen von 1907, RGBl 1910 S. 107) stützen.

Das StiftG beseitige diesen Anspruch durch § 16 Abs. 1 StiftG unter Missachtung von Art. 14 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 4 GG. Der Schadensersatzanspruch sei nicht durch Verzicht untergegangen; seiner Durchsetzung stehe auch nicht die Einrede der Verjährung entgegen. Durch die Ausschlussklausel in § 16 Abs. 1 StiftG stelle die Bundesrepublik Deutschland nun rückwirkend das Nichtbestehen der Schadensersatzansprüche und deren Uneinklagbarkeit fest. Ferner würden diese Ansprüche durch die in § 9 StiftG festgesetzten Ausschüttungssummen pro Person verfassungswidrig gekürzt. Schließlich werde mit dem Verweis auf die IOM als Bewilligungsstelle ein gegen Art. 14 Abs. 1 GG verstoßender Gläubigeraustausch vorgenommen. Eine Entschädigung für den enteignenden Eingriff sei entgegen Art. 14 Abs. 3 GG nicht vorgesehen; außerdem seien die Entschädigungszahlungen nach dem StiftG nicht angemessen. Auch sei das Zitiergebot nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG nicht eingehalten.

2. Die vom Gesetzgeber gewählte Konstruktion der Mittelvergabe über internationale Partnerorganisationen wie die Immunität genießende IOM verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Auch entziehe die Umwandlung von zivilrechtlichen Schadensersatzforderungen in öffentlich-rechtliche Ansprüche durch § 16 Abs. 1 StiftG dem Beschwerdeführer zu 3. die Grundlage für den in Italien angestrengten Prozess; hierin liege gleichfalls eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG.

3. Durch den Entzug des Schadensersatzanspruchs werde den Beschwerdeführern zugleich das Recht aus Art. 104 GG vorenthalten; denn sie könnten nun nicht mehr die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung durch Verhaftung, Deportation und Zwangsarbeit von einem Richter feststellen lassen.

4. Schließlich verstoße § 11 Abs. 3 StiftG gegen Art. 3 Abs. 1 GG, indem Kriegsgefangene vom Kreis der Leistungsberechtigten grundsätzlich ausgeschlossen würden. Den Beschwerdeführern sei gleichfalls durch die Zwangsarbeit unter unwürdigen Bedingungen Unrecht widerfahren.

III.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, hat sie in der Sache keinen Erfolg. Die angegriffenen Normen sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. a) Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu 4. bis 943. ist verfristet. Das StiftG wurde am 11. August 2000 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat gemäß § 20 StiftG am folgenden Tag in Kraft. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu 4. bis 943. ging am 17. Januar 2002 und damit nach Ablauf der Jahresfrist gemäß § 93 Abs. 3 BVerfGG ein. Im Übrigen wäre die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu 4. bis 943. auch insoweit unzulässig, als sie nicht weiter substantiiert wurde und jeglichen Sachvortrag vermissen lässt (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG).

b) Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1. ist unzulässig, weil sie keine Verletzung eigener Verfassungsrechte geltend macht, sondern in gewillkürter Prozessstandschaft die Verletzung der Rechte ihrer Mitglieder rügt. Für eine solche Prozessstandschaft besteht im Rahmen des Verfassungsbeschwerde-Verfahrens jedoch kein Raum (vgl. BVerfGE 25, 256 <263>; 31, 275 <280> m.w.N.; 72, 122 <131>).

c) Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu 2. und 3. ist teilweise zulässig. Die Verfassungsbeschwerde scheitert jedenfalls nicht wegen fehlender Rechtswegerschöpfung, weil die Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG erfüllt sind.

aa) Vor der Erhebung einer Verfassungsbeschwerde muss nach § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG grundsätzlich der Rechtsweg erschöpft und jede anderweitig bestehende Möglichkeit genutzt werden, die Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder ohne Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts im praktischen Ergebnis dasselbe zu erreichen (BVerfGE 33, 247 <258>; 81, 22 <27 f.>; 84, 203 <208>). Die Pflicht zur Rechtswegerschöpfung besteht jedoch nur im Rahmen des Zumutbaren (vgl. BVerfGE 56, 363 <380>; 75, 108 <145>; 86, 15 <22>, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. August 2002 - 2 BvR 932/02 -, EuGRZ 2002, S. 546 <548>).

