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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 14.06.2007
Aktenzeichen: 2 BvR 1447/05
Rechtsgebiete: StPO, GG
Vorschriften:
StPO § 354 Abs. 1 a Satz 1 | |
StPO § 356 a | |
GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2 |
2. Verfährt das Revisionsgericht nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO, so muss es seine Entscheidung jedenfalls dann begründen, wenn die für die Strafzumessung relevanten Umstände und deren konkretes Gewicht dem Angeklagten sonst nicht nachvollziehbar wären.
3. Eine Strafzumessungsentscheidung des Revisionsgerichts ist ausgeschlossen, wenn zugleich eine neue Entscheidung über einen - fehlerhaften - Schuldspruch erfolgen muss.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES
- 2 BvR 1447/05 - - 2 BvR 136/05 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerden
gegen den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 25. Juli 2005 - 1 Ss 63/05 -
- 2 BvR 1447/05 -,
gegen den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 2. Dezember 2004 - 3 StR 273/04 -
- 2 BvR 136/05 -
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter Vizepräsident Hassemer, Broß, Osterloh, Di Fabio, Mellinghoff, Lübbe-Wolff, Gerhardt, Landau am 14. Juni 2007 beschlossen:
Tenor:
1. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. § 354 Absatz 1 a Satz 1 StPO ist nach Maßgabe der Gründe mit dem Grundgesetz vereinbar.
3. Der Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 25. Juli 2005 - 1 Ss 63/05 - verletzt den Beschwerdeführer zu 1. in seinem aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes folgenden Recht auf ein faires Verfahren. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Brandenburgische Oberlandesgericht zurückverwiesen.
4. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 2. Dezember 2004 - 3 StR 273/04 - verletzt den Beschwerdeführer zu 2. in seinem Recht aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.
5. Das Land Brandenburg hat dem Beschwerdeführer zu 1., die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer zu 2. die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe:
A.
Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Möglichkeiten und Grenzen einer Rechtsfolgenentscheidung des Revisionsgerichts auf der Grundlage des durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz (1. JuMoG) vom 24. August 2004 (BGBl I S. 2198) in die Strafprozessordnung eingeführten § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO.
I.
1. Das strafrechtliche Revisionsverfahren als Rechtsprüfungsverfahren eröffnet herkömmlich zwei Entscheidungsmöglichkeiten. Unzulässige und unbegründete Revisionen sind zu verwerfen; in der Sache begründete Rechtsmittel führen zu einer Aufhebung der angefochtenen tatrichterlichen Entscheidung. Die Aufhebung erfolgt durch Urteil, § 353 StPO. Bei Rechtsmitteln, die zu Gunsten des Angeklagten erhoben worden sind, besteht daneben die Möglichkeit, durch Beschluss zu entscheiden, § 349 Abs. 4 StPO. Im Regelfall - insbesondere wenn von der Urteilsaufhebung auch die Feststellungen des vorinstanzlichen Erkenntnisses betroffen sind, § 353 Abs. 2 StPO - ist das Verfahren durch das Revisionsgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung an ein anderes Tatgericht zurückzuverweisen, § 354 Abs. 2 StPO.
2. Ausnahmsweise kann das Revisionsgericht auch in der Sache selbst entscheiden und damit das Strafverfahren zu einem rechtskräftigen Abschluss führen.
Bis zum Inkrafttreten des 1. Justizmodernisierungsgesetzes waren die Sachentscheidungsbefugnisse des Revisionsgerichts ausschließlich in § 354 Abs. 1 StPO geregelt. Wenn es für das angefochtene Urteil keiner neuen Tatsachenfeststellungen bedarf, hat das Revisionsgericht nach dieser durch die Gesetzesänderung unangetastet gebliebenen Regelung von Rechts wegen auf Freispruch, Einstellung wegen Vorliegens von Prozesshindernissen (vgl. Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 49. Aufl. 2006, § 354 Rn. 6) oder auf eine absolut bestimmte - lebenslange - Strafe zu erkennen. Daneben kann es in Übereinstimmung mit einem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe verhängen oder von Strafe absehen. Sinn dieser Regelung ist es, das Revisionsgericht zu einer Beendigung des Verfahrens zu befähigen, es dabei aber von einer eigenen Entscheidung zur Bemessung einer Strafe möglichst freizustellen.
3. Neben der Möglichkeit, über § 354 Abs. 1 StPO eine eigene Rechtsfolgenentscheidung zu treffen, haben die Revisionsgerichte seit jeher die Befugnis gehabt, von der Aufhebung eines mit einem Strafzumessungsfehler behafteten tatrichterlichen Urteils abzusehen, wenn der Zumessungsfehler keine Auswirkungen auf den Ausspruch über die Rechtsfolgen gehabt hat (vgl. bereits RGSt 39, 155 <158>; OLG Celle, Urteil vom 1. Dezember 1948 - Ss 524/48 -, NJW 1949, S. 600; BGH, Beschluss vom 9. Juli 1991 - 4 StR 291/91 -, NStZ 1992, S. 297). Diese Befugnis folgt aus § 337 StPO. Die Vorschrift verlangt für den Erfolg einer Revision das Beruhen der angefochtenen Entscheidung auf der fraglichen Rechtsverletzung. Daran fehlt es, wenn, aus der hypothetischen Sicht des Tatrichters, davon auszugehen ist, dass dieser die von ihm verhängten Rechtsfolgen auch dann festgesetzt hätte, wenn ihm der in seinem Urteil enthaltene Rechtsfehler nicht unterlaufen wäre.
4. § 354 Abs. 1 StPO, der die originären Sachentscheidungsbefugnisse des Revisionsgerichts regelt, ist durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz unter anderem um den Absatz 1 a ergänzt worden. Die neue Bestimmung erlaubt dem Revisionsgericht durch ihren Satz 1, von der Aufhebung des angefochtenen Urteils abzusehen, wenn dem Tatgericht bei der Zumessung der Rechtsfolgen zwar ein Fehler unterlaufen ist, sich die verhängte Rechtsfolge aber gleichwohl als angemessen herausstellt. Nach Satz 2 der Regelung kann das Revisionsgericht die Rechtsfolgen auch angemessen herabsetzen, sofern die Staatsanwaltschaft dies beantragt.
5. § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO knüpft an einen Vorschlag des Bundesrats im Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 7. Mai 1996 an (BTDrucks 13/4541). Mit ihm verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, Strafverfahren prozessökonomisch und ressourcenschonend durch Erweiterung der Entscheidungsbefugnisse des Revisionsgerichts zu fördern. Zurückverweisungen durch die Revisionsgerichte an die Vorinstanz sollen wegen solcher Rechtsfehler, die ohne neue Tatsachenfeststellungen unschwer im Revisionsverfahren behoben werden können, vermieden werden. Das Strafverfahrensrecht habe sich, so der Gesetzgeber, vor Einführung des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO, diesbezüglich als zu starr und zu schwerfällig erwiesen. Dies gelte auch, soweit die Revisionsgerichte von der Aufhebung fehlerhafter Rechtsfolgenaussprüche bereits deshalb abgesehen hätten, weil das Urteil auf dem Fehler nicht beruhe.
Eine solche Beruhensprüfung setze § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO nicht mehr voraus (BTDrucks 15/3482, S. 21 f.).
6. § 354 StPO in der Fassung des 1. Justizmodernisierungsgesetzes hat folgenden Wortlaut:
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
II.
1. Das Verfahren 2 BvR 1447/05
a) Das Landgericht verurteilte den Beschwerdeführer im Berufungsrechtszug wegen fahrlässiger Tötung in sechs Fällen in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in fünf Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und setzte die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung aus. Die Berufungskammer sah es als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer mit dem von ihm gesteuerten Reisebus auf einen Kleinbus aufgefahren war, der wegen eines Unfalls auf der Autobahn zum Stehen gekommen war. Dabei wurden die sechs Insassen des Kleinbusses getötet, weitere Verkehrsteilnehmer wurden verletzt.
Das Landgericht lastete dem Beschwerdeführer Fahrlässigkeit an. Er sei vor Eintritt des Unfalls mindestens 20 Sekunden tief in Gedanken versunken gefahren, ohne auf das Verkehrsgeschehen zu achten. Er habe gewusst, dass Fahren im Zustand "absoluter Unaufmerksamkeit" die Gefahr in sich berge, schwere Verkehrsunfälle mit Lebensgefahr zu verursachen. Dem Beschwerdeführer sei auch bewusst gewesen, dass ein Reisebus beim Aufprall auf einen Pkw oder einen Kleinbus die Insassen dieser Fahrzeuge würde töten können. Damit habe er die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen.
