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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 22.06.2006
Aktenzeichen: 2 BvR 1421/05
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 1 Abs. 2
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1421/05 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 5. August 2005 - 2 Ws 42/2005 -,

b) den Bescheid des Generalstaatsanwalts in Stuttgart vom 4. Mai 2005 - 18 Zs 610/05 -,

c) den Bescheid der Staatsanwaltschaft Ravensburg vom 15. März 2005 - 11 Js 3357/05 -

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richter Di Fabio und Landau gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 22. Juni 2006 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer ist ein eingetragener Verein, der die Dachorganisation der Deutschen Sinti und Roma bildet. Er will in einem Klageerzwingungsverfahren erreichen, dass ein Fastnachtsteilnehmer wegen Volksverhetzung und Beleidigung verfolgt wird, der mit einem Fastnachtswagen mit der Aufschrift "Zack Zack Zigeunerpack und Zack Zack Zack Zigeunerpack Prost!" an dem örtlichen Fastnachtszug teilnahm. Auf dem Wagen befanden sich mit dem Beschuldigten etwa 20 als "Zigeuner" verkleidete Personen.

Die Staatsanwaltschaft, bestätigt durch den Generalstaatsanwalt, stellte die Ermittlungen ein, da dem Beschuldigten nicht nachgewiesen werden könne, dass er bewusst die Angehörigen der Sinti und Roma aus verwerflichen Beweggründen als verachtenswert, minderwertig und unwürdig habe darstellen wollen; er habe die närrischen Zuschauer nur belustigen wollen.

Den Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung verwarf das Oberlandesgericht als unzulässig. Der Beschwerdeführer könne als juristische Person kein Verletzter im Sinne des § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO in Bezug auf die Straftat der Volksverhetzung sein.

II.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 1 Abs. 1 und 2, Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 GG. Er macht geltend, der betroffenen Minderheit werde ausreichender strafrechtlicher Schutz vor rassistischen und volksverhetzenden Angriffen verwehrt, wenn dem Beschwerdeführer als anerkannter Selbstvertretungsorganisation kein Antragsrecht zustehe. Der Staat habe eine besondere Schutzpflicht gegenüber den Opfern des Holocaust und deren Nachkommen. Auch der Verein als Vertretungsorgan sei unmittelbar in seinen Rechten verletzt.

III.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG).

Es bestehen bereits Bedenken an der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde, da der Beschwerdeführer als juristische Person gemäß Art. 19 Abs. 3 GG nicht die Verletzung der Menschenwürde und diesbezüglicher staatlicher Schutzpflichten rügen kann und nicht dargelegt hat, inwiefern die gerichtliche Entscheidung gegen Art. 3 GG verstoßen soll.

Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet. Das Oberlandesgericht führte nachvollziehbar aus, die Straftatbestände des § 130 StGB schützten nur die einzelnen Mitglieder, nicht aber den Beschwerdeführer selbst als institutionelle Personenmehrheit. Von Verfassungs wegen ist nicht gefordert, dass auch eine Organisation die Verfolgung des Straftatbestands der Volksverhetzung durch ein Klageerzwingungsverfahren betreiben kann. Denn individualisiertes Schutzgut der Norm ist die Menschenwürde. Verfassungsrechtlich können sich nur natürliche Personen auf ihre Menschenwürde berufen. Dem Beschwerdeführer steht auch über einfachrechtliche Positionen im Rahmen des Art. 19 Abs. 4 GG kein weitergehender Rechtsgewährungsanspruch zu. Denn ihm ist nicht durch einfaches Gesetz die Rechts- und Interessenwahrnehmung seiner Mitglieder zugewiesen (vgl. Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Auflage 2003, § 172 Rn. 30).

Im Übrigen hat bereits der Einzelne grundsätzlich keinen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Strafverfolgung eines anderen durch den Staat (vgl. BVerfGE 51, 176 <187>). Für den Zusammenschluss Einzelner in einer Organisation kann jedenfalls nichts Weitergehendes gelten.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.



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