Entstünden den Beschwerdeführern - wie im vorliegenden Fall - durch die Verweisung auf den Rechtsweg schwere und unabwendbare Nachteile, so steht der Grundsatz der Rechtswegerschöpfung der Verfassungsbeschwerde einer Entscheidung nicht entgegen (§ 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG). Wären die Beschwerdeführer gezwungen, das gesamte fachgerichtliche Verfahren zu durchlaufen, so bedeutete dies eine erhebliche zeitliche Belastung, die im Hinblick auf das Lebensalter der Beschwerdeführer und der Bedeutung der verfassungsrechtlichen Rügen unzumutbar erscheint.

bb) Soweit der Beschwerdeführer zu 3. geltend macht, das StiftG wandele seinen in Italien geltend gemachten zivilrechtlichen Ersatzanspruch in einen öffentlich-rechtlichen Leistungsanspruch um, ist seine Verfassungsbeschwerde jedoch unzulässig, weil er schon die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht darlegt. Art. 19 Abs. 4 GG schützt nicht den Rechtsschutz des Beschwerdeführers zu 3. in Italien, sondern nur den Rechtsweg zu einem deutschen staatlichen Gericht (vgl. BVerfGE 49, 329 <340>).

cc) Ein Verfassungsverstoß ist von vorneherein auch ausgeschlossen, soweit die Beschwerdeführer zu 2. und 3. eine Verletzung des Art. 104 Abs. 1 und 2 GG rügen. Die Norm galt wie das Grundgesetz insgesamt zur Zeit der Ingewahrsamnahme der Beschwerdeführer zu 2. und 3. durch die deutsche Wehrmacht nicht. Eine Prüfung des Geschehens am Maßstab dieser Norm kommt nicht in Betracht. Der Richtervorbehalt in Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG reicht nicht so weit, dass er das Interesse der Beschwerdeführer zu 2. und 3. schützt, die Rechtswidrigkeit einer vorkonstitutionellen Freiheitsentziehung im Rahmen eines heutigen Prozesses auf Schadensersatz festgestellt wissen zu wollen.

2. Die Verfassungsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

a) Art. 3 des Haager Abkommens von 1907 begründet grundsätzlich keinen individuellen Entschädigungsanspruch, sondern positiviert nur den allgemeinen völkerrechtlichen Grundsatz (vgl. Art. 1 der Artikel der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen, International Law Commission - ILC, zum Recht der Staatenverantwortlichkeit, Anlage zur Resolution 56/83 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 21. Dezember 2001) einer Haftungsverpflichtung zwischen den Vertragsparteien. Dieser sekundärrechtliche Schadensersatzanspruch besteht jedoch nur in dem Völkerrechtsverhältnis zwischen den betroffenen Staaten. Der Schadensersatzanspruch unterscheidet sich insoweit von dem primärrechtlichen Anspruch der betroffenen Personen auf Einhaltung der Verbote des humanitären Völkerrechts, der in dem Völkerrechtsverhältnis zwischen dem ein Territorium besetzenden Staat und der in diesem Gebiet lebenden Bevölkerung besteht.