Bei der Strafzumessung wertete es die Berufungskammer als strafschärfend, dass der Beschwerdeführer bewusst fahrlässig gehandelt habe. Das Gericht gestand dem Beschwerdeführer zwar eine günstige Sozialprognose zu, § 56 Abs. 1 StGB. An einer Aussetzung der verhängten Freiheitsstrafe sah es sich jedoch mangels besonderer Umstände in der Tat und der Persönlichkeit des Beschwerdeführers gemäß § 56 Abs. 2 StGB gehindert. Gegen eine Aussetzung spreche auch der in der Tat offenbar gewordene erhebliche Schuldgehalt.
b) Gegen das Urteil des Landgerichts legte der Beschwerdeführer Revision ein, mit der er unter anderem rügte, die vom Landgericht getroffenen Feststellungen trügen den Schuldvorwurf der bewussten Fahrlässigkeit nicht.
c) Die Generalstaatsanwaltschaft trat in ihrer Antragsschrift an das Brandenburgische Oberlandesgericht dieser Auffassung bei. Gleichwohl beantragte sie eine Verwerfung des Rechtsmittels. Die vom Landgericht verhängte Strafe sei angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO. Angesichts der Tatfolge, des Todes von sechs Menschen, und des von der Strafkammer angesprochenen Umstands, dass der Beschwerdeführer als Berufskraftfahrer zur Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt im Straßenverkehr besonders verpflichtet gewesen sei, könne die verhängte Strafe Bestand haben.
d) In einer Gegenerklärung wandte sich der Beschwerdeführer gegen eine Entscheidung nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO. Die fehlerhafte Annahme bewusster Fahrlässigkeit durch das Landgericht habe sich entscheidend auf die Bemessung der Freiheitsstrafe und auf das Erkenntnis zur Strafaussetzung ausgewirkt. Vor diesem Hintergrund könne die Rechtsfolge des Urteils nicht als angemessen angesehen werden. Die Befugnis des Revisionsgerichts, bei Rechtsfehlern im Strafzumessungsbereich von der Aufhebung des angefochtenen Urteils abzusehen, sei eng zu bestimmen. Ob eine Strafe "angemessen" sei, könne vom Revisionsgericht nur in eindeutigen Fällen beantwortet werden, nämlich dann, wenn sich zwar nicht ausschließen lasse, dass der Tatrichter, hätte er seinen Fehler erkannt, zu einer anderen Bewertung gekommen wäre, diese Möglichkeit aber eher fern liege. Zudem dürfe ein Revisionsgericht ohne persönlichen Eindruck vom Angeklagten nicht über eine Strafaussetzung zur Bewährung befinden.
e) Das Oberlandesgericht verwarf die Revision des Beschwerdeführers auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2 StPO. Zwar könne dem Beschwerdeführer keine bewusste, sondern nur einfache Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Dieser Fehler bedinge jedoch keine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts im Rechtsfolgenausspruch. Die von der Strafkammer verhängte Freiheitsstrafe sei nach Auffassung des Senats angemessen, § 354 Abs. 1 a StPO.
f) Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts erhob der Beschwerdeführer Gegenvorstellung. Die Entscheidung des Strafsenats leide unter einem Begründungsmangel. Das Oberlandesgericht sei gehalten gewesen, seine Strafzumessung im Verwerfungsbeschluss zu erläutern. Dass es dies nicht getan und vor einer Entscheidung nicht die Möglichkeit einer Anhörung im Rahmen einer Revisionshauptverhandlung gewährt habe, verletze grundrechtliche Positionen des Beschwerdeführers aus Art. 20 Abs. 3 GG und aus Art. 103 GG und verstoße zugleich gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK.
g) Der Strafsenat wies die Gegenvorstellung zurück. Eine Pflicht zur Begründung des Verwerfungsbeschlusses gebe es nicht. Angemessen seien die vom Landgericht verhängte Strafe und die Ablehnung einer Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung wegen der gravierenden Tatfolgen und des vom Beschwerdeführer verwirklichten Tatunrechts. Der Beschwerdeführer sei auch nicht in seinem Anspruch verletzt worden, vor Gericht Gehör zu finden. Durch die Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft sei er auf die Möglichkeit einer Entscheidung des Senats nach § 354 Abs. 1 a StPO hingewiesen worden.
2. Das Verfahren 2 BvR 136/05
a) Das Landgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen Betrugs in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen.
Sämtliche Tatvorwürfe bezeichnete die Strafkammer als schwer. Der Schaden aus der Untreue, zu deren Gelingen der Beschwerdeführer beigetragen habe, belaufe sich auf 3.412.000 DM. Das geschädigte Unternehmen sei durch diesen Vermögensverlust in eine wirtschaftliche Schieflage geraten, was einen späteren Konkurs mit verursacht habe.
b) Die Revision des Beschwerdeführers gegen das Urteil des Landgerichts blieb im Ergebnis erfolglos. Der Bundesgerichtshof verwarf sie - nach Beschränkung des Tatvorwurfs über § 154 a Abs. 2 StPO auf den vom Landgericht festgestellten Betrug und nach entsprechender Berichtigung des Schuldspruchs - im Wege des § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet. Von der Aufhebung des Strafausspruchs sah der Bundesgerichtshof ab und wendete § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO an. Zwar sei nicht auszuschließen, dass das Landgericht, hätte es auf Grundlage des geänderten Schuldspruchs zu urteilen gehabt, gegen den Beschwerdeführer eine niedrigere Strafe als die verhängte festgesetzt hätte. Die ausgeurteilte Strafe sei jedoch angemessen.
Über seinen Wortlaut hinaus sei § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO nicht lediglich dann anwendbar, wenn eine Gesetzesverletzung "nur bei Zumessung der Rechtsfolgen" vorliege. Die Vorschrift erfasse darüber hinaus die Fälle, in denen es auch zu einer Schuldspruchänderung komme. Nur eine solche Interpretation der Norm werde dem mit § 354 Abs. 1 a StPO verfolgten Ziel des Gesetzgebers gerecht, Ressourcen der Justiz zu schonen und zur Verfahrensbeschleunigung beizutragen. Eine Verlagerung tatrichterlicher Strafzumessungskompetenzen auf das Revisionsgericht sei durch diese Auslegung nicht zu befürchten. Bei einer gravierenden Änderung des Schuldspruchs komme eine Aufrechterhaltung des Rechtsfolgenausspruchs wegen fehlender Angemessenheit im Regelfall nicht mehr in Betracht. Überdies liege die Entscheidung, nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO zu verfahren, im Ermessen des Revisionsgerichts. Diesem stehe es frei, auch bei lediglich geringfügiger Änderung des Schuldspruchs von einer Anwendung des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO abzusehen.
Ob eine Rechtsfolge angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO sei, habe das Revisionsgericht auf der Grundlage der Feststellungen des angefochtenen Urteils unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte zu beurteilen, insbesondere aller nach § 46 StGB für die Strafzumessung erheblichen Umstände.
Danach bestünden an der Angemessenheit der gegen den Beschwerdeführer verhängten Geldstrafe keine Zweifel. Diese Strafe sei selbst bei Fortfall der Verurteilung wegen Beihilfe zur Untreue, auch unter Berücksichtigung sämtlicher zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände, außergewöhnlich - wenn nicht unvertretbar - milde.
III.
1. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1. wendet sich gegen die Revisionsentscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts. Sie rügt zum einen die Verfassungswidrigkeit von § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO, zum anderen die Verletzung von Verfassungsrecht durch die Anwendung dieser Norm.
a) § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO verstoße gegen die grundrechtsgleichen Rechte eines Angeklagten auf rechtliches Gehör und auf ein faires Verfahren.
Die Vorschrift lasse eine hinreichende Verteidigung nicht zu. Ein Angeklagter könne nicht absehen, welche Tatsachen das Revisionsgericht für seine Sachentscheidung heranziehen werde. Zudem könne er auf die über § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO nunmehr mögliche Strafzumessung der Revisionsgerichte weder durch rechtliche Einwendungen noch durch Beweisanträge Einfluss nehmen. Die Kompetenzen des Revisionsgerichts bei der Strafzumessung gingen damit im Ergebnis weiter als die Kompetenzen eines Tatgerichts.
§ 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO sei auch mit dem Anspruch eines Angeklagten auf seinen gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht zu vereinbaren. Die Vorschrift hebe die Abgrenzung revisionsgerichtlicher und tatgerichtlicher Zuständigkeiten auf, wenn sie Strafzumessungskompetenzen auf die Revisionsgerichte übertrage, obwohl diesen für den Vorgang der Strafzumessung bedeutsame Erkenntnisquellen, wie der persönliche Eindruck von Beweismitteln und vom Angeklagten, verschlossen blieben.
b) Auch die Anwendung der Norm durch das Oberlandesgericht habe Grundrechte und grundrechtsgleiche Rechte verletzt.
Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sei betroffen, weil das Oberlandesgericht zu Unrecht die Angemessenheit der Rechtsfolge nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO und damit eine eigene Zuständigkeit zur Sachentscheidung bejaht habe. Die Schuldform der bewussten Fahrlässigkeit sei für die Berufungskammer das entscheidende Kriterium bei der Festsetzung der Rechtsfolge gewesen. Sie habe die Höhe der verhängten Freiheitsstrafe nicht lediglich mitbestimmt. Auch die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung habe das Landgericht mit dem hohen Verschulden begründet, das dem Beschwerdeführer zur Last liege. Da die bewusste Fahrlässigkeit in der Revisionsinstanz in Fortfall geraten sei, könne die auf ihr fußende Rechtsfolge nicht mehr angemessen sein.
Auch gegen Art. 103 Abs. 1 GG habe der Strafsenat verstoßen. Das Oberlandesgericht habe sich nicht mit den im Revisionsverfahren vorgetragenen Einwänden gegen eine Sachentscheidung nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO auseinander gesetzt.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts sei überdies willkürlich.
2. Der Beschwerdeführer zu 2. wendet sich gegen den Beschluss des Bundesgerichtshofs, der seine Revision verworfen hat. Er rügt eine Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
Der Bundesgerichtshof habe auf der Grundlage des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO in dem Strafverfahren selbst entschieden, obwohl für eine Sachentscheidung das Landgericht nach Zurückverweisung des Verfahrens gemäß § 354 Abs. 2 StPO zuständig gewesen wäre. § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO habe nicht angewendet werden dürfen. Diese Vorschrift erlaube eine Sachentscheidung des Revisionsgerichts ausschließlich bei einem Fehler bei der Zumessung der Rechtsfolgen. Wegen ihres eindeutigen Wortlauts greife sie nicht, wenn es neben einem Fehler im Rechtsfolgenbereich zugleich einen Fehler im Schuldspruch gebe. Darüber habe sich der Bundesgerichtshof willkürlich hinweggesetzt.
Zudem habe der Strafsenat die von ihm in der angegriffenen Entscheidung aufgestellten Maßstäbe für eine Anwendung des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO selbst missachtet. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs komme eine Anwendung des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO nämlich bei gravierenden Änderungen des Schuldspruchs nicht in Betracht. Eine solche gravierende Änderung habe die Beschränkung des Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer auf den Vorwurf des Betrugs jedoch bewirkt. Durch diese Beschränkung sei mit der Beihilfe zur Untreue ein Vermögensdelikt mit einer errechneten Schadenshöhe von mehr als drei Millionen DM weggefallen. Gleichwohl habe sich der Bundesgerichtshof nicht an einer Entscheidung nach § 354 Abs. 1 a StPO gehindert gesehen.
Auch die Erwägungen des Bundesgerichtshofs zur Angemessenheit der Strafe seien, da zu unbestimmt, nicht nachvollziehbar.
IV.
Zu den Verfassungsbeschwerden hat der Präsident des Bundesgerichtshofs Stellungnahmen der Vorsitzenden der dortigen Strafsenate übersandt und der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof Stellung genommen. Namens der Bundesregierung hat sich das Bundesministerium der Justiz zu der Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1. geäußert. Zu dieser Verfassungsbeschwerde ist auch eine Stellungnahme des Ministeriums der Justiz des Landes Brandenburg eingegangen.
1. a) Zur Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1. haben die Vorsitzenden der fünf Strafsenate des Bundesgerichtshofs übereinstimmend mitgeteilt, mit der Rechtsfrage bislang nicht befasst gewesen zu sein, ob das Revisionsgericht mittels § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO auch über die Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung eigenständig befinden könne. Die Richter des 1. Strafsenats hielten eine solche Entscheidung freilich für möglich.
b) Zu der Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 2. haben die Strafsenate ausgeführt, sie wendeten § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO in inzwischen ständiger Rechtsprechung nicht nur bei Strafzumessungsfehlern, sondern auch dann an, wenn zugleich der Schuldspruch zu korrigieren sei.
c) Zur Übereinstimmung von § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO mit der Verfassung hat der Bundesgerichtshof nicht Stellung genommen.
2. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hat sich zur geltend gemachten Verfassungswidrigkeit von § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO und zur Anwendung der Vorschrift in den mit den Verfassungsbeschwerden angegriffenen Revisionsentscheidungen geäußert. Er hält § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO für verfassungsgemäß.
a) Aus verfassungsrechtlicher Sicht bestünden keine grundlegenden Bedenken gegen eine Übertragung tatrichterlicher Strafzumessungsbefugnisse auf die Revisionsgerichte. Strafzumessung sei Rechtsanwendung und nichts "Tatsächliches", was ausschließlich in die Hände der Tatgerichte gehöre. Den Revisionsgerichten stehe mit den vorinstanzlichen Urteilen zudem eine ausreichende Entscheidungsgrundlage zur Verfügung; § 267 Abs. 3 StPO verlange von den Tatgerichten in den schriftlichen Urteilsgründen eine nachvollziehbare Gesamtbetrachtung von Tat und Täterpersönlichkeit unter Abwägung aller wesentlichen belastenden und entlastenden Umstände.
§ 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO verletze auch nicht den Anspruch eines Angeklagten aus Art. 103 Abs. 1 GG, vor Gericht Gehör zu finden. Ein Angeklagter habe im Revisionsverfahren hinreichend Möglichkeit, sich zu einer Sachentscheidung nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO zu äußern. Stelle bereits die Staatsanwaltschaft beim Revisionsgericht fest, dass trotz eines Strafzumessungsfehlers ein Festhalten am Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils möglich sei, habe sie in ihrer Antragsschrift, die gemäß § 349 Abs. 3 Satz 1 StPO dem Angeklagten mitgeteilt werden müsse, auf ein mögliches Vorgehen nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO hinzuweisen; dieser Hinweis gebe dem Angeklagten Gelegenheit zur Stellungnahme. Im Falle einer Revisionshauptverhandlung habe der Angeklagte ohnehin die Möglichkeit, sich zu äußern. In allen anderen Fällen helfe die Anhörungsrüge nach § 356 a StPO.
Auch mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sei § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO vereinbar. Wenn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts § 354 Abs. 2 StPO nicht gegen das Recht eines Angeklagten auf den gesetzlichen Richter verstoße (BVerfGE 20, 336 ff.), könne für § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO nichts anderes gelten. § 354 Abs. 2 StPO erlaube es dem Revisionsgericht, nach Aufhebung eines fehlerhaften Urteils die Sache zu neuer Verhandlung an das Ausgangsgericht oder ein anderes Gericht gleicher Ordnung desselben Landes zurückzuverweisen. Eine solche Bestimmung, die das "Wohin" einer Zurückverweisung regele, sei mit Blick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG problematischer als eine Vorschrift, die - wie § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO - eine Entscheidung über das "Ob" der Zurückverweisung ermögliche.
b) Der Generalbundesanwalt hält auch die Anwendung des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO in den angegriffenen Entscheidungen für verfassungskonform.
aa) Angesichts des Umstands, dass der Beschwerdeführer zu 1. den Tod von sechs Menschen verursacht habe, sei die Verhängung der vom Tatgericht festgesetzten Freiheitsstrafe auch dann angemessen, wenn man vom Schuldgrad der einfachen statt der bewussten Fahrlässigkeit ausgehe.
Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG sei nicht zu besorgen. Die Generalstaatsanwaltschaft habe vor der Entscheidung des Oberlandesgerichts auf die Entscheidungsmöglichkeit nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO hingewiesen.
bb) Die Vorschrift des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO könne - wie im Fall des Beschwerdeführers zu 2. - auch dann angewendet werden, wenn neben dem Rechtsfolgenausspruch auch der Schuldspruch eines mit der Revision angefochtenen Urteils korrekturbedürftig sei. Der Wortlaut der Bestimmung stehe einer solchen Anwendung nicht entgegen. Korrigiere das Revisionsgericht zunächst den Schuldspruch, gehe es anschließend "nur noch" um eine Prüfung der Angemessenheit der Rechtsfolge.
Denkbar sei aber auch eine Anwendung des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO im Wege der Analogie. Das Gesetz weise die hierfür vorausgesetzte planwidrige Lücke auf; der Legislative könne angesichts ihres Bemühens, die Sachentscheidungskompetenz der Revisionsgerichte zu erweitern, nicht ernsthaft unterstellt werden, bei Schuldspruchänderungen den Revisionsgerichten die Möglichkeit vorenthalten zu wollen, einen tat- und schuldangemessenen Rechtsfolgenausspruch zu bestätigen.
3. Auch das Bundesministerium der Justiz hält die Vorschrift des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO für verfassungsgemäß.
Das Grundgesetz kenne kein Verbot, Aufgaben der Tatgerichte - wie die Strafzumessung - auf die Rechtsmittelgerichte zu übertragen, und das Gesetz lege fest, unter welchen Voraussetzungen das Revisionsgericht entscheiden dürfe. Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liege darin nicht.
