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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 27.07.2006
Aktenzeichen: 2 BvR 1416/06
Rechtsgebiete: BVerfGG, PGO, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93b
PGO § 35
PGO § 36 Abs. 2 Satz 1
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 19 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1416/06 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen a) den Beschluss des Landgerichts Hannover vom 15. Juni 2006 - 2 T 29/06 -,

b) den Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 26. Mai 2006 - 461 C 6841/06 -

und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Broß, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 27. Juli 2006 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nicht gegeben ist (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung kommt der Verfassungsbeschwerde nicht zu, und sie dient auch nicht der Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers; denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

1. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Annahme fehlenden Feststellungsinteresses durch das Landgericht wendet, ist die Verfassungsbeschwerde zwar zulässig, aber unbegründet. Der allgemeine Justizgewährungsanspruch ist nicht verletzt.

a) Das Grundgesetz garantiert Rechtsschutz vor den Gerichten nicht nur gegen Hoheitsakte der öffentlichen Gewalt gemäß Art. 19 Abs. 4 GG, sondern darüber hinaus im Rahmen des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips in Verbindung mit den Grundrechten, insbesondere Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 93, 99 <107>; 107, 395 <401>). Der allgemeine Justizgewährungsanspruch, der sich in seinem rechtsstaatlichen Kerngehalt nicht von der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG unterscheidet (vgl. BVerfGE 107, 395 <401>), schließt es nicht aus, den Zugang zu den Gerichten von bestimmten Zulässigkeitsvoraussetzungen abhängig zu machen, namentlich das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses zu verlangen (vgl. BVerfGE 9, 194 <199 f.>; 27, 297 <310>; 77, 275 <284>; 96, 27 <39>; 104, 220 <232>). Allerdings darf der Weg zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 10, 264 <268>; 52, 203 <207>; 110, 77 <85>).

b) Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Mit Rücksicht auf die Vereinsautonomie und im Hinblick darauf, dass sich der Beschwerdeführer freiwillig den Verfahrensordnungen der Partei unterworfen hat, ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass die Fachgerichte die Nachprüfung vereins- oder parteirechtlicher Entscheidungen durch staatliche Gerichte grundsätzlich für unzulässig gehalten haben, solange das Mitglied nicht die satzungsmäßigen Rechtsmittel ausgeschöpft hat (vgl. BGHZ 13, 5 <15 f.>; 47, 172 <174>; 106, 67 <69 f.>; OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 2000, S. 1117 <1118>; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1988, S. 1271 <1272>; LG Hamburg, NJW 1992, S. 440 <441>). Dadurch soll vermieden werden, dass die Gerichte unnötig angerufen werden und sie in die Selbstverwaltung des Vereins eingreifen, solange keine abschließende Entscheidung der zuständigen Vereinsorgane zustande gekommen ist (vgl. BGHZ 13, 5 <16>; 47, 172 <174>). Etwas anderes soll ausnahmsweise dann gelten, wenn dem Mitglied die Verweisung auf das vereinsinterne Verfahren aus besonderen Gründen nicht zumutbar wäre (vgl. BGHZ 47, 172 <174>; BGHZ 106, 67 <69 f.>). Dies kann etwa auch bei der Anfechtung von innerparteilichen Wahlentscheidungen der Fall sein. Wird der dem Verband zuzubilligende Zeitraum für eine verbandsinterne Entscheidung über die Gültigkeit einer Wahl überschritten, so kann dies vor den ordentlichen Gerichten zur Nachprüfung gestellt werden. Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit einer Wahl sind ihrer Natur nach eilbedürftig (vgl. BGHZ 106, 67 <69 f.>).

Im vorliegenden Fall ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht kein hinreichendes Rechtsschutzinteresse bei dem Beschwerdeführer gesehen hat, der erst am Tag der landgerichtlichen Entscheidung und damit erst fast einen Monat nach der Entscheidung des Kreisparteigerichts den nach der Parteigerichtsordnung vorgesehenen Instanzenweg beschritten hat. Das Landgericht musste es von Verfassungs wegen nicht als ausgeschlossen oder auch nur als fern liegend ansehen, dass der Beschwerdeführer rechtzeitigen Rechtsschutz durch das Landesparteigericht hätte erlangen können. Die Parteigerichtsordnung der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands vom 5. Oktober 1971, zuletzt geändert am 26. Oktober 1992, sieht in § 35 ausdrücklich die Möglichkeit des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vor, die im Beschwerdeverfahren durch das Beschwerdegericht ergehen kann (§ 36 Abs. 1 Satz 2 der Parteigerichtsordnung). Nach § 36 Abs. 2 Satz 1 PGO kann in dringenden Fällen der Vorsitzende allein entscheiden. Weshalb es das Landgericht hätte für unzumutbar halten müssen, diesen Rechtsweg zu beschreiten, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

2. Soweit der Beschwerdeführer nunmehr den Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht offenbar auch deswegen begehrt, weil seit etwa drei Wochen keine Reaktion des Landesparteigerichts zu verzeichnen sei, ist der Rechtsweg nicht erschöpft (§ 90 Abs. 2 BVerfGG). Unbeschadet dessen, dass der Beschwerdeführer sein Begehren gegenüber dem Landesparteigericht nicht als Eilantrag gekennzeichnet hat, handelt es sich um einen Gesichtspunkt, der zunächst gegenüber den Fachgerichten geltend zu machen wäre.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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