b) Das Grundprinzip des diplomatischen Schutzes schließt nicht grundsätzlich aus, dass das nationale Recht des verletzenden Staates dem Verletzten einen individuellen Anspruch gewährt, der neben die völkerrechtlichen Ansprüche des Heimatstaates tritt (vgl. BVerfGE 94, 315 <330>). Aus dem fehlenden Ausschlussverhältnis lässt sich aber keine Regel oder Vermutung dahingehend ableiten, dass ein das Völkerrecht verletzender Staat den verletzten Personen auf Grund des eigenen nationalen Rechts Ansprüche zu gewähren hat. Maßgeblich ist insoweit vielmehr die konkrete Ausgestaltung der innerstaatlichen Rechtsordnung. Besteht nach dieser kein Schadensersatzanspruch (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 - III ZR 245/98 -, BGHZ 155, 279 ff.; OLG Köln, Urteil vom 27. August 1998 - 7 U 167/97 -, OLGR Köln 1999, S. 5 ff.), kommt eine Verletzung der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG nicht in Betracht.

c) Die Regelung in § 11 Abs. 3 StiftG, dass Kriegsgefangen-schaft für sich allein nicht zur Leistungsberechtigung führt, begegnet im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG keinen durchgreifenden Bedenken.

Art. 4 ff. der dem Haager Abkommen von 1907 als Anhang beigefügten Haager Landkriegsordnung (HLKO) begründen einen besonderen Schutz für Kriegsgefangene. Nach Art. 6 HLKO dürfen diese in genau bestimmten Grenzen auch zur Zwangsarbeit herangezogen werden. Art. 3 des Haager Abkommens von 1907 statuiert ein besonderes völkerrechtliches Haftungsregime für Verstöße gegen das humanitäre Kriegsvölkerrecht. In diesem völkerrechtlichen Regelungsgefüge liegt ein Umstand von solcher Art und solchem Gewicht (vgl. BVerfGE 55, 72 <82 f.>), dass er den Ausschlusstatbestand des § 11 Abs. 3 StiftG rechtfertigen kann.

Dem Gesetzgeber ist es im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG auch nicht verwehrt, zwischen einem allgemeinen, wenn auch harten und möglicherweise mit Verstößen gegen das Völkerrecht einhergehenden Kriegsschicksal und Opfern von in besonderer Weise ideologisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen des nationalsozialistischen Unrechtsregimes zu unterscheiden und angesichts eines zwar erheblichen, aber gleichwohl begrenzten Stiftungsvermögens nur letztere in den Kreis der Leistungsberechtigten nach dem StiftG einzubeziehen.

d) Soweit das StiftG eine klageweise Durchsetzung von Leistungsforderungen gegen die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" vor den Verwaltungsgerichten ausschließen sollte (vgl. aber die Verfahren VG Berlin, Beschluss vom 28. Februar 2003 - VG 9 A 336.02 -; VG Berlin, Beschluss vom 28. Februar 2003 - VG 9 A 435.02 -; OVG Berlin, Beschluss vom 18. Juni 2003 - 6 S 35.03 -; OVG Berlin, Beschluss vom 4. November 2003 - OVG 6 M 20.03 -), verstieße dies nicht gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Die Norm garantiert nur einen Rechtsschutz bei der Verletzung eigener Rechte, d.h. rechtlich und gerade zu Gunsten des Einzelnen geschützter, durchsetzbarer Positionen. Solche Rechtspositionen, soweit ihnen einfachgesetzlicher Charakter zukommt, werden durch Art. 19 Abs. 4 GG nicht gewährt, sondern vorausgesetzt (vgl. BVerfGE 15, 275 <281 f.>; 61, 82, <110>; 83, 182 <194 f.>; 84, 34 <49>). Der Gesetzgeber bestimmt daher, von den Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten abgesehen, selbst darüber, ob und mit welchem Inhalt dem Einzelnen subjektive Rechte gewährt werden (BVerfGE 78, 214 <226>; 83, 182 <194 f.>). Er ist deshalb auch frei in der Entscheidung, eine öffentlich-rechtliche Stiftung gerade nicht gegenüber Dritten gesetzlich zu verpflichten und dementsprechend auch verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz auszuschließen.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.



Ende der Entscheidung

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