Auch Art. 103 Abs. 1 GG sei nicht betroffen. Im schriftlichen Verfahren werde bereits die Revisionsstaatsanwaltschaft auf die Entscheidungsmöglichkeit nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO hinweisen, worauf der Angeklagte erwidern könne. Die Möglichkeit zur Äußerung bestehe auch anlässlich einer Revisionshauptverhandlung. Daneben gebe Art. 103 Abs. 1 GG unmittelbar ein Recht, Gehör zu finden. Dies könne ein Angeklagter nicht zuletzt im Anhörungsrügeverfahren nach § 356 a StPO verfolgen.
Angewendet werden könne § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO - jedenfalls im Wege der Analogie - auch im Zusammenhang mit einer Schuldspruchkorrektur. Eine solche Anwendung befinde sich in Übereinstimmung mit dem Willen des Gesetzgebers. Dieser habe mit § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO die Sachentscheidungsbefugnisse des Revisionsgerichts erweitern wollen.
4. Das Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg hält die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1. nicht für erfolgversprechend. Sein Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs sei gewahrt worden. Die Generalstaatsanwaltschaft habe in ihrer Antragsschrift auf die Möglichkeit einer Sachentscheidung nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO hingewiesen. Das Oberlandesgericht sei nicht gehalten gewesen, seinen Verwerfungsbeschluss näher zu begründen.
Die Entscheidung des Strafsenats zeige keine sachfremden Erwägungen auf.
B.
Die Verfassungsbeschwerden sind begründet, soweit sie sich gegen die gerichtlichen Entscheidungen wenden. Der Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 25. Juli 2005 verletzt den Beschwerdeführer zu 1. in seinem aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG folgenden Anspruch auf ein faires Verfahren. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 2. Dezember 2004 verletzt den Beschwerdeführer zu 2. in seinem Verfahrensgrundrecht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
Die den Entscheidungen zu Grunde liegende Vorschrift des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO ist nach Maßgabe der Gründe mit dem Grundgesetz vereinbar.
I.
1. In der Rechtsprechung sind verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber der durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz eingeführten Vorschrift nicht laut geworden, obwohl sie auch aus Sicht der Praxis die Strukturen des Revisionsverfahrens grundlegend verändert hat. Die Revisionsgerichte haben die Bestimmung seit ihrem Inkrafttreten als Ermächtigung zu eigener Strafzumessung verstanden und gehandhabt.
Lediglich das Oberlandesgericht Celle sah in § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO zunächst bloß die gesetzliche Verankerung der auf § 337 StPO fußenden Beruhensrechtsprechung (NStZ 2005, S. 163 <164>; hier unter A.I.3.). Der Bundesgerichtshof hat diese Auslegung in der Folgezeit jedoch ausdrücklich als unzutreffend bezeichnet. Für § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO komme es nicht darauf an, ob sich der fragliche Strafzumessungsfehler auf das Urteil ausgewirkt habe. Alleiniger Maßstab sei, ob das Revisionsgericht ungeachtet dieses Fehlers den Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils für angemessen halte. Ob eine Rechtsfolge "angemessen" sei, habe das Revisionsgericht auf der Grundlage der Feststellungen des angefochtenen Urteils unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte, "insbesondere aller nach § 46 StGB für die Strafzumessung erheblichen Umstände", zu beurteilen (BGH, Beschluss vom 17. März 2005 - 3 StR 39/05 -, NStZ 2005, S. 465 = BGHR StPO § 354 Abs. 1 a Anwendungsbereich 3).
Dabei hat der Bundesgerichtshof den Anwendungsbereich der Vorschrift weit gezogen. Nur in wenigen Fällen sei eine eigene Entscheidung des Revisionsgerichts ausgeschlossen. Eine Entscheidung des Tatgerichts sei nur dann veranlasst, wenn es für die Strafzumessung in besonderem Maße auf den persönlichen Eindruck vom Angeklagten ankomme (BGH, a.a.O.) oder wenn zu erwarten sei, dass eine zweite tatrichterliche Hauptverhandlung neue, für den Angeklagten günstige Erkenntnisse erbringen werde (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2005 - 1 StR 320/05 -, www.bundesgerichtshof.de/entscheidungen, ohne Gründe abgedruckt in NStZ-RR 2006, S. 44).
In Anlehnung an die Gesetzesmaterialien (BTDrucks 15/3482, S. 22) begreift die Rechtsprechung die Sachentscheidung nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO als Revisionsverwerfung, was ihr zugleich die Entscheidungsmöglichkeit nach § 349 Abs. 2 StPO eröffnet: Wähle das Gericht das Beschlussverfahren als Entscheidungsverfahren, so habe der Angeklagte keinen Anspruch darauf, auf die Anwendung des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO hingewiesen zu werden. Das schriftliche Verfahren nach § 349 Abs. 2 StPO kenne keine Verpflichtung des Revisionsgerichts, das Beratungsergebnis vor Entscheidungserlass mitzuteilen (BGH, Beschluss vom 17. Mai 2005 - 3 StR 39/05 -, www.bundesgerichtshof.de/entscheidungen, ohne Gründe abgedruckt in NStZ-RR 2005, S. 272).
Einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG sehen die Revisionsgerichte darin nicht.
2. Anders als in der Rechtsprechung ist § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO im Schrifttum überwiegend auf Skepsis gestoßen. Die Vorschrift stelle wesentliche Maximen des Strafverfahrens in Frage. Grundsätzlich müsse Straffestsetzung im Zusammenhang mit der Möglichkeit eines Gerichts gesehen werden, Feststellungen zum Sachverhalt und zur Person des Angeklagten zu treffen. Diese Erkenntnisquellen - insbesondere der persönliche Eindruck vom Angeklagten - blieben den Revisionsgerichten wegen der Ausgestaltung des Rechtsmittelverfahrens verschlossen (Eisenberg/Haeseler, StraFo 2005, S. 221 <225>). Das Revisionsgericht entscheide auf einer eingeschränkten Erkenntnisgrundlage (Sommer, StraFo 2004, S. 295 <298>; Ventzke, NStZ 2005, S. 461 <462>; krit. auch Langrock, StraFo 2005, S. 226 ff.).
Die Vorschrift widerspreche nicht nur der überkommenen Struktur des deutschen Strafverfahrens. Sie wecke mit Blick auf die Grundrechte eines Angeklagten auch verfassungsrechtliche Bedenken. Die Übertragung von Aufgaben der Strafzumessung auf die Revisionsgerichte verschiebe die Grenzen der Kompetenzbereiche von Tatsachen- und Rechtsmittelinstanz zum Nachteil des Angeklagten. Dies berühre dessen Verfahrensgrundrecht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (Franke, GA 2006, S. 261 <266>; a.A. Senge, in: Festschrift für Hans Dahs, Köln 2005, S. 475 <494>).
Auch mit Art. 103 Abs. 1 GG gerate § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO in Konflikt. Entscheide das Revisionsgericht durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO, so sei die Gegenerklärung auf den Antrag der Revisionsstaatsanwaltschaft nach § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO für den Angeklagten die einzige Möglichkeit, sich im Verfahren Gehör zu verschaffen. Diese Gegenerklärung sei jedoch kein Äquivalent einer neuen tatrichterlichen Hauptverhandlung über den Rechtsfolgenausspruch, in der der Angeklagte zu einzelnen Strafzumessungsfaktoren, insbesondere solchen Stellung nehmen könne, die nach Verkündung des tatrichterlichen Urteils eingetreten seien (vgl. Franke, a.a.O.).
3. Das Bundesverfassungsgericht teilt die im Schrifttum und vom Beschwerdeführer zu 1. erhobenen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO im Ergebnis nicht.
a) § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO ermöglicht dem Revisionsgericht Strafzumessung. Wenn das Revisionsgericht die Angemessenheit einer vom Vordergericht fehlerhaft begründeten Strafe prüft, was anhand der Urteilsurkunde geschieht, so wertet es die vom Tatgericht festgestellten Strafzumessungsfaktoren im Sinne des § 46 StGB und bringt sie zu einem Ergebnis. Dies ist ein Akt der Strafzumessung. Damit bricht § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO mit zwei Traditionen des deutschen Strafprozesses. Zum einen begründet die Vorschrift erstmals umfassende und - im Gegensatz zu § 354 Abs. 1 StPO - antragsungebundene Strafzumessungskompetenz der Revisionsgerichte. Zum anderen erlaubt sie erstmals eine eigene Straffindung jenseits der bislang den Vorgang der Strafzumessung prägenden Maximen der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit; die Beruhenskonstruktion (oben A.I.3.) hatte hingegen lediglich auf die hypothetische Sicht des strafzumessenden Tatrichters abgestellt.
b) In der Möglichkeit, Strafe nach Aktenlage zumessen zu können, liegt die verfassungsrechtliche Problematik des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO.
aa) Während das Tatgericht nach den Vorgaben der Strafprozessordnung die Strafe nach Durchführung einer mündlichen Hauptverhandlung unter Anwesenheit des Angeklagten festsetzt, misst das Revisionsgericht Strafe anhand eines durch die Vorinstanz vorformulierten Strafzumessungssachverhalts zu. Damit fehlen ihm - anders als dem Tatgericht - persönliche Eindrücke vom Angeklagten und von den Geschehnissen in der Hauptverhandlung. Deshalb hat man lange Zeit eine Strafzumessung durch die Revisionsgerichte nicht für statthaft gehalten.
In den Motiven zur Reichsstrafprozessordnung wird Strafzumessung noch als tatrichterlicher Akt beschrieben, der nur auf der Basis einer mündlichen Beweisverhandlung vorgenommen und verantwortet werden könne. Das schriftlich niedergelegte Urteil einer Vorinstanz eigne sich demgegenüber nicht als Grundlage von Straffestsetzung. Es gebe - so die damalige Auffassung - zu viele strafzumessungsrelevante Faktoren, die sich einer Feststellung durch die Schrift entzögen (vgl. Hahn, Die gesammten Materialien zur Strafprozeßordnung und dem Einführungsgesetz zu derselben vom 1. Februar 1877, Berlin 1880, Erste Abtheilung, S. 259).
Auch das Reichsgericht sah bis in die 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts die Strafzumessung als "Domäne" des Tatrichters an und folgerte daraus, dass sie einer rechtlichen Nachprüfung durch das Revisionsgericht entzogen sei (vgl. RGSt 59, 157 <162>). Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begann sich die heute herrschende Auffassung durchzusetzen, wonach Strafzumessung, trotz des ihr innewohnenden Wertungsakts, Rechtsanwendung sei, bei der es auf die Subsumtion eines festgestellten Strafzumessungssachverhalts unter vom Gesetzgeber formulierte Strafzumessungskriterien und -leitlinien ankomme (vgl. Bruns, Strafzumessungsrecht, 2. Aufl., Köln 1974, S. 650). Entwickelt von der Strafrechtswissenschaft seit Ausgang des 19. Jahrhunderts (vgl. bereits v. Kries, Die Rechtsmittel des Zivilprocesses und des Strafprocesses nach den Bestimmungen der Deutschen Reichsgesetze, 1880, S. 277 f.), wurde diese Auffassung vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung übernommen und ermöglichte fortan eine revisionsrechtliche Überprüfung von Strafzumessung (vgl. nur BGHSt 5, 57 <59>).
bb) Angesichts der Charakterisierung von Strafzumessung als Rechtsanwendung ist für eine generelle Ablehnung einer Strafzumessungskompetenz der Revisionsgerichte - wie sie in der Vergangenheit noch geäußert wurde - kein Raum mehr. Wenn das Gericht darüber urteilen darf, ob die in § 46 StGB gesetzlich normierten Strafzumessungskriterien zutreffend auf einen Sachverhalt angewendet worden sind, so können auch keine prinzipiellen Einwände mehr dagegen erhoben werden, dass es selbst die Strafe zumisst. Die eigene Strafzumessung des Revisionsgerichts ist in dieser Sicht nichts anderes als die praktische Umsetzung der ihm vom Gesetzgeber eingeräumten rechtlichen Kontrollbefugnis.
Strafzumessung des Revisionsrichters führt grundsätzlich auch zu keinem anderen Ergebnis als tatrichterliche Strafzumessung, was an § 358 Abs. 1 StPO liegt. Hebt das Revisionsgericht das rechtsfehlerhafte Urteil auf und verweist die Sache zu neuer Entscheidung zurück, so ist das nunmehr zuständige Tatgericht an die Rechtsauffassung der Revisionsinstanz zur Strafhöhe gebunden. Dies verbietet ihm die Festsetzung einer von den Vorstellungen des Rechtsmittelgerichts abweichenden Strafe.
cc) Aus verfassungsrechtlicher Sicht unbedenklich ist Strafzumessung durch das Revisionsgericht aber nur dann, wenn für den Prozess der Straffindung ein lückenloser, wahrheitsorientiert ermittelter und aktueller Strafzumessungssachverhalt zur Verfügung steht. Ist dies nicht der Fall, werden grundrechtlich geschützte Positionen des Angeklagten berührt.
Strafzumessung auf der Grundlage eines lückenhaften oder sonst korrekturbedürftigen Sachverhalts verletzt den verfassungsrechtlich abgesicherten Anspruch eines Angeklagten auf ein faires Verfahren in Verbindung mit dem ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestatteten (vgl. BVerfGE 69, 1 <35>; stRspr) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Der Anspruch eines Angeklagten auf ein faires Verfahren wurzelt in Art. 2 Abs. 1 GG und dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsgebot (vgl. BVerfGE 52, 203 <206 f.>). Diesem allgemeinen Prozessgrundrecht kommt im Strafverfahren wegen des dort bedrohten Rechts auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG und mit Blick auf die Menschenwürde des Angeklagten besondere Bedeutung zu. Im Strafverfahren geht es um ein Verhalten, das in besonderer Weise sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben unerträglich ist (BVerfGE 88, 203 <258>); im Schuldspruch konkretisiert sich ein sozial-ethisches Unwerturteil über Tat und Täter (BVerfGE 96, 245 <249>).
Eine notwendige Ausformung des Prozessgrundrechts des fairen Verfahrens ist im Strafverfahren die Gewährleistung einer tragfähigen Grundlage der Strafzumessung. Zu diesem Zweck sind die Strafgerichte zur bestmöglichen Klärung des Sachverhalts - und damit der strafzumessungsrelevanten Faktoren - verpflichtet. Zentrales Anliegen des Strafprozesses ist die Ermittlung des wahren Sachverhalts, ohne den das materielle Schuldprinzip sich nicht verwirklichen lässt (BVerfGE 57, 250 <275>). Strafe ist für den Bürger eine der einschneidendsten Formen staatlichen Handelns. Sie darf deshalb nur dann verhängt werden, wenn auch ihre tatsächlichen Voraussetzungen durch die Gerichte zuvor genauestens geprüft worden sind und sich die Sanktion auf der Grundlage dieser Voraussetzungen als geeignet und erforderlich zur Erreichung anerkannter Strafzwecke und überdies als angemessen darstellt. Dabei sind die Anforderungen an die verfahrensmäßige Absicherung einer ausreichenden Wahrheitserforschung im Vorfeld der Straffestsetzung besonders hoch, wenn - wie im Fall der Strafzumessung durch die Revisionsgerichte - die gerichtliche Entscheidung weiterer Rechtskontrolle nicht mehr unterliegt (BVerfGE 83, 24 <31>).
Nach seinem Wortlaut stellt § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO nicht verlässlich sicher, dass das Revisionsgericht seine Straffestsetzung nur auf der Grundlage eines wahren Strafzumessungssachverhalts trifft.
Ob ihm ein die Strafzumessung erlaubender Sachverhalt vom Tatgericht unterbreitet wurde, kann das Revisionsgericht auf Grund eigener Befugnisse nicht feststellen. Die Durchführung einer Beweisaufnahme ist ihm aus strukturellen Gründen verwehrt. Der Gesetzgeber hat die Entscheidungskompetenzen der Revisionsgerichte in den Bereich der originären Strafzumessung hinein erweitert. Er hat aber davon abgesehen, ihnen zugleich das den Tatgerichten für eine Strafzumessung zur Verfügung stehende Instrumentarium - die mündliche und unmittelbare Beweisaufnahme - mit an die Hand zu geben. § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO hält an der überkommenen Struktur des Revisionsverfahrens fest, wonach die einzige Erkenntnisquelle der Revisionsgerichte das angegriffene Urteil ist; den Revisionsgerichten ist deshalb nicht einmal eine formelle Anhörung des Angeklagten über die tatsächliche Grundlage der Strafzumessung, die in seine Grundrechte tief eingreift, vorgeschrieben.
Dieser weit reichende Verzicht des Gesetzgebers auf eine richterliche Überprüfung des Strafzumessungssachverhalts im Verfahren nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht hinnehmbar; Strafzumessung durch die Revisionsgerichte ist in erhöhtem Maße fehleranfällig. Es bedarf daher einer Sicherung, die gewährleistet, dass die Strafzumessung auf einer ausreichenden Sachverhaltsaufklärung beruht.
Das für die Strafzumessung zur Verfügung stehende tatgerichtliche Urteil kann auf Fehlern in der Sachverhaltsaufklärung beruhen, die für das Revisionsgericht nur in Fällen offensichtlich widersprüchlicher oder lückenhafter Urteilsgründe erkennbar werden. Aber auch ohne Versäumnisse und Fehler der Tatgerichte bei der Sachverhaltsaufklärung bieten die vorinstanzlichen Erkenntnisse nicht immer Gewähr für eine ausreichende Strafzumessungsgrundlage. Amts- und Landgerichte sind wegen § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO nicht zu vollständiger und abschließender Dokumentation ihrer Strafzumessungsgründe verpflichtet. Anzugeben haben sie nur die Gründe, die - aus ihrer Sicht - für die Festsetzung der tat- und schuldangemessenen Strafe bestimmend waren. Ohnehin gänzlich verborgen bleiben dem Revisionsgericht im Regelfall strafzumessungsrelevante Faktoren, die nach Verkündung des tatrichterlichen Urteils eingetreten sind und die ein neues Tatgericht, würde das Revisionsgericht von einer eigenen Sachentscheidung absehen und nach § 354 Abs. 2 StPO verfahren, unter Umständen zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigen müsste.
Es kommt hinzu, dass die tatsächlichen Grundlagen einer Strafzumessungsentscheidung sich zum Teil nicht mit der Genauigkeit und Vollständigkeit verschriftlichen lassen wie andere Merkmale strafrechtlicher Sachverhalte. Auf dieser Erkenntnis fußten die alten Lehren des Strafprozessrechts, die die Strafzumessung für eine Arbeit am "Tatsächlichen" gehalten und sie deshalb der "Domäne" des Tatrichters zugewiesen haben (vgl. noch Dreher, SJZ 1947, S. 562 <564>; Geerds, JZ 1968, S. 390 <393 f.>). Daran bleibt richtig, dass die Umstände, aus denen auf die Angemessenheit einer bestimmten Strafe zu schließen ist, nicht nur durch das Lesen von Texten, sondern auch aufgrund unmittelbarer Beobachtung erkennbar werden. Im Zentrum dieser Umstände steht die Person des Verurteilten, seine Vergangenheit und absehbare Zukunft, sein damaliges und jetziges Verhältnis zur Tat, seine Glaubwürdigkeit und seine Orientierung. Ohne eine treffende Würdigung dieser Umstände kann eine Strafzumessung weder hinsichtlich des Maßes der Schuld (§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB) noch hinsichtlich der Einschätzung künftiger Wirkungen der Strafe (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StGB) gelingen.
Diese tatsächlichen Grundlagen einer Strafzumessungsentscheidung sind einem Dritten, der sie nicht selbst unmittelbar beobachtet hat, nur unter Verlust von Informationen vermittelbar. Der Eindruck des Tatrichters, der die Strafe unter diesem Eindruck zuzumessen und zu verantworten hat, lässt sich dem Revisionsrichter nur unzureichend übermitteln. Dies ist einer der Gründe, warum das deutsche Strafprozessrecht die Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung nachdrücklich sichert (vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerfGE 63, 332 <337 f.>; BVerfGK 3, 27 <31 ff.>).
dd) Gleichwohl ist § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO nicht wegen Verstoßes gegen den Anspruch eines Angeklagten auf ein faires Verfahren verfassungswidrig und damit nichtig. Die Vorschrift lässt sich verfassungskonform auslegen und handhaben.
Der Respekt vor dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber verbietet es dem Bundesverfassungsgericht, eine gesetzliche Vorschrift aufzuheben, wenn diese durch Interpretation in den Grenzen des Grundgesetzes aufrechterhalten werden kann (BVerfGE 86, 288 <320>) und dabei ihren Sinn nicht verliert (BVerfGE 88, 203 <331>). Den Möglichkeiten verfassungskonformer Auslegung sind jedoch Grenzen gesetzt. Verfassungskonforme Auslegung ist dort nicht statthaft, wo sie zu dem Gesetzeswortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (vgl. u.a. BVerfGE 71, 81 <105>; 95, 64 <93>). Den Gerichten ist es verwehrt, im Wege der Auslegung einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz einen entgegengesetzten Sinn zu geben oder den normativen Gehalt einer Vorschrift grundlegend neu zu bestimmen (BVerfGE 90, 263 <275>). Eine solche Korrektur des Gesetzes würde nicht zuletzt Art. 100 Abs. 1 GG zuwiderlaufen, der die Autorität des parlamentarischen Gesetzgebers im Verhältnis zur Rechtsprechung wahren soll (BVerfGE 63, 131 <141>; 86, 71 <77>).
Verfassungskonform ist § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO ausgelegt, wenn die Kompetenz der Revisionsgerichte zu eigener Strafzumessung davon abhängt, dass ihnen für die Sachentscheidung ein zutreffend ermittelter, vollständiger und aktueller Strafzumessungssachverhalt zur Verfügung steht. Unter dieser Voraussetzung lässt sich die Strafzumessung nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO auch in der Revisionsinstanz verfassungskonform handhaben. Demgegenüber hat das Revisionsgericht von einer eigenen Entscheidung abzusehen und die Festsetzung der Rechtsfolgen dem Tatgericht zu überlassen, wenn ihm ein solcher Sachverhalt nicht vorliegt oder wenn nicht auszuschließen ist, dass die tatsächliche Grundlage der Strafzumessung unzureichend sein könnte.
Weder der Wortlaut der Bestimmung noch die Zielvorgaben, die der Gesetzgeber mit § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO verfolgt hat, stehen dieser einschränkenden Auslegung entgegen. Das Ziel des Gesetzgebers, durch die Erweiterung der Sachentscheidungsbefugnisse des Revisionsgerichts die Abwicklung von Strafverfahren unter Schonung justizieller Ressourcen zu beschleunigen (BTDrucks 15/3482, S. 21), wird durch sie nicht beeinträchtigt.
ee) Jedoch kann das Revisionsgericht auf Grund der Fehleranfälligkeit jeglicher Strafzumessung anhand eines vorinstanzlichen Urteils nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass ihm ein Sachverhalt zur Verfügung steht, der für eine fehlerfreie Strafzumessung hinreicht. Von Ausnahmen abgesehen, wird es sich deshalb über das Vorliegen einer vollständigen und verlässlichen Entscheidungsgrundlage Gewissheit verschaffen müssen. Dies kann nicht im Wege einer Beweisaufnahme geschehen; denn diese hat der Gesetzgeber für das Revisionsverfahren aus guten Gründen nicht vorgesehen. Die Möglichkeit, Beweise zu erheben, lässt sich auch nicht im Wege verfassungskonformer Interpretation in § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO hineinlesen. Eine Auslegung, die dem Revisionsgericht die Erhebung von Beweisen über strafzumessungsrelevante Tatsachen ermöglichen oder gar vorschreiben wollte, überschritte die Grenzen zulässiger Norminterpretation. Sie führte zu einer grundlegenden Neustrukturierung nicht nur der Norm, sondern des gesamten Revisionsverfahrens und stünde deshalb nicht mehr im Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers.
Das Revisionsgericht kann sich aber auf andere Weise als durch eine förmliche Beweisaufnahme über die tatsächliche Grundlage seiner Strafzumessung ins Bild setzen. Dies kann dadurch geschehen, dass das Gericht dem Angeklagten die Gelegenheit zur Stellungnahme im Revisionsverfahren einräumt. Erhält ein Angeklagter Kenntnis von einer beabsichtigten Entscheidung nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO, kann er - sofern er Einwände gegen eine solche Entscheidung hegt - die Möglichkeit ergreifen, gegen diese vorzutragen. Über einen möglicherweise unzureichenden oder nicht mehr aktuellen Strafzumessungssachverhalt würde das Revisionsgericht damit informiert (Frisch, StV 2006, S. 431 <435>).
Aus diesem Grund hat das Revisionsgericht den Angeklagten auf die aus seiner Sicht für eine Sachentscheidung nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO sprechenden Gründe hinzuweisen. Eines derartigen Hinweises bedarf es nur dann nicht, wenn - etwa wegen eines mit Gründen versehenen Antrags der Staatsanwaltschaft, auf den das Revisionsgericht seine Entscheidung stützen will - angenommen werden kann, dass der Angeklagte Kenntnis von einer im Raum stehenden Strafzumessungsentscheidung des Revisionsgerichts erlangt hat.
Die Pflicht, dem Angeklagten die Möglichkeit zu bieten, zu einer Sachentscheidung des Revisionsgerichts Stellung zu nehmen, ist mit den Beschränkungen, denen eine verfassungskonforme Auslegung unterworfen ist, vereinbar. Die Gesetzgebungsgeschichte spricht nicht gegen ein Gebot, den Angeklagten zu informieren und gegebenenfalls anzuhören. Zwar hat sich das zunächst vorgesehene Erfordernis eines Antrags der Revisionsstaatsanwaltschaft für eine Sachentscheidung nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO im fortschreitenden Gesetzgebungsverfahren verloren (vgl. demgegenüber noch die Fassung im Entwurf des Bundesrats zu einem Zweiten Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege, BTDrucks 13/4541, S. 7). Dies ist aber kein ausreichendes Indiz für eine Absicht des Gesetzgebers, den Angeklagten im Verfahren über eine beabsichtigte Strafzumessungsentscheidung des Revisionsgerichts im Unklaren zu lassen.
Auch das Ziel des Gesetzgebers, mit § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO das Strafverfahren zu beschleunigen, wird durch die Verpflichtung, dem Angeklagten die Möglichkeit der Stellungnahme zu geben, nicht in Frage gestellt. Das Informations- und Anhörungsverfahren muss kein mündliches sein. Das Revisionsgericht ist nicht gehalten, eine eigene Rechtsfolgenentscheidung nur nach Durchführung einer zeitintensiven Revisionshauptverhandlung zu treffen. Hinweis und Anhörung können - entsprechend der Möglichkeit des Revisionsgerichts, außerhalb einer Hauptverhandlung im Schriftwege durch Beschluss zu entscheiden - schriftlich erfolgen. Allerdings muss aus dem Hinweis für den Angeklagten deutlich werden, warum das Revisionsgericht der Auffassung ist, nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO verfahren zu können.
Unerlässlich werden insoweit konkrete Ausführungen zur "Angemessenheit" der Strafe trotz der im tatrichterlichen Urteil festgestellten Rechtsfolgenzumessungsfehler sein; denn nur dann ist gewährleistet, dass sich der Angeklagte umfassend verteidigen kann. Er kann zum einen rechtliche Gründe gegen eine Strafzumessungsentscheidung des Revisionsgerichts vorbringen, indem er mit Blick auf den vom Tatgericht begangenen Strafzumessungsfehler die Angemessenheit der aufrechtzuerhaltenden Strafe in Abrede stellt. Er kann aber auch gegen die Strafzumessungsgrundlage vortragen. Einwände, die der Angeklagte gegen die Richtigkeit und Aktualität des Strafzumessungssachverhalts erhebt, hat das Revisionsgericht zu berücksichtigen.
Dieser Verpflichtung kann nicht entgegengehalten werden, die Beschäftigung des Gerichts mit tatsächlichen Feststellungen sei dem deutschen Revisionsverfahren fremd. Zum einen hat das Revisionsgericht nicht förmlich Beweis zu erheben. In dem Verfahren über die Anhörung des Angeklagten vor einer Sachentscheidung nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO geht es um eine Plausibilitätsprüfung der abgegebenen Stellungnahme. Das Revisionsgericht wird zu entscheiden haben, ob stichhaltige Gründe vorliegen, die einer eigenen Strafzumessung im Wege stehen. Zum anderen verändert die Verpflichtung, dem Angeklagten Gelegenheit zur Äußerung zu geben, das Revisionsverfahren nicht weitergehend als dies bereits durch die Einführung einer Strafzumessungskompetenz der Revisionsgerichte geschehen ist. Weist man den Revisionsgerichten tatrichterliche Entscheidungsmöglichkeiten zu, so muss man ihnen entsprechende Verpflichtungen auferlegen. Anderenfalls hätten die Revisionsgerichte weiterreichende Strafzumessungskompetenzen als die Tatgerichte, was nicht zuletzt der Absicht des Gesetzgebers, mit § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO die Sachentscheidungsbefugnisse der Rechtsmittelgerichte nur "behutsam zu erweitern" (BTDrucks 15/3482, S. 22), widerspräche.
Die Anhörungsverpflichtung dient in angemessener Weise der Wahrung rechtlichen Gehörs. Die nachträgliche Anhörungsrüge kann als ein allein zur Korrektur vorgekommener Gehörsverstöße dienender Notbehelf die primäre Gewährung rechtlichen Gehörs nicht regelhaft ersetzen.
ff) Die Verpflichtung, dem Angeklagten ein konkretes Äußerungsrecht einzuräumen, ist nicht der einzige Aspekt, den die Revisionsgerichte beachten müssen, um § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO verfassungsgemäß zu handhaben. Macht das Revisionsgericht von der ihm in der genannten Vorschrift eingeräumten Strafzumessungskompetenz Gebrauch, muss es seine Entscheidung jedenfalls dann begründen, wenn sich aus den zu Grunde liegenden Feststellungen und Wertungen der Tatsachengerichte, einer etwaigen Stellungnahme der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten sowie eines möglichen Hinweises des Revisionsgerichts selbst die für die Strafzumessung relevanten Umstände und deren konkretes Gewicht nicht schon in einer Weise ergeben, die es dem Angeklagten ermöglicht, die Gründe für die Strafzumessung und damit die Wahrung des rechtsstaatlichen Gebots schuldangemessenen Strafens (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 86, 288 <313>; stRspr) nachzuvollziehen.
Ungeachtet des Grundsatzes, wonach letztinstanzliche Entscheidungen nicht begründet werden müssen (vgl. u.a. BVerfGE 50, 287 <289 f.>; Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Januar 1982 - 2 BvR 1506/81 -, NJW 1982, S. 925), ist in solchen Fällen angesichts des gerade in der Strafzumessung zum Ausdruck kommenden sozial-ethischen Unwerturteils über Tat und Täter (BVerfGE 96, 245 <249>) eine Begründung geboten. Da mit der Kompetenz zur Strafzumessung durch das Revisionsgericht eine Durchbrechung der strafprozessualen Maximen der Ummittelbarkeit und Mündlichkeit sowie des Verfahrens in öffentlicher Hauptverhandlung einhergeht, die auch der Sicherung der Akzeptanz staatlichen Strafens dienen, kommt dem Begründungserfordernis eine kompensatorische Bedeutung zu. Eine Strafzumessungsentscheidung des Revisionsgerichts, die auf bislang im Verfahren nicht oder wesentlich anders gewichteten Umständen beruht, dies aber nicht erkennen lässt, würde die allgemeinen Grundsätze eines rechtsstaatlichen und transparenten Strafverfahrens nicht hinreichend beachten und brächte die Gefahr mit sich, dass sich der Angeklagte als Objekt staatlichen Handelns empfindet und die Akzeptanz der Entscheidung leidet.
c) § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO verstößt nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
Dieses prozessuale Grundrecht schützt den Anspruch des Bürgers auf eine Entscheidung seiner Rechtssache durch den hierfür von Gesetzes wegen vorgesehenen Richter, indem es eine sachfremde Einflussnahme auf die rechtsprechenden Organe verbietet (BVerfGE 22, 254 <258>). Adressaten des Verbots sind neben der Exekutive auch die Judikative und die Legislative. Öffentlicher Gewalt und Rechtsprechung ist es untersagt, durch gezielte Eingriffe richterliche Zuständigkeiten zu verändern (BVerfGE 82, 286 <298 f.>).
Für den Gesetzgeber folgt aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG die Pflicht, Normen, die gerichtliche Zuständigkeiten bestimmen, so zu fassen, dass aus ihnen der im Einzelfall zuständige Richter möglichst eindeutig erkennbar wird (vgl. u.a. BVerfGE 6, 45 <50 f.>; 30, 149 <152 f.>; 95, 322 <327 ff.>). Dabei darf ein Gesetz, mit dem das zuständige Gericht bezeichnet wird, durchaus auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe verwenden, sofern es unzulässigen Einflüssen generell vorbeugen kann. Insbesondere muss es die Gewähr dafür bieten, dass die konkrete gerichtliche Entscheidung nicht durch eine gezielte Auswahl der Richter beeinflusst werden kann (vgl. BVerfGE 95, 322 <332>).
aa) Die Verfahrensgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wird - entgegen im Schrifttum vertretener Auffassung (Franke, a.a.O.) - nicht dadurch berührt, dass der Gesetzgeber mit § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO den Revisionsgerichten die Möglichkeit eingeräumt hat, im Wege einer wertenden Entscheidung abschließend über strafrechtliche Rechtsfolgen zu befinden.
Der Umstand, dass die Entscheidungen oberster Gerichtshöfe des Bundes und anderer letztinstanzlicher Rechtsmittelgerichte nicht mehr justiziabel sind, steht der Verlagerung tatrichterlicher Aufgaben auf diese Spruchkörper nicht entgegen. Weder Art. 19 Abs. 4 GG noch das allgemeine Rechtsstaatsprinzip gewährleisten einen Instanzenzug und damit eine Überprüfung gerichtlicher Tatsachenentscheidungen (BVerfGE 87, 48 <61> m.w.N.; stRspr).
bb) Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist auch nicht deshalb verletzt, weil § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO dem Revisionsgericht das freie Ermessen einräumt, bei von ihm so eingeschätzter Angemessenheit der Rechtsfolge selbst zu entscheiden oder das Verfahren an ein Tatgericht zurückzuverweisen. Zwar kollidiert eine Vorschrift, die bei konkurrierenden Gerichtsständen die Festlegung der richterlichen Zuständigkeit in die Hände eines der als zuständig in Betracht kommenden Gerichte oder gar in die Hände anderer Justizbehörden legt, im Regelfall mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (BVerfGE 22, 254 <260>). Jedoch gilt dieser Grundsatz nicht ausnahmslos. Übergeordnete rechtliche Interessen können es gebieten, die Bestimmung des zuständigen Gerichts an Stelle des Gesetzgebers einem Organ der Rechtspflege zu überlassen.
Anerkannt hat das Bundesverfassungsgericht einen solchen Ausnahmefall für § 354 Abs. 2 StPO. Die Vorschrift erlaubt es dem Revisionsgericht, das Strafverfahren nach Aufhebung des angefochtenen Urteils - sofern es sich nicht um ein oberlandesgerichtliches Erkenntnis handelt - an jedes gleichgeordnete Gericht desselben Landes zurückzuverweisen. Diese Wahlbefugnis ist hinzunehmen, da nur sie es dem Revisionsgericht gestattet, seinen gesetzlichen Auftrag, für eine materiell gerechte Endentscheidung im Strafverfahren zu sorgen, zu erfüllen. Das Revisionsgericht muss die Möglichkeit besitzen, unter mehreren Gerichten dasjenige auszuwählen, das die größte Gewähr für eine sorgfältige Beachtung der obergerichtlichen Rechtsauffassung bietet (BVerfGE 20, 336 <345 f.>).
Aus ähnlichen Erwägungen steht auch § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in Einklang. Dem verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Recht, das für die abschließende Entscheidung im Strafverfahren zuständige Gericht zu bestimmen, entspricht das Recht des Revisionsgerichts, sich selbst für zuständig zu erklären. Die Bestimmung dient der Prozessökonomie und zielt damit auf die Erhaltung der Fähigkeit der Strafrechtspflege zu sowohl materiell gerechten als auch zeitgerechten Entscheidungen.
II.
1. Der Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 25. Juli 2005 ist aufzuheben, weil er dem verfassungskonform ausgelegten § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO nicht gerecht wird. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung nicht ausreichend begründet und damit den aus dem Rechtsstaatsgebot in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG folgenden Anspruch des Beschwerdeführers zu 1. auf ein faires Verfahren verletzt.
Der Beschwerdeführer hat im Revisionsverfahren umfangreich gegen die von der Generalstaatsanwaltschaft beantragte Anwendung des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO vorgetragen. Mit diesem Vorbringen hat sich das Oberlandesgericht in seinem angegriffenen Beschluss nicht auseinandergesetzt. Auch die Gründe des auf die Gegenvorstellung hin ergangenen Beschlusses und die Ausführungen in der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft vermögen die Sachentscheidung des Revisionsgerichts nicht nachvollziehbar zu tragen.
Generalstaatsanwaltschaft und Oberlandesgericht haben es dort bei einem pauschalen, nicht näher ausgeführten Bezug auf das "verwirklichte Tatunrecht" und die "gravierenden Tatfolgen" belassen. Hier hätte es näherer Darlegungen dazu bedurft, warum diese Faktoren trotz einer erheblichen Änderung des Schuldvorwurfs im Revisionsverfahren zu Gunsten des Beschwerdeführers geeignet gewesen sein sollen, die vom Tatgericht verhängte Strafe zu rechtfertigen. Dies gilt umso mehr, als sich gerade der Umfang des Tatvorwurfs durch den Wechsel der Schuldform im Revisionsverfahren verändert hat und die erheblichen Tatfolgen bereits vom Tatgericht bei der Strafzumessung erschwerend berücksichtigt worden waren, gleichwohl aus dessen Sicht aber nur im Verbund mit bewusster Fahrlässigkeit eine nicht zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von zwei Jahren gerechtfertigt haben.
Ob die Entscheidung des Oberlandesgerichts den Beschwerdeführer in weiteren Grundrechten verletzt, bedarf angesichts des festgestellten Verfassungsverstoßes keiner weiteren Erörterung.
2. Ob der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 2. Dezember 2004 den Beschwerdeführer zu 2. in seinem Anspruch auf ein faires Verfahren verletzt, kann der Senat anhand des Beschwerdevorbringens nicht feststellen. Die Gründe der angefochtenen Entscheidung deuten lediglich darauf hin, dass eine Anwendung des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO durch den Generalbundesanwalt nicht beantragt wurde und der Bundesgerichtshof keinen entsprechenden Hinweis gegeben hat. Letztlich bedarf die Frage einer Verletzung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren aber keiner Klärung. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs verletzt den Beschwerdeführer jedenfalls in seinem Verfahrensgrundrecht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
Der Bundesgerichtshof hat nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO entschieden, obwohl die Voraussetzungen für eine Anwendung dieser Norm nicht vorgelegen haben. Durch diese Annahme eigener Zuständigkeit wurde dem Beschwerdeführer der gesetzliche Richter entzogen.
Der Bundesgerichtshof hat § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO angewendet, obwohl nicht lediglich eine Gesetzesverletzung bei Zumessung der Rechtsfolgen vorgelegen hat. Der Strafsenat sah sich zugleich zu einer Korrektur des Schuldspruchs wegen einer über § 154 a Abs. 2 StPO vorgenommenen Beschränkung des Tatvorwurfs veranlasst.
Mit dem Wortlaut des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO ist dieses Vorgehen nicht zu vereinbaren. Die Bestimmung lässt ihre Anwendung "nur" bei einer Gesetzesverletzung anlässlich der Zumessung der Rechtsfolgen zu. Dies schließt eine Strafzumessungsentscheidung des Revisionsgerichts aus, wenn zugleich eine Neuentscheidung über einen - fehlerhaften - Schuldspruch erfolgen muss.
Der Argumentation des Generalbundesanwalts, wonach der Wortlaut des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO eine Strafzumessungsentscheidung auch im Zusammenhang mit einer Schuldspruchberichtigung erlaube, ist nicht zu folgen. Beruht ein fehlerhafter Rechtsfolgenausspruch auf einem Fehler im Schuldspruch, so liegt gerade keine nur die Rechtsfolgenzumessung betreffende Gesetzesverletzung vor.
Nun zieht aber der Wortlaut des Gesetzes im Strafprozessrecht - anders als im materiellen Strafrecht - keine starre Auslegungsgrenze. Obwohl auch im Verfahrensrecht Gründe eines aus Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitenden Vertrauensschutzes für eine strikt am Gesetzeswortlaut angelehnte Auslegung sprechen (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Oktober 2004 - 2 BvR 1316/04 -, NJW 2005, S. 352 <353>), ist im Prozessrecht mehr Raum für eine an teleologischen Gesichtspunkten ausgerichtete Norminterpretation. Eine solche Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, ihren Widerhall nicht im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder - bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke - stillschweigend gebilligt wird, greift aber unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein.
Die Materialien zu § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO lassen nicht erkennen, dass der Gesetzgeber § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO bei gleichzeitiger Schuldspruchkorrektur zur Anwendung bringen wollte. Das von ihm ausgedrückte Ziel, mit dieser Vorschrift "die bisherigen Sachentscheidungsbefugnisse der Revisionsgerichte behutsam zu erweitern" (BTDrucks 15/3482, S. 22), ist keine tragfähige Grundlage für eine solche Auslegung. Zwar gehörten vor Einführung des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO Schuldspruchkorrekturen nach § 354 Abs. 1 StPO "analog" zum Entscheidungsrepertoire der Revisionsgerichte. Die Sachentscheidungskompetenz der Revisionsgerichte in geringem Umfang erweitern zu wollen, ist aber keine gesetzgeberische Absichtserklärung, der die Befürwortung einer Koppelung dieser Rechtsprechung mit einer Anwendung des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO entnommen werden könnte. Denn die Verbindung von Schuldspruchkorrektur und Rechtsfolgenzumessung erweitert die Kompetenz der Revisionsgerichte nicht nur "behutsam" (Ignor, Festschrift für Hans Dahs, Köln 2005, S. 281 <308>). In der Kombination von Schuldspruchberichtigung und Prüfung der Angemessenheit der verhängten Strafe erhalten die Revisionsgerichte vielmehr umfassende Möglichkeiten, an Stelle des Tatgerichts selbst in der Sache zu entscheiden.
Auch wenn es nicht ohne Weiteres einleuchten mag, dass der Gesetzgeber in dem Bestreben, das Strafverfahren durch Strafzumessungsentscheidungen der Revisionsgerichte zu beschleunigen, bei seiner Neuregelung die in der revisionsrechtlichen Praxis häufig vorkommenden Fälle außer Acht gelassen hat, in denen der Rechtsfolgenausspruch eines Urteils wegen eines Fehlers schon im Schuldspruch und nicht erst bei der Zumessung der Rechtsfolgen korrekturbedürftig wird, darf der Rechtsanwender sich im gewaltenteilenden Rechtsstaat nicht über den klaren Wortlaut eines Gesetzes hinwegsetzen, um einem vermuteten Ziel des Gesetzgebers Wirkung zu verschaffen.
Ende der Entscheidung
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